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| Empörende Vorfälle im Januar des Jahres überzeugten Millionen davon, dass es sich bei CDU und FDP doch nicht um verlässliche Parteien der politischen Linken handelt. |
An diesem Tag ist es endlich soweit,
zum ersten Mal wird es geschehn.
Ich fühle es, ich bin nun bereit
bis zum Äußersten heute zu gehn.
Poldi Lembcke
Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. Der Sommer der Stimmungswende fiel ins Wasser. Der Herbst der Reformen folgte ihm leise.
Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.
Die Brandmauer, sie ist nur drei Buchstaben entfernt vom Brandstifter, doch ein gesamtgesellschaftliches Feuer entzünden, an dem sich Millionen für Wochen die Hände wärmen, das kann sie auch. Als im Januar eines Jahres, von dem sich eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger einen entschlossenen Neuanfang versprechen, die Masken im Bundestag fallen und die einen gemeinsam mit den anderen abstimmen, fegt ein Sturm durch Wasserglas wie zuletzt nach den Remigrationsvorwürfen gegen AfD-Hinterbänkler und ausländische Extremisten.
Deutschland in Not
Deutschland in Not! Niemand weiß mehr Rettung, außer in der Vergangenheit. Das A in "Angela" steht plötzlich wieder für Antifa, das M in "Merz" für Missbrauch der Meinungsfreiheit. Die Demokratie erfindet sich neu, Mehrheit ist, wer lauter schreit. Wenigstens diese Gewissheit, seit Generationen im Flüsterton weitergegeben, erst vom Reichsrundfunk, dann von ARD, ZDF, Correctiv und Campact, sie ist geblieben.
Mit dem Untergang der "Letzten Generation", die angekündigt hatte, als "Neue Generation" zurückzukehren, scheitert auch der Plan vom großen Umbau. Friedrich Merz, nach außen knochenhart, innen windelweich, ist der passende Mann für den Übergang. Im unnachahmlichen Stil eines alten Politfunktionärs verspricht er allen das Richtige, um anschließend das Falsche zu tun. Im Januar nimmt er die eigene Partei in Geiselhaft, um dem Wahlvolk seine Entschlossenheit zu demonstrieren: Die Brandmauer, diese tragende Wand von Unseredemokratie, sie steht nicht mehr zwischen ihm und denen, die denken wie er.
Aufgepeitschte Massen
Für die medial aufgepeitschten Massen ist es das Signal, alle Hemmungen fallen zu lassen. Die belanglose, rein symbolische Abstimmung im Bundestag, sie läutet nach allgemeiner Lesart das Vierte Reich ein. Alles demonstriert, was immer demonstriert, vor der CDU-Zentrale werden Transparente gereckt, auf denen "Merz = Höcke" steht. Beide gelten nun als Faschisten. Merz aber ist der Schlimmere.
Nach Milliarden und Abermilliarden, die Staat und Gesellschaft – Kurzcode "Wir" – in den "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel) gebuttert haben, steht die CDU plötzlich da, wo die AfD vor einem Jahr war: als Verfassungsschutz-Verdachtsfall. Merz macht den Rücken gerade. Er ist noch nicht gewählt. Er muss noch an Prinzipien festhalten.
Drumherum erfüllte sich erneut die Hoffnung nicht, dass am deutschen Wesen noch irgendjemand genesen will. Statt Bewunderung für ihre konsequente Politik der Wirklichkeitsverweigerung empfangen die Repräsentanten der demokratischen Mitte bei ihren gelegentlichen Ausflügen über die Grenzen Berlins vor allem ratlose Blicke und die stille Frage: Seid ihr noch bei Trost? Außerhalb der Blase kann jeder die Zeichen sehen, die auf Abstieg stehen.
So schnell geht es
Dass es so schnell gehen kann mit einem Rückfall. Dass der hellste Stern der Hoffnung auf eine klimaneutrale Zukunft zur roten Laterne der wehrhaften Demokratie verglüht. Die Welt, die lange Zeit kaum Notiz genommen hatte von dem kleinen Land, das als letzte Großmacht der moralischen Überlegenheit mit Großkreuzen und Grundgesetzänderungen handelt, die keiner mehr geschenkt haben will, schüttelte nur noch den Kopf.
Es war klar: Nur ein Verbotsverfahren gegen die schlimmste Konkurrenz könnte die Lage retten. Der Gedanke, die Demokratie mit Hilfe undemokratischer Maßnahmen vor den falschen Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger zu bewahren, ist nicht neu, erscheint aber in diesem Januar alternativlos.
Ja, die Zeiten, in denen man die CDU noch faschistisch nennen konnte, ohne dass sie es tatsächlich war, sie sind lange vorüber. Wer das jetzt tut, heult mit Wölfen, die die Demokratie verteidigen. Verdachtsfall Bundestag, der Verfassungsschutz hat mutmaßlich längst ein Auge auf das Hohe Haus. Der Unsicherheit auf den Straßen ist nichts gegen die, die ein einziges AfD-Ja im Bundestag erzeugt. Ein kommender Kanzler, der mit den Rechtsextremisten paktiert. Die bürgerliche Mitte verstummt entsetzt. Wer die Gefahr nicht sieht, fragt sich besorgt: Bin ich jetzt auch schon so einer?
Spaten überall
Familien spalten sich. Ehen werden geschieden. Kinder ziehen aus. Wutentbrannt. Verzweifelt. Wie zuletzt noch jeder Monat in jedem Jahr ist auch dieser Januar nach Kräften bemüht, die vorherigen alt aussehen zu lassen. Es geht noch hysterischer, noch lächerlicher, noch unterhaltsamer. Der "schlechteste Oppositionsführer, den Deutschland jemals hatte" (Faeser) stellt sich plötzlich als Retter der Grenzen dar, selbstbewusst mit Umfragewerten, mit denen früher niemand Anspruch auf eine Festanstellung als CDU-Ortsvorsitzender angemeldet hätte.
Die Frau, die den Ereignissen das Bett bereitet hat, ist plötzlich wieder beliebter als alle Amtsinhaber zusammen. "Angela Antifa" ist ihr neuer Name. Die Erinnerung an sie, die die Lähmung als Stabilität zu preisen wusste, ist golden.
Wie auch nicht in einer Zeit, in der Begriffe wie "Faschismus", "Nazi" und "Rechtsruck" auf alles passen, was rechts von Heidi Reichinnek steht. CDU, CSU, FDP und die AfD sowieso kommen in den Genuss der Zuschreibung. Alle wollen sie spalten, Lager bauen, das Klima zerstören und die junge Generation mit unsagbaren Lasten erdrücken, um sich noch ein paar schöne Jahre zu gönnen.
Auf der Kippe
Das Land steht moralisch und politisch auf der Kippe. Es ist ein Januar voller Zeitenwenden, symbolischer und realer Proteste, apokalyptischer Szenarien und dem ständigen Ruf nach neuen Lösungen gegen die Aushöhlung aller Gewissheiten. Linke, SPD und Grüne fordern eine brandneue Sozialpolitik, wer ihre Konzepte nicht gut findet, soll nicht mitbestimmen dürfen. Draußen im Land wächst die Verzweiflung. Es ist niemand da, den irgendjemand mit gutem Gewissen wählen könnte. Aber muss doch, den wie so oft ist Schicksalswahl.
Ein halbes Jahrhundert nach Willy Brandt haben es die demokratischen Parteien wirklich geschafft, den Saal nicht nur leerzuspielen, sondern gleich das ganze Theater abzubrennen. Wer im Februar noch wählen wird, wird es im Glauben tun müssen, wenigstens Schlimmeres zu verhindern. Mit Olaf Scholz hat die SPD eine Schlaftablette zum Spitzenkandidaten gemacht. Mit Robert Habeck kontern die Grünen mit einer Erlöserfigur. Merz, ein trockener Asket, spielt den Vernünftigen, der weiß, was das Drehbuch verlangt.
Trotzig das Gegenteil
Alles bricht auseinander, weil längst nicht alle bereit sind, ihr Leben grundlegend zu verändern, auf Grenzen zu verzichten und sich Sprachvorgaben zu unterwerfen, die die Welt verbessern sollen. Sobald diese Menschen – oft in den weniger besseren Vierteln der Großstädte und draußen auf dem Land daheim – den Eindruck bekommen, jemand wolle ihnen etwas aufzwingen, fahren sie die Stacheln aus. Und wählen unbeirrbar das ganze Gegenteil, wie es Wolf Biermann schon wusste.
Der geplante Aufbau der neuen Welt, besiedelt vom neuen Menschen, ist schon kurz nach Neujahr abgesagt. Habeck rudert, doch er traut sich nicht auf die Marktplätze. So wird das nichts mit der großen Transformation, an der alle mit glühendem Herzen teilnehmen. Das Echo auf den "Bündniskanzler" kommt nur seiner eigenen Blase. Die Grünen, die ihr Schicksal unlösbar mit ihrem Sitzenkandidaten verbunden haben, wissen schon sechs Wochen vor der Wahl, dass ihre Zeit vorbei ist.
Das Ende einer Ära
Leise verabschiedet sich eine Volkswirtschaft. Die CDU entdeckte ihre Leidenschaft für Sachpolitik, die SPD, dass ein ehemaliges Mitglied der Jusos kein Linker mehr ist, sobald es Klingbeil heißt. Die Reihen werden geschlossen, ein letztes Mal vielleicht. Aus dem Außenministerium werden bereits Telefonate geführt, um Anschlussverwendungen zu finden. Die Demos gegen rechts wirken im Rückblick wie die Abschiedsvorstellung einer Ära, die mit Teddybären und Jubel an den Bahnhöfen 15 Jahre zuvor begann.
Abschied ist ein scharfes Schwert, das weiß Friedrich Merz, der viele Abschiede hinter sich hat. Jetzt ist er wieder da, ein Mann, der den Unbeugsamen spielt, dem Prinzipien wichtiger sind als die Macht. Man könnte jetzt schon sehen, dass es die Verlockung der Macht ist, die hin so prinzipienfest wirken lässt. Deshalb wohl auch gehen seine Umfragewerte nie durch die Decke, ungeachtet der Konkurrenz: Olaf Scholz, der Unsichtbare mit der Aktentasche. Weidel, die schrille mit dem Brandmal. Habeck, der Märchenerzähler. Lindner, der alles tun würde, um Minister bleiben zu können.
Wenig Wetter
Es ist wenig vom Wetter die Rede, wenig von Klima und Katastrophe in diesem Januar. Dafür aber viel von der "wehrhaften Demokratie", einer nicht genauer umrissenen Idee, die eine höhere Moral bemüht, um niedere Beweggründe zu diskreditieren. Die Brandmauer-Strategie, mit der sich die Union in den sichersten und dynamischsten antifaschistischen Raum der Welt hatte verwandeln wollen, brauchte von der feierlichen Verkündung bis zum stillen Begräbnis genau einen Bundestagsantrag. Das Signal war gesetzt: Wer will, dass es anders wird, kann mich wählen. Wie genau es anders werden wird, wird allerdings erst später bekanntgegeben.Die Sehnsucht nach tabula rasa, die Sehnsucht nach der Kettensäge, sie ist da, aber sie hat keine Mehrheit, das weiß auch Merz. Viel größer ist die Sehnsucht danach, dass alles wieder werden möge, wie es bei Merkel war. Mutti passt auf. Wenn die Küche brennt, kommt Mutti löschen. Manchmal schimpft sie. Aber immer ist zu spüren, wie gut sie es meint.
Ein verlorener Ruf wie Donnerhall
Und hat nicht Deutschland mit ihr an der Spitze noch einen Ruf genossen wie Donnerhall? Merkel gab den Startschuss für die deutsche Moraldiplomatie, Merkel zeigte, wie man eine Grenze öffnet, ohne sie zu öffnen. Merkel hätte nie ohne Rücksprache mit den anderen Blockparteien einen Antrag für eine Migrationswende abstimmen lassen, nur um sich auf der politischen Landkarte weiter rechts zu platzieren.
Im Vertrauen auf sie konnte der Verfassungsschutz davon absehen, die Union als Verdachtsfall einzustufen. Jetzt aber muss die SPD die andere ehemalige Volkspartei proaktiv als Koalitionspartner ausschließen - ein Verzweiflungsakt zur Verteidigung der Demokratie, dem auf dem Weg zur Enttäuschung und Enteignung der Mitte viele, viele weitere folgen werden.
Der Anfang vom Ende:
- Angela Antifa
- Verdachtsfall CDU
- Aufstieg zur Ohnmacht
- Schon wieder Schicksalsstunde
- Ein düsteres Vorbild
- Afuera in der EU
- Erinnerung als Wahlkampfwaffe
- Vorbild Schuldenbremse
- Saskia Esken: Abgeschoben


1 Kommentar:
Einen herzlichen Dank an den Verfasser für diese Arbeit. Es hat den Text gutgetan, ihn hinterher noch mal zu lesen und die Maulwurfshaufen zu glätten. Danke und alles Gute für's nächste Jahr!
Man liest sich.
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