Dienstag, 28. April 2020

Corona-App: Vom Platzen des europäischen Tracing-Traums

Der symbolischen bundesweiten Maskenpflicht könnte noch in diesem Jahr eine hilfreiche Corona-Tracing-App beiseitespringen. Womöglich ist es Weihnachten schon soweit.

Es sollte der große Wurf werden, das Zauberkunststück, dass eine Rückkehr zum normalen Leben trotz Ansteckungsgefahr möglich macht, dass die Wirtschaft wieder brummen und das Klima wieder leiden lässt, ohne dass Politikern im Nachhinein der Vorwurf hätte gemacht werden können, dass sie zu leichtfertig oder gar "forsch" (Angela Merkel) an die vielzitierten "Lockerungen" (Merkel) bei der Suspendierung der Grundrechte vorgegangen seien. Eine einfach App, auf jedes Handy im Lande gespielt, am liebsten mit einer gesetzlichen Nutzungsverpflichtung - und schon, so hatten sie es sich in den Ministerien und Redaktionsstuben ausgedacht, würden die Behörden immer wissen, wer mit wie viel Viruslast wo unterwegs ist, wen er ansteckt und wen der wiederum.

Hightech gegen die Durchseuchung


Hightech nicht nur im Kampf gegen die Durchseuchung, die eines Tages sowieso kommen muss,sondern auch gegen die rechten und linken Trolle, die die Situation in den letzten Wochen genutzt haben, mit kruden Thesen und ausgedruckten Bändchen des früher geltenden Grundgesetzes mobil zu machen gegen die notwendige Notwirtschaft. Fieberhaft arbeiteten die Besten Ingenieure, Denker und Virologen, die Epidemologen und Finanzer der Kreditanstalt für Wiederaufbau an der kleinen, feinen Applikation für Android und Apple, die dem Tenor aller Talkrunden zufolge geeignet schien, Impfstoff, Masken und Medikamente, Händewaschen, Anstandhalten und mutmachende Fernsehansprachen der Kanzlerin gleichermaßen zu ersetzen.

Die Corona-App würde warnen und überwachen, Kontaktketten bürgerrechtskonform speichern und Infektionsketten europaweit einheitlich verfolgbar gestalten. Ein scharfes Schwert im Seuchenkampf, das die binnen weniger Wochen zusammengebrochenen freiheitlichen Gesellschaften des Abendlandes kurzerhand wieder in die Lage versetzen würde, ihre klimaschädliche Lebensart von vor Corona wiederaufzunehmen.

Die ersten Probleme schienen noch leicht zu bewältigen. In unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten gab es unerwarteterweise - eine Art europäische Premiere war das! - unterschiedliche Vorstellungen, was die neue Corona-Überwachungsapp können sollte, wie tief sie ins Privatleben schauen dürfe und vor allem auch, wer sie programmieren müsste. Keine Schwierigkeit freilich, die sich nicht in der  Zeitspanne von 14 Tagen, die für die Findung europäischer Lösungen als üblich gilt, hätte lösen lassen.


Europaweite Lösung vom Tisch


Doch kaum schimmerte eine minimale Wahrscheinlichkeit am Horizont auf, dass ein "europaweiter Start soll schon bald erfolgen" (DPA) könnte, was mit Volksfesten überall auf dem Kontinent hätte gefeiert werden sollen, entpuppte sich  die Sache als sehr viel europäischer, als relativ schwierig einfach so zu vollenden. Was Anfang April noch ein "gut durchdachtes Projekt" war, das "kurz vor dem Launch" (DPA) stand, ist einen Monat später ein Corona-Leiche, die von keiner Statistik mitgezählt wird. Statt einer europäischen App war schon kurz nach der gezielten Verbreitung wolkiger Versprechen  nur noch von "europäischen Standards" (EU-Kommission) die Rede.

An das "Ende der Osterferien", das den Start der europäischen App hatte bringen sollen, erinnerten sich schon nur noch die Älteren, als Australien seine Corona-Warn-App einführte. Aber das ist eben eine der Stärken der vor Jahren schon mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Gemeinschaft: Sobald sich einer der hochfliegenden Pläne, die von den Visionsmaschinen in Brüssel produziert werden wie anderswo Brötchen, Nägel und Socken, in Luft auflöst, wird einfach nicht mehr darüber geredet. Und man kann sich immer darauf verlassen, dass aus den angeschlossenen Funkhäusern und Schreibmaschinengewehrstellungen auch sicher keinerlei Nachfrage kommt.


Germany first!


Deutschland war im Moment des stillen Sterbens der europäischen App-Träume schon auf den beinharten nationalistischen Kurs eingeschwenkt, auf den sich auch alle anderen EU-Partnerländer begeben hatten. Eine App nur für Deutsche sollte es nun sein, entwickelt von deutschen Forschern an den tollsten deutschen Denkfabriken. Der Zeitplan war dazu entzerrt und an den des Aufbaus des Berliner Hauptstadtflughafens angepasst worden: Statt "kurz nach den Osterferien" (DPA) oder "Ende April" SZ) verschiebt sich der Start nun in einem ersten Schritt auf Ende Mai. Und statt einer zentralen Speicherung werde es nun irgendwann eine Lösung mit dezentraler geben, so Gesundheitsminister Jens Spahn.

Die Bundesregierung, die Flüge aus dem Ausland nach Deutschland auch nach den ersten Horrorszenen aus Italien noch lange nicht gestoppt und eine Maskenpflicht erst durchgesetzt hatte, als die Wirtschaft schon komplett gestoppt worden war, bleibt damit ihren Pandemie-Kurs treu, alle notwendigen Maßnahmen mit einem über Jahrzehnte krisenfrei herangewachsenem Staatswesen eigenen Raschheit voranzutreiben, die nie den Eindruck, über das Tempo hinauszugehen, mit dem sich eine gewöhnliche Wanderdüne bei Windstille  fortbewegt. Es wird soweit sein, wenn es soweit ist, Ende Mai vielleicht, dann aber nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit einer App, die sich bei der Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten allerhöchster Akzeptanz erfreuen wird.

Dank der kurzfristigen Entscheidung der Bundesregierung für herausragende Datensicherheit und einen Datenschutz, der Deutschland Tracing-App Daten dezentral nur auf den Mobilgeräten der Nutzer speichern lasse, ist nun coronaappkalendarisch wieder Anfang April, die seitdem favorisierte App-Variante mit zentraler Speicherung auf einem bundeseigenen Server vom Tisch und der über die App seit Wochen geführte Streit hat Pause. Der seit kurzem nach langen Diskussionen geltenden symbolischen bundesweiten Maskenpflicht könnte so tatsächlich noch in diesem Jahr eine hilfreiche Corona-Tracing-App beiseitespringen. Womöglich ist es sogar Weihnachten schon soweit - überall könnte dann .


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jeder weiß, dass das ohne 100e Studien, über mehrere Jahre bei guten Bekannten beauftragt, niemals funktionieren kann.
Wenn die Medien den Politkaspern glauben und ihre Phantastereien als Fakten unters Volk bringen, dann werden sie natürlich auch schön die Klappe halten wenn sonst keiner weiter nachfragt.


OT
"Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen"

Wolfgang Schäuble 2020

Wenn der Schutz der Würde den Schutz des Lebens nicht einschließt, und alle Medien 'Hurra' brüllen, dann scheiß auf die Würde und die Medien.

P.S. 'die Würde des Menschen' im GG ist undefiniertes, undefinierbares Wort-Larifari und wäre historisch am ehesten mit 'vergase keine Leute in KZs' zu übersetzen. Schäuble hat die Wertlosigkeit des Begriffes bewiesen.

ppq hat gesagt…

das problem mit dem text im GG ist doch schon die formulierung. "die würde des menschen ist unantastbar" stimmt ja einfach nicht, denn sie ist sehr wohl antastbar, wie der augenschein jeden tag beweist. nichts wird, medienberichten zufolge, überhaupt so oft angetastet wie die menschenwürde.

die väter (und mütter) des GG haben in anbetracht dieser umstände absichtlich wolkig formuliert, was ihnen als ideal vorschwebte. ernstgemeint wäre gewesen, zu schreiben "die würde des menschen darf nicht angetastet werden, wer es tut, dem wird nach maßgabe der strafgesetze heimgeleuchtet".

aber das wäre wohl ein wenig zu viel des gutgemeinten gewesen

Anonym hat gesagt…

Eine Tracing App, deren Projektnamen Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing-System (kurz: PEPP-PT) oder Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing Protocol (kurz DP3T) lauten, kann doch nicht erfolgreich sein.
Hier wurde versäumt einen passenden Namen zu finden.
Leser des bürgerschaftlich engagierten Kleinkunstportals PPQ wissen welche Behörde hier helfen kann.

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-regional-politik-und-wirtschaft/jetzt-doch-berliner-senat-will-maskenpflicht-beim-einkaufen-70309580.bild.html

Jetzt doch! - Berliner Senat will Maskenpflicht beim Einkaufen

In Berlin gilt jetzt in Bussen und Bahnen Maskenpflicht. Der Oben-ohne-Einkauf ist aber weiter erlaubt. Noch!
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Ich wußte bisher gar nciht, daß man in Berlin obne ohne einkaufen darf. Weiß jemand, wo ich mir die Tracing-App für die Damen mit oben ohne beim Einkaufen runterladen kann? Ich meine, wenn jemand das weiß, soll er die Adresse gleich mitteilen.

ppq hat gesagt…

wir müssen dabei immer beachten, dass europa nun wahrlich nicht der kontinent ist, auf dem etwas wie "apps" erfunden wurde oder werden wird. das sind asiatische und amerikanische fehlbildungen, denen es gilt, durch hinhaltenden widerstand den garaus zu machen.

deshalb wohl auch die namenswahl ohne hilfe der zuständigen behörde. allein die hälfte der bürgerseienden kann sich eine fast vokallose fügung wie pepp-pt nicht bis in die suchzeile des appshops merken. das ist dann vorsorge auf höchstem bundesdatenschutzniveau, weil missbrauch einfach verunmöglicht wird, wie jeder beliebige berliner fachdarsteller bestätigen würden, lüde man ihn zu anne maischberger ein

Anonym hat gesagt…

Bei der Entwicklung von Apps greift das Führerprinzip. Es braucht einen, der die Richtung hat und alle in den Arsch tritt und Spinner ohne Diskussion entsorgt. Das lernt man in keinem Coaching, weil jeder, bei dem es nur zum Coach reicht, dafür zu dumm ist. Damit ist die EU raus. Und auf zehntausend, die so etwas zur gleichen Zeit versuchen, gibt es einen Zuckerberg, gibt es einen Bezos (Markt+Zufall).