Freitag, 11. Juli 2025

Nichtstudieren in Westdeutschland: Abschreckende Wirkung

Studierendenzahl, Rückgang, Hochschulen NRW, Wintersemester 2023/24, MINT-Fächer, Universitäten, Studienbedingungen
Nur auf kleinen Netzplattformen wird der Trend betrauert, die großen Adressen dagegen gefallen sich in Schweigen, unterbrochen von gelegentlichen Klischeeübungen.

Die Zahlen der Studenten sinken bundesweit, besonders MINT-Fächer verlieren an Attraktivität. Hohe Mieten, politische Unsicherheiten und ein schlechter Ruf westdeutscher Regionen könnten junge Menschen abschrecken. Doch wo sind die Talente hin? Weder Universitäten noch Handwerk melden Zuwachs. Die Politik ignoriert das Problem, während die Bildungsnation so tut, als benötige sie keinen Nachwuchs mehr. Ein alarmierender Trend mit unklarer Ursache. Und stummen Zeugen.

Im besseren Teil des Vaterlandes  

Es ist der bessere Teil des Vaterlandes, hier wird die saubere Version der Muttersprache gesprochen und es gibt kaum national befreite Zonen, in denen Björn Höcke regiert und Alexander Gauland fastnackt baden geht. Der Westen hat viele beliebte Unis, aber nicht nur aus dem Westen selbst, sondern überhaupt wollen dort immer weniger Menschen studieren. Die alte Aufforderung "Dann geh doch rüber!" zieht nicht mehr, denn auch der Osten klagt über rückläufige Studentenzahlen. 

Woran liegt das? Wo sind sie denn alle hin? Im Handwerk und der Industrie jedenfalls nicht, auch dort klagen Unternehmen über einen wachsenden Mangel an ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Neueinsteigern. Zudem war es das süße Studentenleben, das in den zurückliegenden Jahren alle Konkurrenzangebote ausgestochen hatte. Wer etwas werden will, das zeigen die Biografien nahezu sämtlicher mächtigen Anführer, die Deutschland derzeit lenken, der macht sein Abitur. Danach wird Politikwissenschaften studiert, VWL oder BWL oder irgendwas. Und sich anschließend über zwei, drei Jahre als Gehilfe eines Abgeordneten in den Bundestag hochgedient.

Ohne bürgerlichen Broterwerb 

Wenig später sind viele schon Minister, Parteivorsitzender oder zumindest Staatssekretär, ohne jemals mit den Schwierigkeiten und Belastungen eines bürgerlichen Broterwerbs konfrontiert worden zu sein. Aussichten, die Millionen von der Notwendigkeit eines Hochschulstudiums überzeugten. Es musste keines mit Abschluss sein. Es reichte, später erwähnen zu können, man habe studiert. 

Doch offenbar ist die Magie verflogen. Der Vorplatz der Goethe-Universität Frankfurt am Main ist heute an manchen Tagen fast menschenleer, auf der Straße vor der Ruhr-Universität in Bochum verlieren sich ein paar Passanten im grauen Sommermorgen,. Selbst Schloss Hohenheim, Sitz der gleichnamigen kleine, aber feinen Uni in Stuttgart, wirkt verlassen. Studenten? Studierende? Fehlanzeige.

Alle Hoch- und Fachschulen leiden unter dem gleichen Problem: Die Nachfrage geht zurück, die Zeiten der Rekordzahlen an sogenannten "Studierenden" sind vorüber. Die kleine Uni Hohenheim zählt heute 300 Studentinnen und Studenten weniger als in ihren besten Tagen. Im großen Frankfurt am Main ist die Zahl um fast 5.000 geschrumpft. Der Ruhr-Uni, einem anderen Giganten unter den größten Universitäten Deutschlands, sind heute noch 37.000 Studierende geblieben. Ein kläglicher Rest der ehemals 43.000 jungen Frauen und Männer, die der Wissensdurst in den Pott getrieben hatte.

Mühsame MINT-Fächer 

Dass sie allein mit dem Professor im Hörsaal sitzen, erleben derzeit noch nicht viele Studenten. Doch in den sogenannten MINT-Fächern kommt es vor. Vorn steht dann ein Professor, er schreibt Formeln und Beweise an die Tafel, ganz exklusiv für einen Wissbegierigen, der sich vorgenommen hat, Mathematik, Physik oder ein ähnlich herausforderndes Fach zu studieren. Die Anzahl der jungen Leute, die sich das antun wollen, geht seit Jahren zurück. Vor allem Ingenieure, Bergbauexperten und Maschinenbauer, Verfahrens- und Elektrotechniker werden künftig kaum mehr gebraucht werden, weil die KI nach den Vorgaben der EU-Kommission viele Aufgaben übernehmen wird. 

Ein Hobby für Freaks, wie es in Studierendenkreise heißt. Wichtig sei schließlich nicht, was man studiere, sondern dass man studiere. Arbeitgebern gerade im gefragten öffentlichen Dienst reiche ein beliebiger Studienabschluss als Nachweis von Bildungsfähigkeit und Bereitschaft zur Einordnung in ein gewachsenes System. Fachliche Bildung sei nicht hinderlich, aber keineswegs Bedingung, außer in sensiblen Bereichen wie dem Diskriminierungs-, Beauftragten- und Opferwesen. 

Lieber etwas Leichtes 

Gern wird deshalb studiert, aber lieber etwas Leichtes. Da der erstbeste Abschluss häufig reicht, um den Absprung in eine Behörde zu schaffen,  steigt zwar die Zahl an Erstsemestern, Nordrhein-Westfalen aber beklagte zuletzt über alle seine beliebten Universitäten mit ihren ausgezeichneten Studienbedingungen den "stärksten Rückgang der Studierendenzahl seit fast 20 Jahren". Ein Rückgang 4,4 Prozent ließ die Zahl der Studentinnen und Studenten an den Hochschulen in NRW von 742.506 auf nur noch 710.019 schrumpfen. Der Rückgang um mehr als 30.000 Menschen entspricht einer Kleinstadt wie Gladbeck, Kerpen oder Rheine.

Wie kommt es, dass hier immer weniger Menschen studieren – und auch andernorts im Westen die Zahl der Studierenden sinkt? Der erste Verdacht ist natürlich die Lage. Nordrhein-Westfalen, Hessen, auch Rheinland-Pfalz und Niedersachen - sie alle gelten als wenig spannend für junge Menschen, langweilige, satte Regionen mit hohen Mieten und einem hohen Anteil an Zuwanderern, oft regiert von Parteien, die seit Jahrzehnten an der Macht sind und dafür verantwortlich, dass "dieses Land kaputtgespart worden ist", wie SPD-Chef Lars Klingbeil die Bilanz der so lange Zeit regierenden Parteien kritisch auf einen Punkt gebracht hat.

Das gelobte Land der gefegten Gehwege 

Die alten Bundesländern, über viele Jahre nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger in den neueren das gelobte Land der gefegten Gehwege, gepflegten geschotterten Vorgärten und gebratenen Tauben haben heute politisch einen sehr schlechten Ruf. Im Osten ist die AfD Volkspartei, doch die größten  Zugewinne feierte sie einer Analyse der angesehenen Antonio-Amadou-Stiftung zufolge zuletzt im Westen. "Die stärksten Sprünge macht die AfD in den Bundesländern, in denen sie bislang am schwächsten war", prangerte eine Studie die "alarmierende Normalisierung rechtsextremer Ideologien" in Gebieten an, die durch die Amerikaner, Briten und Franzosen vor mehr als 80 Jahren demokratisiert worden waren.

Es sind abschreckende Zahlen, vor allem für junge Leute. In Nord-Westdeutschland, insbesondere in Niedersachsen sprang das Ergebnis der vor Wochen vorübergehend insgesamt als "gesichert rechtsextremistisch gegolten habenden Partei von 6,1 Prozent auf 17,8, in Schleswig-Holstein, dem Heimatland des geachteten und beliebten grünen Klimawirtschaftsministers, stieg der Stimmenanteil von 6,5 auf 16,3. "Im Vergleich zu 2021 hat die AfD in Niedersachsen und Schleswig-Holstein  ihre Ergebnisse mehr als verdoppelt", warnen der Amadou-Forschenden, die zudem auf einen erschreckenden Fakt verweisen: Bis zu 33 Prozent der Wählenden hätten schon darüber nachgedacht, die AfD zu wählen

Abgeschreckte Student*innen 

Das schreckt dann doch viele Studenten und Student*innen in spe einfach ab. Die sagen sich: Wieso sollte ich irgendwo studieren, wenn dort jeder Dritte ein potenzieller Nazi ist? Auch die Angst spielt eine Rolle, nach dem Verlassen der Kleinstadt oder des Dorfes, in dem viele immer noch aufgewachsen sind, mit neuen und gerade im Westen verbreiteten Gewaltphänomenen konfrontiert zu werden. "Tatsächlich scheint es so zu sein, als hätten die politischen Ereignisse der vergangenen Jahre eine abschreckende Wirkung auf Studierende", schreibt die angesehene Wochenzeitschrift "Die Zeit" in einem aktuellen Lagebild.

Das widmet sich vordergründig der Angst westdeutsch gelesener junger Menschen, in die von Höcke, Gauland, Wagenknecht und Weidel kulturell dominierten Ostgebiete zu ziehen, verrät dabei aber auch, wie der Westen leidet. Während im Osten der Anteil westdeutscher Studierender sinkt, sinkt die Zahl der Studierenden insgesamt, auch im Westen. Die Abiturienten, die davor zurückschrecken, im Osten zu studieren, weil sie marodierende Nazibanden und asylfeindlichen Proteste fürchten, studieren bundesweiten Zahlen zufolge auch nicht im Westen.

Die Zahlen sinken bundesweit 

Der Effekt ist in Statistiken für ganz Deutschland zu sehen: Die Studierendenzahlen sinken, im demokratiepraktisch prekären Osten laut beklagt, im gefestigt demokratischen Westen eher achselzuckend beschwiegen. Niemand weiß, woran es liegt. Niemand weiß, wo all die hoffnungsvollen Talente bleiben. An den Universitäten und Hochschulen kommen sie nicht mehr an, doch auch auf die Lehrbetriebe weichen sie nicht aus. 

Deutschlands Bevölkerung wächst, die wirklich geburtenschwachen  Jahrgänge, die später einmal alle Schulden abtragen sollen, kommen erste noch. Jetzt schon aber wird dünn, wo die Bildungsnation ihre einzigen Rohstoffe fördern müsste. Die Politik, die genau weiß, worum es geht, ignoriert das Problem. Die Medien, sonst immer hellwach, wenn es gravierende Missstände aufzudecken gilt, schweigen fleißig mit.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bei uns in Bayern sind die fehlenden Studenten in der Schule. Wiedereinführung des G9.

Die Anmerkung hat gesagt…

Weil er nicht Musik studieren durfte.

Der traurigste Kleine Trompeter aller Zeiten.

https://x.com/MarcherReborn/status/1942653428326633839

Anonym hat gesagt…

Komme aus dem Siechenhaus doheme, kann Phoenix nich schnell genug wegzappen, was beleidigt mein Auge? "Professor" Volker Kronenberg, wedelt mit den Wichsflossen wie der Reb in der Schul', und schneidet, Weisheit und Durchblick vortäuschend, wichtigtuerische Grimassen. Und so ein ausgemergelter Hustenstorch - hat doch dann im Steinbruch gar nichts zuzusetzen.