Montag, 31. Dezember 2018

Journalismus: Das Letzte zum Schluss


Der Fall Relotius hat die Medienrepublik erschüttert wie zuletzt die Hitler-Tagebücher und mit Mühe und ein paar cleveren PR-Tricks nur gelang es dem meinungsprägenden Nachrichtenmagazin der Republik, das Systemversagen als Einzelfall darzustellen. Dabei ist einer wie Relotius die Bilderbuchausprägung dessen, was die ideologischen Vordenker des Magazins schon vor Jahren als Strategie zur Gesellschaftsbeeinflussung ausgegeben hatte.

Schon 2015 - noch weit vor dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms - plädierte der Spiegel-Autor Georg Diez in einer wegweisenden  „Spiegel“-Kolumne dafür, das Berufsbild des Journalisten neu zu definieren. Niemand dürfe sich einfach nur hinter Fakten verschanzen und sein Publikum mit der Meinungsbildung allein lassen. Stattdessen müsse der Journalist wieder Agitator, Organisator und Propagandist von der Art sein, die mit dem Untergang von SED und KPdSU von der Weltbühne verschwand.


Diez plädierte unter Bezugnahme auf diese alte kommunistische Propaganda-Tradition für einen „neuen Journalismus“, der die Aufgabe habe, sich mit einer Sache gemein zu machen, sobald eine höhere Macht sie als „gut“ abgenickt habe. Die Deutschen hätten Anspruch darauf, nicht mehr nur hilfsweise und aus Versehen informiert, sondern exklusiv und ausschließlich mit den richtigen Ansichten und Auffassungen versorgt zu werden. Sei in den Medien mehrheitlich die Entscheidung gefallen, welche Ansicht zu einer bestimmten Frage die richtige sei, gebe es keinen Grund mehr, dass der Journalist sich von der Gesellschaft trenne, indem er vorgebe, objektiv zu sein.

Ein Manifest, damals nicht allzu breit beachtet, das Türen öffnete für eine regierungsnahe Berichterstattung, die keinen Zweifel mehr kannte. Der Berichterstatter bringt sich ein, er ist der Transmissionsriemen der Regierenden zu den Regierten, ein "Erklärer" des Richtigen und Beschreiber einer Wirklichkeit, die nicht wirklich real sein muss, sondern eine Waffe, die Wirkung erzielen soll.

„Es gibt Themen, die sind zu groß und zu wichtig, als dass der Journalist sich hinter seiner eigenen Automation und Gefühlslosigkeit verschanzen kann“, begründete Diezm, was bei seinem WDR-Kollegen Georg Restle später als „Journalismus im Neutralitätswahn“ kritisiert wurde. Es müsse Ziel sein, diese Neutralität zu brechen, denn wenn es um existenzielle Fragen der Gesellschaft gehe, bleibe nur ein Ausweg: Dass der Journalismus seiner „demokratischen Aufgabe gerecht werde“, indem er „analytischer, individualistischer, klarer, härter, aktivistischer, mutiger, offener, verständlicher, entschlossener, leidenschaftlicher“ gegen alle anschreibe, die sich dem Fortschritt in den Weg stellen.

11 Kommentare:

Volker hat gesagt…

Ich habe das weißaufschwarze Eingangszitat ("Eine Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist ...") per google gesucht und nicht gefunden.
Weiß jemand, woran das liegt?

ppq hat gesagt…

lenin war nicht im internet

Anonym hat gesagt…

ja , der Volker hat sich wohl vertippt . guckst du hier :

https://www.aphorismen.de/zitat/185156

selbstverständlich befürworte ich die Einweisung bekennender Bolschewisten in geeignete Arbeitslager ; wir hätten `89 das rote Pack beseitigen können - historische Chance vertan

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1901/05/womitbeg.htm

"Die Zeitung ist..."

Desterwegen nicht gefunden, weil dem Diez etwas untergeschoben wird, was er zwar jeden Tag beherzigt, aber so nie gesagt hat?

Anonym hat gesagt…

re PPQ : das stimmt. Lenin war nicht im Internet WEIL die Reichsbahn das WLAN abgeschaltet hatte - und bis heute ...hat es niemand mehr eingeschaltet .

ppq hat gesagt…

der diez hat das im verlinkten artikel schon geschrieben, nur nicht so elegant

Sauer hat gesagt…

Ein großes Maß an Heuchelei würde wergfallen, wenn der Journalismus den „Neutralitätswahn“ aufgeben würde. Dieser „Wahn“ ist ja schon heute nicht mehr die Leitschnur für viele Schreiberlinge. Er wird zwar noch simuliert, aber ist doch leicht durchschaubar. Ehrlicher wäre es, jedes Medium würde klar öffentlich bekennen, welcher Ideologie es anhängt und was der Leser erwarten kann. Damit könnten Enttäuschungen über eine Fäkalberichterstattung vermieden werden und der Leser sich auf das Dargebotene rechtzeitig einstellen. Wahrscheinlich würde durch die klare Positionierung sogar die Medienpluralität wieder zunehmen, da wegen des Verlustes vieler Leser nicht alle Medien die gleiche Ausrichtung haben könnten. Also Medien, habt den Mut zu sagen, wessen eure Sache ist und führt nicht weiter das Publikum hinter die von Borkenkäfern Eurer vorgetäuschten Unparteilichkeit angefressene Fichte.

Volker hat gesagt…

Lenin war nicht im Internat?
Na klar, macht Euch nur lustig über alte Leute.

Anonym hat gesagt…

Uhhhh, schnief- Georg Diez ist nicht mehr
https://meedia.de/2018/10/30/danke-fuer-ihre-aufmerksamkeit-jakob-augstein-beendet-spiegel-kolumne-im-zweifel-links/

Anonym hat gesagt…

Schaut her, ein Pirat

https://twitter.com/AKress84/status/1079761710628700161?s=19

Anonym hat gesagt…

Mein Jüdendetektor steht am Anschlag.
Schon vom Anblick dieses Vogels wachsen einem Pejes.