Montag, 26. Juni 2023

Schockwellen aus Sonneberg: Wenn Rechte nach der Macht greifen

Es braucht aufrüttelnde Titelbilder, um im Osten aufzuklären.

Tief im Wald und tiefbraun: Eine vorgezogene Bundestagswahl im winzigen ostdeutschen Landkreis Sonneberg hat deutschlandweit ein Zeichen für den seit langem beklagten Rechtsrutsch im Land gesetzt. Mit Robert Sesselmann zieht erstmals ein Kandidat der in Teilen als gesichert rechtsextremistisch vom Verfassungsschutz beobachteten AfD als Chef in ein deutsches Landratsamt ein. Schockwellen rollen durch die Republik, die das Desaster zwar hat kommen sehen, bis zuletzt aber an die Einsicht der Wahlberechtigten im Zipfel zwischen Schalkau, Mittwitz und Pressig glauben wollten. Dreieinhalb Jahre nach den seinerzeit von der Bundeskanzlerin noch selbst rückgängig gemachten Landtagswahlergebnissen in Thüringen würden die Wähler im kleinsten Landkreis es nicht wagen, schon wieder undemokratisch zu wählen, so die Hoffnung im politischen Berlin.

Ein Analyse von PPQ-Kolumnistin Svenja  Prantl.

Svenja Prantl.
Wie ein Mann, ja, wie eine Brandmauer standen die demokratischen Parteien zusammen gegen die populistische Versuchung. Von Linkspartei bis Liberalen riefen alle zur Wahl des CDU-Kandidaten Jürgen Köpper auf, einem im Alltagsgeschäft des Krisenkreises seit vier Jahren gestählten Kommunalpolitiker, der einen der dynamischsten Wirtschaftsräume Deutschlands gern weiter hätte prosperieren lassen. 33 Jahre nach dem Ende der DDR liegt die Arbeitslosenquote hier bei nur noch 5,1 Prozent, weil es gelungen ist, echte von falschen und andere von bestimmten Arbeitslosen trennscharf zu separieren. Von der noch kurz vor dem Stichwahlgang ausgelobten Mindestlohnerhöhung auf 14 Euro hätten hier zudem sagenhafte 44Prozent der Nocharbeitenden profitiert.

Nun natürlich nicht mehr. Die Sonneberger, ein  Stamm, der sich selbst für fränkisch hält, in den Jahren der deutschen Teilung aber mit den ihm wesensfremden Thüringern zusammen in der DDR eingesperrt war, hatten ihre Chance. Doch ihnen fehlte ganz offensichtlich das Einsehen: Wie gewünscht erschienen zwar noch einmal mehr von ihnen zum zweiten Wahlgang an den Urnen. Wie bereits vorab befürchtet kamen die meisten von ihnen aber nicht, um einen Wahl-, sondern um einen Denkzettel für Diedainberlin auszufüllen.

Tiefpunkt der Politik

Das Ergebnis ist nun ein "Tiefpunkt unserer Politik seit dem dem Fall der Mauer", wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nur Minuten nach der Verkündigung des Wahlergebnisse bei Twitter analyseierte. Die klare Trennung "seit dem dem Fall der Mauer" ist wichtig: In der alten Bundesrepublik besetzten Nazis reihenweise Schlüsselposten, sie waren Landräte, Bürgermeister und Abgeordnete. Das geht nun aber nicht mehr, schon allein aus Altersgründen. Umso gefährlicher, dass Leute wie Sesselmann nachrücken. Leute, die ihr Studium der Finanzierung durch den deutschen Steuerzahler verdanken, sich dafür aber nicht dankbar zeigen, sondern jede Gelegenheit nutzen, um gegen den Staat, dem sie freiwillig beigetreten sind, zu rebellieren.

Was ist das für ein Benehmen? Was zeigt sich da für eine Haltung? Was ist in Schule und Ausbildung falsch gelaufen bei diesen Menschen, die auf Besuchende auf den ersten Blick nicht einmal unheimlich oder feindlich wirken. Dann aber in einem unbeobachteten Moment ihr Kreuzchen dort machen, wo es Millionen und Abermillionen anderen weh tut? Nein, es ist kein Dammbruch, was da in der dunkelsten Ecke Thüringens geschehen ist, eines Bundeslandes, das wie Sachsen und Sachsen-Anhalt selbst insgesamt als düsterste Gruft begrabener Hoffnungen gilt.

Der Name ist der reine Hohn

In Sonneberg, schon der Name scheint inzwischen der reine Hohn, zeigt sich das Ergebnis der mangelhaften Arbeit mit und an den Menschen über viele, viele Jahre: Die Normalisierung der Täter bis in die von der Gemeinschaft solidarisch finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender. Die Verharmlosung rechtsextremen Gedankenguts und die Übernahme rechter Propagandaparolen. Das Mitspielen im dreckigen Spiel um höhere Mauern, Grenzschließungen, Abschottung und das Übernehmen von Forderungen gegen den angeblichen "Genderismus" und das Sternchensprechen, wie es Sofalinke und der Bionadeadel durchsetzen wollen.

Das Umfallen der Ampel bei der Entscheidung über die Wärmepumpenpflicht war vielleicht der Nagel zum Sarg einer Entwicklung, die sich auf einen guten Weg begeben hatte. So flott wie noch keine Bundesregierung vor ihr hatte das rot-grün-gelbe Kabinett sich darangemacht, das Land von Grund auf neu durchzuregulieren: Neue Heizungen, neues Essen, neue Werberegeln, Rückbau der umweltschädlichen Industrien, Wärmeplan und Hitzeschutz - beinahe wäre es gelungen, das alles umzusetzen, ohne dass es jemand bemerkt.

Die Nerven verloren

Die Nerven verloren zu haben, als das erste bisschen Gegenwind aufkam, als die großen Gazetten sich gegen ihre eigenen Leute wandten und die Helden zu Tölpeln erklärten, das müssen Scholz, Habeck, Lindner und Baerbock sich selbst vorwerfen. Sie opferten damit das Wohl der Menschheit den Partikularinteressen einer kleinen, durchweg einheimischen Bevölkerungsgruppe. Sie opferten damit aber auch das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Kräften des Bösen und den Mächten des Lichts, wie Karl Lauterbach direkt nach dem Bekanntwerden des Erdergebnisses aus Sonneberg einräumen musste. "Die Bevölkerung  muss besser mitgenommen werden auf dem Weg zu Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit", stellte der Gesundheitsminister ein Rezept zur Behandlung der AfD-Anfälligkeit aus. 

Die alternativlosen eigenen Entscheidungen, die notwendigen Beschlüsse und unerlässlichen Maßnahmen mehr zu erklären, die Leute dort abzuholen, wo sie sind, und sei es eben in Sonneberg, ohne zuzulassen, dass die abgehängten Regionen Faschos in Rathäuser und Landkreisämter wählen, um ihrem Unmut Luft zu machen, das ist die Perspektive. Es müsse Schluss mit Lustig sein, mit Akzeptanz und Toleranz für Wahlentscheidungen, die gegen alles steht, was man selbst glaubt, hat der frühere SPD-Politiker Ralf Stegner zum Endkampf gegen Sonneberg aufgerufen: "Mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache machen? Für Demokraten niemals, nirgendwo und aus keinem Grund!" Wer überhaupt noch "einen Funken Anstand" habe, zitierte Stegner Thüringens AfD-Chef Bjön Höcke, der wiederum Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels zitiert hatte, wähle keine "Demokratiefeinde, Rassisten, Antisemiten, Nationalisten von der AfD".


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Fragolin

Hat Merkel eigentlich schon in Sonneberg angerufen? Wenn nicht, sind wahrscheinlich bereits Antifa-Rollkommandos unterwegs und beginnen mit ihrer Wahlwerbung für die AfD auch in anderen Wahlkreisen.

http://lepenseur-lepenseur.blogspot.com/2023/06/funoten-zum-montag_01668940027.html

Anonym hat gesagt…

Wenn sich sogar der Gesundheitsminister dazu äußert, dann steht es wirklich schlimm, denn der meldet sich ja nur zu Wort, wenn es wirklich schlimm steht.

Da ich das Twitter des antidemokratischen Hetznazikapitalisten Musk nicht nutze, bekomme ich davon wenig mit. Da entgehen mir aber eben auch solche Fotokunstwerke:
https://twitter.com/HamidaKhatip/status/1673031211302748163/photo/1

Jodel hat gesagt…

Es ist nur zum Fremdschämen, wie sich unsere polit-mediale Elite gebärdet. Wenn es gegen die Richtigen geht, kann man getrost jeden Anstand und Sitte fallen lassen.

Ich hoffe Herr Sesselmann hat ein dickes Fell. Auf ihn kommt sicher keine einfache Amtszeit zu. Eine Presse und Altparteien die alles unternehmen werden um ihn abzusägen. Ein Kreistag der sicher jede Zusammenarbeit verweigern wird, wegen Brandmauer und Selbstschutz. Eine Antifa, die sicher auch gerne ein wenig Handarbeit verrichten wird, um der guten Demokratie wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Wie die Mitarbeiter im Landratsamt den neuen Chef annehmen werden, bleibt abzuwarten. Nach dieser Propagandaschlaft erwarte ich hier aber auch nichts gutes.

Eigentlich müsste der gute Mann unter Polizeischutz gestellt werden, bei den ganzen Anfeindungen. Wir sind wirklich weit gekommen, im Besten Deutschland aller Zeiten.

Anonym hat gesagt…

OT (Bei Danisch)

Uber Passenger Who Mistakenly Thought She Was Being Kidnapped Shoots Driver, Is Charged with Murder ...

"Über den physiologischen Schwachsinn des Ne...weibes" - steht noch aus.

Anonym hat gesagt…

>"Über den physiologischen Schwachsinn des Ne...weibes" - steht noch aus.

Ein Satz:
>>white people should get the hell away from Black people<<
Scott Adams, 2023

S. Adams hat auch seinen Irrtum in Bezug auf den Covid-Hoax so einigermaßen eingestanden.

Anonym hat gesagt…

Habe eben mal nach Scott Adams gegurgelt - hübsch interessant, hübsch aufschlußreich.
Wir Europiden sollten wirklich das Gezänke untereinander auf nach dem Endsieg vertagen, wir sind derzeit noch acht von einhundert, wenn überhaupt.

Anonym hat gesagt…

Wir Europiden - vor so zwei - drei Wochen, traditionelle Wanderung im Sudetengau, manchmal auch im Protektorat - also ich bestelle, der Ohnmacht nahe, ausgetrocknet wie eine Backpflaume, am Bahnhof Tanvald gleich zwei Svishanije - war schöner als Ejakulieren (Epikur-Effekt) - der Böhme, der das Pivo zapft, zeigt freudig erregt auf meinen Thorshammer - und holt dann das Symbol der schwarzen Sonne aus dem Latz. Das erlabt einen doch. Mehr als Pivo.