Donnerstag, 9. Februar 2017

Streit um Spiegel-Cover: Darf Schulz Merkel köpfen?

Darf man das? SPD-Wundermann Schulz als merkelköpfender Drachentöter.

Schon lange hat die Branche nicht mehr derart engagiert über einen "Spiegel"-Titel gestritten wie über das Cover mit dem Drachentöter Martin Schulz, der die bisherige Bundeskanzlerin geköpft hat und den Schädel der Regierungschefin triumphierend in die Höhe reckt. Plänen aus Hamburg zufolge soll das Titelblatt nach der Wahl im Herbst bei entsprechendem Ausgang an die Kioske kommen. PPQ war es bereits kurz nach der Veröffentlichung des vielbesprochenen Trump-Covers zugespielt worden - von "Spiegel"-Mitarbeitern, die in dem Bind einen Versuch sehen, sich bei Populisten, Pegida-Anhängern und SPD-Mitgliedern beliebt zu machen.


Während "Spiegel"-Chef Klaus Brinkbäumer auch diese Titelseite nicht gerade für „wahnsinnig provokant“ hält, sagen viele Journalistenkollegen auf PPQ-Anfrage doch etwas ganz was anderes. Die Einschätzungen reichen von „Weltklasse“ (Peter Wettig), über „das Cover ist ein Erfolg“ (Verena Schul) und „der Titel trifft den Punkt“ (Andreas Hagenau) bis "der Titel schürt Hass“ (Samir Aydid) und „infam“ in typischer "Titanic"-Lesart (Helga Peters).

Werner Schröter, als freier Journalist unter anderem für namhafte Medien in Süddeutschland tätig, trennt den Inhalt entschieden von der Methode: „Das Cover ist ein Erfolg, weil alle darüber sprechen. Das freut mich für den Spiegel, dem es ja nicht gut geht", sagt er. Aber generell seien alle Medien, insbesondere in Deutschland, zu wünschen, statt Hysterie Aufklärung und Hintergründe zu liefern. Oder wie ein gewisser Rudolf Augstein empfohlen hätte: schreiben, was ist.“

Mit Kanonen auf Spatzen


Elisabeth Terrebal, die mit einem Film über die Funke-Zentralredaktion in Berlin einen Youtube-Hit landete, glaubt hingegen, dass der "Spiegel" mit Kanonen auf Spatzen schießt. „Auf jeden Fall ein Titel, der Aufmerksamkeit erzeugt. Ich hätte ihn wohl nicht gemacht, weil für mich die echten Kopfabschneider in einer ganz eigenen Liga spielen. Aber das Ziel der Kollegen ist erreicht: Man spricht über das Heft.“

Mohammed Seren, der die Auslandsredaktion einer türkischen Exilzeitung führt, die demnächst gegründet wird, verortet den "Spiegel" mit seinem Statement gegen Merkel am selben Ende des politischen Spektrums wie die SPD unter Schulz, wie Pegida, die Linke und die AfD. „Wer den Rufern von Volksverhetzung und Merkel muss weg so ein Podium gibt, der muss sich fragen lassen, ob er nicht dafür verantwortlich ist, dass immer mehr Menschen ihre Demokratieverachtung offen ausleben." Merkel sei frei gewählt, ihre Abwahl komme nicht der Tötung eines Drachens gleich, sondern sei ein normaler politischer Vorgang, wenn auch ungewöhnlich, weil inzwischen eine ganze Generation Deutschland nur mit Merkel als Kanzlerin kenne. "Aber wir können lernen, damit umzugehen."

Karolin Müller, Chef vom Dienst bei Radio 100, betont, dass sie das Cover "auch nicht besonders provokant" finde. Sie selbst hätte es zwar nicht gemacht, sagt die 23-Jährige. "Aber im Gegensatz zu vielen hetzerischen Gifs, Fake-News-Memes und verunglimpfenden Fotomontagen, die im Netz kursieren, ist das aktuelle Spiegel-Cover harmloser, total seriöser Journalismus." Sie glaube, dass die Branche so intensiv diskutiere, weil es hier gelungen sei, mit einem Titelbild ein Tabu zu verletzen, sich gegen Kritik dagegen aber mit dem Argument der Kunstfreiheit zu wehren. "Das kann man nur als sehr gelungen bezeichnen.“

Ein abstoßendes Spiegel-Cover


Simon Siebenschlag möchte ins Lob nicht einstimmen.  „Mich als ehemaligen Spiegel-Leser stößt das Cover ab wie kein anderes zuvor. Gerade bei der Berichterstattung über Angela Merkel darf man sich nicht der Mittel bedienen, die man bei Donald Trump kritisiert. Wobei ich mir angesichts des Covers nicht sicher bin, wer es in seinem Gebaren mehr übertreibt: das deutsche Nachrichtenmagazin, das sich mit Martin Schulz offenbar jetzt schon auf einen neuen Heilsbringer  festgelegt hat, oder die Kritiker, die zu allem ihren Senf dazugeben müssen.“

Auch der Webkolumnist Pascha Logo schreibt in einem langen Facebook-Posting zu dem Thema, dass es um Kunst gehe, Kunst aber mit der Frage kaum etwas zu tun habe, ob man in einem angespannten gesellschaftlichen Klima als Nachrichtenmagazin an der Anheizung der Stimmung mitwirken müsse.  „Es geht weniger um Argument und Gegenargument, sondern darum, am Cover entlang seinen bereits vorhandenen Meinungshorizont vorzuturnen", hebt der Netzphilosoph die Debatte auf eine Meta-Ebene. "Kritik muss erlaubt sein, auch Schmähkritik gerade gegen jemanden wie Frau Merkel, die unser Land über zwölf Jahre hinweg führt." Doch dieses Cover biete nichts als ein Identifikationsangebot für Merkel-Hasser links wie rechts. "Deshalb erscheint es so nährwertarm und unergiebig.“


Christoph Sage, Chefredakteur bei der Schülerzeitung Leftzen in Ominburg hat beim Spiegel um Nachdruckrechte gebeten. „Das wird bei unseren Lesern gut ankommen, nehme ich an", sagt der 17-Jährige. Auch "Leftzen", wöchentlich mit 700er Auflage, habe hat eine eindeutige Position zu Angela Merkel, "und eindeutige Positionen sind die beste Voraussetzung für ein gutes Cover", glaubt der Einserschüler. "Schon allein die Zeile "Der Drachentöter" ist in ihrer Reduktion, Plakativität und Ästhetik Weltklasse - der Bezug auf Siegfried und die deutsche Geschichte, da können alle bei uns an der Schule noch was lernen."

Abonnenten freuen sich über Coup


Bei "Spiegel"-Abonnenten ist das Echo unterschiedlich. Jens Weber, seit 1984 Leser des Magazins, das er auch sammelt, ist zufrieden. „Das Spiegel-Cover ist ein PR-Coup und ich freue mich über die internationale Aufmerksamkeit." Inhaltlich sei die Darstellung des Kanzlers als IS-Schlächter überzogen, unnötig und kontraproduktiv, aber gelegentlich "braucht der Journalismus nicht Maß und Mitte, sondern die Bazooka." Natürlich sei die Kunst frei, auch Hetze und Hass zu verbreiten, das habe der Fall Böhmermann gezeigt. Zudem habe Merkel die Macht verloren und damit auch dei Möglichkeit, gegen den "Spiegel" vorzugehen. "Und Schulz wird es gefallen, da bin ich sicher."


Constantin Heinemann, Spiegel-Leser und „Tagesschau“-Zuschauer, stimmt zu. „Ich halte es für richtig, sogar wichtig, dass Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer das Spiegel-Cover verteidigt. Angela Merkel hat Deutschland gespalten, sie hat die Grenzen geöffnet, die EU-Verträge ignoriert, immer auf Sicht regiert und niemandem Rechenschaft gegeben."  Das stelle die westliche Demokratie, wie man sie kenne auf die Probe und treibe Menschen in Sachsen in die Arme von Demagogen. "Bereits die Tatsache, dass eine Karikatur (was im Lateinischen ‚übertreiben‘ bedeutet), welche selbstverständlich Sachverhalte überspitzt darstellt, eine solche Diskussion auslöst, halte ich für besorgniserregend." Es sei Aufgabe der Medien, kritische Positionen einzunehmen und in Kauf zu nehmen, gewisse Parteien damit zu provozieren, auch wenn sie CDU heißen. "Wenn dies nicht mehr erlaubt ist, haben Medien wie der Spiegel jegliche Daseinsberechtigung verloren.“


Heinz Wolff, langjähriger Leser des Satiremagazins Titanic, ist dagegen enttäuscht. „Wir Titanic-Leser halten den Spiegel-Titel für infam, denn er wendet dieselben Stilmittel an, über die wir damals so gelacht haben, als der Papst sich auf dem Titanic-Titel einnässte". Eine solche Gleichsetzung verantwortlich handelnder Politiker mit Wahnsinn, Brutalität und Missachtung von Werten, Leib und Leben sei unangebracht, weil die Absichten von Angela Merkel, nach allem, was man gehört habe, immer die besten gewesen seien. "Dem Schulz, der noch nichts geleistet hat, jetzt eine Heldenkrone aufzusetzen, das sollte ein Nachrichtenmagazin vermeiden."

12 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Immer ist jemand schneller.

http://p5.focus.de/img/fotos/origs6619072/1950664153-w630-h833-o-q75-p5/charlie-hebdo.jpg

ppq hat gesagt…

die schäumen vor wut, weil nun noch ein großes satiremagazin auf dem markt ist

Anonym hat gesagt…

Der IS, vertreten durch seinen deutschen Pressesprecher im Bundeskanzleramt, hat im Übrigen heftig gegen diese Darstellungen protestiert. Es handele sich offenbar um eine Art Blackfacing, bei der Europäer versuchten, das Gebahren orientalischer Kulturträger nachzuahmen. Das sei aber rassistisch und menschenverachtend und eine klare Kampfansage. Man werde als Reaktion auf diese ungeheure Provokation verwirrte Einzeltäter mit mehrere Identitäten nach Deutschland senden, um in der SPIEGEL - Redaktion den Standpunkt des IS deutlich klarzumachen und freue sich schon jetzt auf eine Lebhafte Diskussion.

Die Anmerkung hat gesagt…

Der geköpfte Schulz bekommt nun auch Gegenwind aus den USA:

https://www.welt.de/vermischtes/article161931330/Wie-ein-Putzmann-auf-270-000-Dollar-Jahresgehalt-kommt.html

Reichtum für alle ist out. Die Lautsprecher der Armen und Besitzlosen mokieren sich darüber, daß ein Putzmann 270.000 Petrodollar als Jahresverdienst nach Hause trug.

Man kann es wohl doch niemandem recht machen.

Die Anmerkung hat gesagt…

Robert Fellner von der Non-Profit-Organisation bezeichnete das hohe Gehalt des Mitarbeiters als „absolut unverschämt“. Er habe noch nie einen derartigen Fall auf dem Schreibtisch gehabt. Für Hausmeistertätigkeiten sei das Gehalt „obszön“, gar „gewissenlos“, sagte er dem Sender. Es handele sich um einen „katastophalen Management-Fehler“.

ppq hat gesagt…

obergrenze! da muss der schulzomat eine obergrenze einführen!!!! weltweit! und wer nicht mitmacht, zack, ausmerzen!

Sauer hat gesagt…


Kaiser Siegfried Schulz

Auf dem Frontblatt des folgenden Spiegels wird man Schulz in einer mit dem Blut des Drachen gefüllten Badewanne sitzen sehen. Genüßlich benetzt er seinen ganzen Körper von Kopf bis Fuß mit dem kostbaren Naß, das ihn unverwundbar macht. Und er paßt auf, daß ihm kein Laub zwischen die Schulterblätter fällt, auf daß er zu mindestens 107 % gegen heimtückische Attacken neidischer Feinde geschützt ist.

Danach begibt er sich nach Würselen, wo er in feierlicher Zeremonie begleitet vom Jubel einer unzählbaren Menge Würseler den Namen Martin ablegt und den Namen Siegfried annimmt. Unter lobschallendem Gesang zieht er anschließend nach Aachen. Ergreifende Orgelmusik ertönt, als ihm in Dom der Papst die Kaiserkrone des würselerinischen Reichs europäischer Nation auf den Kopf setzt und ihn segnet. Als er aus dem Dom tritt und zu seinem Rolls Royce geht, brandet ein unbeschreiblicher, nicht enden wollender Sturm der Freude und Begeisterung auf. Huldvoll winkt er hinüber zu seinen von Ekstase erfaßten Untertanen.

Von nun wird er herrschen über die Völker Europas. Und wenn er nicht stirbt – und wo soll letztlich der Tod den Unverwundbaren an- und ergreifen – wird er als Kaiser Siegfried Schulz (SS) herrschen bis ans Ende aller Zeiten.

Volker hat gesagt…

Wir schaffen das

Anonym hat gesagt…

Sepp guckt Servus TV ( Talk im Bunker ) ; endlich mal Lichtmess im Fernsehen ; mehr davon !

https://www.servustv.com/de/Sendungen/Talk-im-Hangar-7

Carl Gustaf hat gesagt…

Mit dem abgebildeten Spiegel-Cover verbreitet PPQ eindeutig Fake-News. Der Spiegel vom 30.09.2017 hat die Nr. 40.

ppq hat gesagt…

ich bin stolz, dass wir so aufmerksame leser haben. aber alles wissen die nicht. der "spiegel" stellt doch im sommer wegen der auflagenmisere auf zweiwöchiges erscheinen (erscheinungstag immer mittwochs, wg. vor der "zeit") um. ab da zählt es natürlich anders

Carl Gustaf hat gesagt…

Das wäre dann soz. ein alternatives Faktum.