Mittwoch, 20. Februar 2019

Framing Manual: Propaganda, die schon lange wirkt

Das Framing Manual der ARD legt fest, dass Deutschland "kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will" braucht.

Steffen Seibert war ZDF-Auslandskorrespondent aus Washington, ehe er Regierungssprecher von Angela Merkel wurde. Ulrich Wilhelm dagegen war einst Regierungssprecher von Angela Merkel, ehe er Intendant des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der ARD wurde. Zwei Schicksale, die zeigen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland echte Gemeinwohlmedien sind, anders als als etwa in Polen staatsfern und durchlässig nach beiden Seiten. Du kannst aus der Politik kommen und bei der ARD etwas Tolles werden. Du kannst aber auch beim ZDF Herausragendes leisten. Und danach dem Ruf der Regierenden folgen, deine Talente in ihren Dienst zu stellen. Schließlich ist das keine Einbahnstraße: Wer heute noch Programm macht, macht morgen schon Programmmacher, wer eben noch damit beschäftigt war, kritisch über Politiker zu berichten, findet neues Glück in der Aufgabe, dies zum Wohle des Volkes zu verhindern.

Parteien nehmen nicht Einfluss


Es könnte dadurch der falsche Eindruck entstehen, Parteien nähmen Einfluss auf öffentlich-rechtlich finanzierte Sender. Es könnte also geboten sein, dem offenkundig irrigen Schein, hier steckten Parteien über Rundfunkräte und die Besetzung lukrativer Posten mit handzahmen Kandidaten unter einer Decke, proaktiv entgegenzuwirken. Nirgendwo auf der Welt garantiert ein alljährlich mit acht Milliarden Euro finanziertes System aus 23 öffentlich-rechtlichen Fernseh- und 65 Radiostationen die Grundversorgung der Deutschen mit Fakten, Fußball und Kriminalfilmen so qualitätsvoll. Und nirgendwo weckt gerade das so viel Neid bei denen, die wegen ihres obstruktiven Hanges zu Hetze und Hass nicht mittun dürfen bei der Permanentparty am Gebührentrog.

Dass die ARD den dauernden Nachstellungen ihrer Feinde mit einem professionell erstellten "Handbuch für Agitatoren" begegnen musste, ist nur naheliegend. Die Massivität der Angriffe auf die legitimen Grundversorger hatte zuletzt immer mehr zugenommen, Carola Wille, die noch in klassischem Agitprop der DDR-Zeit ausgebildete MDR-Chefin, antwortete darauf trotzig mit einem „Demokratie braucht Qualitätsmedien“. Die aber können nicht rund um kommerzielle Interessen gebildet werden - der Relotius-Skandal beim bis dahin als seriös geltenden Magazin "Spiegel" zeigte zuletzt eindrucksvoll, wie weit ins Fakenews-Land der Zwang führt, Profite zu erwirtschaften.


Eine alternativlose Alternative


Als alternativlose Alternative bleibt nur der staatliche garantierte Rundfunk, abgesichert durch ein festes Bündnis von Politik und Gemeinwohlmedienmachern: Werden die einen angegriffen, schweigen die anderen solidarisch. Geht es umgekehrt zur Sache, schließen sich die Reihen fest. Man weiß, was man aneinander hat und was man einander verdankt und wie man mit einem System umgeht, das inzestiös nur in Momenten scheint, in denen es die Kontrolle über das Kleingedruckte verliert. Hier wachen Verwaltungs- und Fernsehrat über die demokratische Verankerung von Wetterberichten, Krimis und Talkrunden.

Der des ZDF muss seit einem Verfassungsgerichtsurteil, das die bis dato übliche übliche Besetzung aller Plätze mit verdienten Parteiarbeitern verbot, zu zwei Dritteln mit "staatsfernen Mitgliedern" besetzt werden, bei denen es sich weder um Parlamentarier oder ranghohe Regierungspolitiker handeln noch um herausgehobene Parteifunktionäre oder politische Beamte. Sie alle, so argumentiert Karlsruhe, neigten "zur Durchsetzung eigener, staatlicher Interessen" und könnten damit "das Gebot der Staatsferne unterlaufen".

Inzwischen repräsentieren die 77 Mitglieder des Fernsehrates, die vom früheren CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz angeführt werden, die ganze Breite der Gesellschaft: 46 Mitgliedern führender Parteien stehen sechs Kirchenvertreter zur Seite, dazu kommen einzelne Tierschützer, Sportler und Umweltschützer, staatsferne Funktionäre von Handwerk, Handwerkskammer, Landwirtschaft und Beamten, ergänzt wird das Portefolio durch 15 Interessenvertreter der Filmwirtschaft, unter denen Holger Zastrow die mittlerweile regierungsferne FDP vertritt.

Nur rein zufällig gelangte etwa der angesehene rot-grüne Journalist Nikolaus Brender dennoch auf den Sessel des ZDF-Chefredakteurs, als der ZDF-Verwaltungsrat in einer rot-grünen Regierungsphase in Hessen gerade rot-grün dominiert war. Bender mühte sich für sein Geld, zur Geburtstagsfeier des damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck lud sein ZDF zusammen mit der Staatskanzlei gemeinsam ein, den großen Sozialdemokraten zu feiern. 700 Gäste wurden von "heute"-Sprecherin Petra Gerster durch einen Abend geführt, der die politische Unabhängigkeit des deutschen Gebührenfunks nachdrücklich bewies: Landesregierung und ZDF teilten nicht nur den Spaß an der Sache, sondern auch die Kosten der Party.

Im Mittelpunkt dieses äußerst staatsfernen System aber steht die "KEF" genannte "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten", eine schattenhaft wirkende Institution, der die Aufgabe obliegt, die Gebührenwünsche der Gemeinwohlsender zu erfüllen. Die Kommission, eingerichtet erst, nachdem das Bundesverfassungsgericht eine direkte Beglückung der Sender durch unmittelbare Entscheidungen von Politikern als verfassungswidrig verworfen hatte, prüft den von ARD und ZDF angemeldeten "Finanzbedarf". Und empfiehlt den Landesparlamenten hernach, wie hoch der Rundfunkbeitrag sein soll, den jeder Deutsche zahlen muss, um - abgesehen von product placements und Werbefilmchen - kommerzfrei grundversorgt werden zu können.

Abgesandte der Ministerpräsidenten


Die KEF hat 16 Mitglieder, keines davon ist öffentlich nominiert, gewählt oder auf sonst irgendeine Weise mit einem unabhängigen Mandat ausgestattet worden. KEF-Mitglieder werden "Ländern entsandt". Faktisch bedeutet das, sie werden von den jeweiligen Ministerpräsidenten ernannt. Für fünf lange Jahre sitzen die Männer - unter den 16 derzeitigen KEF-Mitgliedern befindet sich nur eine einzige Frau - dann in Mainz und vertreten die Interessen, wie es in ihrer Stellenbeschreibung heißt. Wessen Interessen? Die des Landes, das sie entsandt hat? Die der Gebührenzahler? Die des Ministerpräsidenten, der sie ausgewählt hat? Oder die von dessen Partei?

Ein Blick auf die Biografien der derzeit Berufenen beantwortet diese Frage erschöpfend. Heinz Fischer-Heidlberger, Mitglied der KEF seit zehn Jahren, Vorsitzender seit acht, weist seine Staatsferne durch eine beeindruckende Biografie nach. Der 65-Jährige war einst persönlicher Referent des Bayerischen Ministerpräsidenten, dann Büroleiter des Leiters der Staatskanzlei in München, dann nacheinander Leiter der Abteilungen Richtlinien der Politik und Wirtschafts-, Wissenschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik, ehe er Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und Leiter des Bayrischen Rechnungshofes wurde.

Nepotismus und Stallgeruch


Auch sein Stellvertreter Ulrich Reimers, Mitglied bereits 1994, als er erstmals durch Niedersachsen berufen wurde, wirkt nur auf den ersten Blick wie ein staatenloser Hippie. Auf den zweiten allerdings entpuppt auch er sich als Mann mit Stallgeruch: Bis kurz vor seiner ersten Amtszeit in der KEF hielt er als Technischer Direktor des Norddeutschen Rundfunks noch auf der Zahlungsempfängerseite die Hand auf.

Staatsfunk? Niemals! Nach dem Edikt des Verfassungsgerichts, wonach nicht die Politik selbst die Gebühren für ARD und ZDF festsetzen dürfe, wurde das System neu kostümiert, umgeschminkt und poliert, bis es dem ungeübten Blick vorkommt wie unabhängiges Gremium.

Die 14 Mitglieder, die derzeit so tun, als seien sie bereit, irgendetwas vorzuschlagen, das nicht mit den entsendenden Staatskanzleien abgesprochen ist, stehen mit ihren Namen und ihren Erwerbsbiografien dafür. Kay Barthel, von Sachsen-Anhalt bestellt, war von 2007 bis 2010 persönlicher Referent des sachsen-anhaltinischen Landesverkehrsministers und später Leiter des Ministerbüros im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, ehe er den Posten als Chef des Landesrechnungshofes übernahm.

Und so geht es weiter. Norbert Holzer diente im Saarland schon als Fraktionsassistent im Landtag und persönlicher Referent eines Ministers, er war Bürgermeister und Verwaltungsdirektor des Saarländischen Rundfunks. Sein KEF-Kollege Hubert Schulte sammelte Meriten als Chef der Senatskanzlei in Hamburg und Bremen, er war Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin und Referent bei der Bundestagsfraktion der SPD. Klaus P. Behnke, im Auftrag von Rheinland-Pfalz bei der KEF, ist der Leiter der Zentralabteilung im Ministerium der Finanzen und frühere Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Koblenz. Und Marion-Claßen Beblo, die einzige Frau im Team, kommt aus der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, sie war früher Leiterin des Referats für Haushaltswesen und ist heute Präsidentin des Rechnungshofs von Berlin.

Parade der Staatsdiener


Eine Parade der Staatsdiener, denen ihre Mission voranweht wie eine Alkoholfahne. Hier der Beamte aus dem Staatsministerium für Finanzen. Dort der frühere Mitarbeiter der Hartz-4-Kommission. Ein "Consultant des Europarates und "Gutachter" der Medienanstalt Berlin-Brandenburg ist dabei. Und ein ehemaliger WDR-Volontär.

Die drei Schritte, mit denen die Höhe des sogenannten Rundfunkbeitrages von alljährlich um die acht Milliarden Euro festgelegt werden, sind ein Witz: Zunächst melden die Rundfunkanstalten ihren Bedarf bei der KEF. Deren Mitglieder, also die oben genannten Staatsdiener, über deren Entshcädigung für diese verantwortungsvolle Aufgabe nichts zu erfahren ist, so heißt es, "überprüfen" den angemeldeten Bedarf und "empfehlen" den Ländern dann einen ihnen angemessen scheinenden Gebührenbetrag. Anschließend wird die Gebühr durch die Landesparlamente festgesetzt eine weitere Prüfung der Notwendigkeit der vorgeschlagenen Höhe findet dabei nicht statt. Als Ablehnungsgrund dürften die Abgeordneten ausschließlich die Sozialverträglichkeit heranziehen.

Ein wasserdichtes System, mit dem das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das die KEF schon 1993 als „ein Hilfsinstrument der Ministerpräsidentenkonferenz“ bezeichnet hatte, ebenso verlässlich wie unangreifbar ausgehebelt wird. Dass das "Framing Manual" der ARD angesichts dieser vordemokratischen Zustände riesige Wellen schlägt, zeigt, dass es schon lange wirkt: Kein Demokratiekapitalismus, Rundfunkkapitalismus oder Informationskapitalismus.

Sondern, wie es im "Framing Manual" der ARD bemerkenswert offen heißt, eine "kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will." (Grammatik im Original)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Toller Artikel, danke dafür!

Tja, das Gebot der Staatsferne. Habe diese Woche mal wieder "heute journal" gesehen. Es ging irgendwie um Trump (Autos oder so). Das Kleber oder Slomka oder wem auch immer, ich kann die nicht mehr auseinander halten, nicht der Speichel aus den Mundwinkeln tropfte, war auch alles, was fehlte. War das immer schon so oder fällt mir das erst seit ein paar Jahren richtig auf?

Nebenbei (und sorry, wird was länger, aber eventuell ist Stoff für einen Beitrag drin):
Hatten gestern ein Gratisexemplar eines "FAZ-Magazins" in der Post. Das offenbarte sich erst beim zweiten Hinschauen. Zunächst sah das Teil aus wie ein Modekatalog oder Werbeflyer. Solche Aktionen wie die ganzen Gratisangebote - "4 Wochen Lesegenuss für umsonst, nur hier klicken" - sind ja in ihrer anrührenden Hilflosigkeit Mediensterben von der schönsten Seite. Das Heft handelte thematisch die Bereiche Brexit und Mode ab. Zielgruppe der Ausgabe ist wohl so die höhere Bürgersgattin und ihre linksradikalisierte Tochter mit Studium der Kunstgeschichte, Soziologie, Pädagogik oder ähnlichem. Augenscheinlich hat man hier ein Marktsegment identifiziert, dass für Zeitschriften noch Geld ausgibt, oder zumindest Wert darauf legt, dass sowas beim Friseur ausliegt. Viel Modefotografie, ne Geschichte, die mit dem Grüffelo zu tun hat - Mutter und Tochter schwelgen in Erinnerungen - und so Zeug. Ein Interview mit dem ehemaligen Titanic-Chef, der jetzt im EP sitzt und einige Floskeln (Europa toll, viele Menchen einfältig, ich nicht, Internetkonzerne an die Kanadare nehmen und durch eine sozialere EU die USA und die Asiaten überflügeln) zum besten gibt, die alle wohlgegeformten Meinungen der Endabnehmer im Zielmarkt bestätigen sollen. Zum Abschluss ein Interview, dass auf den ersten Blick nur am Rande mit dem Brexit zu tun hat, aber trotzdem letztlich nur davon handelt. Eine iranisch-chinesische Modebloggerin-, schöpferin, - influencerin oder was auch immer, die von Isfahan und den tollen iranischen Menschen da, englischem Frühstück und dem Papa in Montreal schwärmt, nur der Flug ist ein bisschen lang, und den Brexit doof findet. Man merkt, die Leserinnen sollen auf Kosmopolitismus eingeschworen werden ("Hach, wie weltoffen bin ich doch!"). Das Krönchen auf der satirischen Note des ganzen Heftes. Und fast schon wieder subversiv. Wenn das die Gegner des Brexit und die letzten Fans der EU sind, ist das nicht eher Werbung dafür?


ppq hat gesagt…

bestimmt. so lange der kunde werbung schaltet