Donnerstag, 17. April 2025

Auftritt als Anwalt der Vernunft: Diestels Sehnsucht nach Eliten

Peter-Michael Diestel, hier in Öl gemalt vom jungen Künstler Kümram, gefällt sich als barocker Solitär der deutschen Politik.

Er war Melker und Jurist in einer LPG, er verabscheute die Gängelwirtschaft der DDR, schloss sich mitten im Zusammenbruch des deutschen Sozialismusversuchs der konservativen CSU-Schwesterpartei DSU an und wickelte als letzter ostdeutscher Innenminister die Staatssicherheit ab. Als CDU-Mitglied im großen Deutschland hatte Peter-Michael Diestel dann keine großen Erfolge mehr. Der störrische Jurist schaffte es einmal für vier Jahre in den Brandenburger Landtag, doch als eher barocke und unangepasste Figur eckte der frühere Leistungssportler nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in seiner Partei immer öfter an.

Der kantige Ourlaw

Diestel pflegte sein Image als Outlaw sorgfältig. Er unterhielt Freundschaften über politische Brandmauern hinweg, etwa zu Gregor Gysi, dem Star der Linkspartei PDS, die in den 90ern in der CDU ebenso verfemten und mit Kontaktverboten belegt war wie heute die AfD. Es schien Diestel ein nie endendes Vergnügen zu bereiten, die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft vor den Kopf zu stoßen: Er spielte eine Zeit lang den Fußballpräsidenten beim gefürchteten Hooligan-Klub Hansa Rostock, er war Mitinitiator der "Komitees für Gerechtigkeit" und er wetterte immer wieder gegen die Übernahme der DDR durch drittklassige Politiker und Verwaltungsbeamte aus dem Westen.

Es dauerte mehr als zwei Jahrzehnte, aber dann war es so weit: Im April 2021 erklärte Diestel seinen Austritt aus der CDU, die ein "schwammiger und hilfloser Kanzlerwahlverein geworden sei. Stiller ist der Mann, der die DDR bei den Verhandlungenzum Einigungsvertrag verteten hatte, seitdem nicht geworden. Diestel braucht das Licht der Öffentlichkeit wie jedes andere Starlet auch, er lebt vom Widerspruch und proviziert ihn gezilet, indem er allem widerspricht, was im politishcen Berlin als Konsens, unumgänglich und alternativlos gilt.

Scharf und unerbittlich

Schon seit 1993 betreibt Diestel eine eigene Anwaltskanzlei, er ist gut beschäftigt, findet aber immer noch Zeit, sich zur jeweils aktuellen politischen Lage in Deutschland zu äußern. In einem Gastbeitrag für die "Berliner Zeitung" hat der 73-Jährige sich jetzt wieder gemeldet, in gewohnter Schärfe und Unerbittlichkeit. Diestel war nie ein Diplomat, seine Vorstellung von Politik ist das Breitbeinige, Männerbündische und Entscheidungsfreudige, das nicht lange herumschwatzt, sondern einfach mal macht. 

Aus Sicht des Offizierssohnes fehlt es dazu aber derzeit an brauchbarem Personal: Das, was er da auf der politischen Bühne sehe, sei inkompetent, eitel und anmaßend selbstbewusst, ohne dafür irgendeinen Grund zu haben. "Ich habe Angst vor der uns umgebenden politischen Dummheit", schreibt der gelernte Rinderzüchter.

Dramatischer Niedergang

Diestel beklagt einen dramatischen Niedergang der politischen Kultur und Kompetenz in Deutschland. In der gegenwärtigen Politik sehe er eine Erosion der einstigen Werte und Fähigkeiten. "In der deutschen Politik haben sich Figuren breitgemacht, die in keiner Weise den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechen", glaubt er beobachtet zu haben. Viele Politikerinnen und Politiker verfügten weder über die nötige Bildung noch über praktische Berufserfahrung. "Politiker ohne Bildung und ohne Ausbildung, Politiker, die noch nie in ihrem Leben wertschöpfend gearbeitet haben, Politiker, die ihre Lebensläufe eigenhändig gestalten und dabei der Fantasie freien Lauf lassen", so Diestel. 

Der altgediente Christdemokrat ohne Parteibuch kritisiert einen Verfall der Sitten und des politischen Anstandes. Selbst Plagiate und gefälschte Lebensläufe hätten kaum noch Konsequenzen, Schummeln und Betrug würden akzeptiert, Rücktritte wegen irgendwelcher Verfehlungen gebe es nicht mehr. Das befeuere den Vertrauensverlust in die politische Klasse weiter und vertiefe die Kluft zwischen Regierenden und Regierten. 

Besonders angetan haben es Diestel die Führungsfiguren der Parteien. Die CDU unter Friedrich Merz habe zwar die Wahl gewonnen, aber "nicht wie die SPD das schlechteste, sondern das zweitschlechteste Ergebnis seit der deutschen Wiedervereinigung erzielt", ätzt er. Und er ist sicher: Hätte Merz im Wahlkampf das angekündigt, was er seit der Wahl propagierte, "dann hätte die CDU ein veritables Problem mit der Fünfprozentklausel gehabt".

Verlust politischer Traditionen und Werte

Die SPD kommt nicht besser weg. Mit Blick auf die deutsche Sozialdemokratie konstatiert Diestel, dass sozialdemokratisches Gedankengut, das über Jahrzehnte einen fortschrittlichen Einfluss auf das Land gehabt habe, heute vergessen und verloren sei. "Die Gedankengänge von Ferdinand Lassalle, August Bebel, Eduard Bernstein, Karl Kautsky und anderen großen Köpfen spielen in der aktuellen deutschen Politik keine Rolle mehr", stellte er fest.

Auch das Wirken von Politikern wie Willy Brandt, Egon Bahr oder Gerhard Schröder sei in die Bedeutungslosigkeit geführt worden. Wie bei der CDU, in der das Wirken von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Richard von Weizsäcker und Helmut Kohl nicht mehr spürbar ist, habe sich auch die aktuelle Führung der SPD in einer Welt eingerichtet, in der die Brandmauer die einzige tragende Wand sei.

Kritik an der politischen Strategie

Diestel, als DDR-Innenminister schwer unter Beschuss, weil er dem von der letzten SED-Regierung  Konzept nicht folgen wollte, die Schuld am Scheitern des sozialistischen Menschenexperiments nicht der Staatssicherheit zuzuschreiben, kritisiert die Strategie der Abgrenzung und Ausgrenzung bestimmter Parteien scharf, ohne die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD beim Namen zu nennen. 

Zwei "extrem geschwächte politische Kräfte" hätten sich in der neuen Regierungskoalition in Berlin zusammengeschlossen, um "das Volk beim Ausbauen der Brandmauer einzubinden", beschreibt er. Diese politische Mauer sei jedoch "völlig nutzlos", denn man könne die derzeit stärkste politische Partei nicht einfach "verbieten oder ausgrenzen". Nötig sei, sie nur in der parteipolitischen Auseinandersetzung zu bekämpfen, betont Diestel. Wer davor zurückschrecke, schade der Demokratie insgesamt.

Totalitäre Techniken

Diestel warnt davor, diesen Weg zu beschreiten. Die Demokratie selbst übernähme "etwas von totalitären Techniken", wenn sie zur Ausgrenzung von Abgeordneten greife, die demokratisch gewählt worden seien. Er erinnert daran, dass er gemeinsam mit Wolfgang Schäuble 1990 einen der wichtigsten deutsch-deutschen Verträge unterzeichnet habe – den Vertrag über den endgültigen Abriss der Grenzanlage, die Ost und West bis dahin entlang einer unüberwindlich erscheinenden ideologischen Mauer getrennt hatte. 

"Durch verantwortungslose Politik wird gegenwärtig eine neue, diesmal unüberwindliche Mauer aufgebaut", warnt Diestel und spielte damit auf die zunehmende Spaltung zwischen Ost und West sowie auf die gesellschaftlichen Gräben zwischen rechts und links an.

Staatsangestellte und Mitarbeitern in der freien Wirtschaft kommen nicht mehr überein, Vertreter der Überzeugung, zur Rettung der Welt müsse alles an Maßnahmen und verboten erlaubt sein, finden keine gemeinsame Sprache mehr mit denen, die darauf verweisen, dass eine Gesellschaft sich die große Transformation leisten können müsse, weil ihr sonst das Volk abhanden kommt wie es der mit dem Aufbau des Sozialismus beschäftigten DDR-Führung von der Fahne gegangen war.

Umgang mit Ostdeutschen

Diestels Lieblingsthema kommt auch nicht zu kurz. Als selbsternannter Anwalt der Ostdeutschen äußert er nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vollständige Ausgrenzung bestimmter Gruppen von Abgeordneten. "Wer sich mit dem deutschen Verfassungsrecht auseinandersetzt, wird den Begriff Brandmauer dort nicht finden", heißt es in seinem Text. 

Vielmehr sei es verfassungswidrig, bestimmte Gruppen von Abgeordneten von der politischen Teilhabe auszuschließen. "Jeder Abgeordnete, aber auch jeder, ist seinem Gewissen verpflichtet und hat dem deutschen Volk zu dienen", so Diestel. Solange eine Partei nicht verboten sei, dürfe es keine Ausgrenzung geben. 

Ausschluss von Minderheiten

Die sieht er 35 Jahre nach derf Wiedervereinigung jedoch fast schon institutionalisiert zwischen Ost und West. Es gebe eine fortdauernde Benachteiligung ostdeutscher Bürger in Politik und Gesellschaft, die sich weder erklären noch entschuldigen lasse.

"Die vollständige Ausgrenzung ostdeutscher Menschen aus der Politik, aus den gesellschaftlichen Strukturen, aus der Möglichkeit, Abgeordneter zu sein, ist verfassungswidrig", betonte er. Diese Ausgrenzung sei nicht nur illegal, sondern auch vergeblich, da eine Minderheit von 15 bis 16 Millionen Menschen nicht einfach aus dem politischen Leben ausgeschlossen werden könne.

Ärger über Annalena

Auf der Suche nach den Gründen dafür, dass Deutschland irgendwann falsch abgebogen sei, wird Peter-Michael Diestel bei den Eliten fündig, die er eben gerade nicht mehr findet. Am Beispiel der deustchen Außenpolitik der zurückliegenden knapp vier Jahre führt er aus, wie ein großes und weltweit geachtete Land dank einer einzigen Ministerin zu globalen Lachnummer geworden sei. 

"Eine Außenministerin ohne fachliche und rhetorische Eignung hat Deutschland über fast vier Jahre in der ganzen Welt lächerlich gemacht", schreibt er mit Blick auf Annalena Baerbock. Dorthin, wo Weltpolitik gemacht werde, werde Deutschland nicht mehr eingeladen, weil es nicht mehr "ernst genommen wird", so Diestel. Und die Antwort der Regierenden darauf sei nur: "Augen zu und durch!"

Symbolische Reinigung

Man beschäftigte sich im politischen Berlin lieber mit der symbolischen Gesten der Reinigung. Diestel schimpft über das Abhängen des Bismarck-Gemäldes im Auswärtigen Amt und er lässt kein gutes Haar an der vermeintlich "feministischen" Außenpoltik der vergangenen Jahre. Der Vergleich mit großen weiblichen Führungspersönlichkeiten wie Golda Meir, Indira Gandhi, Margaret Thatcher und Angela Merkel, um zu unterstreichen, dass eine von Frauen gestaltete Außenpolitik keineswegs ignorant sein müsse.  Der Blick auf die aktuelle lage zeige aber, dass sie es sein könne.

Diestel fühlt sich offenbar verraten, verkauft und veräppelt. "Schulden werden als Vermögen bezeichnet und eine Kreditaufnahme, die unserem Vaterland endgültig den Todesstoß geben wird, wird begründet mit der Behauptung, Putin stehe mit der Keule vor der Tür", kritisierte er. Es sei paradox, dass Russland angeblich erst dann angreifen werde, wenn Deutschland sich wieder wehrhaft gemacht habe, und nicht jetzt, wo die Bundeswehr als nahezu hilflos gelte. Ein Wahnwitz, bei dem dem bekennenden Fan des früheren bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Joseph Strauß das Lachen im Halse steckenbleibt. 

Mangel an Fühgrungsfiguren

Wie konnte es soweit kommen? Diestel diagnostiziert einen Mangel an Führungsfigutren von Format, an Klugheit und Lebesnerfahrung in der deutschen Politik. Es hätten sich "Figuren breitgemacht, die in keiner Weise den Anforderungen der heutigen Zeit genügen", schreibt er und verweist auf "Politiker ohne Bildung und ohne Ausbildung, Politiker, die noch nie in ihrem Leben wertschöpfend gearbeitet haben, Politiker, die ihre Lebensläufe eigenhändig gestalten und dabei der Fantasie freien Lauf lassen". 

Unter ihnen seien Exemplare, "die ihre Doktorarbeiten schreiben lassen müssen, weil sie es selber nicht können, die zu faul sind, diese zu lesen und dumm genug, bei simplen Plagiatsprüfungen durchzufallen". Daraus resultiere das Elend der aktuellen Lage. Diestel forderte eine grundlegende Erneuerung der politischen Führung: "Eine Rückkehr der Eliten in die Führung der Parteien ist geboten", sagt er und lässt keinen Zweifel daran, dass dieses problem zu seiner Zeit nicht bestand. 

Arroganz und Inkompetenz

Doch der aktuelle Zustand zeige eben, dass Parteien von "Witzfiguren" geführt würden, die nicht nur ehemalige Volksparteien zugrundewirtschaften, sondern das ganze Land. das sei nicht länger hinnehmbar. Er warnt eindringlich vor den Folgen politischer Arroganz und Inkompetenz: "Ich habe Angst: Angst vor der uns umgebenden politischen Arroganz", schreibt er und verweist auf seinen Vater, der ihn immer gewarnt habe, dass es gefährlich werde, "wenn die Dummen anfangen zu denken". 

Einen echten Ausweg weiß Peter-Michael Diestel allerdings auch nicht. Nur ein Appell fällt ihm ein. "Wir alle müssen aktiv werden, um aus diesem Tief herauszukommen: Überlegen, einander zuhören und die Ergebnisse in Taten, nicht in Verbote umsetzen", schlägt er vor.

551 und eine Frage: Paradies der Parasiten

Kurt Hager antwortete damals noch auf Fragen. Die staatlichen Finanziers der Zivilgesellschaft haben das nicht mehr nötig. Wohin Steuermilliarden verschwinden, geht niemanden etwas an.

Kurt Hager zierte sich ein wenig, als sie Anfrage kam. Doch dann beantwortete der Ideologiechef des DDR-Politbüros die Fragen der Illustrierten "Stern". Nützt ja nichts. Niemand sieht schlau aus, wenn herumdruckst und sich in die Büsche schlägt.   Niemand? Doch, Friedrich Merz, scheidender Oppositionsführer und kommender Kanzler, so die SPD-Basis ihn dennoch will, kommt sehr gut ohne Antworten aus. 

Ein Mann mit konservativem Profil

Seit der CDU-Chef nur einen Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl sein konservatives Profil schärfte, indem er  der abgewählten Bundesregierung 551 handgefertigte Fragen zur staatlichen Finanzierung sogenannter "Nichtregierungsorganisationen" (NGO) stellen ließ, ist Schweigen im Walde. 

Erst kam der Entrüstungssturm, ein empörtes Kreischkonzert der Betroffenen, die in den angeschossenen Sendestationen bereitwillige Unterstützer fanden. Dann kamen ein paar halbgare Erwiderungen, nach denen über die aus Staatstöpfen unterhaltene Zivilgesellschaft nicht sehr viel Genaues bekannt ist. Weder wisse man genau, an wen das Geld gehe, noch wie viel und wozu.

Lars Klingbeil, als Verlierer der Bundestagswahl schon früh im sicheren Gefühl, als Rädchen am Merz-Wagen künftig unverzichtbar zu sein, nordete Merz ein und zeigte die Instrumente. Er könne nicht mit einer Partei am Verhandlungstisch zusammensitzen, "die solche Anfragen rausschickt". Nur weil eine Bundesregierung ihr genehme oder hilfreich erscheinende Organisationen finanziert, steht der "politische Neutralität" noch lange nicht infrage. Und sie dürfe es auch nicht.

Üble Anfragen

Die Fragen waren damit nicht beantwortet, aber erledigt. Ausdrücklich stimmte die Union  einem Passus im Koalitionsvertrag zu, wonach das große Förderprogramm "Demokratie leben" fortgesetzt und erweitert wird, aus dem ein großer Teil der Mittel sprudelt, von denen sich hunderte zivilgesellschaftliche Vereine nähren. 

SPD und Grüne, auf den letzten Metern der gescheiterten Fortschrittskoalition als Fußgängerampel unterwegs, hatten der Union versichert, dass der Hass gegen Friedrich Merz, der während der großen Tage der Brandmauerproteste ausgebrochen war, allenfalls zum Teil aus staatlichen Quellen finanziert worden sein könnte. Nichts Genaues aber wusste die Bundesregierung auch nicht. NGO bedeutet schließlich: Ist das Geld ausgereicht, verschwindet es ohne Verwendungsnachweis.

Milliarden für den guten Zweck

Es geht um hunderte Millionen, zusammengerechnet sogar um Milliarden. Aber verglichen mit dem Volumen des Bundeshaushaltes oder aber mit Tiefe und Umfang der neuen Sondervermögenlöcher handelt es sich um Brosamen. Und jetzt, wo die Union selbst zumindest in die Ministerien einzieht, die ihr die SPD überlassen hat, kann aus der "Schattenstruktur" (BR) des "tiefen Staates" (TAZ)  die Kaffeekasse der neuen Minister werden. 

Die 551 Fragen sind vergessen. Mit der Fragestellung war ihre Aufgabe erledigt. Die Erteilung von Antworten könnte Teile der Bevölkerung beunruhigen und andere Teile abspalten. Dass eine nahezu ausschließlich durch staatliche Zuflüsse finanzierte Organisation wie die "Neuen deutschen Medienmacher*innen", die sich im Gegenzug für 5,5 Millionen Euro jährlich für mehr Vielfalt im Journalismus und gegen Hass im Netz einsetzt, bis heute 60 Stellen für Erzieher zu "menschenrechtsbasierten Haltungen in Redaktionen" geschaffen hat, würde untergehen. 

Verstärker für antidemokratische Narrative

Jede Debatte über Details wäre einer jener "Verstärker für antidemokratische Narrative" (NdM) vor denen die "Journalist:innen mit und ohne Einwanderungs­geschichte" so eindringlich warnen. Alle Diskussionen würden sich nur noch darum drehen, warum Firmenchefin Elena Kountidou für die Grünen im Rundfunkrat sitzt und warum das einst unter dem Frauen strikt ausschließenden Namen "Neue deutsche Medienmacher" gegründete "Netzwerk" zwar inzwischen öffentlich als Neue deutsche Medienmacher*innen auftritt, aber bis heute im Internet die vielfaltablehnende Internetadresse neuemedienmacher.de benutzt.

Ab jetzt wird, so steht es im Koalitionsvertrag, Punkt 4, Kapitel "Starker Zusammenhalt, standhafte Demokratie", "verstärkt in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie" investiert. Die ist bedroht wie nie, denn das Gift der der "antidemokratischen Narriative", es wird längst auch durch die Gemeinsinnsender in die Wohnzimmer geträufelt. Entsetzt haben die Neuen Deutschen Medienmacher, vom Finanzamt Berlin von der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer befreit, jetzt aufgedeckt, dass die neue ARD-Reportagereihe "Klar" sogar "migrationsfeindliche Narrative als Meinungsvielfalt verkauft"

Premiere für eine runde Million

Ein Glücksfall für das NdM-Team, denn es war das erste Mal seit einer Wortmeldung in eigener Sache während der großen Zuschussdiskussion vom Februar, dass sich das 60-köpfige Team öffentlich zu Wort meldete. Vom Jahresetat ist Ende März erfahrungsgemäß ein Viertel verbraten. Eine runde Million aus dem Staatssäckel haben die Medienmacher*innen, die sich ihren Finanziers der Transparenz wegen nur mit Fanatsienamen wie "Sham", "Jutta", "Melis" und "Mosjkan" vorstellen, schon unter die Leute gebracht.

Bekommen haben die vom den allgemeinem Rechtsruck bei den Medien beunruhigte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von den Medienmachern dafür bis zur Verurteilung der Fernsehsendung vier Pressemitteilungen. Jede einzelne trägt eine mitreißende und vielfältige Überschrift, jede einzelne verrät, mit wie viel Leibe und Herzblut sie für wie viel Geld zusammengebaut wurde.

Eine gerechtere Berichterstattung

Ob "10 Neujahrsvorsätze für eine gerechtere Berichterstattung", "Verantwortung der Medien", "Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie" und "Zur Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag" - rein rechnerisch hat jede einzelne Mitteilung an die Öffentlichkeit eine Viertelmillion Euro gekostet. Das Geld war es wert, denn nun ist klar, dass sich keine "gesamte Medienlandschaft" mit einem "Täter mit Fluchthintergrund" beschäftigen sollte.

So soll es, so muss es weitergehen. Während Friedrich Merz bei Steuersenkungen und Mindestlohn darauf verwiesen hat, dass er gemeinsam mit Klingbeil und Söder von Anfang an die Hintertür des Finanzierungsvorbehalts in die Vereinbarung eingebaut habe, bestehen entsprechende Abmachungen bei den Geldlieferungen an die  zivilgesellschaftlichen Vereine aus der Demokratieförderbranche nicht. Man "unterstreiche die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft", haben die Autoren ab Zeile 3296 unter "Demokratiebildung und demokratische Teilhabe" notiert.

Die Fragen sind vom Tisch

Die 551 Fragen sind damit vom Tisch. Die neue Regierungsmannschaft, die sie nun bald selbst beantworften könnte, kann alles brauchen, aber keine Debatte über Finanzierung und persönliche Verbindungen von Politikern in ausgewählte Organisationen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Gerade erst hat ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs bemängelt, dass auch auf europäischer Ebene "zu wenig Transparenz über Gelder" herrsche, mit denen EU-Kommission Lobbygruppen mit Milliarden füttert, um sich ihr genehme Stichworte zur Migrations-, Umwelt- und Verkehrspolitik liefern zu lassen. Fast wäre daraus ein Skandal geworden.

Denn selbst nach deutschen und EU-Maßstäben ist Brüssel nicht knauserig: Der "Spiegel" berichtet von rund 4,8 Milliarden Euro, die innerhalb von nur drei Jahren an Organisationen gehen, die aus häufig unbekannten Gründen nach den Vorgaben dieses oder jenes Staates als "gemeinnützig" gelten. Dazu kommen weitere 2,6 Milliarden von den Mitgliedstaaten. Pro Jahr sind das zweieinhalb Milliarden Euro - das ist das Doppelte der Summe, die die gesamte EU der neuen islamistischen Regierung in Syrien als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellt.

17 Euro für die Schattenstruktur

Jeder einzelne Europäer vom Baby bis zum Greis ließ sich die schattenhafte "Zivilgesellschaft" aus tausenden von regierungsnahen Nichtregierungsorganisationen 17 Euro im Jahr kosten. Offiziell soll ihre Förderung ein Gegengewicht zur Lobbymacht von Konzernen und der Industrie bilden. Inoffiziell sind Think Tanks wie das Centre for European Policy Studies dafür da, Stellen im Umfeld der Macht zu schaffen und zu unterhalten, deren Inhaber den Geldgebern verpflichtet sind.

So wie die Regierung in Berlin auf viele der 551 Fragen nur mit einem "keine Angaben" antworten konnte, weil oft nicht bekannt ist, welche Summen an welche NGOs fließen, ermittelte der EU-Rechnungshof, dass auf europäischer Ebene häufig unklar, welche Summen wofür an welche Nichtregierungsorganisation fließen. Um Ärger zu vermeiden, vermeidet die EU Kontrollen der Verwendung der Mittel. 

Mangel an Transparenz

Laima Andrikienė, eine Litauerin, die auch schon zehn Jahre im Europäischen Parlament abgesessen hat, ist jetzt als vollkommen unabhängiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs eine Idealbesetzung. Erstmals konnte sie herausbekommen, dass die "EU-Finanzierung für NGOs zu undurchsichtig" ist und dass sie "unter einem Mangel an Transparenz" leidet. "Zu" undurchsichtig heißt aus dem Europäischen übersetzt: Nachtschwarze Schattenstruktur. "Mangel an Transparenz" meint nichts anderes als: Kein Milchglas, sondern Stahlbeton.

Sieben Milliarden Euro hat die EU allein in den drei Jahren von 2021 bis 2023 verteilt und über die Verwendung der "unklaren Summen" (Andrikienė) liegen bis heute nur "bruchstückhafte Informationen" vor. Man vermute, das ganze Geld sei für "Zusammenhalt, Forschung, Migration und Umwelt", ausgegeben worden, hat Laima Andrikienė gesagt. 

Wirklich wissen aber könne das niemand, weil zumindest "NGOs auch bis an die Grenze der Rechtsstaatsverletzung gegangen" seien, um sich Zuschüsse zu sichern. Die seien dann auch verwendet worden, um Protestaktionen zu unterstützen, "die sogar teilweise gewalttätig geworden sind", wie die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier erschüttert aus dem Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlament berichtet hat. 

An den Geldtrögen der Gemeinschaft

Hohlmeier sitzt erst seit 16 Jahren im EU-Parlament. Auch sie konnte nicht ahnen, dass sich rund um die Geldtröge der Gemeinschaft ein ganzes Heer an organisiserten Kostgängern einfindet, die aus ihrem "zivilgesellschaftlichen Engagement" das Recht ableiten, für ihren Einsatz bezahlt zu werden. 

Was einem freiwilligen Feierwehrmann nicht zusteht, auch keinem Schülerlotsen oder Fußballnachwuchstrainer, haben die Erfinder der "Zivilgesellschaft" zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt: Sie lassen sich für ihre Überzeugungen, ihre Hobbys und ihr Bedürfnis, andere zu ihrer Weltanschauung zu bekehren, von der Gemeinschaft aushalten. 

Die Institutionen sind ihre Beute, die Staatskassen liefern ihr Futter. Im Paradies der Parasiten kann ihnen nichts geschehen. Zumindest die 552. Frage, die die Union nicht gestellt hat, ist beantwortet: Wird sich an diesem System der staatlich finanzierten Nichtstaatlichkeit etwas ändern, wenn das ganze Ausmaß der korruptiven Geldströme öffentlich wird? Wird jemand die Kraft haben, die Verschwendung von Milliarden Euro für eigensüchtige Zwecke zu beenden?

Die Antwort lautet vorerst weiter nein.

Mittwoch, 16. April 2025

Kaffeekrise: Ursulas Krönung

Mocca Fox DDR Kaffeekrise 17,50 DDR-Mark
17,50 DDR-Mark, das waren 1,70 West - und drei Monate aromafrisch.

Er ist gefährlich, kreuzgefährlich sogar. Keine Regierung, die ihn nicht beachtet, hat es jemals geschafft, länger als nötig an der Macht zu bleiben. Kaffee ist das Genussmittel all deren, die sich von Zigaretten fernhalten und tagsüber keinen Alkohol trinken können. Sie brauchen ihren Stoff, importiert aus fernen Ländern und sie brauche ihn so sehr, dass alle Bedenken über Klimaschäden, die die auf unendliche großen Plantagen in Monokultur gezogene Pflanze anrichtet, beiseitegeschoben werden.

Die Doge der Leistungsgesellschaft

Kaffee ist schick, Kaffee ist in. Kaffee ist die Droge der Leistungsgesellschaft, aber zugleich auch der Tröster der Minderleister. Kaffee geht immer. Wer gemocht werden will, lässt sich mit einer dampfenden Tasse fotografieren. Dem kältesten Ablehner von Tricksern und Täuschern in der Politik wird warm ums Herz, wenn er die Obrigkeit genauso genussvoll braune Brühe schlürfen sieht wie seine Frau oder ihren Mann am Frühstückstisch oder der Kaffeetafel. 

Statistisch gesehen trinkt jeder Deutsche etwa 450 Tassen im Jahr. Weltweit ist Kaffee nach Tee das  meistkonsumierte Warmgetränk der Welt. Um den beständig wachsenden Bedarf in den Industrieländern zu decken, wurde die Produktion in den letzten 30 Jahren um 60 Prozent gesteigert. 60 Prozent mehr Ackerfläche, das heißt mehr als doppelt so viel Aufwand bei der Verarbeitung. 

Leidendes Südamerika

In Südamerika leidet der Boden, im Jemen, einem der Ursprungsländer der Droge, herrscht Krieg. Jeder Kaffeetrinker könnte wissen, dass 140 Liter Wasser nötigt sind, um eine kleine Tasse mit dem belebenden Gebräu zu füllen. Jeder Politiker, der das wüsste, müsste eine Verbotsdiskussion anstoßen.

Doch die Geschichte lehrt eben: Viel, noch viel mehr und letztlich fast alles lassen sich Menschen antun. Geht es aber um Kaffee, werden sie schnell unruhig. Und einmal ernsthaft unterkoffeiniert, entwickeln sie sogar rebellische Anwandlungen. Gerissene Lieferketten oder hohe Preise können zum Auslöser von Unruhen werden. 

Aromafrische Erinnerungen


Zu aromafrischfrisch sind die Erinnerungen an das Jahr 1977, in dem der planmäßige Aufbau des Sozialismus in der DDR beinahe an der Kaffeefrage gescheitert wäre. Brasilien hatte eine Missernte zu beklagen. Die DDR, die bis dahin 300 Millionen Dollar für Kaffee hatte ausgeben müssen, nicht genug kein Westgeld, um 600 Millionen aufzubringen. Und die Preise liefen den ostdeutschen Einkäufern weiterhin davon wie Friedrich Merz die Wähler. 

Aus heutiger Sicht war damals alles spottbillig. Ein Kilo Kaffeebohnen kostete umgerechnet sechs bis sieben Euro, zufälligerweise im Osten wie im Westen. Als der Nachschub ausblieb und Aufstände drohten, war es der Legende nach DDR-Staats- und Regierungschef Erich Honecker selbst, der einen Ausweg fand. "Kaffee Mix" bestand aus 51 Prozent Kaffeepulver und 49 Prozent Füllstoff wie gerösteten Erbsen, Rübenschnitzeln oder Roggen. Die Mischung schmeckte wie aufgekochter Kaffeesatz. 

Bessere Klimabilanz

Sie hatte zwar eine deutlich bessere Klimabilanz als das herkömmliche Bohnenkaffeegetränk. Doch die Menschen mochten sie nicht. 14.000 empörte Bürger sollen sich damals mit Beschwerden an die Regierung gewandt haben. Unter der Hand kursierenden Erzählungen zufolge schimpften manche über sexuelle Niedergeschlagenheit, andere beklagten plötzlichen Haarausfall. Denn beim Kaffee hört der Spaß auf. Die als "Erichs Krönung" verhöhnte innovative Mischung als regionaler und globaler Ernte verschwand. Honecker musste an die Staatsreserve gehen, um sein Volk wieder von der Palme zu locken.

Niemand will das, doch Rücksicht nehmen kann auch nicht jede, wenn noch Größeres auf dem Spiel steht. Als die EU-Kommission vor einem Jahr beschloss, in ihrem Kampf gegen außereuropäische Produktionsmethoden von Kaffeebauern  "Sorgfaltserklärungen" zu verlangen, sah auf den Weltmärkten noch alles danach aus, als werde sich niemand an der gutgemeinten Idee verschlucken. 

Die Verordnung (EU) 2023/1115 "über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union (EU)" hatte nur sicherstellen sollen, dass Rohstoffe wie Kaffee und Soja, aber auch Rinder, Palmöl, Holz,   Kautschuk und alles, was sich daraus herstellen lässt, nur dann in den Unionsmarkt eingeführt  werden dürfen, wenn "diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen" Ein kleiner Schwur,ein kleiner Eid, so dachten sie sich das in Brüssel, und schon wäre klar, dass für die liebste Bohne der Unionsbürger kein Wald gerodet und kein Tier vertrieben wurde.

Papierkrieg für die EU

Das Kilo Kaffee kostet zwei Euro, etwa so viel wie 2008. Dass die Kaffeeröster nun Papierkrieg mit ihren Lieferanten führen mussten, die wiederum ihre Bäume zu zählen hatten und hier und da Beschwörungen einkaufen mussten, hatten die Experten der Kommission ebenso eingerechnet wie die Wahrscheinlichkeit, dass der eine oder andere Kaffeebauer vielleicht auch aus Scham das Handtuch werden würde. 

Ein bisschen Schwund ist immer, aber die Welt ist groß und dank Erich Honeckers Initiative baut nicht mehr nur Brasilien Kaffee an, sondern auch Vietnam. Dem Bruderland hatte die DDR seinerzeit beim Aufbau von Kaffeeplantagen geholfen, um sich selbst einen Lieferanten zu verschaffen.

Nachhaltigste deutsche Entwicklungshilfe

Es war das vielleicht das nachhaltigste Stück Entwicklungshilfe, das jemals aus Deutschland, denn Vietnam ist heute der zweitgröße Produzent der Welt, wenn spezialisiert auf die falsche Sorte. Deutschland trinkt Arabica, denn der Islam gehört hier. Robusta darf allenfalls beigemischt werden.  Wenn die Not groß ist. Und das scheint sie zu werden. Denn punktgenau mit dem EU-Ultimatum an die Kaffeebauern der Welt begannen die Preise zu klettern. 

Was 2005 noch keine drei Euro kostete, ist jetzt zehn teuer. Der Kaffeepreis hat sich in zwölf Monaten mehr als verdoppelt. Das haben weder Bitcoin noch Gold geschafft. Selbst die Gemeinsinnsender sind schon aufgeregt: 43 Prozent Preisplus seit Jahresanfang, und das mitten in eine Zeit, in der die europäischen Zentralbanker unverdrossen das Lied vom sinkenden Preisdruck singen. 

Es war der Klimawandel

Dass die Gründe für die Explosionen im Kaffeeregal beim Klimawandel zu finden sind, hilft ein wenig darüber hinwegzutrösten, dass die Röster- und Anbauverbände schon vor einem Jahr vor extrem steigenden Preisen gewarnt hatten, weil die EU-Anforderungen Lieferanten vergraulen würden und dadurch das Angebot schmelze. 

Doch die veritable Kaffeekrise ist da. 1990 haben alle Anbauländer weltweit zusammen noch 93 Millionen 60-Kilogramm-Säcke Rohkaffee produziert, im Jahr 2015 waren es schon 147 Millionen und 2021 dann 167 Millionen. Aber die Missernten! Aber die Dürre! Der viele Regen und die "zunehmenden Extremwetter" (NDR). Alles spricht für den Klimawandel.

Inflationsbereinigt ist Kaffee heute so teuer wie noch nie, seit Mohammed höchstpersönlich als erster lebender Mensch und erster Prophet und Religionsgründer die anregende Wirkung des Getränks entdeckte, nachdem ihm der Erzengel Gabriel eine Tasse angeboten hatte. Was das Tässchen kostete, ist nicht überliefert worden. 

Feindbild Wirklichkeit: Schubsen, Schlagen, Schweigen

Gewalt gegen Journalisten Tagesschau MDR pro palästinensich
Bebilderung einer strukturell weiterhin bestehenden Hauptgefahr. Drei Viertel der Übergriffe auf Journalisten kommen dann im Kleingedruckten vor.

Wer mit Zahlen lügen will, und wer will das nicht!, der hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um sich nicht sofort unmöglich zu machen. Einerseits ist es möglich, auf Studien zu verweisen, ohne den Inhalt einzuordnen. Es gilt dann, Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren und als "neuen Rekordwert" einsam und verloren in der Landschaft stehenzulassen.  

Eine Mahnung für jeden, der es nicht glaubt. Und eine Warnung für alle, die aus der dürren Umschreibung "weniger als" oder "mehr als" keinen Erkenntnisgewinn zu ziehen vermögen. Nachfragen sind Zweifel. Zweifel sind schädlich. Das gute Gefühl, auf ein besonders böses Detail des Bösen gestoßen zu sein, ist es allemal wert, auf Verständnis zu verzichten.

Dümmer nach dem Lesen


Ganze Studien werden gemacht, um Material für solche Warnhinweise zu liefern. Die vom ZDF betriebene Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) verwandelt dergleichen Rohdaten meist mit leichter Hand in irritierende Grafiken. Andere Sender, große private Medienheuschrecken und Faktenchecker-Departments einzelner Ministerien zaubern daraus Nachrichten, die es vermögen, jeden, der sie konsumiert, unwissender nach Hause gehen zu lassen als er gekommen ist. 

Manches Problem kannte mancher zuvor nicht einmal. Danach ist er dümmer, denn er hat nun davon gehört. Und alles wie gewünscht falsch verstanden.

Diesen Effekt zu erzielen, ist die Aufgabe engagierter Journalisten und aktivistischer Journalistendarsteller. Kein Verschweigen unangenehmer Nachrichten. Vielmehr und viel besser: Ihre Darbietung in Form eines zirzensischen Spektakels, in dem sich alles in sein Gegenteil verwandelt und nichts mehr übrig bleibt von einer lästigen Wirklichkeit. 

Endstadium Erkenntnisverweigerung

Der Mitteldeutsche Rundfunk, ein Zeit seiner Existenz von bizarren Skandalen geschüttelter Großkonzern mit zeitweise global angelegten Gebührengeldern, hat die Aufgabe jetzt im Fall einer Langzeitstudie des unter anderem von der Europäischen Kommission und der sächsischen Landesregierung finanzierten Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) durchgespielt. 

Darin hatten die Medienfreiheitsforscher zum neunten Mal untersucht, welche Bedeutung Journalisten als Feindbild haben: Seit der Übernahme von der frühen SPD der 30er Jahre erfundenen Beschwörung einer "Lügenpresse" durch rechte und rechtsextreme Kreise, handelt es sich bei der Frage um keine deutlich wesentlichere als vor 2015. 

Allerdings ist die Förderung einer Studie, die regelmäßig neue Rekordwerte bei der Bedrohung der Pressefreiheit zutage fördert, deutlich aussichtsreicher zu beantragen als die für eine Untersuchung, wer Barkeeper, Mindestlohn-Baristas und Tankstellenmitarbeiter bedroht und beleidigt.

Das erwartete Ergebnis

Wie erwartet hat die neue Folge von "Feindbild Journalist:in", bis vor kurzem noch als "Feindbild Journalist" selbst nicht frei von verbaler Gewalt, das Erwartete ergeben. In Deutschland hat die Zahl der tätlichen Übergriffe auf Journalisten 2024 einen neuen Rekordwert erreicht. Es habe 98 "verifizierte tätliche Übergriffe" gegeben – von "Schubsen über Schlagen und Treten bis hin zum Angriff mit Fahnenstangen". 

Ein gefährlicher Job, dieses Reportieren, denn die extreme Rechte stelle "strukturell weiterhin die größte Bedrohung für die Pressefreiheit in Deutschland dar", zitiert der MDR die Autoren. In den MDR-Fernsehnachrichten wird der Bericht darüber mit den passenden Bildern unterlegt: Nazi-Gestalten und AfD-Anhänger marodieren durch ostdeutsche Städte, augenscheinlich auf der Suche nach einem Schreiberling, der sich durch Notizblock und Kamera zu erkennen gibt.

Alles schlimmer, nur nicht warum

Der Film lässt keinen Zweifel daran, wie sich Deutschland verändert haben muss. Alles ist so viel schlimmer geworden, dass es nicht einmal die in der Studie genannte unbekannte "Dunkelziffer" braucht, um die akute Gefahr zu verdeutlichen. 98 Fälle, das sind 29 mehr als im vergangenen Jahr. Zu erkennen sei daran deutlich, wie "die Erfolge der AfD die extremen Rechten außerhalb der Politik mobilisieren".

So komme es neben tätlichen Angriffen am Rand von extrem rechten Kundgebungen auch "zu Beleidigungen und Diffamierungen im Internet sowie Bedrohungen" - Erscheinungen also, die ausdrücklich keine "körperlichen Angriffe" sind, um die es ja in der Studie eigentlich ausschließlich geht. 

Um den Inhalt herumsenden

Weshalb sie trotzdem ausdrücklich angeführt werden und weshalb rechte Schläger nur als "strukturell weiterhin" größte Bedrohung vorkommen, zeigt sich erst beim Blick auf die Studie selbst, um deren eigentlichen Inhalt der MDR vorsichtig herumsendet. Danach stammten im vergangenen Jahr nur 20 Gewalttäter, die Journalisten angriffen, aus dem rechten Spektrum. Drei schlugen den Studienautoren zufolge aus linker Gesinnung zu. 75 aber werden in der Tortengrafik der Leipziger Wissenschaftler als "unbekannt" geführt. Obwohl im Kleingedruckten dann eingeräumt wird: 57 von - hier abgerundeten - 74 Fällen hätten sich bei "pro-palästinensischen Veranstaltungen" ereignet.

Das sind drei Viertel aller Vorkommnisse - 62 davon spielten sich in Berlin ab, zehn in Sachsen, sieben in Bayern. Wie viele wo wie motiviert waren, so weit steigt die Studie nicht in die Materie ein. Wer weiß, was dabei herausgekommen wäre. Journalistische Gewaltforschung ist keine exakte Wissenschaft, sondern ein Gefühl, das 20 "strukturell weiterhin" Bedrohungen ganz anders zu werten weiß als 74, 75 oder 79 "physische Angriffe" (ECPMF), die sich aus unbekannten Gründen bei "pro-palästinensischen Veranstaltungen" zugetragen haben.

Würde also jemand wirklich wissen wollen, wie der neue Rekord zustande kommen konnte, er würde selbst in dieser schütteren Studie den einen oder anderen Hinweis finden können. Wer aber vermeiden will, einen richtigen Eindruck zu vermitteln, der falsch ankommen könnte, verwurstet sie so. Und wundert sich weiter, warum er wohl als "Lügenpresse" beschimpft wird.

Dienstag, 15. April 2025

EU-Migrationsverbot: Eine Sorge weniger

Spielzeugsicherheit  EU-Spielzeugrichtlinie  Verschluckungsgefahr Spielzeug  CE-Kennzeichnung Spielzeug
Spielzeugschwerter von Spielzeugrittern müssen künftig fest mit der Figur verbunden bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren.

Sie kommen harmlos daher, verkleidet als glitzerndes Einhorn, als sprechende Puppen, als Ritter von trauriger Gestalt oder als kleiner, tapferer Nato-Soldat. Sie sind bunt, vielfältig und lassen sich zum Teil sogar fernsteuern wie Tagesschau-Redakteure. Auch sie wurden in den zurückliegenden Jahren nicht von der Inflation verschont, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst hat. Doch Spielzeuge gehören trotz ihrer oft stolzen Preise immer noch zu den beliebtesten Artikeln, die Eltern und Großeltern ihren Jüngsten kaufen.

Mehr Sicherheit für die EU

Ahnungslos und im blinden Vertrauen darauf, dass die Puppen, Baukästen, Teddys, Actionfiguren, Puzzlespiele und Bälle die Fantasie anregen, erste Fertigkeiten von Kindern und Enkeln schulen und den Kleinen ein treuer Begleiter auf dem Weg ins Erwachsenenleben sind. Gerade in der rapide alternden Gesellschaft ist Spielzeug ein Zeitvertreib für mehrere Generationen: Häufig tauchen Spielzeuge, die für Minderjährige angeschafft wurden, später auf den Tischen in den Gemeinschaftseinrichtungen von Pflege- und Altenheimen wieder auf. 

Zum zweiten Mal sind sie hier gefragt, um anregen und zu unterhalten, den Geist auf Trab zu bringen und die Finger zu beschäftigen. Vorausgesetzt wird dabei stets, dass Spielzeug zuallererst sicher ist: Keine kleinen Teile sollen sich unverhofft lösen und nichtsahnenden Spielern im Rachen steckenbleiben. Auch sorgen umfangreiche Rechtssetzungsakte von EU und Einzelstaaten seit Jahren dafür, dass Giftchemikalien, gefährliche Gene und Weichmacher, wie sie sich in Farben, Kosmetika, Klebstoffen und Kabeln finden, bei Spielzeugbagger, Spielzeugpanzer und Spielzeuggewehr nicht finden.

Mit Pigmenten vollgestopft

Trotzdem tauchen sie immer wieder auf, verseuchte Puppen und mit schwermetallhaltigen Stabilisatoren und Pigmenten vollgestopfte Importe aus Drittstaaten. Längst ist die EU alarmiert, seit Jahren schon verhandeln Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten über schärfere Maßnahmen gegen problematische Spielzeuge. Nun endlich liegt eine große europäische Lösung vor, die die bisher geltende Norm EN 71-3 ergänzt und die sogenannte "Migration" von potenziell schädlichen Elementen wie Schwermetallen und organischen Verbindungen aus Spielzeug in den Körper von Kindern verbietet. 

Auch Spielzeuge mit scharfen Kanten, Spitzen, Zinken und freiliegenden Drähten fallen unter das neue Verbot. Verkauft werden darf nur noch Ware mit einer CE-Kennzeichnung, die sicherstellt, dass ein Spielzeug den EU-Richtlinien entspricht. Um die CE-Kennzeichnung zu erhalten, muss der Hersteller im Rahmen des umfassenden Bürokratieabbaus in der Union sicherstellen, dass das Spielzeug alle relevanten europäischen Sicherheitsnormen erfüllt. 

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, dass in Europa benutztes Spielzeug das sicherste der Welt sein soll. Damit reagiert die Gemeinschaft direkt auf Aussagen von großen Teilen der Bevölkerung in fast allen Mitgliedsstaaten, nach denen die Sicherheitslage eine der großen Sorgen der Menschen zurzeit ist.

Unbekannte Opferzahl

Bislang ist nicht bekannt, wie viele Opfer verseuchtes Spielzeug in der Gemeinschaft Jahr für Jahr fordert, doch die neuen EU-Vorschriften werden dafür sorgen, dass es weniger werden. Die  Spielzeugrichtlinie, auf die sich EU-Verhandler und Mitgliedsstaaten in mehr als zwei Jahren intensiver Verhandlungen vorläufig geeinigt haben, sieht strengere Vorgaben für Hersteller, mehr Transparenz bei Inhaltsstoffen und als ganz neuen Schwerpunkt die Einführung eines digitalen Produktpasses für jedes Spielzeug vor. Eltern und Großeltern können damit schon beim Kauf eines neuen Baggers, einer Puppe oder eines Fußballs über einen QR-Code den Sicherheitssteckbrief zum Produkt abrufen. 

Eine hochmoderne europäische Spielzeugsicherheitsdatenbank enthält künftig alle Informationen über verwendete Chemikalien, krebserregende oder fortpflanzungsschädigende Gene und spitze und scharfe Bestandteile. Zudem werden Warnhinweise geliefert.

Kontrolllücken im Kinderzimmer

Damit werden erstmals weltweit bestehende Kontrolllücken im Kinderzimmer geschlossen. Bereits heute sind Stoffe verboten, die schädlich sein könnten, mit den neuen Regeln fallen auch endokrine Disruptoren, die das Hormonsystem beeinflussen, und alle Chemikalien, die das Nerven-, Atem- oder Immunsystem schädigen können, unter ein Verwendungsverbot. 

Besonders problematische Stoffgruppen wie die als PFAS bekannten "Ewigkeitschemikalien", die sich im kindlichen Körper kaum abbauen und sich in Umwelt anreichern, müssen künftig draußen bleiben. Mit Bioziden behandelt werden dürfen nur noch Spielzeuge, die ausdrücklich für den Außenbereich gedacht sind. Die Unart vieler Hersteller, diese Substanzen, die gegen Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien verwendet werden, auch auf Kuscheltiere, Magnetbausteine und Metallbaukästen  aufzubringen, wird verboten.

Nur wenige Ausnahmen

Ausnahmen gelten nur für unzugängliche Spielzeugkomponenten mit elektronischen Funktionen, die sich aber sicher verplombt im Inneren der Spielgegenstände befinden müssen. Lose Teile wie bei Puzzles, kleinen Schwertern bei Actionfiguren und Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen müssen im Spielzustand fest verbunden mit dem Hauptspiel bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren.  Allergieauslösende Duftstoffe werden verboten, wenn Spielzeug für Kinder unter drei Jahren bestimmt ist und in den Mund genommen werden kann. Eltern sind verpflichtet, eventuell vorhandene Duftkerzen oder Spielzeug älterer Geschwister, das nicht unter das Duftstoffverbot fällt, eigenständig mit entsprechenden Warnhinweise zu versehen.

Ziel des umfangreichen Maßnahmenpakets, das die Mitgliedsstaaten nach dem Ende der laufenden Verhandlungen um die detaillierte Ausgestaltung nur noch umsetzen müssen, ist ein besserer Schutz der Kindergesundheit in Zeiten großer Unsicherheit. Die Regeln werden weltweit gelten, also auch für Online-Shops, Internet-Marktplätze und Händlerportale, die aus dem Ausland versuchen, zweifelhafte Ware in die Gemeinschaft einzuführen. 

Sicherheitsfreigabe für Puppe und Ball

Alle Anbieter müssen sicherstellen, dass sie nur europarechtskonformes Spielzeug anbieten – dazu ist ein unbürokratisches Verfahren angedacht, das es erlaubt, den vorgeschriebenen amtlichen QR-Code mit der Sicherheitsfreigabe für Puppe, Ball und Gummikrake binnen weniger Monate von der geplanten neuen EU-Spielzeugbehörde zu erhalten. Nötig ist dazu nur die Einreichung einer Testcharge des Artikels.

Nachdem die Einigung zwischen Parlament und Mitgliedstaaten steht, kann das alles jetzt ganz schnell gehen. Die beiden wichtigsten Gremien für die Spielzeugsicherheit müssen die Einigung nur formell annehmen. Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt tritt die Verordnung dann umgehend in Kraft. Händlern bleibt dann noch eine kurze Übergangsfrist von viereinhalb Jahren, um die neuen Anforderungen umzusetzen. Ab 2029 werden die Vorschriften dann verbindlich und die Hersteller können die zusätzlichen Belastungen auf der Kostenseite an ihre Kunden weitergeben.

Glück für die Kuh Elsa: Tolle Nebenwirkungen bei Corona-Spritze

Deutschland war von Anfang an gut vorbereitet. Durch die neu entdeckten Nebenwirkungen der Corona-Impfung würde das auch bei der nächsten weltweiten Pandemie gelten.

Das hätte auch komplett schiefgehen können! Aber Glück gehabt: Knapp drei Jahre nach der offiziellen Verkündung der Aufhebung der lebensrettenden Grundrechtsaufhebungen während der Pandemie können Forscher jubeln: Zwar zeigt die Corona-Impfung unerwartete, aber glücklicherweise durchgehend positive Nebenwirkungen. Geimpfte sind Untersuchungen zufolge auch viele Monate nach dem Erhalt des berühmten "Pieks" nachweislich fitter, immuner und besserer Stimmung als Impfverweigerer. Sie profitieren von einer Ankurbelung des körpereigenen Immunsystems, die noch über Jahre nach der Spritze anhält.

Das Glück der Tüchtigen

Ein unglaublicher Zufall, aber auch das Glück der Tüchtigen. Als die Pandemie grassierte und auch Menschen betraf, die nicht einmal bemerkten, dass sie sich mit dem neuartigen Lungenvirus infiziert hatten, musste alles ganz schnell gehen. Christian Bogdan von der Ständigen Impfkommission - dem unabhängigen Expertengremium, das je nach Wunsch der Bundesregierung Impfempfehlungen gab - schilderte, wie umsichtig die Corona-Impfstoffe seinerzeit trotz aller Eile geprüft wurde. Kein wichtiger Schritt sei übergangen worden, Zulassungsverfahren und  das Verfahren zur Empfehlung der Impfung hätten genau die gleichen Studien durchlaufen, die sonst üblich seien. 

Einzige Einschränkung: Wegen der Dringlichkeit, so Christian Bogdan, habe man sich "mehr beeilt" und deshalb "zeitnahe Sitzungsabstände" angesetzt. Durch diese kluge Strategie war die Impfung am Ende insgesamt so sicher wie immer.  Auch Nebenwirkungen waren nicht zu erwarten, jedenfalls keine, "die man nicht auch von anderen Impfungen kenne", schildert Christian Bogdan, warum sich die Impfkommission so sicher war, eine bedingte Zulassung befürworten zu können. 

Große Freude

Wie groß war die Freunde der Forscherinnen und Forscher jetzt, als Wissenschaftler der Universität Köln erstmals nachweisen konnten, dass es sich dabei zwar um einen Irrtum handelte. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe von Herstellern wie Moderna oder Biontech aber keineswegs die von Querdenkern und Impfgegnern immer wieder beschworenen schrecklichen Auswirkungen auf den menschlichen Metabolismus haben. Sondern ganz im Gegenteil "einen langfristigen Einfluss auf unsere Gesundheit" haben, wie die Kölner Experten in einer Studie im Fachmagazin "Molecular Systems Biology" darlegen.

Späte, aber tolle Nebenwirkungen

Nach den Daten, die die Alexander Simonis und Jan Rybniker ermitteln konnten, hat sich zwar der Verdacht bestätigt, dass das menschliche Immunsystem durch den Impfstoff umprogrammiert wurde. Doch das geschah in einem durchweg positivsten Sinn. "Die SARS-CoV-2-mRNA-Impfung induziert das angeborene Immungedächtnis durch die Etablierung persistenter epigenetischer Markierungen H3K27ac in aus menschlichen Monozyten stammenden Makrophagen", umschreiben die Forscher den Effekt. 
 
Mit solchen Wirkungen hatten bisher nicht einmal die kühnsten Träumer gerechnet, die davon ausgegangen waren, dass sich ein Impfstoff nicht über Wochen im Körper anreichern kann, sondern wird schnell wieder abgebaut wird, so dass Langzeitfolgen nicht schwer aufzuspüren sind, weil sie erst spät eintreten, sondern weil sie extrem selten vorkommen.
 

Gekommen, um zu bleiben

 
Nun aber sind das schnelle Verschwinden der mRNA-Botenstoffe aus dem Körper, die vermutlich langanhaltende Immunisierung, Eigenschutz und Fremdschutz und das Ausbleiben von Impfschäden sind nicht die einzigen Langzeiterfolge von Comirnaty und Co. Dazu kommt jetzt auch noch die Erkenntnis, das mRNA-Impfungen schützen nicht nur gegen Covid-19 schützen, sondern auch gegen andere Infektionen, gegen die die Vakzine ursprünglich gar nicht entwickelt worden waren.
.
Natürlich: das hätte leicht auch ins Auge gehen können. Während der Pandemie waren Milliarden Menschen mit den neuartigen mRNA-Impfstoffe versorgt worden, die in Testes während einer "verkürzten Frist" (NDR) gezeigt hatten, dass "sich unter Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern fast ausschließlich diejenigen Menschen infiziert haben, denen eine Scheinimpfung ohne Wirkstoff (Placebo) gespritzt wurde". Geimpfte waren sicher. Geimpften konnte das Virus nichts mehr anhaben. Die Impfung brachte um den kleinen Preis der Freiheit Einzelner die Freiheit aller zurück.
 

Impfung erste Bürgerpflicht

 
Über Monate hinweg propagierten die damals amtierenden Bundesregierungen deshalb immer wieder die Teilnahme an großangelegten Impfkampagnen als erste Bürgerpflicht. Impfverweigerer wurden als unsolidarisch, Impfskeptiker als Feinde der Wissenschaft bekämpft. 
 
Erst Stunden vor der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht schreckte die Politik angesichts drohender Langzeitschäden beim Vertrauen vor der allerletzten Konsequenz zurück und statt eine allgemeine Impfpflicht erfolgreichen Druckmitteln wie den bereits erprobten Betretungs- und Tätigkeitsverboten durchzusetzen, wurde der Versuch einer kollektiven Grundimmunisierung über amtliche angewiesene Grundrechtsaussetzungen abgesagt. 
 

Weitsichtige warnten früh


Weitsichtige Politiker wie der damalige Grünen-Chef Robert Habeck warnten früh. "Die Freiheitsforderungen von Wenigen dürfen nicht zu Einschränkungen für Viele führen", sagte Habeck. Die Bevölkerung habe das Virus satt, er plädiere dafür: "Bringen wir diese Pandemie endlich hinter uns". Und wenn dazu jeder zwangsgeimpft werden müsste, dann musste auch dieser Preis eben gezahlt werden.
 

Dramatisches Absinken

 
Wie so oft aber hörte niemand, auf die, die berufen waren, das Richtige zu tun. Die Impfquoten im Land blieben immer deutlich hinter den Erfordernissen und den Erwartungen der Regierenden zurück. Durch die politisch festgelegten Ablauffristen des Schutzstatus durch  §22a des Infektionsschutzgesetzes sank die Zahl der Immunisierten schon zwei Jahre nach Einführung der Impfstoffe dramatisch ab.
 
So schade, muss man heute sagen. Denn zwar liegen die Schrecken der Corona-Pandemie bereits so weit zurück, dass Corona, die Maßnahmen und gesellschaftliche Spaltung in Leugner und Pandemiegläubige in der öffentlichen Debatte keine Rolle mehr spielen. Doch jetzt zeigt sich: Die Impfung hat doch unerwartete, aber zum großen Entzücken aller durchweg positive Nachwirkungen. 
 

Geimpfte sind noch immuner

 
Nach den Erkenntnissen aus Köln kann der geimpfte Körper deutlich besser und schneller auf Infektionen reagieren – auch solche, die nicht auf Corona-Viren basieren. Je öfter geimpft worden sei, desto nachweisbarer hätten die Covid-19-Impfstoffe auf mRNA-Basis das menschliche Immunsystem langfristig angekurbelt. Das von Natur aus angeborene Immungedächtnis ermöglicht verstärkte Reaktionen auf Antigene durch lang anhaltende epigenetische Veränderungen, die durch die erste Exposition ausgelöst werden. 
 
Der Corona-Impfstoff aber habe das Immunsystem zudem "grundsätzlich optimiert". Der unspezifische Schutz vor Krankheitserreger, den die angeborene Abwehr bietet, wirkt gegen alle Krankheitserreger gleich. Die durch die Corona-Impfung zufällig hinzugewonnene adaptive Abwehr, die jetzt entdeckt wurde, verändert sich regelmäßig und passt sich so an neue Krankheitserreger an. Ersten Berichten zufolge, die das Phänomen beleuchten, ist das "zum Beispiel sinnvoll, da sich Krankheits-Viren wie bei der Grippe ständig abwandeln und dementsprechend anders bekämpft werden müssen". 

Überraschende Nebenwirkung

Die große Arbeit, die Forscherinnen und Forscher während der Corona-Pandemie leisteten, als sie weltweit in atemberaubendem Tempo dafür sorgten, dass die Menschheit schnellstmöglich mit Impfstoffen versorgt und so bestmöglich geschützt werden konnte, erweisen sich damit als nachhaltig effektiv. Nach der Analyse der Blutproben von geimpften Probanden stellte sich heraus, dass einige veränderte Proteine in der DNA die Aktivität der Gene gesteigert hatte. Bei den Testpersonen konnten sogenannte epigenetische Markierungen des Erbgutes beobachtet werden - eine überraschende, aber wohltuende Nebenwirkung.

Weil weiße Blutkörperchen dadurch schneller in sogenannte Markophage umgewandelt werden, die dafür zuständig sind, verschiedene Krankheitserreger zu erkennen und zu bekämpfen, kann das Immunsystem schneller auf drohende Infektionen reagieren. Den Forschern zufolge kann das aufgepimpte Immunsystem den Körper damit jetzt bestmöglich schützen: Den Wissenschaftlern zufolge sind die neuartigen mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 nicht nur in der Lage, die Immunantwort des adaptiven Immunsystems zu verbessern, sondern auch die Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems langfristig umzuprogrammieren.

Besser geht es nicht

Alexander Simonis, der Erstautor der Studie, nennt es "eine epigenetische Schulung des angeborenen Immunsystems", die eine verstärkte Immunantwort zu Folge habe. Auch sechs Monate nach der letzten Boosterung sei dieser Effekt noch nachweisbar. Das Immunsystem speichere die Änderung als Reaktion auf die Impfung ab und gebe sie auch an neue Zellen weiter. Diese bei der Entwicklung der Covid-Impfstoffe gar nicht beabsichtige Aktivierung des angeborenen Immunsystems bedeute, "dass die mRNA-Impfungen zumindest für eine gewisse Zeit auch vor anderen Viren und Bakterien schützen", erklärt Sebastian Theobald, ein weiterer Erstautoren der Studie. 

Ein wenig Essig aber gießen die Forscher doch in den Wein der tollen Nebenwirkung. Um sie zu erzielen, reiche eine einzige Impfung nicht aus. Erst eine Impfung plus mindestens ein Booster gelten als Minimum, um den Gesundheits-Effekt zu erzielen. Diese Verstärkung der Immunisierung hingegen  stabilisierte die epigenetische Modifikation dann nachhaltig. Diese Beobachtung unterstreiche die Notwendigkeit "mehrerer Impfungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Immunantwort" durch die langfristige Umprogrammierung der Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems, sagt Prof. Jan Rybniker, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Montag, 14. April 2025

Neuordnung der Meinungslandschaft: Strenge Regeln gegen Schwindel

Neuordnung der Meinungslandschaft: Strenge Regeln gegen Schwindel
Als "Meinung" getarnte gefälschte Tatsachenbehauptungen könnten künftig wie Betrug strafbar werden.

Zu viel Gegenwind für Höhenflüge. Zu viel Skepsis, Kritik und Gemaule. Bis in die staatsnahen Medien hat sich der Trend ausgebreitet, mit Gelöcke wider den Stachel populistisch auf den Applaus der Masse zu schielen, statt verantwortlich zu handeln und die Politik und deren notwendige Maßnahmen einfach noch besser zu erklären. Es war der von außen hineingetragene Streit um den richtigen Kurs auf einen strengeren, in Sachen Steuererhebung weniger freigiebigen und bei der Durchführung seines Grenzregime großzügigeren Staates, der die Ampelkoalition zu Fall brachte. Die Neuen in Berlin, beileibe nicht neu im Geschäft, haben daraus ihre Konsequenzen gezogen.

Die neue Morgenrockerlaubnis

Zentral im Koalitionsvertrag und während der Verhandlungen um das Fell des Bären auch kaum umstritten war eine umfassende Neuordnung der Meinungslandschaft. Angefangen von einer Bademantelpflicht, die in Zeile 1459 des Vertrages als "Morgenrockerlaubnis" auftaucht, beschäftigen sich mehrere Kapitel des Papiers mit der Einhegung von Grundrechten zum Ausbau des Schutzes der Meinungsfreiheit. 

Deren konstitutive Rolle und Bedeutung für die demokratischen Grundwerte betonen die drei künftigen Regierungsparteien ausdrücklich. "Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in unserer Verfassung als elementare Menschenrechte anerkannt", heißt es da unumwunden. Für die künftige Regierungskoalition sei "die Vielfalt der Meinungen und Ideen, ebenso wie ein kontinuierlicher intellektueller Dialog, sowohl in unseren Reihen als auch mit Anhängern abweichender Vorstellungen, unbedingt erforderlich". 

Nur so lasse "sich nämlich das ganze Potenzial unseres Volkes freilegen und fruchtbar nutzen. Ohne die kollektive Intelligenz und das kollektive Handeln von Millionen unserer Bürger, ohne ihren Ideenreichtum ist kein sozialer Fortschritt möglich."

Angriff aus Amerika

Das ändere jedoch nichts am Erfordernis, die von so vielen Seiten angegriffene Freiheit der Rede künftig noch besser zu hüten. Auslöser der neuen Bemühungen um eine geordnete Gesinnungsgemeinschaft sind die Ausfälle des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz.

 Der US-Politiker hatte sich in München angemaßt, den europäischen Verbündeten Vorwürfe dahingehend zu machen, dass der in Europa gepflegte kanalisierende Umgang mit free speech nicht dem entspreche, was amerikanische Soldaten vor 80 Jahren im Gepäck hatten, als sie nach Europa kamen. 

Mitten in der einstigen Hauptstadt der Bewegung stellte ein US-Amerikaner die Lernfähig der Deutschen infrage - ein Affront, der die Planungen der rot-schwarzen Koalition für die kommende Jahrzehnte nicht weniger prägt als der Rauswurf Volodymyr Selenskyjs aus dem Weißen Haus. Der hatte Friedrich Merz veranlasst, von seinem Null-Schulden-Versprechen abzurücken und stattdessen Kurs auf die höchste Neuverschuldung aller Zeiten zu nehmen. 

Anmaßende Erinnerung

Vance anmaßende Erinnerung, man müsse "mehr tun als über demokratische Werte zu reden", man müsse sie nämlich "leben", gilt einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge "radikalisierte Freiheit" . Aufsichtslos gelassen, tendiere der europäische und insbesondere der deutsche Mensch dazu, Auffassungen zu vertreten, die nicht hilfreich seien, um ein Land oder einen halben Kontinent durch die Fährnisse einer gefährlichen Zeit zu lenken.

CDU, CSU und SPD haben Vorsorge getroffen. Mit der Formulierung im Koalitionsvertrag, dass "die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt" sei, legen sich die drei Parteien noch nicht auf konkrete Maßnahmen gegen einen Wildwuchs in der Meinungslandschaft fest. Sie lassen sich aber alle Optionen offen, um streng gegen Meinungskriminelle vorzugehen. 

Vorbild Heimtückegesetz

Denkbar wäre auf der Grundlage der gemeinsamen Vereinbarung etwa eine Rückkehr zum  Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei. Das hatte noch bis in den September 1945 klare Grenzen für Verbreitung falscher Tatsachen gezogen: "Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen", hieß es da, "wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft." 

Boykotthetze und Staatsverleumdung 

Eine nützliche Regelung, die seinerzeit durch vorschnell den alliierten Kontrollrat aufgehoben worden war. In Art. 6 Abs. 2 der Verfassung der wenig später gegründeten DDR wurde stattdessen der Begriff der "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militärischer Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten", als Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches aufgenommen. 

Das erlaubte es dem fürsorgenden Staat, die Ausübung demokratischer Rechte jederzeit als "staatsfeindliche Hetze", "Staatsverleumdung" oder als Betätigung zu "Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit" zu betrafen.

schon Heiko Maas, der in seiner Zeit als Bundesjustizminister viele Pflöcke zum Abbau von Strafverfolgungshindernissen bei Meinungsverbrechen einschlug, hatte mit dem Meinungsfreiheitsdurchsetzungsgesetz (MFDG) versucht, Hetzer, Hasser und Zweifler mit schärferen Gesetzen zu bekämpfen und den Hass endgültig aus dem Netz zu verbannen. Täter*innen aber umgingen die Vorschriften zur Verfolgung von Verbalverbrechen, indem sie zu neuen Mitteln wie Witz, Hohn und Humor griffen.

Deckmantel der Satire

Die kommenden Koalitionäre haben noch keine Details dazu bekanntgegeben, wie sie gegen die Verbreitung von Staatskritik unter dem vor allem bei Rechtsextremen beliebten Deckmantel der Satire vorgehen wollen.

 Sicher aber ist, dass die Untersagung von "unwahren Tatsachenbehauptungen" ein zentraler Hebel sein soll: Wer etwa künftig behauptet, dies und das dürfe man nicht mehr sagen, wer Witze über Minderheiten macht, die gesellschaftliche Spaltung vertieft oder Ausländerhass schürt, kann sich nicht mher hinter seinen vermeintlichen verfassungsmäßigen Rechten verstecken.

In Fällen wie der gerade erst von der "Berliner Zeitung" verbreiteten Nachricht, der US-Konzern Apple haben wegen Donald Trumps Zollpolitik "600 Millionen Tonnen iPhones" in die USA einfliegen lassen, wird sanktioniert. 

Wenn der Verbreiter seine Meinung nicht mit Fakten belegen kann, würde die noch zu gründende staatsferne Medienaufsicht unmittelnbar eingreifen. Der Missbrauch der Meinungsfreiheit wäre durch einen tiefen, aber chirurgisch exakt gesetzten Löschauftrag für die gegen die Wahrheitspflicht verstoßenen Inhalte sofort zu stoppen.

Verwirrende Wirklichkeit

Wie aber sieht es mit Einschränkungsmöglichkeiten der Meinungsaufseher aus, wenn unterschiedliche Interpretationen der Wirklichkeit für Verwirrung sorgen? In den Durchführungsgesetzen zur Neuordnung der Meinungslandschaft, fordern Experten, müssten diesmal klare gesetzliche Vorgaben zur erkennungsdienstlichen  Behandlung von Informationsmanipulation, Hass und Hetze gemacht werden.

 So sei abschließend festzulegen, wie eine "bewusst falsche Tatsachenbehauptung" rechtssicher identifiziert werden könne, um sie von einer irrtümlich ohne Täuschungsabsicht verbreiteten sogenannten beweglichen Wahrheit zu unterscheiden.

Listen über zulässige Begriffe und erlaubte Ansichten gelten als Grundlage für einen sicheren Schutz der Meinungsfreiheit und ein strengeres Vorgehen gegen Desinformationen, die den gesellschaftlichen Frieden zerstören. Fake News manipulieren den öffentlichen Diskurs, Mythen, Märchen und frei erfundene Verschwörungstheorien können gesellschaftliche Radikalisierung befeuern und Gewalt auslösen.

 Die freie Rede einzuschränken, um dieses Risiko zu minimieren, ist ein kleiner Preis, den jede Gesellschaft gern zahlen wird, wenn sie sich weder vor noch nach der Wahl vor die Wahl gestellt sieht, weil die Parteigremien über die strenge Abgrenzung zwischen Meinung und falscher Behauptung hinter verschlossenen Türen entschieden haben.

Verfolgung von Verbalstraftaten

Aus den Erfordernissen der Strafverfolgung von Verbalstaten leitet der Gesetzgeber neue Notwendigkeiten auch bei der technischen Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ab. Neben der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nicht nur von Telefonnummern, sondern erstmals auch von IP-Adressen sollen automatisierte Kennzeichenlesesysteme zur Strafverfolgung genutzt werden. 

Der Ausbau der Videoüberwachung und das Niederreißen der Brandmauer zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehören gelten als Grundlagen für die Gewährleistung eines sicheren Meinungsumfeldes. Im Koalitionsvertrag hat die Erweiterung des geheimdienstlichen Datenaustauschs bei weniger intensiver Kontrolle deshalb Prioriät. 

Verpflichtende Überwachungsbereitschaft

Kombiniert mit der verpflichtenden digitalen Identität für jeden Bürger, die ergänzt wird durch ein verpflichtendes "Bürgerkonto", ergibt sich für Behörden erstmals die Möglichkeit, einen wirklich komplett gläsernen Bürger zu verwalten. Daten können nicht nur erfasst, sondern auch effizient gespeichert und ausgewertet werden.

Das mit dem Volkszählungsurteil im Dezember 1983 geschaffene "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" darf hinter dem Bedürfnis des Staatsapparates zur Schaffung von Gefährder-Datenbanken und einer vorbeugenden Überwachung von möglicherweise psychisch auffälligen Personen zurücktreten. 

Die zuletzt vor allem von den Rändern her übernutzte Meinungsfreiheit wird als Gefahr für die Grundrechte eingehegt und neu interpretiert: Die Wippe, auf der Staatsicherheit und Freiheit sich schon immer auf den beiden gegenüberliegenden Sitzen breit gemacht hatten, neigt sich deutlich - ein klares Zeichen an alle, die immer noch versucht sind, ihr Glück in Staatskritik zu suchen.

 

Alle auf Amerika: Werwolf mit Einkaufswagen

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Immer mehr Deutsche wollen US-Waren byokottieren, bis Donald Trump seinen Zollkrieg aufgibt.


Aus, vorbei, für immer. Diesmal haben es sich die Vereinigten Staaten wohl endgültig mit ihrem europäischen Mündel verscherzt. Donald Trumps "Angriffe auf den Welthandel" (Lars Klingbeil), die den früheren Grünenchef Joschka Fischer um die Weltordnung fürchten lässt, die er selbst als junger Straßenkämpfer hatte zerstören wollen, zwingen Deutschland zu einem Zweifrontenkrieg. 

Militärisch muss die Ukraine nun mit noch mehr Engagement unterstützt werden. Zugleich gilt es aber, eine Brandmauer samt Burggraben zum aggressiven Autoritarismus der Washingtoner Administration auf der anderen Seite des Atlantik zu errichten.  

Neue Kennzeichnungswelle

Seit dänische Supermärkte Trumps Abwerbeangebote an Grönland mit einer Markierung echter europäischer Waren im Stil der großen Kennzeichnungswelle für jüdische Waren beantwortet haben, um Verbraucher von der Teilnahme an der großen "Buy European"-Kampagne im Rahmen der EU-Initiative "Europe First" zu begeistern, boykottieren auch immer mehr Deutsche gezielt US-Produkte. Die verzichten auf Urlaubsreisen in die Vereinigten Staaten, greifen zum Döner statt zum Big Mac, kaufen Volla- und Nothing-Smartphones, suche mit "Quant" statt mit Google und trinken Mecca-Cola aus Frankreich statt Pepsi und Coke. Verzicht wird zur Waffe. Der Supermarktkunde zum Werwolf mit Einkaufswagen.

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Antiamerikanismus ist Antifaschismus.

Boykottaufrufe von Verbrauchern und Unternehmen gegen amerikanische Produkte sind 92 Jahre nach der letzten großen deutschen Boykottwelle Volkes Wille. Die Ablehnung von "Made in USA" gilt als Ausdruck des europäischen Wehrwillens.  

Um vom Kauf abzuschrecken, stellen Freiwillige US-Produkte im Supermarkt auf den Kopf. US-Marken werden links liegengelassen, amerikanische Internetseiten gemieden und aus Solidarität wird bei kaufland.de statt bei Amazon gekauft. Gemeinsinnsender wie der Bayrische Rundfunk erstellen derweil Listen mit europäischen Internetalternativen für Suchanfragen, E-Maildienste und Messenger. 

Die Macht der Masse

Amerika soll die Macht der europäischen Verbraucher zu spüren bekommen, bis Donald Trump klein beigibt. Wenn niemand mehr US-Produkte benutzt, keine iPhones mehr, keine Android-Software, keine Microsoft-Programme und keine sozialen Netzwerke außer Tiktok, weil 440 Millionen Nutzer im größten Binnenmarkt der Welt nur noch bei den eigenen Herstellern kaufe und nur alternative Dienste aus der EU benutzen, würden US-Konzerne Druck auf Trump machen und ihn veranlassen, seine im Moment nur aufgeschobenen Zollerhöhungen dauerhaft zurückzunehmen.

Der Protest begründet ein neues Zeitalter des Antiamerikanismus. Galt die Ablehnung der USA bisher zumindest im Westen Deutschland immer als regressiver Rückfall in die Zeit vor 90er Jahren, als Adolf Hitler das Land auch für seine Innovationen bewunderte, es aber zugleich als "Zentrale des Weltjudentums" hasste, wird verächtliche Ablehnung der ältesten Demokratie der Welt jetzt als schickes weltanschauliches Modeaccessoire

Alle gegen Amerika

Den Vereinigten Staaten nachzusagen, dass sie dabei seien, sich in eine faschistische Diktatur zu verwandeln, gehört in den Leitmedien zum guten Ton. Donald Trump als Menschheitsbedrohung in einem Atemzug mit Wladimir Putin zu nennen, ist Ehrensache. Die EU scheint sogar bereit, sich lieber mit der kommunistischen Diktatur in China ins Benehmen zu setzen, als das Angebot von US-Vizepräsidenten J.D. Vance anzunehmen, sich auf die ehemals geteilten grundlegenden Werte zu besinnen.

Die mediale Front gegen die jahrzehntelang genossene amerikanische Vormundschaft sprießt aus Wurzeln, die tief in deutscher Erde gründen. Zwar haben Deutsche die USA und die Blüten ihrer Kultur in den Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur angenommen, sondern verinnerlicht. 

Von Hollywood über Graceland bis zu Netflix, Rolling Stones und Levis-Jeans führt eine Linie ins deutsche Herz, das seiner romantischen Liebe für die früheren Indianer zwar nur noch als Verehrung für Natives und Indigene frönen darf. Zugleich aber eine junge Generation großzieht, die ihre enorme Welt- und Zukunftsangst am liebsten in einem denglischen Pidgin-Dialekt ausdrückt.

Verachtung für die Freiheitsschutzmacht

Die Verachtung, mit der viele Deutsche schon immer auf amerikanische Politik, amerikanische Kultur, die amerikanische Wild-West-Wirtschaft und die nach europäischen Maßstäben unzureichend normierte Gesellschaft schauten, muss sich erstmals seit den Tagen des Vietnam-Krieges nicht mehr verstecken. 

"Ami go home", ehemals eine Parole linker Extremisten, und der rechtsextreme Vorwurf des "Kulturimperialismus" legen in eins nun die Hände: Die Linke versucht, sich auf ihre einstige Radikalität zu besinnen. Die Rechte sieht sich bestätigt in ihrer Kritik, das Ziel aller amerikanischen Politik sei "die Vernichtung der kulturellen Eigenständigkeit eines Volkes" und seiner "völkischen Identität".

Ende einer Ära

Nach acht Jahrzehnten unter dem Schutz Amerikas wird man doch wieder sagen dürfen, dass man das Mutterland des mordenden Westens nicht mehr für eine Freiheitsmacht hält, sondern für dekadent, kulturlos, materialistisch oder aggressiv-imperialistisch. 

Trump ist nur das Symptom, seine Wähler sind die, die Europa verraten haben. Mit ihrer Entscheidung gegen Europas erklärte Favoritin Kamala Harris haben sie das Tischtuch zerschnitten, das Europa und Amerika so lange verband. Mit diesem Fehler müssen sie nun leben. 

Europa sieht in den Vereinigten Staaten das "Land der Bösen und Blöden" (Cicero). Endlich  darf jeder das "politisch heikle Gefühl" (Die Zeit) nach Herzenslust ausleben, ohne fürchten zu müssen, für seine Auffassung als Anhänger der Idee einer Überlegenheit der europäischen Vorstellung von unsere Demokratie und in Brüssel zentralisierter multistaatlicher Verwaltung verlacht zu werden. 

Fantasie der Eliten

Die Fantasie der europäischen Eliten, sie wüssten besser, was gut und richtig für Gesellschaft, Wirtschaft, Klima und Weltfrieden sei und der amerikanische Weltpolizist solle sich weiterhin darauf beschränken, die auf dem alten Kontinent produzierten Waren aufzukaufen und sich dafür mit militärischem Schutz zu revanchieren, ist zur Grundlage der kritischen Haltung gegenüber der Führungsmacht geworden. 

Es soll nicht einmal mehr verhandelt werden. Es gelte, "unabhängig von den USA" zu werden, heißt es in der linken Wochenschrift "Freitag", bei der EU-Kommission, bei der FDP, aber auch bei CDU, SPD, Linkspartei und in den Leitmedien von FAZ bis "Spiegel".

Der neue Antiamerikanismus, er trägt die modische Maske des Antifaschismus. Dieses Kostüm ist nach neun Jahren der beständigen Beschwörung von Donald Trump als neuem Hitler, Amerika als neuem Zugang im Lager der Autokratien und Reich des Bösen und der Erklärung von 77 Millionen US-Bürgerinnen und Bürgern zu "Faschisten" prächtiger denn je. 

Scheiten die Leitmedien in Erinnerung an ihre Gründung auf dem Acker Amerikas lange davor zurück, sich zum Teil einer Bewegung machen zu lassen, die den Bruch mit dem Verbündeten vorantreibt, sind es jetzt nur noch wenige Stimmen, die an der Feier der Abnabelung nicht mitprosten. 

Der Rest im Rausch

Der Rest ist im Rausch, auf der Suche nach einem neuen Selbstbewusstsein, das sich selbst als neue Weltmacht sehen will und die in Washington herrschenden Befürworter von Meinungsfreiheit, schlankem Staat und freier Wirtschaft erklärtermaßen ablehnt. 

Der USA wird - damit kennt sich Deutschland aus - ein "Blitzkrieg" vorgeworfen, "überfallartig" und mit "größenwahnsinnigen Ziele". Man selbst ist "besonnen" (Weser-Kurier) und bleibt "gelassen"

Pat und Patachon haben die Rollen sind vertauscht: der große Bruder jenseits des Atlantik ist nur noch ein kleines Licht. Europa Großmacht, zumindest in Gedanken. Den früheren Verbündeten schmerzhaft zu erwischen, etwa so, wie es der Links- und spätere Rechtsextremist Horst Mahler nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit seinem Satz "endlich sind sie mal im Herzen getroffen" verzückt gelobt hatte, ist das Ziel. 

Amerika soll fallen. Der Versuch, die Führungsmacht des Westens neu zu gründen, soll scheitern.

Geschwächter Westen

Er muss es, damit die Demokratien im alten Europa nicht Gefahr laufen, selbst unter Reformdruck zu geraten. Wie der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zeigt, langt die Kraft der Parteien der Mitte in Deutschland allenfalls noch zu einem durchparagrafierten Weiterso. In vielen Teilen der EU sieht es sogar noch schlimmer aus - Partnerstaaten sind schon abgefallen, bei anderen bestehen ernst Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit oder es wird schon überlegt, wie sie zum Besten der Gemeinschaft ausgeschaltet werden können. 

Der neue Antiamerikanismus funktioniert in diesem zusammenhang nicht nur wie der alte als Schreckgespenst, bevölkert von überdicken, dumpfen, schießwütigen und Anti-Demokraten, die die in ihrer Verfassung niedergelegten Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten fortwährend ignorieren. Sondern auch als gemeinsames Feindbeild, das nach innen verbindend wirkt. Den Mangel an eigenen Erfolgen auf irgendeinem Gebiet ersetzt eine demonstrative Amerikaskepsis. 

Leider nützlich

Seit die Vereinigten Staaten 1776  unabhängig wurden und als erstes und einziges Land der Welt die Verwirklichung der Ideale von Aufklärung, Demokratie und Liberalismus zum Staatsziel erklärten, halten Demokraten in Frankreich, Deutschland und Italien die USA für anmaßend und arrogant. Leider wurden sie immer gebracht, zum Schutz vor der Sowjetunion und dem Warschauer Park, als Weltpolizist, der in Krisengebieten für Ruhe sorgt, und nicht zuletzt auch als Lieferant von Technologie und Innovation.

Jetzt ist die Gelegenheit günstig, sich abzunabeln von einem Land, das bei allen Problemen und Mängeln zeigt, dass eine liberale, multikulturelle, multiethnische und pluralistische Gesellschaft funktionieren kann, ohne dass eine Überlast aus Vorgaben, Bürokratie und Reglementierungen jede Initiative erstickt. Einst galten die USA ihren Feinden als staatgewordenes Werkzeug des Judentums, später waren sie die von Blackrock und Goldman Sachs gelenkten Profiteure der Globalisierung und Kriegstreiber, unterwegs zur Weltherrschaft. 

Die aktuelle Erscheinungsform des Antiamerikanismus sieht sie nur zur Abwechslung als Globalisierungszerstörer und friedensbesoffene Kapitulanten.