Freitag, 3. Januar 2020

Fake-News-Konzerne: Ein Tag für die Wahrheit

Gruner und Jahr ist bekannt für "Stern", "Brigitte" und "Hitlertagebücher, RTL ist erfolgreich geworden mit "Tutti Frutti" und begeistert heute Millionen mit Scripted Reality-Shows wie "Blaulicht-Report", "Bauer sucht Frau" und "Armes Reiches Deutschland". Jetzt tun sich die beiden verlässlichen Lieferanten von Fake News zusammen, um mal was ganz anderes in die Auslage zu packen: Am “Tag der Wahrheit” soll im kommenden Jahr tatsächlich nur das angeboten werden - die reine, unverschnittene Wahrheit, journalistisch hübsch verpackt und bei einem "Festival des Journalismus" in Hamburg von zahlreichen bekannten Reporterdarstellern, Chefredakteuren und Talkshow-Moderatoren präsentiert.

Der 25. April 2020 wird kein Tag wie jeder andere, an dem die deutschen Clickbait-Portale versuchen, mit möglichst spitz betitelten Agenturfantasien möglichst viele ahnungslose Leser*innen und Leser (m/w(d) auf ihre werbebanner- und trackingverseuchten Interseiten zu locken. Gruner + Jahr und RTL Deutschland, beides Töchter des Bertelsmann-Verlages, der 1938 mit Landserheftchen drei Viertel des Umsatzes machte und 1944 größter Lieferanten der Wehrmacht,[wollen zeigen, dass über Themen des Zeitgeschehens bei ausreichend langer Vorbereitung auch wahrheitsgetreu und realitätsnah berichtet werden kann.

Als Vorbild gilt hier der spätere "Stern"-Chef Henri Nannen, der als Kriegsberichtserstatter in der Abteilung Südstern der Propagandakompanie der SS-Standarte Kurt Eggers diente und 1944 mit seinen Roman "Störfeuer von MI71" die Serie "Kriegsbücherei der deutschen Jugend" bereicherte. Nannen widmete sich später dem Kampf für die Demokratie und der Suche nach den legendären Hitlertagebüchern, die ein völlig neues Licht auf die Zeit des 3. Reiches warfen. Nach ihm ist der Nannen-Preis benannt, der seit 2005 anstelle des bis dahin vergebenen Egon-Erwin-Kisch-Preis an herausragende Erfinder und Enthüller im deutschen Journalismus verliehen wird.

Mit dem Festival will G+J an Zeiten anknüpfen, in denen der Vorwurf der "Lügenpresse" noch nicht so alltäglich war, dass eine eigene Bertelsmann-Division damit beschäftigt werden musste, Millionen entsprechender Einträge zu löschen.. Damals, in der guten alten Zeit von Heinrich Mohn und John Jahr, galt Gedrucktes noch als wahr, "Zweifel" (Claus Kleber), wie sie heute zu einer unschönen Moderscheinung geworden sind, waren verpönt und die Bürgerinnen und Bürger standen "in Treue fest" (Christian Schmidt-Haeuer, Die Zeit) zu ihren Medien.

So soll es wieder werden. Einerseits wird der Kampf gegen verbale Gewalt, zu hohe Zustellkosten und abbröckelnde Einschaltquoten. Andererseits soll eine machtvolle gemeinsame Manifestation von Medien und Medienkonsumenten "ein Tag der Wahrheit sein, an dem wir gemeinsam und mit Freude darüber sprechen, was richtig ist und was falsch", wie G+J-Chefin Julia Jäkel ankündigt. In einer Zeit, in der Desinformation und Lügen zunehmen, werde das "ein Zeichen setzen“ (Jäkel).

Noch nicht ganz klar ist, wofür oder wogegen, aber, so hat RTL-Chef Bernd Reichart festgelegt. "Wo die Flut an Informationen und Falsch-Informationen weiter steigt, wird es immer wichtiger, Wahres von Unwahrem zu trennen. Bis dahin sei der eigene Beitrag zur deutschen Fake-News-Fabrikation sicher auch soweit vergessen, heißt es in Köln, dass Transparenz dahingehend hergestellt werden könne, die Sache zu vergessen. Die Chancen stehen gut: Inzwischen liegt die Aufdeckung der über ein Jahrzehnt anhaltenden Betrügereien ein halben Jahr zurück. Und RTL hat die ursprünglich versprochenen öffentliche Aufarbeitung bislang vermeiden können, weil niemals wieder irgendwer beim Sender nach dessen RTLotius gefragt hat.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

„Tag der Wahrheit“ und „Fest des Journalismus“ ist ja schonmal kein schlechter Lacher.
Demnächst „Tag des Veganismus“ auf einem Schlachtfest und „Tag der Pollerfreiheit“ auf einem Weihnachtsmarkt.
Aber man bleibt ja unter sich und behängt sich gegenseitig mit Orden wie auf einem Parteitag in Nordkorea.