Donnerstag, 17. März 2022

Abgewertet und herabgewürdigt: Rückkehr der Rassistensprache

(Achtung, der folgende Text enthält Beispiele rassistischer Sprache) 

Der Beschluss war klar, eindeutig und nicht anzweifelbar. Kaum hatte die angesehene Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff "Flüchtlinge" zum sogenannten "Wort des Jahres", deckte die Süddeutsche Zeitung auf, welch herabwürdigendes Potential in dem Wort steckt, das das früher allenthalben gebräuchliche abwertende "Asylbewerber" abgelöst hatte, das anstelle des Schimpfwortes "Asylant" zu verwenden einige Jahre früher beschlossen worden war. 

Negatives Potential

Neuere Forschungsergebnisse aber deckten nun auf, dass "Flüchtlinge" mindestens ebenso viel negatives Potential hatte: "Mit -ling aus Adjektiven gebildete Wörter besitzen von Anfang an einen negativen Beiklang", warnten führende Sprachforscher, die auf Beispiele wie "Fremdling", "Rohling", "Wüstling" und "Kümmerling" verwiesen, deren Sinngehalt eindeutig negativ aufgeladen sei.

Auch die Bildungen in den Jahrhunderten danach sind durchgängig negativ: Rohling, Sonderling, Wüstling, Schwächling, Kümmerling, Primitivling, Naivling, Jüngling, Weichling, Winzling und Feigling.
Fremdling und Neuling

Allesamt mittelhochdeutsche Wortbildungen mit protogermanischen Wurzeln, die wie Liebling, Zwilling oder Häuptling schon durch ihre Endung verrieten, wes' Geistes sie sind. Das Urteil fiel deutlich aus, einen regelrechten Prozess musste es gar nicht geben. Wie "Asylant", "illegaler Einwanderer", "Asylbewerber" und "Asyltourist" landete auch der "Flüchtling" auf der Liste der Worte aus der Rassistensprache. An seine Stelle traten der Flüchtende und die Geflüchtete, zwei Neubildungen grundgerechter Bauart unter Zuhilfenahme des sexusneutralen Partizip Präsenz. 

Tätigkeit aus Hauptmerkmal

Dabei wird ein Verb grammatikalisch substantiviert, um auszudrücken, dass ein aktuell ausgeübtes Tun  das unauslöschliche Hauptmerkmal einer Person ist: Der Flüchtende ist pure Flucht, er flüchtet selbst noch, wenn er das, wovor er flüchtet, hinter sich gelassen hat und dort angekommen ist, wo er hin wollte, weil er musste. Er bleibt beim Essen, beim Lesen und beim Duschen Flüchtender, sogar unabhängig vom Geschlecht, denn der Flüchtende wehrt sich gegen eine gendergerechte Sexualisierung, er kann nicht "Flüchtinnin" werden und nicht "Flüchtige". Selbst als vollendeter Flüchtender, der ortsfest bleibt, verwandelt er sich nur in einen "Geflüchteten", dem nicht nur die Möglichkeit der Verweiblichung abgeht, sondern auch die, willkürlich ein Sternchen, einen Doppelpunkt oder wenigstens einen Unterstrich zwischen den regulären Buchstaben unterzubringen.  

Besser als das abwertende "Flüchtlinge" aber allemal. Und so war es beschlossen: Flüchtende und Geflüchtete und auch die "Zufluchtsuchenden" würde das Regiment im Medienland übernehmen, in besonders fortschrittlichen Fällen ergänzt vom noch progressiveren Lehnwort refugee. Wie immer würde die Welt voller Achtung nach Deutschland schauen. Sich ganz kurz schämen. Und dann eifrig tun, was sie kann, um trotz ihrer überwiegend genderuntauglicher Fremdsprachen auf Augenhöhe mit den deutschen Respektssprecher*innen zu kommen. 

Nachlassende Wachsamkeit

Soweit der Plan. Doch dessen Ausführung lässt ein halbes Jahrzehnt nach Verkündigung zu wünschen übrig. Seit das Flucht-Thema mit dem Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine unversehens wieder auf die Tagesordnung geriet, scheint aber alles vergessen, was an festem Wissen längst praktisch umgesetzt schien. Der "Flüchtling" ist zurück in seinem alten Gewand mit der abwertenden Ling-Endung, er taucht in Fernsehsendungen auf, er rutscht Moderatoren heraus und er dominiert das Sprachbild von n-tv bis zum Bayrischen Rundfunk, von der "Zeit" bis zum "Spiegel"

Dort, beim ehemaligen Nachrichtenmagazin, das neueingeführte Standardbegriffe zumeist direkt aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) geliefert bekommt, liegt die Verwendungshäufigkeit von "Flüchtling" mit 688 Erwähnungen im zurückliegenden Jahr weit vor der der offiziell zugelassenen Begriffe "Geflüchtete" (527) und "Flüchtende" (89). Die revolutionäre Wachsamkeit, die auch bei der Neuprägung von Sprache unumgänglich ist, sie hat nachgelassen, das alte Deutschland der Abwerter, der Herabwürdiger und Liebhaber von Rassistensprache, es ist zurück im Spiel, zurück in den Redaktionen, im politischen Raum.



7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> "Kümmerling", dessen Sinngehalt eindeutig negativ aufgeladen sei

Der hat doch linksdrehenden Alkohl als Sinngehalt und jede Menge Kräuter obendrein, ist vegan und nicht von russischen Rohstoffen abhängig. Vor allem aber: Der Staat trinkt mit!

Also, alles gut.

Anonym hat gesagt…

FlüchtlingerInnin muss es wohl heißen

aber "die Flüchtlingerine Eische Komm ann - do aus Sandistan ist hochbegabt "

Anonym hat gesagt…

Vielleicht hat man das damals bloß gemacht, weil das Wort von den falschen benutzt wurde. Mit den neuen Wörtern konnte man eine In-Group bauen und so jeden einfach als Feind (Out-Group) identifizieren, der das Ritual nicht mittanzte.
Heute haben diese 'Falschen' keine generellen Einwände gegen Ukrainer als Flüchtlinge. Im Gegenteil sollten sich unsere VS-Nazis ja prächtig mit den Ukrainern verstehen.

Anonym hat gesagt…

Zyllinskyii schulmeistert die deutschen Volksvertreter - diese applaudieren artig - der "deutschlandfunk" freut sich ein zweites Loch ins Hirn , aber : wo große deutsche Schuld ist kommt schon bald ein kleines Lob für die deutsche Hilfe .

untertänigst folgen Dankesreden .

aus : "der Vasallenstaat - mit Waselline und Valium in den Krieg"

Mitmacherverlag Leipzig ; 2022

Andy hat gesagt…

Auch der Begriff "Geflüchtete" wurde schon als pejorativ abgelehnt. Da hat wohl die Euphemismus-Tretmühle wieder zugeschlagen, was aber eine schiefe Metapher ist, denn wie kann eine Tretmühle zuschlagen?

Weiterhin gibt es ja das Phänomen, dass uns unser Unbewusstes dazu bringt, uns in eine politisch nicht korrekte Richtung zu verlesen. Aus "Geflüchteter" wird dann "Gefürchteter".

Stattdessen wurde der Begriff "Einwanderer" vorgeschlagen. Was aber die gleichen Probleme aufwirft wie "Flüchtende": wenn man erst einmal eingewandert ist, dann hat man aufgehört, einzuwandern, ist also kein Einwanderer mehr, sondern ein Eingewanderter.

Eingewanderte haben aber das Problem, dass sie schwer zu deklinieren sind: es gibt von Goethe die "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten"; rein sprachintuitiv hätte ich jedoch die Formulierung "deutscher Ausgewanderter" vorgezogen, weil der Partizip-Charakter des Substantivs noch zu deutlich durchschimmert.

Also doch besser "Migranten" sagen? Nein, das klingt wie "Asylanten", außerdem ist es ein Sammelbegriff für Immigranten und Emigranten, und da könnte dem geheimen Wunsch Ausdruck verliehen werden, die Betreffenden möchten uns wieder verlassen.

Der Begriff "Neubürger" ist verbrannt, erstens, weil er schon zu oft in ironischer Absicht verwendet wurde, noch bevor ihn die Sprachbehörde Wokistans offiziell goutiert hatte. Und zweitens: "Bürger" geht natürlich gar nicht, denn "Bürger", womöglich noch "Staatsbürger", grenzt sich ab vom einfachen Wohnsitznehmer.

"Zugezogene" ist zu schwammig.

Es ist und bleibt vertrackt.

Der lachende Mann hat gesagt…

@ Andy Danke, daß Sie an Goethes "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten" erinnern! Denselben Gedanken wie Sie hatte ich damals auch. Ich sehe, wir sind beide in einem Staat mit Schulpflicht aufgewachsen.

Anonym hat gesagt…

Kremmelberater Dr. Zipp La Dousch war kürzlich im Kremmelberatungsgespräch .

"MynLeader, wir werden schon bald eine nagelneue Endsiegwaffe haben "

aha

" wir steuern eine mit Schwarzpulver beladene Oligarchenjacht direkt nach St. Nazière unjd bomben die Franzosen in die Steinzeit zurück "