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| Einst das strahlende Außengesicht Europas, jetzt unter Verdacht, ihren Posten bei der "angesehenen Graduiertenschule für Eurokraten" (reporteri.net) missbraucht zu haben: Federica Mogherini. |
Sie war die Kommissarin mit dem von Amtswegen vorgegebenen Namen. "Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik", ungegendert, aber unbeschreiblich weiblich: Der Italienerin Federica Mogherini passte der Job des Außenministers eines Staates, der keiner ist, wie die Faust aufs Auge.
Seit ihren Anfängen im Jugendverband der Kommunistischen Partei Italiens hatte die Frau aus Rom so lange einen privaten Rechtsrutsch vollführt, bis sie mit den "Democratici di Sinistra" in die große Gemeinde der Demokraten der Mitte aufgenommen werden konnte. "Sinistra" ist italienisch und hat nichts zu tun mit dem Englischer sinister.
Leiterin eines vielstimmigen Chors
Auch Mogherini war nie unheimlich, sondern ganz offen unterwegs. Sie leitete den vielstimmigen Chor der in außenpolitischen Angelegenheiten traditionell bis aufs Blut zerstrittenen Union mit klarem Kompass. Sie war eine der ersten Politikerinnen, die Sanktionen gegen Russland schon 2014 bescheinigte, erfolgreich zu sein. Dieser Erfolg, so Mogherini, zeige sich vor allem darin, dass "die Strafmaßnahmen nötig sind, weil sie unsere einzigen Druckmittel sind, wenn wir eine militärische Lösung ausschließen".
Es schmerzte viele nicht nur im politischen Brüssel, dass die deutsche Kommissionschefin Ursula von der Leyen die bewährte Kraft abschob, als sie den 13. Stock im Berlaymont-Palast bezog. Von der Leyen wollte mehr Bissigkeit, mehr Europa der Attacke. Mit der damals 46-Jährigen ging auch ihre "globale Strategie für die Sicherheits- und Außenpolitik der Staatengemeinschaft", die knallharte Absichten formuliert hatte.
Einfallsreiche Ideengeberin
Mogherini wollte Frieden und Sicherheit fördern, den Schutz der EU und ihrer Bürger garantieren und sie war es, die schon neun Jahre vor Ursula von der Leyen wegweisend dachte und die "Stärkung der Anstrengungen in Schlüsselbereichen wie Verteidigung, Cybersicherheit, Terrorismusbekämpfung, Energie und strategischer Kommunikation" priorisieren wollte.
Statt dieses große Rad zu drehen, musste sie sich damit zufriedengeben, auf einen Versorgungsposten abgeschoben zu werden. Angesichts gewisser Vorwürfe, die seinerzeit im Raum standen, ein glückliches Ende. Ein paar Dutzend unter Mogherinis Aufsicht im Libanon versickerte EU-Millionen sind für Brüsseler Verhältnisse kein großer Aufreger, denn wo "strong support" versichert wird, gilt es stets etliche Taschen zu füllen.
Im Schatten des Katar-Skandals
Doch der - Ältere erinnern sich - unglaubliche Katar-Skandal im EU-Parlament zeigte wenig später, dass es auf Summen nicht ankommt. Im Fall der griechischen EU-Vizepräsidentin Eva Kailis gelang es der belgischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Korruption sogar nur, ein paar Geldsäcke zu finden, die sich später als Tüten herausstellten. Drei Jahre danach ist Kaili zwar immer noch nicht angeklagt worden, geschweige denn verurteilt. Aber bürgerlich ist sie tot und wird es bleiben.
Federica Mogherini entging einem solchen schlimmen Schicksal. Als die Tür zur Kommission sich schloss, ergab es sich glücklich, dass gerade eine neue Rektorin für das College of Europe in Brügge gesucht wurde. Wer wäre besser geeignet gewesen als eine Frau, die ihrer wissenschaftlichen Karriere nach dem Studium der Politikwissenschaften noch einen Erasmus-Aufenthalt am Institut d’études politiques d’Aix-en-Provence in Frankreich hinzufügte, ehe sie hauptberuflich Politikerin wurde?
Die beste Wahl
Wie genau der Bewerbungsprozess lief, blieb unklar. Eben noch war sie die Außenministerin eines ganzen Kontinents gewesen. Und schon gab ihr die Kommission grünes Licht. Leise Stimmen nur mäkelten, dass "nicht jeder ihre Ernennung als Fall von Vetternwirtschaft" betrachte, viele Mitarbeiter und Alumni der Institution aber fänden, dass "die Regeln für die Ernennung eher entspannt interpretiert" worden seien. So hatte die Kandidatin Fristen nicht eingehalten.
Aber herrje, wem ist das noch nicht passiert! Es bleibt doch alles in der Familie. Es war der belgische Ex-Premier Herman Van Rompuy, zwei Amtszeiten lang Chef des Europäischen Rates, der Mogherini eingeladen hatte, an sein Haus zu wechseln, jetzt, wo sie Zeit habe.
Das College of Europe ist für "die europäische politische Elite, was die Harvard Business School für die amerikanische Unternehmenswelt ist". Hier werden Minister, Diplomaten, Botschafter und Richter, Abgeordnete und Präsidenten wie am Fließband ausgebildet. Hier lernt sich das Europa der Macht kennen, das später nie auf einen gemeinsamen Nenner kommt.
Mutter der Kompanie
Und Mogherini ist die Mutter der Kompanie, deren Finanzierung die EU-Kommission sicherstellt, unterstützt von der belgischen Regierung, der Regierung in Warschau, der Stadt Brügge und der Provinz West-Flandern. Das Geld ist dennoch knapp. Die Eliteschmiede hat es bis heute nicht geschafft, auf ihrer Internetseite die geltenden Vorgaben der Europäischen Union zur Datensicherheit umzusetzen. Doch es gelang immerhin, die Geldgeber von jeder Verantwortung freizusprechen: "The Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein", heißt es auf der Seite, die in einer knappen Pressemitteilung Verwunderung über die "investigative actions taken by the European Public Prosecutor’s Office" zum Ausdruck bringt.
Dass zu diesen actions eine Festnahme der Rektorin Mogherini gehört, bleibt bei aller vollen Kooperation "mit den Behörden im Interesse der Transparenz und der Achtung des Ermittlungsverfahrens" unerwähnt, doch gerade dieser Umstand ist gehalten, im Lichte jüngster Ereignisse viel über das Leben im politischen Europa zu erzählen.
Noch eine Krise in Europa?
Gerade erst war dort eine "Krise" (FAZ) ausgebrochen, weil sich der belgische Regierungschef weigert, einen Plan der EU umzusetzen, mit dem sich die Kommission die Verfügungsgewalt über 140 bis 220 Milliarden Dollar russischen Auslandsvermögens zu verschaffen gedenkt. Kaja Kallas, Mogherins Nachfolgerin als "EU-Außenbeauftragte", hatte daraufhin gedroht, dass der Europäische Rat ab 18. Dezember tagen werde, bis "ein Ergebnis zur Finanzierung der Ukraine" erreicht sei.
Die Festnahme der Vorgängerin wegen des "Verdachts auf Missbrauch von EU-Geldern" hat mit nichts zu tun, passt aber ins Bild. Mit Mogherini landeten auch ihr Stellvertreter und Stefano Sannini, Generaldirektor der EU-Kommission für die Beziehungen zum Nahen Osten, Nordafrika und die Golfstaaten, landeten in Polizeigewahrsam.
Pöstchen wechsle dich
Es bleibt alles in der Familie: Unter Mogherini diente Sannini als stellvertretender Generaldirektor für externe Dienste der Europäischen Kommission für Asien und Lateinamerika, danach war er Generaldirektor des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). In seiner Zeit an der Spitze des EU-Diplomatencorps schrieb das EAD ein neunmonatiges Diplomatenausbildungsprogramm aus, das das College of Europe schließlich ausrichten durfte.
Die belgischen Ermittler prüfen nun, ob sich der EAD und die Universität vorab abgesprochen haben, und vertrauliche Informationen von Sannini zu Moghrini sickerten, damit die Eliteschmiede weiß, was sie bieten muss, um auserwählt zu werden. Eigentlich eine Petitesse, denn so funktioniert Europa nun mal. Aber im Augenblick, nach den Kampfansagen der EU Richtung Belgien und den Ultimaten, die Polen und Deutschland den Belgiern gestellt haben, könnte auch viel mehr dahitlerstecken.


1 Kommentar:
Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!
-Ursula von der Leyen
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