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| Begraben wurde Heinz Rühmann als nationales Heiligtum. Jetzt wurde der Schauspieler ausgegraben, noch einmal besichtigt und der Verehrung für nicht würdig befunden. |
Sein Tod war eine nationale Tragödie. Heinz Rühmann war tot, der deutsche Nationalschauspieler, der mit Filmen wie "Die Drei von der Tankstelle" bis "Die Ente klingelt um ½ 8" die Herzen von Millionen erobert hatte. Rühmann, geboren in Essen, verkörperte auch die Janusköpfigkeit seines Heimatlandes. Sein Aufstieg begann schon vor dem Adolf Hitlers. Er setzte sich unter Hitler fort. Und er endete keineswegs mit dessen Ende.
Beerdigung eines Heiligtums
Niemand musste dem Hans Pfeiffer aus der "Feuerzangenbowle" etwas verzeihen, weil er noch knapp vor Kriegsende zur Erheiterung des Tätervolkes beigetragen hatte. Rühmann, ein guter Bekannter von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels und häufig zu Gast in dessen Haus am Bogensee in der Nähe von Berlin, pausierte nur zwei Jahre, ehe er als "Der Herr vom andern Stern" auf die Leinwand zurückkehrte. Schnell war auch der Erfolg wieder da. Zeitangepasst spielte Heinz Rühmann jetzt ernstere Rollen. Doch hauptsächlich sorgte er weiter für gute Unterhaltung trotz schlechtem Gewissen.
Einer wie alle. Einer für alle. Viereinhalb Jahrzehnte waren Star und Publikum eins. "Wir werden das Kind schon schaukeln", rief Rühmann, der in "Der brave Soldat Schwejk" zeigte, dass sich am Ende der durchsetzt, der sich am besten durch die Fährnisse seiner Zeit schlängelt. Als der Mime starb, es war natürlich an einem 3. Oktober, dem vierten erst, der als Tag der Einheit gefeiert wurde, dimmte die staatsamtliche "Tagesschau" das Studiolicht.
Deutschlands einst "beliebtester Schauspieler"
"Heinz Rühmann gestorben", lautete die traurige Mitteilung, nachdem die Nachricht eingegangen war. "Mehr als sechs Jahrzehnte stand Deutschlands bekanntester und wohl auch beliebtester Schauspieler auf der Bühne", las Dagmar Berghoff vor. Der Schauspieler habe "in über 100 Filmen ein Millionenpublikum beeindruckt". Zwei Minuten und 19 Sekunden Sendezeit widmet die Nachrichtensendung dem nationalen Verlust. Im Rückblick auf Rühmanns Leben laufen allerlei Filmausschnitte noch einmal über die Mattscheibe, denn es gilt "die vielseitige Karriere des großen Charakterdarstellers" (Tagesschau) zu beleuchten.
Seine einfache Art habe ihn für jedermann zur Identifikationsfigur gemacht, hieß es im liebevoll gemachten Lebensrückblick. Der zeigt Ausschnitte aus frühen Filmen Rühmanns, springt dann unverhofft in die Nachkriegszeit und abgesehen von der Nennung des 1941 gedrehten Kinoerfolges "Quax, der Bruchpilot" könnte Heinz Rühmann während der Jahre der Hitlerdiktatur auch "In weiter Ferne, so nah!" gelebt haben, Titel des Wim-Wenders-Films, mit der seine aktive Filmlaufbahn im Jahr zuvor beendet hatte.
Der Liebling der Nation
Da war einer gegangen, um den es schade war. Ein Liebling der Nation, ein sympathischer Kerl, der nach Kriegsende zum Glück doch nicht von den Sowjets gekapert worden, war, um im Osten eine sozialistische Filmwirtschaft mit humanistischer Botschaft aufzubauen. Rühmann, das war Konsens, hatte vielleicht nicht alles richtig gemacht im Leben. Aber auch nichts falsch.
Ein Irrtum, wie inzwischen bekannt geworden ist. Im Zug der Neuordnung der Erinnerungslandschaft hat auch die deutsche Filmwirtschaft Experten verpflichtet, die dunklen Ecken ihrer Vergangenheit auszuleuchten. Vor allem sollte das Münchner Institut für Zeitgeschichte die NS-Vergangenheit der bekanntesten deutschen Kino-Stars durchleuchten. Genügen die auch heutigen Ansprüchen an außerberufliche Unfehlbarkeit? Haben sie sich jederzeit und weit genug entfernt gehalten von der Versuchung, in einem System moralisch sauber zu bleiben, hinter dem eine überwältigende Mehrheit der Deutschen mit großer Begeisterung stand?
Unternehmen Geschichtsrevision
Der Abstand zum Tag, an dem mit Rühmann "der größte deutsche Schauspieler" (Tagesschau) starb, war mit 30 Jahren groß genug, um eine Geschichtsrevision vorzunehmen. Heinz Rühmann, der Lausbub und Fernsehliebling, fiel wie 13 bekannte Kulturschaffende als "NS-belastet" oder "NS-konform" durch den frisch polierte moralischen Rost der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO).
Rühmann bekam seine "Ehrenmedaille" aberkannt, ebenso wie Fassbinder Produzent Ludwig Waldleitner, Hitler Lieblingsfotografen Leni Riefenstahl und die russlanddeutsche Emigrantin Olga Tschechowa. Sie SPIO kann das, denn sie ist nicht rechtsidentisch mit der gleichnamigen Vorläuferorganisation, die 1923 in Berlin gegründet wurde und ihren jüdischen Vorsitzenden Erich Pommer, Regisseur des Welterfolges "Metropolis", sofort nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten fallen ließ.
Der rausgeworfene Jude
Dass die Organisation nun denn "ihre" Vergangenheit aufarbeitet, wie der mit der Aufgabe betraute Historiker Bernhard Gotto sein Gutachten überschreibt, gehört zu jener Art deutscher Rätsel, die wohl nie gelöst werden können. Der Fall Erich Pommer kommt im Zuge der "Korrektur historischer Fehlentscheidungen" (Gutachten) nicht vor. Dafür aber kommen auch die "beiden Nicht-Parteimitglieder" Rühmann und Tschechowa nicht schadlos aus dem Gerichtssaal: "Ebenfalls systemloyal" hätten die beiden Filmstars agiert. "Sie genossen die materiellen
Privilegien und die Wertschätzung von NS-Potentaten wie Hitler, Goebbels und Goering."
Niemand würde sich heute so verhalten. Kein Kulturschaffender sucht im Deutschland der Jetztzeit die Nähe der Macht, ihren Schutz, ihre Hilfe und Protektion. Studienleiter Bernhard Gotto, als heute 52-Jähriger noch eine Art Zeitgenosse von Rühmann, bricht den Stab mit Stil über dem so lange für verehrungswürdig gehaltenen Schauspieler. Rühmann sei kein Nazi gewesen. Auch lasse sich für ihn "keine materielle NS-Belastung" erkennen.
Neue moralische Maßstäbe
Doch die moralischen Maßstäbe einer Generation, die in auf ihrem ganzen geruhsamen Lebensweg aus der Augsburger Mittelstandsfamilie in die Münchner Professur 30 Jahre später nie vor der Wahl zwischen zwei Übeln stand, sind scharf genug gewetzt, um nachholend Widerstand auch gegen "weitere Kategorien" von Schuldigen leisten zu können.
Die sind etwa als "NS-Konforme" erfasst, das heißt als "Personen, die während der NS-Diktatur
ihre Systemloyalität durch den Beitritt in die NSDAP, der SA oder der SS zum Ausdruck
brachten, ohne dabei ein Amt oder eine Funktion darin auszuüben". Rühmann hatte das eine nicht und auch nicht das andere getan. Aber, so hat das Femegericht in München entschieden: "Außerdem fallen Personen darunter, die ein besonders hohes Ansehen als Filmstars genossen und daher eine
privilegierte Position in der NS-Unterhaltungsindustrie einnahmen."
Symbolisch die Maske vom Gesicht
Leider ist Rühmann tot. Leider lässt sich ihm die Maske nur noch symbolisch vom Gesicht reißen. Da sich ihm das Dutzend "Bambis", all die Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband, der Silberner Chaplin-Stock des Verbandes Deutscher Filmkritiker, die Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München, der Magdeburger Otto für das Gesamtwerk, die Goldenen Kameras und Goldenen Leinwände, die Silbermedaille des New York Filmfestivals und der Ernst-Lubitsch-Preis Ernennung so wenig wegnehmen lassen wie die Ernennung zum "Staatsschauspieler" anlässlich des 50. Geburtstages von Adolf Hitler, lautet das Urteil auf posthume Entziehung der Verbandsehrenmedaille der SPIO.
Für Rühmann ein harter Schlag. Der einst gefeierte Star wird zum Gesellenstück einer neuen Geschichtsbetrachtung, die die Vorstellungen der heute lebenden Generation bei der Bewertung früher lebender Menschen als absolut setzt. Es wird nicht mehr nur erinnert und gemahnt. Es wird benotet, als hätte der Täter seine Tat nicht unter ganz anderen Bedingungen geplant und durchgeführt.
Die totalitären Enkel
Dass Rühmann in einer Diktatur lebte, die ihre Gegner nicht mit dem Entzug von Ehrenmedaille zu bestrafen pflegte, sondern mit dem Verlust des Lebens, hindert die unter weitaus glücklicheren Bedingungen aufgewachsenen Enkel und Urenkel nicht daran, rückwirkend zu erwarten, dass sich auch unter den Lebensumständen in der Nazi-Diktatur jeder so hätte verhalten müssen, wie sie es im Land von Einigkeit und Recht und Freiheit heute tun.
Kein Kungeln mit der Macht. Kein Heranwanzen an die, die einem die Arbeit ermöglichen oder einen zerstören können. Natürlich würde jedes Vorstandsmitglied des Filmwirtschaftsverbandes einem Reichspropagandaminister heute seinen Protest ins Gesicht schmettern, wenn ein Drehbuch nicht seinen demokratischen Grundwerten entspräche. Natürlich würde auch Forschungsleiter Gotto selbst um den Preis des Verlustes seiner Professur nicht einen Finger rühren, beauftragte ihn ein diktatorisches Regime, unter den aktiven Fernsehschaffenden "demokratiekonforme" auszusieben.
Rühmanns Schuld und Schuldigkeit
Rühmanns Schuld besteht darin, dass er nicht die Haltung zeigen wollte, die heute jedermann zeigen würde: Koste es, was es wolle, das Richtige zu tun. Im Unterschied zu damals täte es heute jeder. Das ist die Lehre der Geschichte, die der Entzug der "Ehrenmedaille" an Rühmann unterstreicht. Schon das Beispiel DDR hatte gezeigt, dass Künstlerinnen und Künstler nach dem Ende des Dritten Reiches nicht bereit waren, sich sofort als Lautsprecher des nächsten Totalitarismus zu betätigen. Lieber gingen sie ins Gefängnis, als Kompromisse zu machen - eine Haltung, die an den Tag zu legen noch heute Vertragsbestandteil für jeden "Tatort"-Kommissar, Talkshow-Gastgeber und ZDF-Clown ist.
Keiner der aktuellen Fernsehlieblinge würde nur wegen des drohenden Verlustes von Privilegien, Einkommen oder Freiheit einknicken wie Heinz Rühmann. Die "Kaltschnäuzigkeit", mit der die jetzt verurteilten Mimen und Filmschaffenden trotz der damals herrschenden Diktatur an ihrem gewerbe festhielten, zeige ein "bestürzendes Gesamtbild", hat Berhard Gotto seine Erkenntnisse zusammengefasst.
Die Besserwisser
Früher lebende Menschen hatten offenbar versucht, mit den Verhältnissen klarzukommen. Später lebende Mitschuldioge prämierten das mit Preisen, Orden und Ehrenmedaillen. Erst heute hat eine Generation das Ruder übernommen, die die dabei gemnachten historischen Fehler nicht nur korrigieren, sondern rückwirkend Strafen aussprechen kann, um die Vergangenheit zu säubern und sich selbst auf der richtigen Seite der Geschichte zu platzieren.
Rühmanns Verdammung ist ein Signal. Jeder, der den Mimen gut fand, steht nun unter Verdacht, es mit der vrioschriftsmäßigen Haltung nicht genau genug zu nehmen. 80 Jahre nach dem Fall des Hitlerregimes ist es demokratische Pflicht, sich über die zu erheben, die in der Situation waren, sich unterzurordnen oder gegen ein Regime zu rebellieren, das keinen Zweifel daran ließ, dass es jeden Widerstand mit Gewalt vernichten würde.


1 Kommentar:
Fortschrittliche Kräfte hatten schon früher auf seine Rolle in 'Quax in Afrika' hingewiesen, dessen Wiki-Eintrag witziger ist als erwartet.
Eine Quelle:
Die Szenen in Afrika, die wurden in Brandenburg gedreht, wo es eher öd war. Und dort hat man dann aus dem botanischen Garten ein paar Palmen aufgestellt. Ja und die Schwarzen, die kamen von überall her, ich weiß gar nicht, wo die alle herverpflichtet wurden. Die sächsischen Schwarzen, die sprachen natürlich ein besonders schönes Sächsisch.
https://de.wikipedia.org/wiki/Quax_in_Afrika
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