Freitag, 13. November 2009

Wahl ohne Qual

Früher wurde bei Wahlen gewählt. Ehe es nicht zu Ende war, wusste niemand, wer gewonnen hatte: Konnte sein, der Favorit, konnte sein, der Herausforderer. Demokratische Wahlen unterschieden sich von Wahlen zum Freundschaftspionierrat auch dadurch, dass nicht im Block abgestimmt wurde - jeder, der antrat, musste ganz allein druchs Feuer hinüber in seinen neuen Posten, es gab manchmal Gegenkandidaten, die das verhindern wollten, manchmal gelang denen sogar eine Überraschung und sie setzten sich durch.

Das aber ist lange her und längst nicht mehr gängige Praxis in den Parteien, die sich demokratisch nennen, im Zweifelsfall aber eine einheitliche Außenwirkung für wichtiger halten als jede Binnendemokratie. Nicht nur bei der in Blockabstimmungen traditionell starken SED-PDS-Linke fehlt es bei "Wahlen" zu Parteiämtern gewohnheitsmäßig an Wettbewerbern für die hinter verschlossenen Türen gekürten Kandidaten. Auch bei der CDU, der FDP und der SPD sieht es nicht anders aus: "Wahlen" sind so sehr Wahlen wie die Stimmensammlungen zur DDR-Volkskammer "Wahlen" waren - wer gewinnt, steht stets vorher fest, spannend ist einzig und allein, mit wieviel Stimmen der zu Wähelnde am Ende durchs Ziel geht.

Bei Sigmar Gabriel entscheiden sich diesmal 472 von 501 Delegierten für den Vorschlag des Politbüros: Mit 94,2 Prozent der Stimmen wird der dicke Dampfplauderer Parteivorsitzender. Angela Merkel war letztes Jahr in ihrer Partei mit 95,9 Prozent nicht viel besser, aber auch Egon Krenz hat in seinem letzten Job als DDR-Wahlleiter nur 97,62 Prozent Ja-Stimmen für die Kandidaten der Nationalen Front organisieren können. Sigmar Gabriel will nun dorthin gehen, wo es stinkt, weil dort das Leben brodele. Die SPD, in der bis zur vollzogegen Kürung des neuen 1. Sekretärs alles ganz wunderbar klar war, schwebt nun im Ungewissen. Woher wird sich Gabriel das nächste Mal melden: Reeperbahn? Indische Slums? Schanghai? Die Favelas von Rio?

3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das Foto kenn ich. Da saß ich als Vertreter der Pionierdelegation im linken Block ca. 6-8 Reihe von vorne auf der rechten Gangseite und habe Bauklötzer gestaunt, weil die Delegierten ein ausgesprochen lukratives Schreibset (Markant?) geschenkt (!) bekommen haben.

Zu späteren Zeiten gab es noch viel lukrativere Dinge, z.B. Automatikuhren aus Glashütte.

Seitdem wollte ich da auch immer hin, habe allerdings vergessen, mich den Mühen der Ebene zu unterziehen.

Jetzt hab ich einen Füller von Pelikan und die Glashütter Automatik aus der Türkei. So ungerecht geht es im Leben manchmal zu.

Die Anmerkung hat gesagt…

Fällt mir noch etwas ein. Das Studienabbrecherleidorgan titelte

Gabriel schickt die Genossen raus ins echte Leben

Das wird wohl so werden, denn er selber macht sich die Finger nicht schmutzig. Der focus, was ist das eigentlich für 'ne Zeitung?, liegt da wohl meilenweit neben der Wahrheit. Wir werden Gabriel also nicht auf den Müllhalden Rios thronen sehen.

Jede Wette.

Anonym hat gesagt…

Heute war Freitag der 13. für die SPD.