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| Brutal bemalt mit den Nationalfarben, die bis in die Regierungsspitze hinein wieder hoffähig sind: Die betroffene Bank steht direkt am Rhein, dem deutschen Fluss. |
Ausgelöscht. Übermalt. Mit Gewalt vom Zeichen der Aufklärung, Toleranz und Vielfalt zu einem nationalistischen Symbol degradiert. Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist eine Regenbogenbank im Düsseldorfer Rheinpark mit den sogenannten "Deutschlandfarben" beschmiert worden. Nach ersten Ermittlungsergebnissen der Polizei soll die Tat zudem in der Nacht zum 9. November stattgefunden haben.
Das Entsetzen in der Region ist groß. Trauer, Wut und Scham halten viele Betroffene fest im Griff. Bestürzung beherrscht die Szene vor Ort, wo viele einfache Menschen, Nachbarn und auch Zugereiste einen Moment in stillem Gedenken verharren, Blumen niederlegen oder auf mitgebrachten kleinen Zetteln Ablehnung und Protest formulieren.
Keine Spur von Tätern
Von den feigen Tätern fehlt bislang jede Spur, es soll sich allerdings um Unbekannte handeln, wie das Nachrichtenportal T-Online berichtet. Die Täter hatten sich offenbar in der Nacht, in der ganz Deutschland dem auch von der Rockgruppe Sportfreunde Stiller schon besungenen nationalen Vierklang "1918", "1923", 1938" und "1989" gedachte, an die Regenbogenbank im linksrheinischen Rheinpark in Heerdt geschlichen. Und sie mit mitgebrachter schwarzer, roter und gelber Farbe überschmiert.
Das im Zuge einer Regenbogenbank-Offensive im Rheinland eingeweihte Sitzmöbel wurde so ohne Genehmigung in eine "Deutschlandbank" verwandelt, die für die Schuld an zwei Weltkriegen, mindestens einem Völkermord und einen Großteil der von den führenden Industrienationen angehäuften Verantwortung für die Klimakatastrophe steht. Zerstört wurde zudem ein Symbol für Vielfalt, Liebe und Akzeptanz – mutmaßlich mit voller Absicht.
Besorgnis und Trauer
In einer ersten Reaktion haben die Fraktionen von SPD und Grünen in der Bezirksvertretung 4, die sich gemeinsam für die Aufstellung der beliebten Bank eingesetzt hatten, sind sich besorgt und traurig, zugleich aber auch wütend geäußert. Die Grünen ordneten die ruchlose Tat historisch in die nahezu endlose Kette an Verbrechen ein, die am 9. November geschehen sind.
Von der Hinrichtung Robert Blums bei Wien, einem der führenden Köpfe der Demokraten in der Frankfurter Nationalversammlung, über die Ausrufung der Republik, den Hitler-Ludendorff-Putsch in München, die Novemberpogrome, den Bombenanschlag der Terrororganisation Tupamaros 1969 in Berlin bis zum Tod des RAF-Kämpfers Holger Meins führt eine Linie zur Schande am Rheinufer. Es sei "umso bitterer, wenn an diesem Tag eine Tat geschieht, die genau diese Werte mit Füßen tritt", schreiben die Grünen, die dennoch weiter einstehen wollen "für ein Düsseldorf, das bunt, offen und solidarisch ist".
Aktive Demonstrativhandlung
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| Den Tätern droht ein kurzer Prozess. |
Die Polizei Düsseldorf ermittelt bisher nur wegen Sachbeschädigung, doch eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle überall in der Republik lässt vermuten, dass es sich bei der Demonstrativhandlung gegen die Regenbogenbank am Rhein nicht um einen Zufall oder die Aktion einiger übermütiger Ewiggestriger handelt. Seit Wochen schon ziehen Täter*nnen eine schwarz-rot-goldene Spur der Vernichtung durchs Land.
Der Fall am Rhein ist nicht der erste, in dem der Staatsschutz nicht ermitteln muss, nachdem eine Deutschlandfahnenaktion eskalierte. Erst gab es entsprechende Vorfälle in Nordrhein-Westfalen, dann im thüringischen Saale-Holzland-Kreis, auch in Schwaben wurde eine ganze Ortsdurchfahrt illegal schwarz-rot-gold geflaggt. Selbst in Hagen und Düsseldorf und Ostfriesland tauchten zahlreiche Deutschlandfahnen im öffentlichen Raum auf. In Stuttgart stiegen "Aktivisten", wie sie die "Stuttgarter Nachrichten" verharmlosend nennen, bewaffnet mit Deutschlandfahnen auf den Königsbau. Sie mussten von der Polizei gestoppt werden, wegen des Vorfalls, bei dem unter anderem behauptet wurde "Stuttgart bleibt deutsch", ermittelt seitdem der Staatsschutz.
Fehlende Bekennerschreiben
Bekennerschreiben fehlen indes meist, so dass Behörden und Medien über die verbreitete Botschaft nur rätseln konnten. Klar scheint zu sein, dass die Verursacher der Flaggenschwemme mit ihren Nacht- und Nebelaktionen völkisches Gedankengut verbreiten wollen. Vorbild sind hier wohl Aufmärsche von Demokratiefeinden in Leipzig und Dresden, bei denen Demonstranten schon vor Jahren Deutschlandfahnen geschwenkt hatten.
Unvergessen ist auch der Pegida-Mann mit dem Deutschland-Hütchen, dem im Jahr 2018 nach einer Schimpftirade gegenüber Journalisten eines ZDF-Kamerateams der mediale Prozess hatte gemacht werden müssen. Da der Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in Sachsen damals Reue zeigte, wurde von einer Kündigung abgesehen. Ihm wurde jedoch eine andere adäquate Tätigkeit außerhalb der Polizei Sachsen zugewiesen.
Im Schutz der Dunkelheit
Nationalisten verüben ihre Demonstrativhandlungen seitdem am liebsten versteckt. Sie wissen, dass der von ihnen beschworene Patriotismus im Namen eines Täterstaates von einer großen Mehrheit der im Lande Lebenden abgelehnt wird. "Deutscher Nationalstolz ist immer gefährlich", das ist gesellschaftlicher Konsens von ganz links außen bis in die Union. Ein gesunder "Schwarz-Rot-Gold-Ekel" (Taz) schützt am verlässlichsten vor einem regressiven Rückfall in ein kollektives Deutschlandgefühl, das zwischen Stolz, Freude, Glück und Euphorie keinen Platz mehr für Unwohlsein angesichts der eigenen Schuld und die vielen, vielen anderen Farben des Regenbogens lässt.
Das bunte, vielfältige Deutschland der 2020er Jahre lässt sich seine Art zu leben nicht nehmen. Es zeigt seine Symbole selbstbewusst und lässt sich von den Angriffen seiner Feinde nicht beirren. Schleichend aber verzeichnen die mit ihren Attacken doch Erfolge: In Ostdeutschland mussten erste Stadtverwaltungen zum eigenen Schutz dazu übergehen, vorsorglich selbst zu flaggen. Zudem haben viele Städte und Gemeinden die Einweihung von Regenbogenbänken als dauerhaftes Symbol für Vielfalt, Solidarität und Wertschätzung queerer Lebensweisen und queere Sichtbarkeit gestoppt. Zu groß ist die Angst vor Übergriffen, zu hoch sind vielerorts die Kosten für die fortwährend notwendige Nachlackierung der Symbolmöbel im Stadtbild.
Bundesweite Empörung
Die jüngste Beschädigung der Regenbogenbank im Rheinpark löse nicht nur im Linksrheinischen große Empörung aus, sondern bundesweit. Die Regenbogenfarben mit schwarzer, roter und gelber Farbe zu übersprühen ist ein direkter Angriff auf Vielfalt, Liebe und Akzeptanz, offenbar, so glauben die Demokraten in Düsseldorf, "mutwillig" ausgeführt.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Täter*innen zu ihrer ruchlosen Tat ermuntert fühlten durch entsprechende Signale aus dem politischen Berlin. Dort hatte die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner der Vielfaltsflagge die Rote Karte gezeigt und ein Hissen Christopher-Street-Day rigoros verboten - ausgerechnet an einem Tag, der in der deutschen Geschichte für so vieles steht: für Hoffnung und Freiheit, aber auch für Hass, Ausgrenzung und Zerstörung.
Schadenfreude über Hass
Die Saat geht auf, auch im traditionell toleranten Rheinland werden Offenheit und Respekt mit Füßen getreten und Regenbögen ausgelöscht. Es gebe sogar "Menschen, die sich über die Sachbeschädigung freuen – als wäre Zerstörung ein Sieg", beklagen die Grünen eine unverkennbare "Schadenfreude über Hass", der "vor allem seine eigene Engstirnigkeit" entlarve. Für die Kräfte von Mitte, Demokratie und Fortschritt ist klar: "Wer eine Regenbogenbank überschmiert, zeigt keine Liebe zu unserem Land, sondern eine Haltung, die das Gegenteil unserer demokratischen Werte verkörpert."
Immerhin hat die Stadt Düsseldorf nach der Attacke schnell reagiert. Nur zwei Tage, nachdem die Regenbogenbank mit den Farben der Deutschland-Fahne beschmiert worden war, sorgte die Verwaltung für Ersatz. Nun steht in dem Park wieder eine Bank in Regenbogenfarben, das Symbol der Vielfalt und Akzeptanz zeigt, dass es stärker ist als der Hass.



3 Kommentare:
Das ist ein schlimmerer Angriff auf die Homowelt als jeder von 'Männern' zusammengeschlagene Schwule in bereicherten Bezirken. Da sind sie alle vornedran mit dem Berichten und Ermitteln.
Unbekannte haben ... die Regenbogenbank ... mit schwarzer, roter und gelber Farbe überschmiert.
(t-online)
Der Thesaurus hatte kein noch abwertenderes Wort für 'überpinseln' angeboten, 'überschmieren' kann der Abscheu kaum gerecht werden, die die Newsschaffenden an die Lesenden zu vermitteln haben.
Das Foto der t-leidenden paßt nicht zum Teaser oder oder die Krawallthese nicht zum Foto.
...mindestens einem Völkermord ...
Mikhail Sostschenko: "Nun ja, nun Gott, nun ja ..."
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