Montag, 23. Juli 2018

Achse des Bösen: Deutschland und Ungarn am EU-Pranger

Irgendetwas ist da schiefgelaufen, irgendwo muss es ein Weiterleitungsleck, einen unerklärlichen Informationsverlust, ein Loch in der Kommunikation gegeben haben. Mit erstaunlichem Ergebnis: Obwohl die EU-Kommission angekündigt hat, Deutschland und Ungarn wegen unvollständiger Einhaltung des dritten Energiepakets vor dem Gerichtshof der Europäischen Union verklagen zu wollen, verzichten die großen Gazetten darauf, in ihrer Wiedergabe der angekündigten Klage zu erwähnen, dass nicht nur Deutschland, sondern auch Ungarn wegen nicht eingehaltener Zusagen bei der Umsetzung des sogenannten "dritten Energiepakets" ins Visier der Kommission gerückt ist.

Verwunderlich, denn Ungarn gilt der deutschen Spitzenpolitik wie den deutschen Medien als eine Art Reich des Bösen mitten in der EU. Ruft die EU-Kommission die Regierung von Victor Orban zur Ordnung, gibt das für gewöhnlich Schlagzeilen, die nicht zu übersehen sind.

Nur in diesem Fall nicht. Spürbar rücksichtsvoll verzichten sämtliche 412 Redaktionen darauf, die krude deutsch-ungarische Allianz der Verletzer der EU-Vorgaben zum Wettbewerb an den Energiemärkten zu erwähnen. Stattdessen wird fein säuberlich getrennt, was die EU-Kommission selbst in einer Pressemitteilung doch so liebevoll zusammengefügt hatte: Zwei Mitgliedsstaaten, die das dritte Energiepaket - bestehend aus der Elektrizitätsrichtlinie 2009/72/EG, der Erdgasrichtlinie 2009/73/EG, der Elektrizitätsverordnung (EG) Nr. 714/2009, der Erdgasverordnung (EG) Nr. 715/2009 und der Verordnung über die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (EG) Nr. 713/2009 - seit fast zehn Jahren missachten. Und damit, so die Kommission, das reibungsloses Funktionieren der Energiemärkte zugunsten der Verbraucher verhindern.

Liegt es daran, dass EU-Vorschriften mittlerweile in einem Maße ignoriert werden, dass die Brüsseler Chefetage kaum noch mit dem Mahnen und Klagen hinterherkommt? Was naturgemäß dazu führt, dass von den allein im Juli von der EU-Kommission beschlossenen 171 Klagen, Klageandrohungen, Mahnungen - mehr als fünf pro Tag - kaum etwas in deutschen Medien ankommt. Oder verdankt sich die selektive Weitergabe der offiziellen Informationen über EU-Vertragsverletzungsverfahren Nützlichkeitserwägungen und Schutzbedürfnissen der Bundesregierung, die natürlich keinesfalls mit dem unmenschlichen Orban-System auf einer Anklagebank Platz nehmen möchte?


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