Mittwoch, 29. März 2023

Klimakoalition: Nachwachsende Neustarts

Ein Neustart für das Weltklima. Den Moment der Verkündigung der Fortführung des Kampfes um das 1,5-Grad-Ziel hat der Maler Kümram in einem zarten Frühlingston festgehalten.

Tagelang. Nächtelang. Nur kurz unterbrochen von einem Mittagsflug nach Brüssel, um Pflöcke einzuschalten. Dann zurück auf die Berliner Baustelle. Die Welt wartet nicht. Die Löcher in der Bundesheizungsstrategie mussten verdübelt, die Kriegsanstrengungen dauerhaft in den Etat eingebettet, Bahn musste mit Straße versöhnt und das Kindergehalt durchfinanziert werden, ohne an Rente und Pflege zu sparen, denen viel mehr Respekt zukommen muss in Zukunft.  

Der Ruck als Rückchen

Als Fortschrittskoalition waren SPD, Grüne und FDP angetreten, Deutschland den Ruck zu verpassen, den der damalige Bundespräsident Roman Herzog vor einem Vierteljahrhundert gefordert hatte. Anderthalb Jahre später, gefüllt mit einem Krieg und einer Ausrufung des Klimaschutzes als Aufgabe an die Nation, die Welt zu retten, war die Zeitenwende im Zank versandet: Der Kanzler unsichtbar, seine beiden Nebenkönige mit Hirsche mit den Geweihen verhakt. Draußen im Land verstand niemand mehr, worüber Robert Habeck und Christian Lindner uneins waren.

Nach den Siegesfanfaren aus der Koalitionsrunde weiß nun allerdings auch niemand mehr, worauf sie sich geeinigt haben. "Sehr, sehr, sehr gut" seien die Ergebnisse, hatte Olaf Scholz vorab schon in leichter Sprache angekündigt und fiebrige Erwartung machte sich bei den Bürgerinnen und Bürgern breit, die noch versuchen, auf Ballhöhe zum Berliner Spiel zu bleiben. Als dann endlich die Frau und die beiden Männer ins Scheinwerferlicht traten, denen die Deutschen ihr Wohl und Wehe in die Hände gelegt haben, rollte eine La-Ola-Welle aus Achselzucken über Stadt und Land.

Neustart Nummer 4

Ja, also. Neustart. Durchbruch. Zusammengerauft. Wegweisend. Jetzt geeehts lohooos! Der gespielte Optimismus der Koalitionsspitzen angesichts des mittlerweile dritten Neustarts kontrastiert angenehm mit der Enttäuschung selbst bei den Staats- und Parteimedien, die ja beständig auf Revolutionen hoffen, das Kind immer am liebsten mit dem Bade ausschütten und überhaupt für jede radikale Lösung schnell zu begeistern sind. Davon gibt es hier nun nichts zu sehen. Wie schon während der legendären Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 einigten sich die Führungen von SPD, Grünen und FDP einfach darauf, jeden zu geben, was er sich wünscht. Und alles andere in wolkigen Formulierungen dazuzuschreiben.

Eine Einigung in der Mitte, aber auch am Rand und sonst überall. Es gibt mehr von allem und weniger zugleich, es werden Regeln abgeschafft und neue sollen erlassen werden, Heizungen dürfen weiterlaufen, was sie allen vorherigen Bekundungen zufolge ohnehin hätten tun dürfen. Sie werden nun aber schnell ausgetauscht werden, nur nicht sofort, aber gleich. Der Handwerker darf weiter mit dem Diesel kommen, wird aber gebeten E-Fuels zu tanken. Der Rest wird sektorübergreifend mit neugedämmten Behörden und vermiedenen Kanzlerreisen nach Übersee verrechnet. Reicht das alles nicht, will die Ampel mit Partnerstaaten in Afrika ins Geschäft kommen: Im Gegenzug zu Wasserstofflieferungen würden sogenannte duale dirt permissions mit deutschen Anstrengungen zur Bekämpfung von Fluchtursachen ausgeglichen.

Ein Neustart für die ganze Welt

Fakt ist, dass neue Gasheizungen verboten bleiben, allerdings nur, solange es sich um kleine Klimaschleudern handelt. Als Ersatz für notwendige Investitionen in Wind, Sonne und Wasserkraft lässt die Ampel Erdgas weiterhin gelten, möglichst mit mindestens 65 Prozent nachwachsender Neubauten, um die Mieten in den Griff zu bekommen. Bei allen Anstrengungen werden die Ingenieure und Verfahrenstechniker in der Bundesregierung ab sofort auf Technologieoffenheit achten  - niemand soll sein kleines Häuschen ohne guten Grund verlieren oder beim Kauf des neuen 49-Euro-Tickets das Gefühl haben, nicht auch Züge benutzen zu dürfen, die von Dieselloks gezogen werden.

Es ist am guten Ende ein großer Sieg für die Demokratie: Die Ampel legt ihren Streit durch eine Einigung auf alles bei, die einfachen Menschen draußen in den Städten und Gemeinden schöpfen Mut, dass die Klimaziele doch noch erreicht werden können, und legen ihre Konsumzurückhaltung allmählich ab. Es wird wieder gereist, Mannschaft und Fans rücken zusammen, man singt die Hymne und weiß zwar, dass schon die nächste Klimakonferenz  neue Hausaufgaben mit sich bringen wird. Doch sicher ist nun: Diese bunte Truppe da in Berlin, sie wird das deutsche Staatsschiff sicher durch die eigenen Ohnmachtsanfälle steuern, so lange im anderen Fall der Machtverlust droht.


5 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Was mir beim Betrachten der Dame in der Mitte immer wieder spontan einfällt: It ain't over until the fat lady sings!

Anonym hat gesagt…

Wird Zeit für die neue Einheitspartei (natürlich ohne die blauen Nazis). Das würde diese Koalitionsgewürge abkürzen.

Anonym hat gesagt…

ohne die blauen Nazis ...

Welche eine geniale Schöpfung der SPCDUSED-Allparteienkoalition darstellen. (Das A ... h Gauland war vierzig Sonnen in der "CDU" unterwegs.)
Ohne diese hätten sogar DIESE Spießerlein Rabatz gemacht (wenn auch erfolglos).

Jodel hat gesagt…

Am Besten unter all den getroffenen Entscheidungen finde ich ja, dass unsere Autobahnen in Zukunft als Windparkallee mit Solardach gebaut werden. Das wird hübsch anzusehen sein. Endlich wurde einmal ein Punkt angegangen, der mir schon so lange schwer auf der Seele lag.

Natürlich wird, wie jedes Mal, der Neustart mit einer klitzekleinen Steuererhöhung garniert. Die Belastung der Bürger kann nie groß genug sein. In Zeiten leerer Taschen und kommender Wirtschaftskrise wichtiges und richtiges Signal. Selbstverständlich heißt die Steuererhöhung nicht Steuererhöhung, sondern Anpassung der LKW-Maut. Hier konnte sich die FDP zum Glück durchsetzen. Es bleibt daher dabei, mit uns keine Steuererhöhung.

Insgesamt kann man sagen, dass eine grandiose Vereinbarung getroffen worden ist. Da freut man sich doch auf den sicher bald kommenden vierten Neustart der Koalition. Wir werden wirklich von den Besten regiert, die wir haben.

Anonym hat gesagt…

Läuft. Es werden unerfüllbare Forderungen aufgestellt, die werden dann mittels fauler Kompromisse zurückgefahren, und pffffft - erleichtert aufseufz - so schlimm ist es ja gar nicht gekommen ...