Dienstag, 2. Juni 2020

Verschwörungstheorie: Die mysteriöse Allmacht des Attila Hildmann

The Brain hinter allen Aufwallungen gegen die Bundesregierung: Xavier Naidoo.

Auch während der Corona-Pandemie schlug wieder die Stunde der Verschwörungstheoretiker*innen. Überall schafften es zumeist rechte Verführer*innen, Mensch*innen, die selbst nie darauf gekommen wären, Zweifel an den notwendigen Maßnahmen der Regierung zu hegen, mit wirren Theorien von Überwachungsapps, Impfpflichten und Ausgangssperren auf die Seite von Hetze, Hass und Zweifel zu ziehen. In der Folge stieg die rassistische Hasskriminalität an, es könnte nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA sogar zu Terroranschlägen kommen. Die demokratische Presse musste zuletzt große Teile ihrer Kraft dafür einsetzen, über aktuelle Erkennungsmöglichkeiten für coronafeindliche Verschwörungstheorien zu informieren.

Umbenannt in "Verschwörungsmythen"


Denn klar ist: Nicht alle Verschwörungstheorien - amtlich seit einem Beschluss des Bundeskabinetts inzwischen "Verschwörungsmythen" genannt - klingen plausibel. Viele scheinen unzusammenhängend, wie Stückwerk, aus Grimms Märchenbuch zusammengestückelt und mit Zitaten aus Science-Fiction-Filmen angereichert. Dennoch gelang es dem Koch Attila Hildmann, dem Schlagersänger Xavier Naidoo, dem Moderator Ken Jebsen und einem mit ihnen verbündeten Netzwerk aus Internetseiten, Deutschland zumindest für einige Wochen in einen Taumel zu versetzen. Vor einem Millionenpublikum warnten hochbezahlte Kommentationsfachkräfte vor einem Abrutschen Deutschlands in die dunkelsten Abgründe der Geschichte, Verfassungsschützer waren alarmiert, denn womöglich würden sich die Strippenzieher aus Westberlin und Mannheim mit ausländischen Leugnerkreisen verbünden und den Sieg des Verfassungsstaates über das Virus zunichte machen.

Tageweise galt als ausgemacht, dass der Koch Hildmann, der Musikant Naidoo und eine Handvoll weiterer Protestorganisatoren den Schlüssel zur Machtübernahme in ihren Händen hielten. Um das Zehnfache überstiegen Warnungen vor dem zerstörerischen Wirken der Anführer der Verschwörungstheorieszene zeitweise die Zahl der Mahnungen vor einem Abbruch und später einer Fortsetzung des Spielbetriebes in der Fußball-Bundesliga.

Unklar blieb dabei allerdings, wie es den zentralen Figuren der Verführungsszene immer wieder gelingt, ganz normale und vollkommen unvorbelastete Menschen zum Teil sogar aus der bürgerlichen Mitte und dem digitalisierten Bionadeadel mit ihren Parolen zu impfen, so dass sie anschließend willfährig Hassbotschaften auf Facebook teilen, YouTube-Videos verbreiten, die vor finsteren Hintergedanken der Regierung warnen und die Messenger-App Telegram installieren, um Gruppen beizutreten, in denen ständig neue Mythen zum Coronavirus in die Welt geschleudert werden.

Medien stehen vor einem Rätsel


Medien stehen hier vor einem Rätsel. Naidoo hat bei Youtube 300.000 Abonnenten, Hildmann 100.000. Das entspricht kombiniert der Reichweite der weitgehend unbekannten Fernsehserie "Orville", dient aber als Grundlage dafür, die Anführer der verschwörungsmystischen Szene für fähig zu halten, die Demokratie auszuhebeln, die Regierung zu stürzen und Deutschland in eine Impfgegnerdiktatur zu verwandeln.

Das Muster ist bekannt. So hatte es der russische Machthaber Wladimir Putin nach Angaben deutscher Leitmedien geschafft, mit wenigen hunderttausend Tweets von russischen Fake-Accounts und ein paar tausend Schmiergelddollar für willige Handlanger in Mazedonien eine amerikanische Präsidentschaftswahl so zu seinen Gunsten zu beeinflussen, dass der Neue im Weißen Haus sich mit immer neuen Sanktionen bedankt.

Putin reichten 0,000018 Prozent der während dreier Jahre insgesamt abgesetzten 547 Milliarden Tweets, um deutsche Medien zu einer Vielzahl an erschütterten und entsetzten Schlagzeilen über das Vorgehen von Propaganda- oder Troll-Accounts zu veranlassen. Nur so wurde bekannt, dass 3.841 deutsche Accounts deutsche Nutzer im Vorfeld der letzten Bundestagswahl mit Falschnachrichten und weitergeleiteten Meldungen aus deutschen Lokalzeitungen verwirrt hatten und so zu großer Verunsicherung beitrugen.

Die Verursacher machten 0.00027 Prozent aller angemeldeten Nutzer und  0.00069 Prozent aller aktiv bei Twitter schreibenden Accounts aus, Hildmann, Naidoo, Jebsen und ihre Helfershelfer repräsentieren eine sogar noch weit größere Gefahr. Bis zu 0,036 Prozent der Bevölkerung folgte ihnen auf dem Höhepunkt der Proteste - das ist ein ganzes, volles Fußballstadion, zumindest in Rostock.

Erklärungen dafür, wie es ihnen mit dieser Menschenmenge hinter sich gelingen wird, Deutschlands durchaus ansprechende Entwicklung hin zu einer Demokratie zu stoppen, wenn nicht jeder sich strikt von ihnen fernhält, kursieren in den klassischen Medien in großer Zahl. Hinter den Protesten stecke Russland, heißt es etwa. Auch Donald Trump wird verantwortlich gemacht, denn der US-Präsident verfolge einen Geheimplan, um der gesamten Menschheit zu schaden, damit einige wenige superreiche und mit ihm befreundete Manager, Spekulanten und Golfspieler unendlich reich werden. Großer Einfluss wird auch der AfD zugebilligt, die keine Lösungen für die Corona-Krise zu bieten hat, innerlich zerrissen und gespalten ist und geschickt jede Chance nutzt, durch die vielmalige Teilnahme an Talkshows Hetze, Hass und Zweifel im Land zu verbreiten.

Die Allmacht des Attila Hildmann


An Belegen für die Allmacht von Hildmann, Naidoo und Co. herrscht kein Mangel. Der Erfolg der Verschwörungsideolog:innen spricht allein schon eine klare Sprache. So gelang es dem Verganverschwörer Hildmann, seine mediale Bedeutung in den zurückliegenden acht Wochen zu Verachtundachtzigfachen (sic!). Auch der skandalerprobte Naidoo schaffte es auf ein neues Alltimehigh bei der Beeinflussungsbedeutung.

Das Ergebnis gilt in der Medienszene als Beweis für die Behauptung, dass es ohne die Anführer und Aufwiegler im Hintergrund überhaupt niemanden in Deutschland geben würde, der sich regierungskritisch äußert oder im tiefsten Inneren nicht fest überzeugt wäre, dass sowohl die späten ersten Reaktionen der Bundesregierung auf Corona als auch die zuvor unterlassene Vorbereitung wie auch das drastischen Herunterfahren des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft jeweils genau richtig, angemessen und zum besten Zeitpunkt erfolgten.

Als ausgemacht und unwiderlegbar gilt, dass es einem normalen Menschen, der nicht von Verschwörungstheoretiker_innen verführt und auf falsche Gedanken gebracht wurde, absolut unmöglich ist, etwa durch eigenes Nachdenken, den Vergleich von aktuellen News und das Anschauen von Sendungen im Regierungs-TV auf fragwürdige Ideen wie die zu kommen, dass Masken zugleich nützlich und unnütz sind und Bill Gates offenbar gleichermaßen Gönner und Gegenstand von Kritik sein kann.
 

Die Mutter aller Verschwörungstheorien



Dass Millionen Menschen solche Behauptungen dennoch glauben, scheint "geradezu lachhaft" (DW). Doch die Pandemie wird eben begleitet von einer „Infodemie“, wie die Weltgesundheitsorganisation es nannte. Ohne Belege verbreitete Mythen wie der von der Allmacht des Vegankochs Hildmann oder der von der Unterwanderung der Gesellschaft durch Facebook-Einträge in Gruppen, die ein paar hundert oder ein paar tausend Mitglieder zählen, sind nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit, sondern auch für den medialen Frieden im Land.

Doch wer überzeugt ist, dass ein "Meldesystem" für Falschnachrichten Menschen daran hindert, in einer Krise voll ungewisser Entwicklungen nach Antworten zu suchen und dabei zuweilen auf Fake News hereinfallen, täuscht sich: Die Mutter aller Verschwörungstheorie von allen ist die, die behauptet, dass Verschwörungstheorien in irgendeiner Weise von Belang sind.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Die Glocke" von Friedrich von Schiller erzählt das sich in regelmäßigen Abständen immer wieder entwickelnde Drama in wunderbaren Versen. Sollten sich die "Kronen-Brandstifter" mal zu Gemüte führen.

"Gefährlich ist's den Leu zu wecken,
verderblich ist des Tigers Zahn,
jedoch der schrecklichste der Schrecken,
das ist der Mensch in seinem Wahn."

Und das Schlimme ist, daß niemand die Strippenzieher der Corona-Hysterie im Hintergrund ergreifen kann oder auch nur will. Denn nirgendwo kann man so viel Geld verdienen, wie mit einem Krieg, hilfsweise auch Bürgerkrieg. "The show must go on." Koste es, was es wolle! Denn bezahlen muß am Ende immer der "Kleine Mann mit seiner Kleinen Frau".

Elli



......

Anonym hat gesagt…

Man stelle sich vor, die hätten jetzt noch ein halbes Dutzend Luftgewehre oder Softair-"Waffen" gehabt. Nicht auszudenken!

Anonym hat gesagt…

Von mir aus kann Naidoo auftreten solange er dabei nicht singt.

Das Land

ppq hat gesagt…

mit naidu das sehe ich ebenso. und bezahlen muss das keiner, stand gerade im "Freitag" beim augstein

Jodel hat gesagt…

Das einzig Gute an der Berichterstattung über den Attila ist, das sich damit der Veganismus in Deutschland auch erledigt hat. Freiwillig hat sich das, außer Redakteur*innen*x von Damenzeitschriften, wohl noch nie jemand angetan. Dank Attila hat das jetzt auch einen Geschmack von Aluhut bekommen. Wer von den megahippen Berufsjugendlichen will schon im gleichen Club sein wie diese Verschwörungsfritzen. Nicht das man den Fluss der Staatsknete eventuell noch riskiert oder noch schlimmer "Out" ist.
Jetzt muss das Fleisch nur noch so teuer gemacht werden, dass sich die Proleten das nicht mehr leisten können. Dann kann man im Prenzlauer Berg endlich wieder den Grill mit gerechter Kokoskohle aus Bangladesch anheizen und das Filet vom Wollhuhn aus Timbuktu auflegen ohne sich vor den Nachbarn schämen zu müssen. Danke Attila

Anonym hat gesagt…

Ach, der Xavier Naidu sollte sich nicht so über Kunstbanausen grämen. Bei den Galliern mußte der Barde Troubadix beim Siegesgelage immer auf dem Baum mitfeiern. "Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden", reimte schon Wilhelm Busch und das war garantiert nicht diskriminierend gemeint.
Elli

Anonym hat gesagt…

>> Freiwillig hat sich das, außer Redakteur*innen*x von Damenzeitschriften, wohl noch nie jemand angetan. <<

Das ist leicht irrtümlich - es ist schon recht verbreitet. Vor ein paar Jahren kam mir eine so Außerirdische von der Vega unter, mit einer Hautfarbe zwischen Magerquark und Albino-Axolotl, also schon beginnend durchsichtig, sowie mit funikulärer Myelose (etwas ähnelnd der Multiplen Sklerose, nur anderer Ursache), welche eigentlich nur von hartgesotten Sprittis bekannt ist, welche sich nur noch von eitel Schnaps ernähren (So, wie Odin in der Edda nur vom Wein ...) - Einsicht? Fehlanzeige. Eingetitscht war sie.
Oder vor wenigen Monden wollte mich so ein Hieferchen zur Grasfresserei bekehren.

Halbgott in Weiß

P.S. Ich habe Zweifel, daß die Veradolfung, äh, -teufelung Attilas dem Wahn der Grasfresserei Abbruch tun wird, schön wäre es ja.