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Sie hätten ihn am liebsten in die Illegalität verdrängt: Der Hass, eine der grundlegenden Emotionen, über die jeder Mensch verfügt, geriet im Zuge der Aufrüstung der Gesellschaft gegen ihre inneren Feinde unter den Verdacht, den Zusammenhalt in der Zivilgesellschaft zu beschädigen. Das Gefühl, das seit Jahrtausenden tief im Inneren des Einzelnen entsteht, unwillkürlich, unkontrolliert und unter zivilisierten Umständen nur eingehegt von Anstand, Erziehung und allgemeinen Gesetzen, wurde zur Zielscheibe umfassender Regulierungsbemühungen.
Mit Bademantel im Bett
Ein "Kampf gegen Hass" wurde ausgerufen, Polizei und Staatsanwaltschaften holten Menschen, die unter Hassverdacht standen, frühmorgens aus ihren Betten. Auf dem Wege der Gleichstellung von Wort und Tat erlangten sogenannte "Äußerungsdelikte" das Gewicht von tatsächlichen Straftaten. Wer etwas sagt, der tut es auch, verkündeten führende Sicherheitspolitiker das neue Dogma von der "verbalen Gewalt", die sich in ihrer brutalsten Form als Politikerbeleidigung zeigte.
Das "Schwachkopf"-Meme war die moderne Art des Attentats. Der "Aktionstag gegen Hasspostings im Internet" das staatlich Erziehungsangebot an alle, die "den Unterschied zwischen Hass und Meinung verlernt" hätten, wie der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul in einer umfassenden Neuinterpretation des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung mitteilen ließ. Hassenden drohte Strafverfolgung. Nachahmer sollten durch strafprozessuale Maßnahmen abgeschreckt werden.
Hass aus der Palette
Das Ziel war es, den Hass aus der Palette der zugelassenen Gefühle auszuradieren. Er stand zwischen der Gegenwart und einer besseren Welt. Er war die Emotion, die den Menschen noch vom Paradies trennte. Warnungen von Wissenschaftlern, dass es ohne Hass keine Liebe gäbe, so wie Freude ohne Trauer nicht existieren könne, wurden ignoriert.
Die Politik hatte sich entschlossen, den einfachen Weg der Instrumentalisierung einer subjektiven Reaktion auf die individuelle Erfahrung von Zuständen zu gehen. Hass, der wie jedes Gefühl durch innere oder äußere Reize ausgelöst wird, erscheint auf dem Schlachtfeld um die Deutungshoheit nicht mehr als persönliche körperliche Reaktion auf eine Wahrnehmung, die durch chemische Prozesse ausgelöst wird. Sondern als willkürliche Trotzhandlung unbelehrbarer innerer Feinde, die ihre individuellen Bewertungen wahrgenommener Ereignisse oder Nachrichten bewusst nutzen, um mit Hassgefühlen zu reagieren.
Bündnisse der Tugendwächter
Im Unterschied zu Freude, Überraschung, Angst, Wut, Ekel oder Trauer wurde dem Hass seine Berechtigung von Amts wegen abgesprochen. Auf dieses Gefühl, traditionell ein grundlegender Bestandteil des menschlichen Wesens, zielten Gesetzespakete und Werbekampagnen, Bündnisse aus Tugendwächtern und Behördenmitarbeitern lebten gut davon, "einen Beitrag zur Eindämmung von Hass und Hetze im Netz" zu leisten.
Die Schlacht gegen den Hass ist keineswegs einfach und schon gar nicht risikolos für die Teilnehmer. So lange der Hass lebt, blüht das Gewerbe, das sich deshalb überwiegend damit beschäftigt, immer mehr Hass zu entdecken, der sich bekämpfen lässt. Ihn auszulöschen, ist ein theoretisches Ziel, ernsthafte Stimmen aus der Wissenschaft warnen schon länger davor, es wirklich erreichen zu wollen.
"Unbewusst bewerten wir in jedem Augenblick unseres Lebens alles, was uns umgibt", sagt der bekannte Regresssionsforscher Hans Achtelbuscher, "die daraus resultierenden körperlichen Reaktionen dienen immer der geistigen Gesundheit, wer sie einschränken will, der legt die Axt an die Wurzel der emotionalen Ausgeglichenheit".
Den Hass auslöschen
Den Hass auszulöschen, hält der erfahrene Medienpsychologe für kontraproduktiv. Achtelbuscher, der am An-Institut für Angewandte Entropie in Frankfurt an der Oder seit Jahren an Phänomenen wie der medialen Demenz, der abrupten Großkurskorrekturen bei Gemeinsinnsendern und dem immer wieder auftretenden Effekt des Herdentriebs im durch die Nachrichtenagentur DPA zentralisierten deutschen Berichterstattungswesen forscht, sieht eine Gefühlsrevolution von oben, die auf hinhaltenden Widerstand unten trifft.
"Ein großer Teil der Zivilgesellschaft will sich ihre Hassgefühle nicht einfach amputieren lassen", sagt er. Achtelbuscher. Der Wissenschaftler verweist auf die Gefühlsaufwallungen, die Anfang des Jahres Schlagzeilen machten. In Berlin riefen tausende Demonstranten "Ganz Berlin hasst die CDU!", in Dresden schrien sie enthemmt "Ganz Dresden hasst die AfD". Friedrich Merz wird gehasst, seit er unter dringenden Verdacht geriet, die Brandmauer schleifen zu wollen. Sein Vizekanzler Lars Klingbeil wird gehasst, weil er vorgab, sie um jeden Preis verteidigten zu wollen, dann aber doch gemeinsame Sache mit der Union machte und das Land nach rechts außen führte.
Schädliches Schisma
Hans Achtelbuscher hält das Schisma, das zwischen Hasssenden und den Hass Hasssenden entstanden ist, für schädlich. "Natürlich wäre es denkbar, den Hass weiter zu bekämpfen, indem wir den heute schon opulent ausgebauten Kontroll- und Zensurapparat weiter perfektionieren", sagt er. Der sei im Moment teils zivilgesellschaftlich organisiert, aber vom Staat finanziert, werde im anderen Teil aber direkt von Behörden geleitet und gelenkt, was ein strengeres Vorgehen gegen Hasser erlaube. "Mehr Repression wäre möglich, indem wir ganz auf unmittelbaren staatlichen Druck setzen."
Selbst dann aber, das zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, die Hans Achtelbuscher mit einem Team aus Emotiologen, Kapillarmedizinern und Medienanalysten erarbeitet hat, sei ein Endsieg gegen den Hass kaum erreichbar. "Bis heute wird selbst in Familien intensiv gehasst, Ex-Paare hassen einander, Kinder hassen Eltern und Lehrer ihre Schüler mit nicht weniger Inbrunst als umgekehrt." In allen diesen Fällen handele es sich um gänzlich unpolitischen Hass, der das Funktionieren des Staates nicht beeinträchtige.
Gruppen gegeneinander
Achtelbuscher, seit Jahren im Gespräch für einen Sitz im Ethikrat der Bundesregierung, sieht darin einen Beleg dafür, dass Menschen wollten sich ihre Gefühle nicht nehmen lassen, nicht einmal teilweise. Es sei wahrscheinlich ein Fehler gewesen, den Hass als Grundübel der Gegenwart zu framen, um verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander in Stellung zu bringen. "Dadurch ist aus einem ehemals harmlosen Gefühl, das sich durch einfache frühkindliche Erziehungsübungen durchaus beherrschen lässt, ein unbezwingbarer Endgegner für eine Gesellschaft geworden, die einerseits übersensibel ist, andererseits aber vom Wunsch durchdrungen, ausschließlich rationale Entscheidungen zu treffen."
Der Hass hat erst durch seinen Missbrauch Macht erlangt, glaubt Hans Achterbuscher. "Wir schreiben ihm in unserer Vorstellung von einer emotional sauberen und ausschließlich von positiven Gefühlen bestimmten Gesellschaft die Rolle des Teufels zu." Früh habe er gemeinsam mit Forscherkollegen vor einer solchen Tendenz gewarnt, denn ein Komplettverbot des Hasses schließe auch den Hass auf den Kapitalismus, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, auf Donald Trump, Russland und die Rechtspopulisten überall in Europa ein.
Vorteile der Hasskampagne
Doch das politische Berlin weigerte sich, auf Achtelbuscher und die übrigen Experten zu hören. Zu sehr überzeugten die Vorteile einer Kampagne gegen den Hass, bei der kein Schuldiger direkt genannt werden muss, um Anhänger zu mobilisieren. "Für die Politik hat das im ersten Moment nur Vorteile", erklärt der Wissenschaftler. Historische Vorbilder wie Geiz, Gier oder Boshaftigkeit zeigen, dass sich angeborene Charaktereigenschaften und unwillkürliche emotionale Reaktionen auf äußere Einflüsse zwar nicht dauerhaft unschädlich machen lassen. "Aber wenn sie lange genug negativ dargestellt werden, haben sie irgendwann ein Image, dass dazu führt, dass sie nur noch im Verborgenen existieren können."
Die Realität aber zeigt: Dem Hass einen ähnlich miserablen Leumund zu verschaffen, wird lange dauern. Bis heute schaffen es Künstler, mit Hits wie "Ich hasse Dich" Kasse zu machen, Bücher propagieren den Hass und selbst gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit eignet sich den Begriff als Label an. Dass BKA-Chef Holger Münch lange glaubte, mit dem Kampf gegen den Hass zwar "nicht die Einstellung der Menschen ändern" zu können, die ihren Hass ins Netz und auf die Straße trügen, aber mit Strafandrohungen immerhin deren "Verhalten im Netz" zu ändern", hat sich als fataler Irrtum herausgestellt. "Man kann die Liebe nicht verbieten", sagt Hans Achtelbuscher, "und auch beim Hass geht das nicht."
Eine Entdeckung der DDR
Anders sehe es hingegen mit der Hetze aus, einem in der deutschen Sprache ursprünglich nur für übertriebene Eile und ein allgemeines Getriebensein stehenden Begriff, der lange erst in zweiter Linie mit hässlich heraushängender Hetzerzunge und übler Nachrede gegen andere assoziiert wurde. Erst die kommunistische Regierung der DDR entdeckte das politische Potenzial des Wortes und nutzte es, um es sich mit Strafvorschriften gegen Kriegs-, Boykott- und staatsfeindliche Hetze dienstbar zu machen.
Mit Langzeitfolgen: Heute versteht nahezu jeder Deutsche "Hetze" im Sinn von Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik aus dem Jahr 1949. Das ehedem harmlose Wort für große Hast ist heute die Bezeichnung für unsachliche und verunglimpfende Äußerungen zu dem Zweck, Hass gegen Personen oder Gruppen hervorzurufen, Ängste vor ihnen zu schüren, sie zu diffamieren oder zu dämonisieren.
Hetze kann helfen
Achtelbuscher hält das für einen ausgesprochenen Glücksfall. Gelinge es, einen Hass auf die Hetze in der Gesellschaft zu etablieren, werde das gleich in zweierlei Hinsicht befriedend wirken. "Einerseits wird niemand mehr gezwungen, seinen Hass tief in der eigenen Seele zu vergraben, wo sich dadurch erfahrungsgemäß ein schwerer Gefühlsstau bilden kann." Andererseits werde die Hetze als die Hauptmethode, über die sich der Hass in die Gemeinschaft frisst, gezielt adressiert und anvisiert. Hass auf Hetze zu schüren, hält Achtelbuscher für dringend geboten. "Wir sollten damit bei den Jüngsten in Kitas und schulen beginnen."
2 Kommentare:
Achtelbuscher hat nichts in den Schulen zu suchen, so wie die Bundeswehr ebenfalls nicht.
Es wäre letztlich Kindesmißbrauch.
Das ist eben der Unterschied: Stalin hat Kommunisten aus Liebe ermordet, aus Liebe zum Volk und zur Revolution, und Hitler hat Kommunisten aus Hass ermordet.
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