Mittwoch, 14. Oktober 2020

Am Corona-Graben: Im Westen nichts Neues

Berlin, vereint im Namen, getrennt in den Farben.

Berlin als Krisengebiet, Essen, Köln, Dortmund, das Ruhrgebiet, Hessen, Bayern sowieso. Ein halbes Jahr Ankunft der Corona-Seuche in Deutschland ist alles wie im Frühjahr, als die Zahlen in den erfahrenen Bundesländern kerzengerade in die Höhe schossen, während sie in den weitgehend von menschlichem Leben entleerten Gebieten des deutschen Ostens müde am Boden kleben blieben. 

Hier und da ein Hotspot, da und dort ein spontaner Ausbruch in einem Fleischhof, einem Pflegeheim oder einer kollektiven Wohneinrichtung. Mehr brachte das Beitrittsgebiet in seinem 30. Jahr nicht zustande. Und das wiederholt sich nun.

Eine Landkarte von Berlin, die die Sieben-Tage-Inzidenz der Pandemieverbreitung in der Hauptstadt Berlin zeigt (oben), wirkt, als würde die Mauer noch stehen. Zwischen 46 und 130 pegeln die Stadtbezirke des alten Westberlin. Zwischen 22,1 und 29,8 die der Bezirke der ehemaligen Hauptstadt der DDR. 

Ein scharfer Graben, der nur im Zentrum zugeschüttet scheint, wo Wedding und Tiergarten aus dem alten Westberlin mit Mitte aus dem alten Osten seit knapp 20 Jahren eine gemeinsame Verwaltungseinheit bilden. Die fällt aus dem Raster, das das große Bild bestimmt: Ignorierte die Ex-DDR schon aktuelle Trends wie Großhochzeiten, Partypeople und Kosovo-Urlaub, wirkt es jetzt, als finde der alarmierende Teil der vielbeschworenen "zweiten Welle" (Lauterbach) derzeit ausschließlich dort statt, wo der gemeine Ostdeutsche als trottliger Nazinarr gilt, dem noch viel besser und nachdrücklicher erklärt werden muss, wie dankbar er für die Errettung der Seinen vor dem Elend des Kommunismus durch eine entschlossene Phalanx aus Michail Gorbatschow und der deutschen Linken sein sollte. 

Der Corona-Graben, der sich unübersehbar mitten durchs Land zieht und ähnlich trennt, was zusammengehört, wie einst die Fallout-Karten nach Tschernobyl, bleibt medial unerwähnt wie so vieles, was zur Wahrheit über die Pandemie gehört. Doch auch das gehört eben längst zum gewohnten Bild der Pandemie: Störende Einzelheiten und Details, die "Teile der Bevölkerung irritieren könnten" (Thomas de Maiziere), bleiben vorsichtshalber unausgesprochen. Entscheidungen fallen aufgrund des verfügbaren Restes an Informationen.

Ein Beherbergungsverbot da, eine Maskenpflicht für Spaziergänger dort, Listen für Kneipenbesucher, Bußgelder oder Demonstrationsverbote. Der Föderalismus ist abwechselnd Fluch und Segen, 16 Bundesländer haben 666 Coronaregeln, die so kompatibel sind wie die deutsche, die französische und die italienische Corona-Warn-App, drei europäische Hightech-Entwicklungen, die wie ein Mahnmal dafür stehen, dass es an Köchen in der EU nicht fehlt, der Brei aber nur selten satt macht. 

Die neue Einigkeit besteht darin, dass jeder seins macht, in Europa und in den Bundesländern sowieso. Auch im siebten Corona-Monat, nach Berliner Regierungsrechnung, gilt es als vollkommen normal, dass die Gesundheitsämter im Land am Wochenende keine Zahlen melden. Es ist Gewöhnung angesichts eines Zustandes eingetreten, in dem Medien wie gebannt auf Infiziertenzahlen starren und sich jeden Tag neu zu wundern scheinen, dass die offenbar wirklich nur steigen können. Obwohl man doch seit Monaten jeden Tag mehrfach warnt! 

Dass der durchschnittliche Westdeutsche, von Haus aus unverdächtig jeder Symphatie für Pegida, AfD und seuchenleugnende Linke, sich in der Stunde der Not und angesichts der größten Herausforderung "seit dem Zweiten Weltkrieg" (Angela Merkel) als Mensch herausstellt, der unbelehrbar an seinen Großhochzeiten, Partynächten und illegalen Autorennen festhält, muss jeden Fachmann erstaunen, der Bildung und noch mehr Bildung für das probate Rezept gegen den Staatsunmut im Osten gehalten hatte. 

Dort, wo der Regierung mittlerweile kaum noch weiter getraut wird als der greise Honecker seinen Hut hätte werfen können, sind die Bürgerinnen und Bürger folgsam. Auf der anderen Seite des Corona-Grabens aber bedrohen das Gift der egoistischen Verweigerung und eine mangelnde Kenntnis der Möglichkeit, höchste Freiheit durch Einsicht in die Notwendigkeit zu erlangen, "alles bisher Erreichte" (Merkel). Man muss gegensteuern, die Menschen bei der Hand nehmen, noch besser erklären, was nicht zu erklären ist, um um einen Lockdown zu verhindern, verhindern, dass alle wild durcheinanderlaufen.

Der Staat weiß nicht was, aber er weiß wie. Im Westen also nichts Neues.


4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Eine Landkarte von Berlin, die die Sieben-Tage-Inzidenz der Pandemieverbreitung

Nix da Pandemie. Es handelt sich maximal um visualisierten Zahlenfetischismus auf dem Niveau der Tagesschau.

Als Marzahner könnte ich mich mit 21 völlig entspannt aus dem Fenster lehnen. Geht aber nicht, denn wenn von den 21 etwa 7 infizierte sind und ich auf eine dieser Virenschleudern treffe, bin ich auch infiziert. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, aber leider gegeben.

Aussagekräftig wäre diese Karte nur, wenn da abzulesen wäre, wieviele Bürger auf welchen Krankheitslevel in ärztlicher Behandlung sind.

Wieviel Erbmaterial sie bei tests gefunden haben, ist ohne jede Bedeutung. Nein, es ist ja doch von Bedeutung. Auf der Grundlage dieser Zahl hitlern sie sich durch den Tag.

Wir haben es also eher mit einer Hitlerpandemie in Regierungskreisen zu tun.

ppq hat gesagt…

natürlich. aber da die infektionszahl von anfang an das - fragwürdige - maß für die einschätzung der seuchenlage war, ist es nun eben dieser wert, aus dem alle widersprüchlichen und unlogischen "maßnahmen" abgeleitet werden.

familie kroos saß gestern mit maske und abstand in einem leeren 50.000-mann-stadion.

unten an der seitenlinie umarmte und herzte der deutsche trainer seinen aus der schwer getroffenen schweiz angereisten kollegen.

vorbildlich im sinne trumps, nicht kirre machen lassen, solidarität zeigen.

Gerry hat gesagt…

Die beiden oberen Bemerkungen zeigen schlaglichtartig, dass Corona keine medizinische, sondern eine politische Angelegenheit ist.

Die Anmerkung hat gesagt…

Horst Lüning macht alles noch viel schlimmer

Polumkehr - droht die Apokalypse? Nimmt sie schon ihren Lauf? Erdmagnetfeld, Südatlantische Anomalie

https://www.youtube.com/watch?v=uOdicjJ_KGQ
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Wenn die jetzt BER aufmachen und ich gen Teneriffa düse möchte, so an die 3.500 km, dann komm ich nach der Polumkehr mitten in Sibirien raus. Das ist schlimmer als Corona in Marzahn aussitzen.