Sonntag, 20. März 2016

Bomben im sicheren Herkunftsland

Ein bisschen Platz ist noch für neue Gedenkkreuze am Hintereingang des Bundestages.
Kein Tag ohne Tote, kein Tag ohne Sprengstoffattentate, Bomben auf Unschuldige, Polizeiwillkür, angebliche Antiterroreinsätze gegen Freiheitskämpfer und Schusswechsel mitten in gerade noch belebten Innenstädter. Die Türkei, Europas Abschiebbahnhof für "irreguläre Flüchtlinge" (Juncker) aus den Kriegs- und Elendsgebieten der Welt, rutscht auch nach dem Abschluss des Vertrages zu einer gemeinsamen europäischen Endlösung der Flüchtlingsfrage durch konsequentes Problemoutsourcing nach Ankara weiter in Richtung Bürgerkrieg. Wieder eine Selbstmordbomber, wieder Tote. Wieder wächst die Unsicherheit.

Deutsche Korrespondenten haben das Land verlassen, die Bundeswehr ist ebenfalls abgezogen. Reiseveranstalter berichten von einbrechenden Buchungszahlen, deutsche Urlauber haben Angst vor Reisen in das ehemals so beliebte Nato-Partnerland.

Der rechtlich ohnehin fragwürdige Deal der EU-Granden mit dem türkischen Diktator Erdogan zur Abnahme einer unbegrenzten Menge Flüchtender im Tausch gegen 72.000 Syrer, sechs Milliarden Euro, Visafreiheit für Türken und eine Wiederaufnahme von EU-Beitrittsgesprächen gerät damit ins Wankeln. Dürfen europäische Institutionen Flüchtlinge in ein Land zurückschicken, in dem die innere Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist? Müssen sie nicht ganz im Gegenteil alle Tore auf machen, um Menschen, die von dort zu entkommen suchen, Geborgenheit zu geben?

Die seit Monaten vor allem von Deutschland ausgestellte Bilderbuchmoral, nach der die ganze Welt am deutschen Beispiel genesen soll, trifft brachial auf eine Realität, in der ein gutes Beispiel zum Opfer wird. Standhaft bleiben bedeutet für Angela Merkel den absehbaren Machtverlust. Einknicken aber darf sie auch nicht, denn das wäre gleichbedeutend mit einem Verlust von Glaubwürdigkeit. Und bedeutete Machtverlust.

Deshalb die Vereinbarung, die das individuelle Recht auf Asyl zugunsten einer Rampenlösung aushebelt. Eine Vereinbarung, die alle Lasten Griechenland aufhalst, das die jetzt beschlossenen Rückweisungen in die Türkei nach bisher geltender Rechtslage schon an jeden einzelnen Tag im vergangenen Jahr hätte veranlassen können. Eine Vereinbarung, die die von Merkel standhaft verweigerte Obergrenze einfach europaweit zieht - auf 72.000 Menschen, die ausschließlich Syrer sein sollen. Zum Vergleich: Im Februar kamen allein Deutschland 117.000 Menschen an.

Was wird, wenn der 72.001 an die Tür klopft? Ein neuer Flüchtlingsgipfel sicher. Was wird, wenn ein Gericht die Genfer Flüchtlingskonvention durch den Abschiebevertrag ausgehebelt sieht? Ein Flüchtlingsgipfel auf jeden Fall. Ebenso, wenn Richter die EU-Grundrechte-Charta oder das Grundrecht auf Asyl durch die neuen Regelungen als verletzt betrachten. Oder wenn Türken ab Sommer beginnen, die gewährte Visafreiheit zu nutzen, um sich ein neues Leben in einem Land aufzubauen, das nicht schleichend islamisiert, von Selbstmordattentäter heimgesucht, von Zensoren überwacht und nur noch mit Bajonetten befriedet werden kann?


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