Mittwoch, 30. Januar 2008

Amputation für Anscheinsbomben

Jahrzehntelang haben Omas gebarmt und Muttis geschimpft, mancher Onkel hat darauf bestanden, dass die Kleinen wenn schon, dann wenigstens mit einem Holzgewehr und nicht mit einem aus Metall spielen sollen. Zum Fasching zog es Jungen regelmäßig ins Cowboykostüm, auf dem Schulhof beschossen sich die unbelehrbaren Söhne streng pazifistischer Paare trotzig mit Erbsenpistolen.

Jetzt aber macht die große Koalition endlich Schluß mit Spielzeugwaffen aller Arten. In seltener Einigkeit wollen die Bundestagsfraktionen von Union und SPD das Tragen so genannter Anscheinswaffen grundsätzlich verbieten: Das Mitführen von Maschinenpistolen, Maschinengewehren, Pumpguns, Pistolen und Revolvern aus Plastik oder Holz, Gummi, Brot oder Käse wäre damit nicht mehr zulässig, der seit Jahrhunderten gewissenlos Umsätze aus Eciehn-Säbeln, Hartplast-Kalaschnikows und mäuseleise knallenden Revolvern pressende Spielzeughandel muss auf Friedensware umstellen.

Anscheinswaffen seien nämlich "originalgetreu nachgebaut - wenn einer damit beispielsweise auf einen Polizisten zugeht, woher soll der wissen, dass es sich um eine Anscheinswaffe handelt", heißt es zur Begründung bei der CDU. Deshalb müsse das Tragen von Anscheinswaffen verboten werden. Wer Spielzeugpistolen offen trage, wird dem Gesetzentwurf zufolge nicht bestraft, doch seine Spielzeugwaffe werde zum Schutz der Allgemeinheit „ersatzlos und endgültig“ eingezogen.

Noch nicht bekannt ist, wer wie darüber entscheiden wird, was als "originalgetreu nachgebaut" gilt. Muss eine Anscheinswaffe gedientes Fachpersonal täuschen können? Oder zieht die Polizei schon Wasserpistolen ein, vor denen die Ein-Euro-Kraft im Kassenhäuschen des Freibads erschrickt? Gelten pinkfarben gespritzte echte Gewehre, die auch geladen und entsichert aussehen wie Spielzeuge (siehe oben) als Nicht-Anscheinswaffen, weil sie nicht aussehen wie echt? Und werden Bankräubern, die mit einem ausgestreckten Zeigefinger in der Jackentasche den Anschein erwecken, eine echte Waffe dabei zu haben, die drohend ausgestreckten Fingerglieder sofort vom Mobilen Einatzkommando amputiert oder passiert das erst später in einer Fachklinik? Ebenso interessant: Gelten Koffer prinzipell als Anscheinsbomben? Oder nur wenn sie schwarz sind und ticken?

Die erste Lesung des Gesetzes ist durch, aber Beratungsbedarf gibt es noch reichlich. Bislang ist erst eine Kuh vom Anscheinseis: Eine mutige Ausnahme in der neuen Regelung erlaubt auch weiter die Benutzung von Anscheinswaffen für Film- und Fernsehaufnahmen sowie Theateraufführungen. Das ist ein großes Glück für die deutsche Filmwirtschaft, die schon befürchtet hatte, dass Tom Cruise in einer eventuellen Fortsetzung seines Stauffenberg-Dramas ("Valkyrie - Resurrection") mit Pflastersteinen und Hüten nach Hitlertruppen werfen muss.

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