Montag, 23. Mai 2011

Benzinpreis: Zu hoch, wenn er niedrig ist

Zweieinhalb Jahre intensiver Forschungen der Preisbewegungen an jeweils 100 Tankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München, 200 Seiten Papier und schon ist die Erkenntnis unter den Menschen: In Deutschland gibt es fünf große Mineralölkonzerne, die Tankstellen betreiben. Keiner von ihnen legt seine Benzinpreis mit dem Würfelbecher fest. Sondern jeder Tankstellenpächter guckt, was die Konkurrenz rundherum macht. Und verkauft sein Benzin dann zu einem etwa ähnlichen Preis.

Für diese Erkenntnis braucht es in Deutschland nicht gesunden Menschenverstand, sondern eine Bundeskartellbehörde. Die hat jetzt aufgedeckt, dass die großen Mineralölkonzerne gar nicht, wie von Anhängern der sozialistischen Planwirtschaft stets vermutet, in geheimen Kungelrunden zusammensitzen und die Preisbewegungen langfristig miteinander absprechen müssen. Sondern dass es reicht, Preise abzugucken.

Ein Schlag ins Kontor aller Verschwörungstheoretiker. Doch die Kartellwächter trösten: Die Benzinpreise in Deutschland seien trotzdem "höher als sie sein müssten". Schuld daran sei ein "marktbeherrschendes Oligopol" aus den fünf großen Konzernen Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total, die zusammen auf einen Marktanteil von rund 70 Prozent kommen. Damit bestätigt sich festes Wissen eines großen Teils der Bevölkerung, dem vorher schon gelegentlich aufgefallen war, dass es nur fünf große Ketten gibt. Es bestätigt sich aber auch eine Theorie der Kartellwächter: "Wir haben schon seit Längerem die Arbeitshypothese eines Oligopols", sagt Kartellamtssprecher Kay Weidner. Das spreche die Preise letztlich informell ab, indem es sie abschaue. Dadurch seien die Preise "häufig zu hoch".

Allerdings kommen die Kartellwächter mit dieser These gerade in einem Moment um die Ecke, in dem der Benzinpreis gemessen am Ölpreis etwa auf fairem Niveau liegt. Bereinigt um Wechselkursschwankungen tut er das nicht immer. Wie der Chart des Ölpreises in Euro (grüne Linie) und des Preises von Superbenzin in Euro (blaue Linie) oben zeigt, ist Benzin in Deutschland nämlich vor allem zu teuer, wenn der Ölpreis niedrig ist. Schuld daran aber ist nicht ein geheimnisvolles Oligopol, sondern die Preismacht des Staates: Zwei Drittel des Benzinpreises sind Steuern, also etwa 90 Cent je Liter, davon 65,45 Cent fallen völlig unabhängig von der Höhe des Benzinpreises an.

Der Effekt ist deutlich: Steigt der Ölpreis, steigt der Benzinpreis mit. Fällt aber Ölpreis, bleibt der Benzinpreis dennoch hoch. Mit der Aufregung über den Benzinpreis verhält es sich genau andersherum: Orientiert sich der Benzinpreis am Ölpreis, macht er Schlagzeilen und in den Medien herrscht große Empörung darüber, wie der arme Autofahrer abgezockt wird. Wird aber der arme Autofahrer trotz niedriger Ölpreis an der Tankstelle mit hohen Benzinpreisen gnadenlos abgezockt, schweigt die von einem drögen Dreisatz wie Ölpreis mal Benzinpreis durch Dollarkurs heillos überforderte Qualitätspresse feinstill.

Zukunftmusik: Kartellamt bestätigt: Konzerne an Profiten orientiert!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also es ist so, das die Steuern auf Mineralölprodukte progressiv sind. Wenn also der Preis für den Sprit steigt, steigen progressiv die Steuern dazu an. Deswegen lässt man die Preise dann auch gern -politisch gedeckt- oben.

Dazu kommt der Fakt, das die Mineralösteuer noch mit einer Ökosteuer addiert ist, und beide Steuern dann nochmals per Mehrwertsteuer besteuert werden.

Wir zahlen also im (übrigens nicht nur im) Falle Sprit mindestens 3 mal Steuer.

-Einkommensteuer auf Lohn/Gehalt,

-dann an der Tanke Mineralöl- + Ökostuer, mit bereits versteuerten Geld, und

-zuguterletzt auf diese Steuern (!!!) nochmals Mehrwertsteuer;


Wenn das nicht phantastisch ist...

ppq hat gesagt…

ja, wenn ich was ausdenken müsste, um jemanden richtig auszuplündern, würde ich mir auch so ein system ausdenken

waulmurf hat gesagt…

Aber auf so eine Idee muss man erst einmal kommen: eine Steuer auf eine Steuer. Für eine derart tollkühne Fantasie ist längst nicht jedes Gehirn geschaffen.

Ich glaube allerdings, dass so etwas vielmehr im Galopp des politischen Geschäfts ganz fantasielos nebenbei herabfällt. Irgendwo liegt schon ein Haufen von einem Vorgänger? Egal! Stinkt eh schon. Noch einen drauf. Duftmarke gesetzt. Und am Ende hat man ein unansehnliches Feld voll mit spontan abgedrückten, legislativen Pferdeäpfeln.

Teja hat gesagt…

Lasst mal bitte die Tiere aus dem Spiel. Hier Pferde, dort Doggen. Die können nix dafür.

ppq hat gesagt…

steuer auf die steuer? das machen die doch immer so! der berühmte solidarzuschlag etwa funktioniert auch wie eine steuersteuer. sauber, unauffällig und zum wohle aller.

selbst die umsatzsteuer ist eigentlich eine steuersteuer: erst kommt das einkommen, das versteuert wird. wenn der rest dann ausgegeben werden soll, wird die zur verfügung stehende summe noch einmal um ein knappes fünftel gekürzt, weil 19 % vom umsatz an den staat gehen.

wäre ich finanzminister, würde ich das auch einfach "sparen" nennen und mich freuen, das alle gern mitmachen