Donnerstag, 30. Dezember 2010

Little Eden im Neubaublock

Hört sich so an, ist aber natürlich falsch. Wir waren nie" die Härtesten Samstagsnacht", also "the hardest saturday night", wie diverse Lyricseiten im Internet zitieren. Sondern immer nur "the heart of saturday night". Wo wir waren, war vorn, wo wir saßen, gab es noch was zu trinken, egal, wie lange Grateful Dead im "Rockpalast" schon autistisch vor sich hin gniedelten. Komisch dabei ist nur, dass eine Band aus dem amerikanischen New Jersey, angeführt von einem hitlerscheiteligen jungen Mann namens Brian Fallon, das auf den Punkt bringen muss: "We are the boys from Little Eden / We are the hardest Saturday nights / Drank from the fountains of the fireworks / Sweat and bone for a better life", klagen The Gaslight Anthem in einem ihrer schönsten Lieder, das "Blue Jeans & White T-Shirts" heißt, und die Endzeit der DDR völlig korrekt beschreibt.

White T-Shirts, die seinerzeit Nickis hießen, und Blue Jeans, die als "Boxer" in der Jugendmode zu kaufen waren, müssen im Nachhinein als Vorläufer von iPhone und iPad gelten: Statussymbole, die gleichbedeutend waren mit vollkommener Freiheit, mit dem Gefühl, alles erreicht zu haben, was überhaupt erreichbar ist im Leben. Ein Lied über die Ewigkeit, die Verherrlichung der Adoleszenz in drei Strophen. D-Moll, Bb und C. "We like our choruses sung together / We like our arms in our brothers' arms" heißt es weiter völlig korrekt, denn jeder Sänger mag es, wenn alle einstimmen und die ganze Kneipenrunde singt. Wie seinerzeit im "Schwager", einem rattigen Bootshaus mit von Borsig durchgetretenen Dielen. Amerika und New Jersey waren weit weg, Brian Fallon vermutlich nicht einmal geboren, "every girl we ever met" wurde "Katrin" oder "Mürze" genannt, obwohl wir doch - wie sagt der Amerikaner - "only love" - irgendeiner Anderens "heart" verfallen waren.

The Grateful Dead haben uns nie erreicht, doch wir haben zu jeder Amiga-Platte gesungen "with our heroes thirty-three rounds per minute" und nach Hause ging es "until the sun says we're finished". Die Sonne ging damals früher auf, im Westen ging sie unter. Es war egal, denn die Welt war ein Stück Land zwischen Lieblingskneipe und bestem Kumpel und wir wussten "I'll love you forever if I ever love at all". Hauptsache, wir hatten "wild hearts, blue jeans, & white t-shirts", ja, genau, "wild hearts, blue jeans, & white t-shirts".

Hatten wir oft nicht, weil die Jugendmode nicht mithielt mit dem Bedarf. Ein Vierteljahrhundert danach aber wissen wir nun endlich, wie nah die End-DDR den USA waren, die wir von fern und völlig grundlos vergötterten. Als wir die "Boxer" auszogen, begannen sie dort, von welchen zu träumen, als wir feststellten, dass "Virginia" doch eigentlich nur "Katrin" hieß, schrieben sie Hymnen auf sie. Little Eden bestand aus mal aus Neu-, mal aus Altbauten, im Fall von Fallon aus einer Eigenheimsiedlung. Little Eden besteht heute noch und Blue Jeans und white T-Shirts sehen auch bloß ein bisschen anders aus. Brian Fallon, der von einem Früher singt, das er nie erlebt hat, müsste Ehrenbürger der DDR werden. Wenn es die noch gäbe.

John Koch über The Gaslight Anthem, Memories of Blue Jeans and White T-Shirts and what happens to us after the first traces of heartbreak and disappointment set in

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

mary, rest in peace

https://www.youtube.com/watch?v=avYuRgNPFUY







bless you and your better side

Anonym hat gesagt…

https://www.youtube.com/watch?v=iYuZtv92lW4