Freitag, 14. Februar 2025

Gute-Laune-Land: Tolle Zahlen in schlechten Zeiten

Kleingartensparte Grüne Hoffnung
Grün ist die Hoffnung vieler Bürger, die sich auch in diesen trüben Tagen die Stimmung nicht vermiesen lassen.

Es sind Zahlen, die Mut machen. Gilt in der Politik wie in den Medien derzeit auch die Devise, alles schwarz zu malen und herunterzureden, den Untergang Deutschlands zu beschwören und alles infrage zu stellen, was die hart arbeitende Mitte sich und allen anderen in den vergangenen Jahren unter Leitung der demokratischen Parteien aufgebaut hat, so zeigt eine aktuelle Umfrage, dass die Laune der Deutschen weitaus besser ist als die Lage.

Ungeachtet aller Einflüsterungen bleibt eine Mehrheit der Menschen grundoptimistisch. Selbst die Aussichten, dass alles nach der bestenfalls so weitergehen wird wie bisher, vermögen die Bürgerinnen und Bürger nicht zu irritieren.

Extra-Milliarden werden es richten

Dabei kommen aus Berlin und Brüssel fortwährend beunruhigende Nachrichten. Deutschland glauben inzwischen alle Parteien in Ordnung bringen zu müssen. Die EU-Kommission als übergeordnete Regierung hatte schon lange vorher bekanntgegeben, dass Europa wieder aufgebaut werden müsse. Milliarden fließen dafür seit mehr als zwei Jahren. 

Die früh gescheiterte Ampel-Regierung hat im nationalen Interesse weitere Milliarden draufgelegt, ohne dass dabei irgendein Erfolg zu verzeichnen war. Alles wurde immer schlimmer, selbst in die Publikationen verantwortungsvoll geführter Medienhäuser schlich sich das lange behutsam vermiedene R-Wort ein.

Die gute Laune im Land hat das kaum beeinträchtigt, wie die Umfrage von YouGov zeigt. Nicht einmal vier von zehn Wahlberechtigten sind der Umfrage zufolge besorgt, wenn sie auf die Politik in Deutschland schauen. Auf die Frage, welches Gefühl am besten beschreibt, wie sie in die Zukunft der deutschen Politik blicken, antworteten 39 Prozent der Befragten, sie seien besorgt. Zwar sind weitere 15 Prozent frustriert und sieben Prozent sagten, sie seien ängstlich. Doch ein ebenso großer Teil ist  optimistisch, weitere zwölf Prozent gaben an, "gespannt" zu sein und elf Prozent waren sogar  erwartungsvoll. 

Gute Zahlen in schlechten Zeiten

Zahlen, wie sie besser kaum sein könnten in Zeiten mit Insolvenzahlen wie während der Finanzkrise, Massenentlassungen bei den Dickschiffen der Wirtschaft, hohen Preisen und einem Führungspersonal, dem nicht nur das Pulver sichtlich ausgegangen, sondern auch die Flinte abhandengekommen ist. Die Versprechen aber, dass bald alles besser wird, sie ziehen weiterhin.

So schlecht sei das aber alles gar nicht, befinden zusammengenommen 38 Prozent der Befragten, darunter auch acht, die dem ganzen Drama eigener Aussage nach mit einem "neutralen Gefühl" zuschauen. Das  Psychogramm Deutschland zeigt ungeachtet aller Unkenrufe zwar eine starke Präsenz von Sorge und Angst. Zugleich aber großes Vertrauen in die politische Landschaft, der beinahe so viele Menschen zutrauen, die politischen Unsicherheiten, wirtschaftlichen Herausforderungen und internationalen Krisen zu managen, wie den Glauben daran bereits verloren haben.

Von Spaltung keine Spur

Nur 15 Prozent Frustrierter, sieben Prozent, die verängstigt sind, und kein einziger Umfrageteilnehmer, der sich als wütend, zornig oder auch nur empört bezeichnet hat - das sind Ergebnisse, auf denen die nächste Bundesregierung aufbauen kann. Von Spaltung keine Spur, selbst die von einigen durchaus geäußerte Wahrnehmung, dass politische Entscheidungen zuweilen "nicht den Interessen der Bevölkerung" getroffen würden, führt nicht dazu, dass lauthals nach Neuanfang, Kettensäge und einem Ausschütten des Kindes mit dem Bade gerufen wird. 

Bürgerinnen und Bürger halten stattdessen an ihrem Urvertrauen fest, dass es schon jemand richten wird. Weit weg ist die Stimmung von der am Ende der Kohl-Ära, als 87 Prozent der Menschen im Land, das damals wie heute als "kranker Mann Europas" (SZ) geschmäht wurde, sich für sogenannte "Reformen" aussprachen. Derzeit gibt es keinen Bedarf danach. Träte das einstige Zauberwort heute zur Wahl des Unwortes des Jahres an, es hätte keine Chance, gewählt zu werden.

Geringes Maß an Unzufriedenheit

Das Maß an Unzufriedenheit liegt im historischen Durchschnitt, auch wenn die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung, der Opposition und dem Zustand der Demokratie insgesamt Rekordwerte erreicht hat. Immer noch aber herrscht der Glaube vor, dass eine neue politische Führung das Blatt im Handumdrehen wenden wird. 

Die Zeichen dafür stehen gut. Die SPD hat bereits klargemacht, dass mit ihr "die nötigen Mehraufwendungen für Sicherheit nicht zu Lasten der Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur, zu Lasten von Rente, Gesundheit, Pflege und Familie gehen" werden. Die Union plant dagegen einen "Neuanfang", die Grünen ein "Modernisierungsupdate", die FDP will alles "ändern" und die übrigen Parteien werden je nach Aussicht auf Regierungsbeteiligungen jede positive Entwicklung als Chance begreifen.

Die fehlende politische Dynamik - im Grunde liegen die Umfragezahlen aller Parteien seit Monaten im Schwankungsbereich der Fehlertoleranz - spielt einer Umsetzung dieser Pläne in die Karten. Schafft es die kleine, aber bemerkenswerte Gruppe, die ungeachtet der auch sie umzingelnden Wirklichkeit optimistisch ist, die große Gruppe der aus unbekannten Gründen noch Unzufriedenen mit ihrem positiven Blick auf die Zukunft anzustecken, dürften sich Besorgnis und Angst schnell in Wohlgefallen auflösen. Dass eine relative Mehrheit der Menschen eher negative Gefühle gegenüber der politischen Führung hegt, dürfte dann schnell der Vergangenheit angehören.

Vertrauen aufbauen: Protokolle aus der Puppenkiste

Der frühere SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz, heute als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung ein strategischer Denker im SPD-Hintergrund, hat zur freien Presse alles abschließend gesagt.


Das Vertrauen in die Medien ist sechs Wochen nach der letzten großen Staats- und Regierungkrise so hoch wie nie, die Reichweiten der Nachrichtenportale landauf, landab steigen, der "Spiegel" veredelt grüne Wahlkampagnen und die Zahl der Mitlesenden bei den Leitmedien erzählt von beständig zunehmender Exklusivität. Nach Jahren des Kampfes gegen die "Lügenpresse" und den US-Präsidenten ist die Glaubwürdigkeit von ARD, ZDF und der privatkapitalistischen Medienheuschrecken so hoch wie zuletzt 1918. 

Eine aktuelle Studie des Medienforschers Hans Achtelbuscher belegt, dass das kein Einzelfall ist, sondern die Dunkelziffer vermutlich sogar höher liegt. Achtelbuscher forscht am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung zu aktuellen Phänomenen wie dem Themensterben in den deutschen Medien, Sprachregelungsmechanismen und dem Einfluss subkutaner Wünsche auf die berichterstattete Realität. PPQ hat mit dem Experten für digitale Demenz über die frappierenden Ergebnisse der Studie "Medien in Deutschland 2025" gesprochen.

PPQ: Herr Achtelbuscher, in ihrer Studie "Medien in Deutschland 2025" kommen Sie schon vorab zum Schluss, dass die Bürgerinnen und Bürger kurz vor der Bundestagswahl  neues Vertrauen in die großem Sender und Zeitungshäuser geschöpft haben. Wie erklären Sie sich dieses erstaunliche Phänomen?

Achtelbuscher: Für uns in der Entropieforschung kommt dieses Ergebnis gar nicht so überraschend. Die aktuellen Daten unserer Medienstudie zeigen, dass das Vertrauen in die Medien in Deutschland nie so weit weg war wie es Skeptiker gern gehabt hätten. Schauen Sie, heute schauen insgesamt gesehen nicht einmal mehr halb so viele Menschen lineares Fernsehen wie noch vor 20 Jahren. Und es gelingt zum Beispiel der ARD dennoch, Daten herzustellen, die eindeutig belegen,dass die ,Tagesschau' nach wie vor so viele Zuschauer hat wie 2005. Wenn Menschen so zahlreich dort einschalten, spricht das natürlich für großes Vertrauen.

PPQ: Aber eine Studie des Reuters Institutes belegt, dass nur 43 Prozent der Deutschen der Ansicht sind, dass die Medien verschiedene Perspektiven gut darstellen, nicht einseitig berichten und nicht bestimmte politische Ansichten bevorzugen. Weißt das nicht auf eine gewisse Skepsis hin?

Achtelbuscher: Zweifelsfrei könnte man das so sehen. Aber tatsächlich deckt sich die Anzahl derer, die prinzipiell medienkritisch eingestellt sind, jeweils nur mit den Gruppen, die ganz außen an den politischen Rändern lungern. Da haben wir unseren Daten zufolge eine ganz kleine Clique von etwa 13 Prozent der Menschen in Deutschland, die der Aussage zustimmen, Medien seinen verantwortlich dafür, dass der Faschismus erstarkt.

Dieser Wert entspricht fast dem Abschneiden der Grünen in aktuellen Umfragen. Zugleich haben wir dann zwischen 15 und 25 Prozent derer, die an die große woke Unterwanderung glauben, betrieben von den großen Medienhäusern im Auftrag ausländischer Mächte. Diese Gruppe ist wiederum zumindest teilidentisch mit den Wählerinnenn und Wählern am anderen Rand.

PPQ: Das ist auffällig, aber kann das nicht auch Zufall sein? Es sind ja nicht nur grüne Wähler, die an Glyphosatverschwörungen, an Homöopathie und das dritte Geschlecht glauben. Ökolandbau gilt auch in rechten Kreisen als gesünder, auch viele CDU-Mitglieder halten Fruchtzucker für weniger süß als Zucker in amerikanischer Cola. 

Achtelbuscher: Wir warnen stets davor, diejenigen, die enttäuscht und desillusioniert sind, gleichzusetzen mit denen, die den Medien nicht vertrauen und aus diesem Grund unser gesamtes demokratisches System vor dem Scheitern sehen, sobald sich eine Diskussion entwickelt, die denen, die sie Woche für Woche führen, aus den Händen zu gleiten scheint. Wenn wir sagen, dass sich nahezu jeder Zweite in Deutschland von den Medien belogen fühlt, dann heißt das ja nicht, dass er sich immer belogen fühlt, sondern manchmal oder häufiger. Im Umkehrschluss ein Belegt dafür, dass eine Mehrzahl zumindest immer wieder alles glaubt.

PPQ: So lange wir aber nicht wissen, was und warum oder weshalb nicht, lässt sich kau eine Medienlandschaft designen, die den radikalen Zweiflern zeigt, dass sie nicht gewünscht sind und letztlich keine Chance haben, oder?

Achtelbuscher: Ich warne vor einer Vermischung. Das gesunde Misstrauen gegenüber Nachrichten schützt die Gesellschaft vor Fake News, ein Anliegen, das in zahlreichen EU-Verordnungen als Resilienzförderung  ausdrücklich als Ziel ausgegeben wurde. Der überschießende Drang Einzelner, auch dem nicht zu trauen, was demokratische Institutionen und Parteien sagen, die in Jahrzehnten als Verantwortungsträger gezeigt haben, was sie alles können, schießt über das Ziel hinaus. Aber hier ist es sicherlich besser, demokratiebildend mit den Menschen zu arbeiten als sie dafür zu verdammen, dass sie versuchen, nicht den Falschen ins üble Netz zu gehen.

PPQ: Wenn aber solchen Verdächtigen wie dem Amerikaner Elon Musk oder dem Franzosen Thierry Breton eine Plattform gegeben wird, sich in deutsche Wahlen einzumischen, kapituliert Deutschland dann nicht vor der medialen Macht von Millionären und Milliardären?

Achtelbuscher: Das ist eine falsche Wahrnehmung. Mit ARD und ZDF verfügt Deutschland über den größten Medienkonzern Europas - und dank der Weitsicht der Personen des Grundgesetzes ist dieses gewaltige Unternehmen im Eigentum aller, gesteuert von Menschen, die nur den Ministerpräsidenten und den Parteien verpflichtet sind, die sie in die Aufsichtsgremien entsenden. Es ist naheliegend, dass öffentlich-rechtliche Medien dadurch überdurchschnittlich viel Vertrauen genießen, verglichen mit den Zeitungen und Zeitschriften der privatkapitalistischen Medienheuschrecken, die mit Hitlertagebüchern, Relotiusskandal und der unkritischen Übernahme von Parteiparolen mehr als einmal Zweifel daran geweckt haben, sie seriöse Arbeit leisten.

PPQ: Die Daten aus ihrer Studie deuten eher auf ein komplexeres Bild hin, wo das Vertrauen in die Medien variiert und nicht so eindeutig hoch ist wie behauptet, ohne deshalb niedrig zu sein.

Achtelbuscher: Das ist eine Frage der Interpretation. Wenn wir die Lage mit der in der vormaligen DDR vergleichen, steht die deutsche Medienlandschaft hervorragend da. Zwischen 1908 und 2015 vertraute weniger als ein Drittel der Menschen in die journalistische Arbeit, 2016 und 2017 stieg das Vertrauen explosionsartig auf 42 Prozent, jetzt liegt es schon bei über 84 Prozent, zumindest bei einigen Betroffenen. Das sind Werte, an die ist das berüchtigte ,Neue Deutschland' in der DDR nicht einmal mit mehr als einer Million Abonnenten herangekommen. 

Dazu müssen wir ja auch sehen, dass mit TikTok, Instagram, X und Facebook heute weitere Informationskanäle zur Verfügung stehen, über die sich Menschen auf der Suche nach verlässlichen  Informationen aus erster Hand von Wahlkämpfern, Parteizentralen und den  entsprechenden Bot-Armeen der Wahlkampfführer über deren aktuelle Weltsicht ins Bild setzen lassen können. Da ist die Breite schon immens.

PPQ: Sehen Sie darin auch einen Grund, warum die Medienlandschaft in Deutschland eine komplexe Dynamik mit abnehmender linearer Nutzung zeigt? Könnte es sein, dass viel sich sagen, ehe ich im ,Spiegel' nachlese, was Politiker X, Y oder Z gestern bei TikTok getanzt hat, schaue ich lieber gleich dort nach?

Achtelbuscher: Wir als Forschende vermuten eher, dass die Menschen nach Orientierung suchen. Kaum jemand will unnütz Zeit opfern, um ungefilterte Meldungen zu prüfen, einzuordnen und schließlich in ihrer Tragweite zu verstehen. Denken Sie nur zurück an Frau Merkel und deren klassischen Satz ,Wir schaffen das'. Der war nichts anderes als eine Beschwichtigung, auf die die Bürgerinnen und Bürger gewartet hatten. Eltern kennen das von Einschlafübungen mit aufgeregten Kindern. 

Da sagt man schnell, ,morgen ist alles wieder gut' und die Kleinen glauben das, weil sie es glauben wollen. TikTok zu lesen oder X, erfordert im Grunde eine Mühe, die doch viele nicht aufzuwenden bereit sind. Sie wollen dasselbe lieber von den Leitmedien erzählt bekommen, die es dort abgeschrieben haben, oft verkürzt oder interpretiert. Das hat aus meiner Sicht eine neue Ära des Journalismus eingeläutet, die wir ,gedrucktes Facebook' nennen, weil das Phänomen dort zuerst beobachtet  wurde.

PPQ: Endet damit jetzt eine quälend lange Phase der Verunsicherung und Selbstzerfleischung, als selbst große Häuser wie die ARD teilweise alles infrage stellten, was sie zum Erhalt der fragilen deutschen Demokratie beigetragen hatten?

 
Achtelbuscher: Grundsätzlich war die Sichtweise, dass sich die Welt nach dem Bild verändert, dass wir uns von ihr machen, nicht falsch. Aber vielleicht war die Zeit noch nicht bereit für die Forderung, dass Skeptiker ihre Meinung ändern sollen, wenn sie nicht mit der übereinstimmt, die in den Elfenbeintürmen der Bundesberichterstattung als unumgänglich herausgestellt hatte. Dass Journalisten heute wieder Verständnis für Probleme sogenannte einfacher Leute aus der hart arbeitenden Mitte haben sollen, ist für viele eine mächtige Umstellung. 

PPQ: Das klingt erschreckend. Wie begründet sich das?

Achtelbuscher: Eine ganze Generation hatte sich gerade deshalb für diesen Beruf entscheiden, weil sich hier etwa verglichen mit einem anderen Lehrerjob ein viel größeres Publikum erreichen und belehren lässt. Das wird durch unsere Studien bestätigt, ebenso das allgemeine Bild, dass es vollkommen normal ist, dass die Protagonisten in den Medien nicht repräsentativ die gesamte Bevölkerung abbilden. 

So wie früher das Schrille zählte, das Fremde, das Schmutzige, Sex und Crime und Verschwörungstheoretiker mit möglichst abstrusen Weltbildern das höchste Ansehen genossen, weil sie die höchste Aufmerksamkeit einspielten, galten alle diese Fundamente der freiheitlichen Presse lange als gefährliches Gebiet. Medien selbst glaubten ja so fest an ihre Macht, dass sie davon überzeugt waren, Menschen wie der rattenfänger von Hameln seine Kinder allein durch simple, traditionelle Berichterstattung zum Bösen verführen zu können.

PPQ: Resultiert daraus der Vorwurf, dass es große und herausragende Ereignisse leichter in die Nachrichten schaffen, wenn sie für den Alltag einer alleinerziehenden Mutter aus Frankfurt-Rödelheim belanglos sind?

Achtelbuscher: Das hat zweifellos damit zu tun. Wir sprechen ja gern von der Berliner Puppenbühne, diesem Figurentheater mit seinen zwei, drei Dutzend Charaktergestalten, die zu allem und jedem eine entscheidende Meinung zu äußern haben, weil keine Debatte ergebnislos beendet werden kann, so lange das nicht egschehen ist. Diese auch vom körperlichen her streng auf Unterscheidbarkeit geschnitzten Darsteller kennt dann nach Jahren des fortgesetzten Auftauchens jeder, vor allem aber kennt die Handvoll der Beteiligten sich gegenseitig. 

Diese Leute könnten blind miteinander Tennis spielen! Da bleibt dann nicht aus, dass bestimmte Alltagsprobleme medial nicht aufgearbeitet werden können, weil jeder der Mitfahrer auf dem Talkshow-Karussell natürlich erstmal sehen muss, dass er mit seinen eigenen Dingen klarkommt: Regieren und intrigieren, am Ball bleiben und im Gespräch, das ist so belastend, dass nur wenige es auf Dauer wirklich genießen, diese Macht zu haben.

PPQ: Und sie zu verwenden, um die staatlichen Gängelbänder behutsam in immer weitere Lebensbereiche auszulegen, damit die Menschen in unbeobachteten Moment nicht auf falsche Ideen kommen. Warum sind denn Zeitungen und Fernsehen als eigentlich ur-demokratische Werkzeuge, von diesen Entwicklungen so begeistert? 

Achtelbuscher: Ich würde denken, das hat damit zu tun, dass man sich in einer Front fühlt, als Soldat einer Armee, die gemeinsam kämpft - der Politiker, indem er Gesetze erlässt, um den Menschen vorzuschreiben, wie und wann sie ihre Grundechte noch nutzen dürfen,. Und der Fighter mit der Feder als Verteidiger solcher Entscheidungen, der dann gegen das Internet als rechtfreien raum, gegen die gefährlichen Ballerspiele und die Anmaßung von Wutbürgern argumentiert, die meinen, sie dürften  schreien, was sie wollen. 

PPQ: Ist das aber nicht prinzipiell richtig?

Achtelbuscher: Gegenfrage: Wäre das nicht überaus schädlich? Wenn Medien Menschen mit der Nase darauf stoßen, dass alles ,veränderbar' ist - ein Floskel, die fahrlässigerweise auch im Bundestagswahlkampf verscheidentlich auftaucht - dann geht das natürlich in eine Richtung, wo sich Mauler und Nörgler und Staatsfeinde verstanden fühlen. Da rücken Teile der Medien vom Konsens ab, dass die, die meckern, nicht verstanden werden dürfen, um nicht den Eindruck zu erwecken, es gäbe etwas zu mecken. Geschrei ist keine Lösung, die Berichterstattung über Schreiende keine Pflicht. Um dieses Klientel können sich Sozialarbeiter kümmern, wenn das nicht reicht, gern auch die Polizei. Aber die Methode, die Probleme dieser letztliche selbstsüchtigen und unsolidarischen Menschen öffentlich zu machen, funktioniert nicht, sie ermutig die Aktivistenden nur, immer lauter zu brüllen.



Donnerstag, 13. Februar 2025

Faktenerfinder: Deshalb hatte Merkel immer recht

Spricht für ihre Ehrlichkeit und dafür, dass sie immer die Wahrheit sagt: Angela Merkel musste sich in mehr als 30 Jahren in der Spitzenpolitik nicht einen einzigen "Faktencheck" gefallen lassen. Kümram: Wasserfarben auf Zellstoff

Dass Hitler kein Linker war, stellte sich schneller heraus, als die Tagesschau-Faktenchecker Barack Obamas krude Behauptung von der Grenzöffnung durch Angela Merkel widerlegen konnten,. Dessen Lob für Merkels beherzte Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, hatte die "Tagesschau" 2016 noch selbst verbreitet, mittlerweile aber stimmt das alles nicht mehr. Eine zunehmend dynamisierte Wahrheitsdefinition lässt derzeit keine andere Deutung zu, als dass die Grenzen zu anderen Ländern zu der Zeit gar nicht geschlossen waren.

Verfassungsbruch ohne Folgen

Und folglich auch nicht geöffnet werden konnten, nicht einmal von Angela Merkel, der später sogar gelang, sich aus dem Ausland in eine deutsche Wahl einzumischen. Ein Unding, befand das Bundesverfassungsgericht und bescheinigte der Kanzlerin einen Verfassungsbruch durch einen einseitigen Eingriff in den Wettbewerb der politischen Parteien  nebst eines"Verletzung des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung".

 Folgenlos freilich, wie andere berühmte Verfassungsbrecher amtierte die CDU-Politikerin ungerührt weiter, vertrauend auf die geheimnisvolle Macht, die aus der Fähigkeit entspringt, zu wissen, wann die Medien was wollen.

Wie US-Präsident Donald Trump und EZB-Chefin Christine Lagarde blieb auch Merkel trotz des Schuldspruchs straffrei. Nicht einmal der "Faktenerfinder" der "Tagesschau" musste jemals feststellen, dass die Kanzlerin irgendwo einen Fehler gemacht oder die Unwahrheit gesagt hat. Alice Weidel, in Teilen nachgewiesenermaßen vom Verfassungsschutz als extremistisch beobachtet, kommt in einer einzigen Woche auf mehr Faktenchecks als Merkel in 16 Jahren Kanzlerschaft und drei Jahren als erfolgreiche Buchautorin.

"Erinnerungen" ohne Fehler

"Freiheit", ihre voluminösen "Erinnerungen", haben 734 Seiten, auf denen "praktisch nichts" (Spiegel) verraten wird. Auch nicht, wie es der Ex-Kanzlerin gelang, um die für gewöhnlich strengen Prüfungen der Faktencheckerbranche herumzukommen. Auch fast zehn Wochen nach Erscheinen des Buches ist vielfach bezeugt, dass sie schreibt, "wie sie vom Ruderboot fiel" und dass "Macht ihren Preis" hatte. Ob das aber überhaupt stimmt, hat bis heute kein unabhängiger Faktenfuchs geprüft.

Völlig zurecht, denn fündig geworden wären selbst die ausgebufftesten Experten mit Sicherheit nicht.  Angela Merkel hatte sich zuvor schon in mehr als 30 Jahren in der Spitzenpolitik nicht einem einzigen "Faktencheck" gefallen lassen müssen, weil ihr einfach der Ruf vorauseilte, immer ehrlich und offen zu sein. Was die in Hamburg geborene "ostdeutsche Kanzlerin" (Deutschlandfunk) sagte, galt nicht nur, es war auch wahr, so sehr sogar, dass sich jede Prüfung von selbst verbot. 

Gegenseitiges Urvertrauen

Die Kanzlerin vertraute den Faktenfindern, etwa bei "Tagesschau", "Correctiv" und BR-"Faktenfuchs". Die Branche wiederum vertraute ihr und wurde nie enttäuscht. Entsprechend übertrug sich der Brauch, nicht mit aller Macht nach "Schmutzeleien" (Seehofer) zu suchen, wo bestimmt keine sind, auf den Nachfolger. 

Wie Merkel genießt auch der Sozialdemokrat Olaf Scholz das Privileg, noch niemals mit einer Tiefenprüfung von Faktencheckern konfrontiert worden zu sein. Auch Scholz kann sagen, was er will, es kann nur Stunden oder wenige Tage richtig sein. Recht hat er damit immer, weil er der Kanzler ist und eine ehrliche Haut, die höchstens einmal ein Detail vergisst. 

Aus der zu Heeresstärke angeschwollenen Armee der Faktenfinder, Volkserzieher und Richtigsteller hat sich noch niemals ein einziger mit irgendeiner Behauptung des derzeitigen SPD-Kanzlerkandidaten beschäftigt. Scholz war allenfalls Thema, wenn ihm Böses drohte. Dann warfen sich die Korrektoren wie ein Mann vor ihn.

Ein Schwur auf Mutti

Als Phänomen erstaunlich, denn selbst der CDU-Kanzlerkandidat muss gelegentlich peinliche Faktenchecks durch ausgebildete Check-Handwerker über sich ergehen lassen. Doch so ist es Brauch im politischen Berlin, seit Angela Merkel die Chefredaktionen auf sich einschwor, zum Besten der Nation.

Die Zeiten, in denen sich ein Bundeskanzler noch kritische Fragen gefallen lassen musste, sie sind vorbei, seit Helmut Kohl sein Amt verlor. Nachfolger Gerhard Schröder schon machte lange alles richtig, ausgenommen seine Hartz-4-Reformen, die damals unter harscher Kritik standen, weil sie auch nach dem Dafürhalten der Leitmedien nur "Armut nach Gesetz" bedeuteten. Erst später verwandelten sie sich in einen Geniestreich des Kumpelkanzlers, der nun, im mutigen Rückblick, mit seiner mutigen Reform die Basis für die Grundlage des Erfolges seiner Nachfolgerin gelegt hatte.

Im Visier der Faktenchecker

Schröder rückte nach dem Verlust seines Amtes ins Visier von Faktencheckern, Merkel nicht. Während  die beiden Vorgänger der Rekordkanzlerin aus der Gnade fielen - der Einheitskanzler wegen seines Schweigens über das Ausmaß der Bestechlichkeit in der Union, der sozialdemokratische Heiler des kranken Mannes Europas wegen seiner Russlandverbindungen - blieb Merkel von Nachfragen weiterhin unbehelligt. 

Der Ruf der Frau, die sie verliebt "Mutti" nannten, ist bis heute makellos. Ihre Fehlurteile, über anderthalb Jahrzehnte Ausgangspunkt der wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Krise, in der Deutschland steckt, werden weiterhin hochgeschätzt und für bare Münze gehalten, selbst wenn es sich um reine Effekthascherei handelt.

Die Liebe ist noch da

Die Liebe, sie ist noch da, die Liebe, sie brennt noch heiß. Aus ganz rationalen Gründen freilich. Der so lange als "mächtigste Frau der Welt" angehimmelten Hamburgerin im Nachhinein Fehler anzukreiden, würde bedeuten, sich selbst als mitverantwortlich darzustellen. 

Gemeinsam hat man geirrt, beim Atomausstieg, bei der Migration, bei der Beschädigung der Demokratie durch verfassungswidrige Eingriffe in die souveränen Entscheidungen von Parlamentariern, bei der Aufhebung von Grundrechten in der Pandemie, beim Energiepakt mit Russland und bei der gezielten Zerstörung von Bundeswehr, Bahn und Infrastruktur. Gemeinsam schweigt man nun, in Erwartung eines gnädigen Vergessens.

Als wäre auch ihr Ruhestand eine einzige Sendung mit "Anne Will", die Macht zu Gast bei Freunden, erfreut sich die 70-jährige Ex-Kanzlerin eines untadeligen Rufes. Merkel muss nicht einmal Termine absolvieren, um das fortlaufende politische Wirken nach dem Abschied aus dem Amt nachzuweisen, dessen Fehlen ihren Vorgänger Büro, Mitarbeiter und Privilegien gekostet hat. 

Angela Merkel war unangreifbar, weil sie die Politik exekutierte, die sich der Elfenbeinturm von ihr wünschte. Und sie bleibt es, weil die Faktenchecker-Branche ihren Aufstieg zur fünften Gewalt genau dieser Art spezieller Merkelscher Medienkompetwenz verdankt.

Einsatz im Elfenbeinturm: Zwischen Fratzschern, Schieritzen, Restlen und Polenzen

Ruprecht Polenz ist ein Einzelkämpfer gegen rechts
Ruprecht Polenz gilt als wirkmächtiger Einzelkämpfer für den grünen Geist der CDU. Der als Generalsekretär gescheiterte ehemalige Christdemokrat hat den Begriff "Polenzen" inspiriert. Porträt: Kümram

Der eine ist "Journalist über den Tag hinaus", Redaktionsleiter "Monitor (ARD)" und Ex-Moskau-Korrespondent. Der andere scheiterte in kürzester Zeit als CDU-Generalsekretär. Statt als Merkels Büchsenspanner Karriere zu machen, fiel Ruprecht Polenz aus der Gnade und ins politische Nichts.  

Dort wohnt auch Marcel Fratzscher, numerisch Chef des Deutschen Institutes für Wirtschaft in Berlin. Faktisch aber unter den deutschen Ökonomen so etwas wie Ralf Stegner im politischen Berlin: Immer schräg zur Wirklichkeit. Mit jeder Vorhersage auf dem Weg zur Bauchlandung. Aber selbstbewusst und selbstbewusster mit jeder weiteren Fehlprognose.  

Überbieten mit Wahlverbrechen

Anfang des Jahres, das Fairnessabkommen der großen Parteien war kaum in Kraft getreten und  Olaf Scholz hatte noch keinen schwarzen CDU-Mann das "Feigenblatt" einer rassistischen Partei genannt, war der DIW-Chef einer ganz großen Sache auf die Spur gekommen.

 "Was mich schockiert, ist, dass die Parteien die Wähler hinters Licht führen wollen", warnte er. Sie alle, gemeint waren die der demokratischen Mitte, trauten den Wählern nicht die Wahrheit zu. "Und sie überbieten sich mit Wahlversprechen", bemerkte der Wissenschaftler, dessen Name in Fankreisen als Verb geflüstert wird. 

"Fratzschern" ( → Häufigkeit: 77, Aussprache: frɛɐ̯ˈtscherːrn, Betonung: fra-tschern, Trennung fra|ztsch|ern, Beispiel: "Sorge vor höherer Inflation ist unbegründet") ist ein Begriff, der den Fratzschernden felsenfestlegt, ihm aber durch die innewohnende Grundelastik die Chance gibt, jederzeit auch das Gegenteil des Vorgesagten als zutreffend prognostiziert zu feiern.

 Eine Kunst, die eng verwand mit dem sogenannten "Restlen" ist. Dabei wechselt der Restlende seine Ansicht, ohne sich selbst vom eigenen Grundkonsens wegzubewegen. 

Wellenreiten auf der Wahrheit

Ein klassischer Restle ist Wellenreiter auf der Wahrheit: War es, so lange die Mode es wollte, die Aggressivität des Westens, die den Konflikt zwischen Ost und West immer weiter angeheizt hat, angepeitscht von einem US-Präsidenten, der quasi verbotene Verbindungen zu "Falken" in der Rüstungsindustrie und zu Waffenexporteuren hatte, torpedieren schon wenig später gesinnungslose Pazifisten die notwendige Aufrüstung und Ausrüstung der Truppen im Feld. 

Das Erkennens morphologischer oder syntaktischer Fehler in der Zeitreihe tritt dabei als ELAN-Komponente (Early Left Anterior Negativity) auf. Dabei handelt es sich um eine frühe linksfrontale Negativierung, die bei Erwachsenen im Falle von Phrasenstrukturverletzungen auftritt. 

Fortschritte in der Verständnisfähigkeit führen nicht mehr zu einem verbesserten Verständnis, sondern zu einer sich verstetigenden Verständnisverweigerung, bei Kinder umgangssprachlich als "Bocken" bezeichnet.

Georg Restle, Erfinder und fingerfertigster Vortänzer des nach ihm benannten Restlens, pflegt Haltung in Kettenschaltung, immer ein Gang, alle nacheinander. Mit Fratzscher verbinden ihn sowohl Selbstbewusstsein als auch Selbstvergessenheit, mit Polenz, dem grünsten Influencer der Union, haben beide den Hang zur Radikalisierung gemein. 

Quengelige Gegenrede 

Was in der frühen Phase noch wie quengelige Gegenrede um der Gegenrede erschien, gemacht, um auf- und zu gefallen, ist nach Jahren der fortschreitenden sogenannten Verstegnerung  (→ Häufigkeit: 87, Aussprache: Verstrɛɐ̯ˈgnerːung, Betonung: Ver-stegnern, Trennung Ver|steg|nern, Beispiel: Frankie goes to Schloss Bellevue / Schwarze Power voll perdu /Andi Scheuer rast der Puls / Sakkrament - #jetztistschulz)  ein manifester Überdruckzustand, der verhindert, das Luft in die Gedankenblase dringen kann.

In der beobachtenden Aggressionswissenschaft sprechen Forschende von ideologischer Ignoranz: Betroffene sehen nur noch, was sie sehen wollen. 

Zugleich ist ihnen nahezu unmöglich, sich die Möglichkeit einer von ihren Wünschen und Vorstellungen abweichenden Realität auch nur vorzustellen. Im Anfangsstadium benötigt der Verstegnerte die uns umzingelnde Wirklichkeit noch als Inspirationsquelle für seine Interpretationen.

Zu dumm für die Demokratie

Im mittleren Stadium wird das Phänomen dann aber multiple: Gefratzschertes wird unwillkürlich gerestlet, verpolenzt und im Schlussstadium verstegnert es dann. 

In einigen Fällen kommt überdies ein zuletzt häufiger beobachtetes Schieritzen (→ Häufigkeit: 107, Schier-itz, Betonung: Schiehh-ritz, Trennung Schie|ritz, Beispiel:  "Zu dumm für die Demokratie - Wenn der Wille des Volkes gefährlich wird") hinzu. 

Der klassische Schieritzende, anzutreffen häufig im Milieu des Elfenbeinturms (figurativ: Ort der Abgeschiedenheit und Unberührtheit von der Welt; oft Akademiker, die jeden Bezug zur Praxis verloren haben) argumentiert nun völlig unabhängig von Tatsachen, Fakten oder wissenschaftlichen Beweisen. Allein sein eigenes Gutdünken (umgangssprachlich: "Volksverpetzern", → Häufigkeit: 11) spielt noch eine Rolle.

Wunschwelten werden mit Ausgedachtem gefüllt und Gegenrede für gefährlich erklärt. Dadurch entsteht laut Aggressionsforschung ein Gefühl der inneren Sicherheit auch in unsicheren Zeiten. Der Betroffene lebt im beruhigenden Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, ohne sie dazu vorher erst noch mühsam zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Mittwoch, 12. Februar 2025

Habecks weißer Schimmel: "Globale Erderwärmung"

Mit der bizarren Formulierung von der "globalen Erderwärmung" ist Robert Habeck auf Tour. Die BWHF nennt den Begriff einen "weißen Schimmel".


Es gibt sie nicht, es hat sie nie gegeben. Selbst in der Wissenschaft herrscht von Klimaskeptikern bis zum Potsdamer Institut für Erwärmung, vom EU-Klimawandeldienst Copernicus bis an den rechten Rand der Letzten Generation harmonische Einigkeit. Das, was der Menschheit als Schicksal mit schlimmen Folgen droht, ist die "globale Erwärmung". Oder aber die Erderwärmung. Sie steigt. Sie bedroht die Planziele. Sie ist heute schon weitaus fürchterlicher, als sie von den besten Wissenschaftlern mit den genauesten Modellen vorhergesehen werden konnte.

Worte sind seine Waffe

Und doch steht da nun dieser Mann, beliebtester Kanzlerkandidat und einziger charismatischer Anwärter auf den Einzug ins Bundeskanzleramt. Robert Habeck ist studierter Germanist, ein Mann, der mit dem Wort umgehen kann wie kaum ein anderer. Er muss nicht mit Sätzen kämpfen wie so mancher Wettbewerber. Er bändigt sie leichther und nebenbei. Buchstaben sind ihm zu Diensten, Worte seine Waffe. Wenn Robert Habeck spricht, in Sportpalästen und Kulturhäusern, hängen ihm Hunderte an den Lippen. Sie glauben jedes Wort, das er verkündet. Es ist Manna an Wegweisung, das da vom Himmel fällt.

In jeder Aufführung seiner mehr als einstündigen Wahlperformance, die Robert Habeck hemdsärmlig, aber auch mit jungenhaft verstrubbeltem Haar darbietet, fällt es dann mehr als ein Dutzend Mal, jenes neue, geheimnisvolle Wort: Von der  "globalen Erderwärmung" ist dann die Rede, die "natürlich auch die Freiheit bedroht", weil sie "immer noch grassiert mit ihren jetzt schon fatalen fürchterlichen Konsequenzen" und weil sie aus dem Mund von Robert Habeck fragt "hast Du einen Beitrag geleistet, die globale Erderwärmung aufzuhalten?"

Seine "globale Erderwärmung"

Diese "globale Erderwärmung" wird von Robert Habeck nicht erklärt. Bisher wurde sowohl von Wissenschaftlern und Aktivisten wie auch von Experten, Medien und Politikern der Begriff globale Erwärmung benutzt - umgangssprachlich auch "der Klimawandel", die "Erderwärmung" oder auch, in den höheren Graden der Verängstigung, die "Erderhitzung". Sämtliche Umschreibungen stehen für den Anstieg der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere.  Wie genau sich eine "globale Erderwärmung" von dieser bekannten und viel beschriebenen globalen Erwärmung  unterscheidet, ist unklar.

Noch nirgendwo hat der grüne Kanzlerkandidat erläutert, weshalb er nicht die üblichen Termini benutzt, sondern auf einen eigenen Begriff setzt, den neben ihm nur noch wenige, direkt mit ihm und seiner Partei verbündete Behörden nutzen, jeweils auch, ohne sie zu erklären. So findet sich "Klimawandellexikon" von Habecks Klimawirtschaftsministerium die Beschreibung, dass "weltweit Einvernehmen darüber" herrsche, "dass die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden" müsse. 

Meint er das Gleiche?

Doch ob es sich bei dieser "globalen Erderwärmung" um die bekannte Erderwärmung der "erdnahen Atmosphäre und der Meere" handelt, bleibt auch in der Erklärung des Umweltbundesamtes offen. Ja, das Europäische Parlament hat den noch bedrohlicher als "globale Erwärmung" klingenden Begriff bereits benutzt. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau setzt darauf. 

Doch wie genau unterscheidet sich der von Robert Habeck präferierte Begriff des als "zentrale Konfliktlage unserer Zeit" beschriebene "Kampfes gegen die globale Erderwärmung" von der Wald- und Wiesererwärmung, von der amtliche Adressen wie die Bundeszentrale für Politische Bildung, Forscherinnen und Forscher und die Beamten des Weltklimarates IPCC sprechen? Meint er das Gleiche? Ist seine selbstgemachte Kombination aus "Erderwärmung" und "global" ein Hinweis auf eine Sonderlage, die womöglich noch bedrohlicher ist als bisher öffentlich bekannt?

Habecks Geheimnis

Habeck macht bisher ein Geheimnis daraus. Anfangs galt seine Spezial-Formulierung unter Beobachtern als lässlicher Versprecher. Eine unbewusste Verdopplung der Botschaft, provoziert wohl von Habecks verständlicher Aufregung, so nah wie nie vor dem Amt des Regierungschefs in der größten Wirtschaftsnation Europas zu stehen. 

Semantisch, so hieß es auf Nachfrage bei Sprachforschern, wäre "globale Erdwerwärmung" gleichbedeutend mit einer Erwärmung nicht der Erde, sondern des Erdbodens. Da "global" die Erwärmung der Erde insgesamt bereits meine, so beschrieb es die mit den oft schwer verständlichen sprachlichen Gepflogenheiten im politischen Berlin seit Jahren vertraute Politlinguistin Frauke Hahnwech, "kann die folgende Erderwärmung schlechterdings nicht noch einmal die Erde im Sinne von der Planet bezeichnen, sondern höchstens die Erde im von Erdboden."

Ist das nun aber eine neue Bedrohung? Hat Robert Habscek als erster neue Folgen der Klimakatastrophe ausgemacht, die nun nicht mehr nur die Atmosphäre betrifft, sondern erstmal nicht nur unwesentlich auch den Erdboden? Rainald Schawidow, seines Zeichens Chef der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin, kann für Aufklärung sorgen.

Spezialanfertigung aus der BWHF

In der Tat handele es sich bei der Formulierung "globale Erderwärmung" um eine Spezialanfertigung seines Hauses, die eigens für die Wahlkampagne des grünen Kanzlerkandidaten geschreinert worden sei. "Es mag im ersten Moment widersinnig klingen ,von einer ,globalen Erderwärmung' zu sprechen", sagt der erfahrene Sprachschmied und Propagandapoet, "aber es sind genau diese unsinnig erscheinenden Paradoxe, die Werbebotschaften im menschlichen Hirn verankern".

Vorbild für die "globale Erderwärmung", die nach den Worten Schawidows natürlich nicht die Erwärmung des Boden im Sinne von "Erdschichten" meint, war nach Auskunft des für die Grünen zuständigen Abteilungsleiter der BWHF die berühmte Werbung für "Das König der Biere". Man habe eine ähnlich absurd anmutende Formulierung kreieren wollen und damit gezielt auch auf Konfrontation mit der Wissenschaft gesetzt. "Wahlkampfsprache kann bunter, direkter und bizarrer sein als es in der Wissenschaft möglich ist."

Niemand fragt nach

Dass Robert Habeck den "bewusst etwas sperrig" angelegten Pleonasmus seit der Übergabe Ende Oktober vergangenen Jahres in jeder seiner Reden mindestens ein Dutzend Mal nutze, zeige, "dass wir so falsch wiedermal nicht gelegen haben", freut sich Rainald Schawidow.  Die mangelnden Nachfragen von Medienvertretern nach den Hintergründen der neuen Bezeichnung für die bisherige "Erderwärmung" sowohl in seinem Haus als auch in der grünen Wahlkampfzentrale führt der Sprachexperte auf ein aus der Medienwelt sehr bekanntes Phänomen zurück. "Sagt der Richtige dort etwas Falsches, ist das nie so ein Thema als wenn der Falsche etwas Richtiges sagt." 

Da die Tautologie von der "globalen Erderwärmung" direkt von Robert Habeck eingeführt worden sei, einem Politiker, dem die Medien vertrauen wie keinem anderen, habe der Begriff sofort "so etwas wie Gesetzeskraft" entwickelt, glaubt Schawidow. "Mann kann sagen, Habeck ist auf einem weißen Schimmel vorangeritten und die ganze Herde folgt ihm nun."

Täuschend falsch: Künstliche Meinungen greifen an

Täuschend echt: Mit künstlich gefälschter Werbung versucht Russland, in den deutschen Wahlkampf einzugreifen.

Wird es die Wahl der Künstlichen Intelligenz? Gelingt es den Algorithmen erstmals, Wählerinnen und Wähler so massiv zu beeinflussen, dass die falschen Parteien, die falschen Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl als Sieger durchs Ziel gehen?

Alles deutet darauf hin, vor allem die ersten Umfrageergebnisse, die nach den neuen Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft und vom Arbeitsmarkt öffentlich wurden. Grüne und SPD, bisher von vielen verantwortlich gemacht für die desaströse Lage im Land, legen kräftig zu. Die Zustimmungswerte für CDU und FDP, denen in der Vergangenheit häufig eine größere Kompetenz auf wirtschaftlichem Gebiet zugebilligt wurde, sacken dagegen ab.

Rumänien mahnt


Ein deutlicher Beleg für den Einfluss, den Künstliche Intelligenz (KI) heute schon auf den Wahlkampf nimmt, wie der Medienforscher Hans Achtelbuscher glaubt. Seine Sorge vor einer Meinungsmanipulation durch Fakes und Chatbots sei groß, der US-Wahlkampf, der bekanntlich durch Bots und Milliardäre auf X entschieden wurde, habe gezeigt, dass Desinformation und Beeinflussung in sozialen Medien durch die Manipulation von Algorithmen bei Bürgerinnen und Bürgern auf offene Ohren treffe.

"Unsere größte Sorge ist, dass unsere Menschen da draußen künstlich generierte Inhalte für real halten", sagt der Wissenschaftler, der am An-Institut für Angewandte Entropie seit Jahren beunruhigt beobachtet, wie künstliche generierte Falschnachrichten selbst von ehemals seriösen Medien verbreitet werden. Im Wahlkampf haben die Grünen bereits ein Ende dieser Entwicklung angekündigt. "Die großen Medienplattformen werden wir in die Pflicht nehmen, wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation vorzunehmen", droht die Partei in ihrem "Regierungsprogramm"
mit scharfen Schritten gegen zweifelhafte Nachrichten.

Mazedonische Spammerbanden


Vor Jahren seien noch mazedonische Spammerbanden für besonders erfolgreiche Fake-News-Wellen verantwortlich gemacht worden, so etwa, als "Zeit", "Welt" und NZZ, die SZ, die Financial Times und die BBC zeitgleich kruden Thesen Raum gaben, dass Jugendbanden aus dem mazedonischen Provinzstädtchen Veles hinter dem ersten Wahlsieg Donald Trumps steckten.  

"Heute wäre eine Beteiligung von Menschen, die von Facebook für ihre Fälschungen bezahlt werden, gar nicht mehr notwendig", sagt Hans Achtelbuscher. Absurde Bilder, täuschend echte Videos und Schlagzeilen, die Wähler ins Lager der Demokratiefeinde treiben sollen, würden heute am Fließband durch KI erzeugt, warnt der Forscher. Kontroverse Inhalte, die oft oberflächlich als Satire getarnt sind, würden dank der Voreinstellungen der sozialen Netzwerke besonders erfolgreich verbreitet. 

"Die neuerdings auch von vielen demokratischen Parteien entdeckten Plattformen TikTok, Bluesky und X verdienen einfach mehr Geld, wenn Leute länger an ihren Geräten hängenbleiben und immer mehr Inhalte zu Gesicht bekommen."

Generalstabsmäßig organisierte Kampagnen


Ob hinter organisierten Gruppen wie #teamhabeck oder generalstabsmäßig geplanten Kampagnen wie der von der Dolchstoßlegende, die für die Ampel-Aus verantwortlich ist, Meinungsäußerungen echter Menschen oder Berechnungen von Chatbots stehen, bleibt meist ungeklärt. 

Dabei sei die Wahrscheinlichkeit, dass besonders krude erscheinende und  von besonders fragwürdig erscheinenden Adressen gepostete Inhalte KI-erzeugt seien, sehr hoch. "Die KI probiert einfach automatisch auch die abseitigste Verschwörungstheorie aus und schreibt sie fort, wenn das Echo zeigt, dass größere Gruppen bereitwillig auf Angstmache und Schwarzmalerei anspringen." 

Dabei stünden die KI-Systeme zumindest in Deutschland noch ganz am Anfang. "Notgedrungen müssen unsere Parteien im Wahlkampf US-Systeme nutzen, weil Deutschland wie die gesamte EU den KI-Zug verpasst hat." Um sehr menschlich zu wirken und damit für Einflussversuche glaubhaft zu erscheinen, brauche es viel Nacharbeit. "Die US-AI-Systeme beherrschen vor allem das Englische gut, das Deutsche aber nicht so sehr", zeigt Achtelbuscher auf eine Schwachstelle. 

Typische KI-Sätze



"Ich gehe davon aus, dass wir künftig eine Prüfungsinstanz für Wahlkampfparolen, -plakate und Diskussionsbeiträge brauchen werden", sagt der Wissenschaftler. Die Zivilgesellschaft müsse resilient gemacht werden gegen mögliche Versuchen der Einflussnahme anderer Staaten auf die anstehende Bundestagswahl. "Wenn wir sehen, dass Stimmung gemacht wird, ohne dazu Aufwand mit irgendeiner Art von Inhalt zu betreiben", sagt der Forscher, "sollte die EU eingreifen." 

Missachtete Wähler


Der Versuch, einen Wahlkampf erfolgreich zu führen, ohne über geplante gesellschaftliche Veränderungen Auskunft zu geben, sei den Demokraten in den USA zuletzt schon auf die Füße gefallen. "Das jetzt mit sinnleeren Sätzen wie ,ich bin dagegen, dass Beschäftigte entlassen werden, nur um Geld zu sparen oder Parolen wie 'Leben bezahlbar machen' zu kopieren, missachtet den betreuungsbedürftigen Wähler."

Es müsse "gewisse Grenzen geben", sagt Hans Achtelbuscher. Niemand wolle in einer Gesellschaft leben, in der künstliche Intelligenz noch plattere, billigere und auf noch einfachere Reflexe zielende Wahlversprechen generiere. "Die eigentliche Erwartung war doch, dass die neue Technologie wieder mitreißendere, glaubwürdige Versprechen erzeugt, die viel von dem verlorengegangenen Vertrauen wiederherstellt." 

Bisher habe sich das als vergebliche Hoffnung herausgestellt. "Aber sicher ist, dass eine KI, die weiter lernt, noch viel Positives in diesem Bereich bewirken kann, sobald Datenschutz-Bedenken ausgeräumt werden."

Dienstag, 11. Februar 2025

Neues Robertinum: Gekommen, um zu bleiben

Im Neuen Robertinum in Bad Walterberg im Erzgebirge wird Robert Habeck bald für alle Ewigkeit sitzen - halb Barbarossa, halb Marx und Lenin. Modell: Jan Laurenz Dippelberg

Billig sollte es sein, groß und symbolträchtig. Als der Künstler Wilhelm Koch die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschied ehren wollte, fiel ihm als passendes Material für das monumentale Werk als erstes Leichtbeton ein und als Pose die einer Reiterin. 

Koch spielte auf alten Spruch an, dass der, der vor der Wahrheit fliehen will, ein schnelles Pferd braucht. Da das Monument nicht für die Ewigkeit gedacht war, reichte Beton. Koch ahnte schon, dass Hymnen auf die Rekordkanzlerin in Bälde enden und ihre Beurteilung durch die Geschichte schon bald gänzlich anders ausfallen wird.  

Ende einer Reiterin

Eine kluge Entscheidung. Nach nur zwei Jahren Standzeit brach die goldene Reiterin auseinander. Die Oberpfalz war um eines ihrer bedeutsamsten Kunstwerke, längst auch ein touristischer Hotspot, ärmer. Und das politische Berlin um eine Lehre reicher: Wer wie die Bildhauer der Vergangenheit über Jahrhunderte hinweg an die großen Taten seiner Obrigkeit erinnern will, darf nicht auf den Euro schauen, nicht nur Kleingeld in die Hand nehmen und die wegweisenden Werke nicht in der Provinz verstecken.

Für das Neue Robertinum, das der sächsische Bildhauer Jan Laurenz Dippelberg vor seinem inneren Auge sieht, wenn er an den aktuellen grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck denkt, kam deshalb auch nur "die gute alte Bronze" (Dippelberg) als Werkstoff infrage. Dippelberg, der im brandenburgischen Karlsgrafensee Bildhauen und Holzstechen studiert hat, begann mit seinem bisher größten Projekt als Einzelkämpfer. "Ich bin Überzeugungstäter", sagt der selbsternannte "größte Fan vom Robert" über sich selbst. 

Monumentale 15 Meter 

Doch die Planung, Finanzierung und der Bau des auf eine Gesamthöhe von 15 Metern konzipierten Bronze-Monuments stellte sich schnell als komplizierter heraus als anfangs gedacht. "Ich wollte ja ein wirklich ambitioniertes und symbolträchtiges Projekt, das Nachgeborene auch noch an unseren Kanzlerkandidaten erinnert, wenn niemand mehr etwas von ihm weiß."

Dippelberg hat den aktuellen Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck spürbar ins Herz geschlossen. "Ich würde es auch gern sehen, wenn er zur Einweihung käme", gesteht er. Um sich nicht im Klein-Klein provinzieller Kunstgewerblerei zu verlieren, plante Jan Laurenz Dippelberg von Anfang an nicht nur ein schlichtes Monument wie es das berühmte Marx-Engels-Denkmal in Berlin-Mitte ist. "Ich wollte einen ganzen Gedenkpark, in dessen Mitte das Monument das Herz der Erinnerungskultur bilden soll."

Absage an Küchenwahlkampf

Das "Neue Robertinum" lehnt sich in seinem Stil bewusst an die Werke der sozialistischen Realistik an, es zeigt Robert Habeck in seiner berühmten Denkerpose, das Gesicht entspannt, die Hände wie in einem Gegenentwurf zur Merkel-Raute locker im Schoß liegend. "Er sitzt aber nicht an einem Küchentisch", sagt Dippelberg über seinen Entwurf. Die Überlegung, das Monument so zu gestalten, habe es gegeben. "Aber ich wollte etwas Bleibendes und beim Küchenwahlkampf handelt es sich ja letztlich nur um eine Episode." 

Das kleine Modell, das der Bildhauer aus Gips formte und bei einem befreundeten Metallbauer gießen ließ, überzeugte ihn dann sofort. "Auch Freunde sagten, ich hätte Robert gut eingefangen."  Auch ein  Standort für das "Neue Robertinum" war schnell gefunden. "Bei den Stadtvätern von Bad Walterberg im Erzgebirge habe ich offene Türen eingerannt." Seine Argumentation, dass der neue Park nicht nur das Denkmal beherbergen, sondern auch eine grüne Oase im urbanen Stadtgebiet darstellen werde, habe Bürgermeister und Stadtrat schnell überzeugt. "Als problematisch stellte sich dann nur die Umsetzung heraus."

Hindernislauf zur Finanzierung

Obwohl das fertige Werk allen Werten der Grünen und Habecks politischem Engagement "zu 100 Prozent entspricht", wie Dippelberg betont, wurde die Finanzierung zum Hindernislauf. "Die Gestaltung des Parks umfasst Wanderwege, Gärten, die nachhaltige Landwirtschaft demonstrieren, und eine Plattform für öffentliche Diskussionen und Veranstaltungen", beschreibt Künstler Dippelberg, der bekannt geworden ist mit kontroversen Werken, die oft politische und soziale Themen in Beziehung zur Natur und zu Klimafragen setzen. Dafür gebe es eigentlich immer irgendwo Fördermittel, so seine Erfahrung.

Mit Habeck, dargestellt als freundlicher Visionär und Förderer einer nachhaltigen Zukunft, hätten aber offenbar alle Förderstellen im Land und in der EU Probleme gehabt. "Mein Entwurf zeigt Habeck in einer stillen, aber dynamischen Pose, die Entschlossenheit und Fortschritt symbolisiert, ähnlich der Haltung von Marx und Engels am Alex", zweifelt Dippelberg an den Beurteilungskriterien in Brüssel und Berlin. 

Höchstens fünf Millionen

Über die geschätzten Kosten von höchstens fünf Millionen Euro habe es dennoch vielfach Streit gegeben: "Mir schien es fast, als überschatte die piratige Wahlkampfaktion der Grünen vom Januar mit der Habeck-Projektion auf das Münchner Siegestor die Tatsache, dass wir hier nicht vorhaben, ein bisschen Licht auf ein historisches Denkmal zu werfen, sondern selbst ein historisches Denkmal bauen werden".

Jan Laurenz Dippelberg will trotz der Hindernisse, die ihm vor allem konservative Kreise in den Weg werfen, nicht aufgeben. "Ich will meinen Traum realisieren, so wie viele Fans von Robert Habeck davon träumen, dass er wahr wird." Mit einer intensiven Fundraising-Strategie will Dippelberg Druck auf die Fördermittelgeber mit ihren Kultur- und Denkmalförderprogrammen machen. "Wir haben auch eine Spendenkampagne initiiert, die sich an Einzelpersonen und Unternehmen wendet, die Habecks Visionen teilen."

Hilfe vom Kampagnenarm

Im #teamhabeck, dem starken Kampagnenarm des grünen Spitzenkandidaten, fand Dippelberg Menschen, die sein Vorhaben auf den Social-Media-Plattformen unterstützen. "So gelingt es uns, ein breites Publikum zu erreichen." Dazu komme das Sponsoring durch grüne und nachhaltige Unternehmen, die sich für Umwelt- und Klimaschutz engagieren. "Bisher hat jeder, den ich angesprochen habe, die langfristigen Vorteile des Denkmalparks für die Öffentlichkeit und das Andenken an Robert Habeck gesehen."

Sofort wenn die Finanzierung steht, Dippelberg hofft ein wenig auf schnelle Hilfe der künftigen Bundesregierung, werde der Bau des Denkmals starten. "Wir reden hier von einem technisch anspruchsvollen Unterfangen, beinahe vergleichbar mit dem Bau des Brandenburger Tores, das auch nur elf Meter höher ist." 

Präzises Maßwerk im Park

Die Herstellung der Bronze-Skulptur erfordere spezialisierte Fertigkeiten und Materialien, Fachkräfte für Denkmalbau und trotz gerissener Lieferketten müsse Bronze in der benötigten Qualität und Menge beschafft werden. "Ich bin aber optimistisch, dass wir das bewältigen können." Die Skulptur werde dann in Teilen gegossen und dann vor Ort zusammengefügt. "Das erfordert präzises Maßwerk, um die Stabilität und den ästhetischen Eindruck zu gewährleisten, der für die Tiefenwirkung wichtig ist."

Wie es mit der Baugenehmigung aussehe, sei ein anderes Thema. "Der Lieferung der Antragsunterlagen wird eine sorgfältige Logistik und Lagerung erfordern", ist Dippelberg sicher. Parallel zur "Erektion" genannten Errichtung der Statue werde der "Platz der Hoffnung" rund um das "Neuen Robertinum" vorbereitet werden, einschließlich der Errichtung einer stabilen Fundamentstruktur, die das Gewicht des Denkmals tragen werde. "Ich rechne mit einer Bauzeit von etwa zwei bis drei Jahren, denn nach der Installation folgen noch Feinarbeiten, wie das Polieren der Oberfläche mit Silberpolitur und die Anzucht der Busch- und Rasenflächen mit den Blühwiesen und Insektenhotels."

Stiller Tod im Kindbett: Olaf Scholzens Klimaklub

Gründung des Klimaklubs Olaf Scholz
Aus großen Schlagzeilen wurde kleine Erwartungen. Aber der Klimaklub lebt.

Sie waren alle angereist, in jenem Winter 2023, als die Ampelregierung in Berlin noch wie festgeklebt im Sattel saß. Die Augen der Welt richteten sich auf den deutschen Kanzler, der ein Geschenk für die Völker im Gepäck hatte. Der "Klimaklub" der freiwilligen Fortschrittsnationen knallte als Sensation in die Versammlung der engagierten Klimatouristen bei der COP28 in Dubai. Eine Initiative mehrerer Länder, die sich unter deutscher Führung anschickte, die globale Industrie klimafit zu machen.

Der Tradition im Land des Initiator folgend, fiel die Premiere ein wenig ins Wasser. Doch die G7-Nationen zeigten sich vereint und entschlossen. Auch die "Bekämpfung der Erderwärmung" war nun Chefsache, auf Scholz' Schreibtisch die Nummer 7 oder 8.

Kampf niedrigen Umweltstandards

Die Unterstützernationen hatten "eine schnelle Umsetzung des Pariser Klimaabkommens" im Visier und das nicht nur für sich selbst, sondern "global breit getragen" (Scholz). An einer "Emissionsverringerung im Industriebereich" durften sich alle beteiligen. Der Klimaklub wollte zudem dafür sorgen, dass Unternehmen aus Ländern, "die sich ehrgeizige Ziele beim Klimaschutz setzen" (Tagesschau), nicht mit "unfairer Konkurrenz aus Staaten mit niedrigen Umweltstandards" zu kämpfen haben.

Ein Vorhaben vor allem im Interesse der EU, die das "übergreifende Ziel" (DPA), bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, in ihrem "Green Deal", dem europäischen Klimagesetz und nationalen Gesetzen rechtlich verbindlich verankert hat. Ein Vorteil der zum Nachteil zu werden drohte, wenn Firmen Produktion in Länder verlagern, die weniger Wert auf die Bekämpfung der Erderwärmung und mehr auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Augenblickswohlstand legen. 

Notwendiger Umbau

Der notwendige klimafreundliche Umbau der Industrien rund um den Globus dürfe keinesfalls in "Zollkriegen" münden, warnte Scholz damals schon mit Blick auf spätere Versuche der europäischen Staatengemeinschaft, China mit Zöllen zu belegen und den EU-Markt mit der neuen "CO2-Grenzabgabe" vor "kohlenstoffintensiven Importwaren" abzuschirmen.

Der Klimaklub war ein großer Erfolg, wenigstens medial. Auch wenn  weder Scholz noch sonst jemand sagen konnte, woher das Geld kommen sollte, war das Echo begeistert. Als "wichtiger Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele" würden bald weitere Länder hinzustoßen, "unabhängig von Größe, wirtschaftlichem Entwicklungsgrad und politischem System".

Seitdem stiegen die Treibhausgas-Emissionen weiter an, seitdem, so zeigt es der "Global Carbon Budget 2024"-Bericht, wurde bei den CO2-Emissionen ein neuer Rekord mit nunmehr 37,4 Milliarden Tonnen erreicht werden.

Ende des Katastrophenfonds

Zumindest nicht dafür verantwortlich waren Medienberichte zu Klimaklub, denn die gab es nach der Ankündigung der wegweisenden Initiative kaum mehr. Der Versuch der Bundesregierung, sich auf der COP28 mit dem Klima-Club noch einmal zu profilieren, gelang. Doch wie der "Klimakatastrophenfonds", den Olaf Scholz angesichts der Probleme der innenpolitischen Probleme seiner Regierung gemeinsam mit den Emiraten aus der Taufe gehoben hatte, war auch vom Klima-Club der Industrienationen "für gemeinsame Standards bei grünen Industrieprodukten" seither nie wieder etwas zu hören. 

Traurig, denn der Climate Club existiert durchaus. Die kleine, quicke Organisation hat eine Satzung ("terms of reference"), die das Fundament für den weiteren Ausbau des Klimaclubs umschreibt, eine Internetseite, einen X-Account mit 61 Followern, Pläne für eine "erste Umsetzungsphase" und eine Task Force, die sich bereits zweimal  getroffen hat. Dass die Dekarbonisierung der Industrien stockt  und selbst Klimamusterschüler Deutschland seine Ziele nur durch industriellen Rückbau erreicht, kann nicht am Klimaklub liegen. Dessen letzter öffentlichen Auftritt war ein Trauertext im "Fokus", der dem wegweisenden Gremium bescheinigte, noch nicht so richtig "Fahrt aufgenommen" zu haben. 

Fehlendes Interesse

Auch das Interesse der Weltgemeinschaft, "internationale Treiber für die Emissionsminderung in der Industrie" zu  werden, ist überschaubar. Vanuatu mitgezählt hat der Climate Club bis heute 41 Mitgliedsstaaten, drei mehr als vor einem Jahr. Wächst er im gleichen Tempo weiter, werden sich in etwa 150 Jahren alle Staaten angeschlossen haben, um "beispielsweise grünen Stahl schneller auf den Markt bringen" und "Maßnahmen zur Emissionsminderung weiterzuentwickeln". 

Obwohl engagierte Entwicklungs- und Schwellenländer, die dem Club beitreten wollen, dabei unterstützt werden, die "Transformation ihrer Industrien mit dem Ziel der Klimaneutralität konsequent voranzutreiben", sind bisher nur Ägypten, Mosambik, Peru, Kolumbien und Bangladesch beigetreten. Abgesehen von Kenia, dem Öko-Paradies, dem Olaf Scholz schon selbst seine Aufwartung machte, um für Deutschland zu lernen. 

Bedeutende Fortschritte

Die Zeit wird langsam knapp, denn "besonders in den entscheidenden Jahren bis 2030" will der  Climate Club "die Notwendigkeit von handlungsfähigen, umsetzbaren und zuverlässigen politischen Rahmenbedingungen für die industrielle Dekarbonisierung" nicht nur "erkennen", sondern "bedeutende Fortschritte in seinen strategischen Zielen erzielen".

Mit dem neuen "Climate Club Work Programme 2025-2026" soll jetzt erst einmal "die Führungsrolle bei der Emissionsreduktion in der Industrie unter Berücksichtigung unterschiedlicher nationaler Bedingungen und Strategien" verstärkt werden, denn "der Klimaschutz in der Industrie ist entscheidend für die Produktion von Null-Emissions-Technologien und bietet Chancen für grünes Wachstum und gerechte Übergänge". 

Der Climate Club fordert dazu jetzt "ehrgeizige nationale Beiträge", "verlässliche politische Rahmenbedingungen", die "Berücksichtigung unterschiedlicher nationaler Bedingungen" und "koordinierte Ansätze in der Industrie". Der Fokus liege "auch auf der Vermeidung von Carbon Leakage, der Schaffung von Lead-Märkten für nahezu emissionsfreie Materialien und der Unterstützung von Entwicklungsländern durch die Global Matchmaking Platform".

Montag, 10. Februar 2025

Absage Älterer: Jüngere sollen höhere Verteidigungsausgaben zahlen

Wehrkraft WKriegstüchtigkeit Computerspiele
Ältere winken ab: Die mit Ballerspielen ausgebildeten Jüngeren sollen die höheren Wehrausgaben schultern

Die Rüstungsausgaben müssen hoch, die Verteidigungsanstrengungen vervielfacht werden. Geld schießt keine Tore, aber in Ermangelung wehrwilliger Rekruten geht die deutsche Politik seit Jahren davon aus, dass Geld Feinde erschießt. Je mehr Milliarden, desto sicherer, darüber herrscht parteiübergreifend Einigkeit.  

Wer soll das bezahlen?

Aber woher sollen die Milliarden herkommen? Wer soll sie bezahlen müssen? Jetzt, wo nicht mehr nur die lange verweigerten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Panzer, Flugzeuge, Kampfschiffe und Uniformen ausgegeben werden sollen, sondern perspektivisch mehr als die drei Prozent steigen, die im Kalten Krieg ausgegeben wurden, beginnt der Streit. 

Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hatte Anfang des Jahres Deutschlands Rentner ins Visier genommen. Diese ältere Generation sei es gewesen, die es versäumt habe, "ausreichend in unsere Sicherheit zu investieren", so der 50-Jährige in seiner ersten Wortmeldung zu Verteidigungsfragen. 

Rente für die Front

Die Zeche für dieses Versäumnis müsse durch eine stärkere Beteiligung der Millionen Ruheständler an höheren Verteidigungsausgaben gezahlt werden, weil Deutschland fehlende Kriegstüchtigkeit auf deren Kappe gehe. "Um nennenswerte Summen zu erreichen, wird man auch an das Rentensystem herangehen müssen", verkündete Schularick eine bittere Wahrheit.

Für jeden einzelnen Rentner wären die in Rede stehenden Summen zumutbar: Etwa 2.000 Euro im Jahr zusätzlich müsste jeder Rentenbezieher aufbringen, um den Verteidigungsetat von zwei auf 3,5 Prozent zu bringen. Das sind 166 Euro im Monat, also 5,50 Euro am Tag. Kein Betrag, der sich nicht durch mehr Disziplin beim Heizen, weniger Urlaub, einen Verzicht auf Nikotin und Alkohol oder Stromsparen abknapsen ließe.

Alarmglocken beim Rentnerrechtler

Und doch: Beim Rentnerrechtler Ansgar Heckmann schrillen da inzwischen die Alarmglocken. Im Herbst erst hatte der ausgebildete Stuckateur und Naturbalancetrainer eine Initiative gestartet, um die Forderung vieler junge Menschen nach einem Ende der Schuldenbremse und deutlich höheren Staatsschulden zu unterstützen. Heckmann begründete seine Solidarität mit denen, die künftigen Generationen noch tiefer in die Tasche greifen wollen, mit seinem fortgeschrittenen Alter. 

Er selbst, so die Logik des in Mecklenburg lebenden engagierten Umwelterziehers, werde bereits verstorben sein, wenn Zins und Tilgung für die Staatsschulden wirklich harte Maßnahmen erforderten. "So ein Schuldenberg, der kalbt ja erst mit dem Zinseszinseffekt so richtig", sagte Heckmann damals. Fällig würden langfristige Verbindlichkeiten aber erst später: "Und später wird sein, wenn ich abgetreten bin von dieser Welt."

Auch ein Krieg, der dann womöglich ausbreche, interessiere ihn nicht, ebenso wenig dessen Ausgang. "Ich bin leider kinderlos geblieben, mein Zweig der Familie Heckmann endet mit mir." Mit Blick auf die prekäre Lage des Weltklimas sei er mit dieser Entscheidung, die das Leben für ihn getroffen habe, immer fein gewesen. "Und auf einmal soll ich meine letzten und vielleicht schönsten Jahre am Hungertuch nagen?"

In Haftung nehmen

Gegen den Versuch, ihn und seine Altersgenossen auf die alten Tage noch für den dreistelligen Milliardenbeitrag pro Jahr in Haftung zu nehmen, auf den der von Grünen-Kandidat Robert Habeck vorgeschlagene Zielwert von 3,5 Prozent des BIP hinausliefe, lehnt Ansgar Heckmann rigoros ab. "Das würde ein großes Loch in meine Rentenplanung reißen", sagt er. 

Statt das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen und "uns bereits krummgebuckelten Alten noch länger zu melken", wie er es nennt, schlägt der Mann aus Carlow vor, junge Menschen schneller zu beschulen, sie früher ins Erwerbsleben einzugliedern und ihren Lebensstandard "auf dem aktuellen Niveau einzufrieren". 

Ansgar Heckmanns Blick auf den Zustand der Gesellschaft ist glasklar. Es sei nicht einzusehen, dass in dermaßen harten und angespannten Zeiten wie heute weiterhin Auszubildende, Studenten und selbst Betätigungslose Geld genug hätten, Coffee to go zu kaufen, bei Uber Eats zu bestellen und sich im Jahresrhythmus mit den neuesten Handymodellen auszustatten. 

Ohne Herrenjahre ins Erwachsenenleben

"Lehrjahre sind keine Herrenjahre", zitiert Heckmann einen längst vergessenen Sinnspruch aus seiner Jugend, als er auf Wunsch seines Vaters in einem Bergwerk der Wismut AG bei Gera den Beruf des Gussformenputzers hatte lernen müssen. "Wir schufteten damals unter unglaublichen Bedingungen dafür, dass das Gleichgewicht des Schreckens zwischen Ost und West erhalten blieb", erinnert er sich. Niemand könne heute von derselben Generation verlangen, noch einmal auf alles zu verzichten, um das Land wieder bis an die Zähne zu bewaffnen.

Dieses süße Leben, das sich viele junge Menschen von der Pike an gönnten, sei in einer seit Jahren bestenfalls stagnierenden Wirtschaft kaum noch zu rechtfertigen, sagt Heckmann. "Die Rechnung für Versäumnisse, die die Politik mit ihrem Gerede von der ,Friedensdividende' zugelassen hat, sollten ausnahmsweise nicht die Alten zahlen., sondern die Jungen", fordert er. Schließlich gehe es ja um deren Zukunft: "Ich habe meine weitgehend hinter mir."

Konsumierte Friedensdividende

Eine Position, die ökonomisch gesehen durchaus nachvollziehbar erscheint. Herbert Haase vom Climate Watch Institut in Grimma (CWI) hat errechnet, dass die ältere Generation in ihrer Zeit als jüngere Generation deutlich mehr Geld für Verteidigungszwecke hat aufbringen müssen als Menschen, die heute zwischen 20 und 50 sind.

"Denen hat man versäumt, in den vergangenen Jahrzehnten klar zu machen, was für ein Glück sie haben, nicht in unsere Sicherheit investieren zu müssen", sagt der Klimaökonom aus Sachsen. Das ist auch Ansgar Heckmanns Position. "Diese Generationen der Schularicks und Co. sind es doch, die die  Friedensdividende konsumiert haben."

Auf Kosten der Älteren studieren,. auf Kosten der Älteren, die die EU aufgebaut haben, reisen, und auf Kosten der Älteren, die noch bei NVA und Bundeswehr haben dienen müssen, vom Ruf der deutschen Streitkräfte leben, "ohne jemals selbst eine Waffe in die Hand zu nehmen". Ansgar Heckmann ist empört darüber, dass diese Generation Gotteingutermann nun auch noch verlange, dass die Älteren noch einmal Verzicht üben, um eine Stärkung der Verteidigung ohne zusätzliche Anstrengungen der Jüngeren zu ermöglichen.

"Die Schuldenbremse aussetzen, das wollen sie für ihre Zwecke, um einzukaufen und es sich schön zu machen", schimpft der Rentnerrechtler, "und wir Alten sollen für die Verteidigungsausgaben geradestehen - dabei würden viele moderne Flugzeuge, Kreuzer und Gewehre erst geliefert, wenn ein Gutteil aus unserer Generation schon unter der Erde liegt."

Kandidatenduell: Der Herre und das Gescherre

Ein Duell ohne anschauen.


Olaf Scholz hat kein Höckerchen bekommen, wie es Gerhard Schröder immer dabei hatte. ARD und ZDF haben sich stattdessen entschieden, den Größenunterschied zwischen dem Kanzler und seinem Herausforderer bei den nebeneinandermontierten Nahaufnahmen durch einen kühnen Schnitt auszugleichen. Meist ist Scholz in diesen Bildern sogar größer als Merz, der den Sozialdemokraten im richtigen Leben um zwei Köpfe überragt.

In gefönter Realität

Gefönte Realität umgibt die beiden Männer, die den Anspruch haben, Deutschland durch den Rest des Jahrzehnts zu führen. Merz trägt dunkelblau, Scholz graphitschwarz. Merzens Bunder ist weiß gemustert, in Scholzens blauem Schlips ist das Weiß wie aus dem Salzstreuer verteilt. 

Die beiden Langzeitfunktionäre beharken sich mit Seitenhieben. Merz verweist auf das Grundgesetz. Scholz zeigt mit dem Finger in die Kamera. Beide werden nie miteinander regieren, weil Olaf Scholz sein politisches Schicksal von einem Wahlsieg abhängig gemacht hat. Merz rechnet auch nicht mit Scholz. Der CDU-Mann rechnet mit der SPD, aber nicht mit deren Spitzenkandidaten.

"Warum soll man so doof sein", sagt Olaf Scholz, der immer wieder auf sein Führung, auf seine Leistungen und auf seine Erfolge verweist. Die Nerven liegen blank beim Sozialdemokraten, dessen letzte Chance dieses "Duell" unter altgedienten Schlachtrössern ist. Merz darf heute nicht verkieren. Scholz muss gewinnen.

Trumpfkarte Migration

Aber womit nur? Bei der Flüchtlingspolitik, dieser Trumpfkarte, die zu ziehen sich Merz im Verlauf eines anämischen Wahlkampfes entschossen hatte, kann er nicht punkten. Schmallippig verweist der 69-Jährige immer wieder darauf, dass er allerlei getan habe, noch mehr tun werde und viel mehr gar nicht möglich sei.

"Herr Scholz, bitte, Sie leben nicht in dieser Welt", knirscht ihn Friedrich Merz an, ehe die Sandra Maischberger den Kanzler erlöst. "Wir wollen heute nicht nur über Migration reden", sagt sie und gibt das Gefecht frei, um die verschiedenen Wahrnehmungen über die Wirtschaft abzufragen.

Scholz wüsste im Grunde gar nicht, warum das sein muss. Natürlich sei die Stimmung schlecht, aber die Lage doch nicht. Deindustrialisierung? Er hat einen Plan für mehr öffentliche Investitionen. Alles andere wird dann schon, mit Deutschland-Plan und "Made in Germany"-Prämie.

Scholz hat einen Plan

"Es ist richtig, erstmal festzuhalen, dass was los ist", erwidert der Kanzler. Die Ausgnagsbais sei gut, "wir haben Grundlage, auf Wachstum setzen zu können". Die Weltwirtschaft schwächele eben, er, der Kanzler, habe aber die Ukraine nicht überfallen und das russische Gas nicht abgestellt. 

Wenn sich Scholz nach der Wahl, die er in diesem Duell noh einmal verliert, aufs Altenteil zurückgezogen haben wird, steht Lars Klingbeil bereit, der starke Mann einer dann noch schwächeren Partei, auch Kompromisse einzugehen, die Scholz bereits ausgeschlossen hat. Was der Amtsinhaber noch vorhat, ist ein Abschied in Würde, selbstbestimmt, mit einer Deutung der Ereignisse, die er selbst vornimmt.

Sonne, Mond und Sterne

Die Atomkraftwerke hätten doch keine Rolle gespielt. Sonne, Mond und Sterne liefern dauerhaft billiger. Es ist kein Geld da, man kann keine Steuern senken, die Bundeswehr braucht mehr, das ist kein Strohfeuer, denn der Steuerbonus kommt auch Startups zugute. Die sowieso keine Sterun zahlen. 

Nach dem Qualitätsverfall beim Klassiker "Tatort" ist dieses Aufeinandertreffen zweier älterer Männer ohne Drehbuch noch einmal ein tiefer Fall. Der Täter mag für viele Zuschauer feststehen, der von ebenso vielen für unsympathisch gehaltene Kommissar aber schafft es einfach nicht, ihn zu überführen. 

"Schnelle Runde" ruft Maischberger, neben der Maybrit Illner sitzt, die weiß trägt. Kurz was über Windräder und wie gut sie aussehen. Zwei Geschlechter? Merz kann das nachvollziehen. Scholz findet es unangemessen.

Kettensägen-Kommando

Kettensäge wollen sie beide, mal was ordentlich gegen die Demokratie Bürokratie zu tun. Noch was Mindestlohn. "Ich gin dafür, dass die Leute, die wenig Geld verdienen, mehr Geld verdienen." Scholz macht seinen ersten Treffer. Zu seinem Glück macht keiner Anstalten, nachzufragen. 

Auch der Scholz-Satz, er habe die harte Politik der EZB gegen die Inflation unterstützt, trifft nicht auf Unverständnis, obwohl die EZB so dermaßen unabhägig ist, dass es vollkommen gleichgütig sein müsste, was Olaf Scholz unterstützt oder nicht.

Es wird teurer 

Dass es teurer wird, dafür stehen beide. Merz zahlt künftig 200 Euro Klimageld im Monat. Die höheren CO2-Preise müssen niemandem Sorgen machen. Das wird alles sehr gerecht, sagt der künftige Kanzler. Das Duell geht konsequnet über Bande. Die beiden Kontrahenten streiten nicht miteinander, sie reden aneinander vorbei.

Merz hätte zum Beispiel die Idee, die Pflege künftig durch einer verpflichtende private Vollversicherung zu finanzieren. Man müsse die Arbeitskosten runterkriegen. Und wäre die Pflege privat zu versichern, zählten die Beiträge nicht mehr mit. 

Scholz will de Single mit 5.000 Euro im Monat einfach für die Alleinerziehende mit 2.000 Euro mitzahlen lassen. "Dann wird es für uns alle billiger.

Parallel in Parallelwelten 

Selten ist an einem Abend im Ersten parallel zum Zweiten so viel Halbwahrheit gesagt und so viel Zukunft versprochen worden. Alle haben alles richtig gemacht, alles wird bald noch richtiger. Alle reden aneinander vorbei. "Ich bin der Politiker, der in Deutschland am hästesten für Sanktionen steht." Wer Hat's gesagt?

"Wenn Sie ihre Sprechblase jetzt losgeworden sind", giftet Scholz. Wer drei Millionen verdient, kann ein bisschen mehr Steuern bezahlen! Mit "all den Gesprächen, die ich mit Trump geführt habe", verweist Olaf Scholz auf seine Erfahrung als Weltpolitiker. Friedrich Merz ist "immer sehr klar gewesen, was die Taurus-Lieferung betrifft". 

Unsichtbare Zeitenwende

Blablabla und Blubberblub. Nicht was in diesen anderthalb Stunden geschwatzt wird, ist wichtig. Sondern das, was nicht vorkommt. Die Zeitenwende in der deutschen Politik, sie wetterleuchtet unsichtbar. Das Klima ist beiden Kandidaten inzwischen so "zentral" (Scholz) und wichtig wie den beiden austragenden Sendern. 

Der Begriff fällt über den gesamten Abend nicht.