Sonntag, 3. November 2019

Liebe in Zeiten des Hasses: Warum ich meinen Freund melden musste

Hannah aus Bad Tennstedt hat über vier Jahre hinweg beobachtet, wie  ihr Lebensgefährte Gunnar radikalisierte. Jetzt musste sie ihn den Behörden melden.
Ja, wir waren lange ein Paar. Gunnar liebte mich, ich liebte ihn, wir dachten, wir haben uns für's ganze Leben gefunden. was man in Filmen so sieht, erster Blick, es macht Klick. Dabei war es so gar nicht. Wir haben uns bei einer Party im Jahr 2014 kennengelernt. Ich, das Mädchen mit den Wurzeln im Nahen Osten, war ausnahmsweise alleine tanzen, er, der große dunkelblonde Junge mit den strahlenden blauen Augen, der fünfmal guckt, ehe ich mich dann erbarmt und ihn am Rande des Dancefloors angesprochen habe.

Seine Familie stammt aus Sachsen, das hat mich aber damals überhaupt nicht gestört. An dem ersten Abend haben wir nur geredet, so gut das ging in dem Lärm da. Danach schrieben wir eine Zeit lang, verabredeten uns einige Male, redeten über Musik, Reisen, Politik. Damals fand ich es schön, dass er nach Veränderungen zum Beispiel im System der EU gesucht hat. Gunnar schien mir hellwach zu sein, er wusste zu allem eine Antwort oder er dachte sich eine aus, während man dabei saß und ihm zuhörte.

Liebe ließ mich weghören


Nach ein paar Wochen merkte ich, ich bin verliebt. Dass Gunnar auch Kritik am Freihandel und am G20-Gipfel äußerte, fand ich mutig. Er war mein Held, seine Argumente waren für mich nachvollziehbar und in keiner Weise menschenverachtend. Selbst wenn er manchmal sowas sagte wie, die Arbeitsproduktivität in Afrika sei eben niedriger oder dass die dauernde Hitze im arabischen Raum der geistigen Gesundheit sicher nicht zuträglich sei. Die Liebe ließ mich damals noch weghören.

Wir redeten ja auch nicht immer über Politik. Wir waren viel im Bett, das war schön, wir machten Spaziergänge, waren oft zusammen wandern, haben gekocht, gingen auf Konzerte oder haben zusammen Musik gemacht. Ich habe mich auch sehr geliebt gefühlt, weil wir offenbar dieselben Sachen mochten, er mich, ich ihn, wir beide Gusgus, Latte und Madonna. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass unser Blick auf die Welt da draußen so unterschiedlich sein könnte.

Anfangs habe ich auch gar nicht gemerkt, was vorging. Aber eines Tages bei Frühstück, das war im Herbst 2015, sagte er plötzlich etwas von einer "Grenzöffnung", die Angela Merkel veranlasst habe. Ich habe das sofort korrigiert und ihm klargemacht, dass die Grenzen die ganze Zeit offen waren und man eine geöffnete Tür nicht noch mal öffnen kann. Er wurde spitzfindig und verwies auf Barack Obama, der Merkel ausdrücklich für eine "Grenzöffnung" gedankt habe. Ich habe das zurückgewiesen und ihm deutlich gemacht, dass die "Tagesschau" die entsprechende Meldung nachträglich, aber gründlich korrigiert habe. Schon das Wort sei eine Verdrehung der Tatsachen, wer sowas sage, der schließe auch Grenzen. Wir stritten, zum ersten Mal eigentlich. Aber dann landeten wir doch wieder im Bett und alles war gut.

Im Bett war alles gut



Dachte ich. Denn ich war nun sensibilisiert und bemerkte deshalb immer öfter Zeichen der Radikalisierung bei Gunnar. Er äußerte immer wieder seine Entrüstung über die Entscheidung Merkels, die Grenzen nicht zu schließen, keine Mauer zu bauen und Hunderttausende Menschen einfach zu erschießen. Im Internet ertappte ich ihn, wie er auf Seiten von Rechtspopulisten, bei angeblich kritischen YouTube-Kanälen und auf Seiten von Schweizer Zeitungen herumsurfte. Als ich ihn zu Rede stellte, sagte er, er wolle sich umfassend informieren, das gehe bei unseren "Staatsmedien" ja nicht. Ich war geschockt. Sein Vokabular veränderte sich und wurde zunehmend "völkischer". Er sagte "wir" und "die", er behauptete, Deutschland könne nicht die ganze Welt retten und giftete, wenn ich dagegenhielt, dass ich wohl auch daran glaube, dass Deutschland mit ein paar abgeschalteten Kraftwerken die Klimakatastrophe aufhalten werde.

Er war höhnisch, er verteidigte Sachsen als Land seiner Vorfahren, er verwandelte sich vor meinen Augen in einen dieser gefährlichen "besorgten Bürger", die Worte wie Flüchtlingszustrom, Messerattacken, junge Männer und Staatsfernsehen gebrauchen, um die Fundamente unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung zu unterminieren. Aus seiner Sicht, das wurde mir klar, gibt es Kulturen, die nicht miteinander vereinbar sind, Kulturen, die schlechter sind und Kulturen, die ein aggressives Wesen haben. Wobei er diese Kulturen "Religionen" nennt, betont auf eine so abfällige Art, dass man gleich merkt, dass er als Atheist alles ablehnt, was irgendwie mit einem Glauben oder einer Ideologie zusammenhängt.

Hass auf Frauen mit Kopftuch


Ich liebte ihn damals wohl immer noch, denn wir hatten auch schöne Momente. Doch wenn wir durch die Stadt gingen, sagte er dann wieder Sachen wie "jetzt dreh' dich einmal um und sagt mir, dass du nicht in jeder Richtung eine Frau mit Kopftuch gesehen hast". Ich habe das nicht mitgemacht. Seine Hassbotschaften widerten mich an. Was soll das bringen? Ich habe dagegengehalten, Gesicht gezeigt und ihn auch mal spüren lassen, dass es keinen Sex gibt, wenn er Nazi spielt.

Aber im Laufe der Zeit hat das nichts mehr genutzt. Wir vermieden es irgendwie, über Politik zu sprechen und hatten dann fast keine anderen Gesprächsthemen mehr. Er verkroch sich ins Internet, auf irgendwelche Boards, wo er in seinen Auffassungen bestätigt wurde. Ich engagierte mich als Helferin in einer Unterkunft nebenan, putzte dort den Speiseraum, las den Kindern Geschichten vor und half bei Behördengängen. Zwischendurch ging ich auf Demos gegen rechte Nazis und schrieb sensible Lieder, die dazu aufforderten, den Alltagsrassismus zu bekämpfen und für eine offenen Gesellschaft einzustehen. Das regte ihn auf.

Er wirkte verbittert und ich merkte, wie seine Radikalität zunahm. Ich wollte ihn nicht aufgeben, denn ich glaubte noch immer an unsere Liebe. Aber es wurde immer schlimmer, er ging nicht nur gegen eine falsche Politik an, sondern irgendwann direkt gegen einzelne Politiker. "Seit Jahren liegt über diesem Land wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Bundeskanzlerin", jammerte er, statt es besser zu machen. Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei einfach "grottenschlecht" und wenn das so weitergehe, dann sei "Deutschland bald am Ende". Das machte es bei mir klick. Ich erkannte, dass sich mein Freund, der Mann, mit dem ich mein Leben hatte verbringen wollte, in einen bösartigen, gesellschaftsbedrohenden Gefährter verwandelt hatte.

Es war ja irgendwann auch für mich, die ihn liebte, nicht m her zu leugnen. Radikalen Gruppierungen gelingt es, Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Gerade Menschen wie Gunnar, handwerklich begabt, nicht dumm, aber kein Freund dicker Bücher, sind häufig auf Identitäts- und Sinnsuche oder glauben, keine Perspektive zu haben. Ihnen werden dann von Populisten einfache Lösungen angeboten, etwa Verhaltensregeln zur Kleidung oder zum Tagesablauf gegeben. Im Laufe der Zeit fühlen sie sich als Teil einer Gruppe, die sie gar nicht kennen, und glauben an ein gemeinsames Ziel.

Radikalisierungsprozesse wie bei meinem Freund, den ich irgendwie immer noch liebe, können rasch oder über einen längeren Zeitraum hinweg ablaufen und inneren wie äußeren Ursachen und Einflüssen unterliegen, das habe ich jeden Tag neu beobachten können. Bei Gunnar kam es über die mit Freunden oder Bekannten geknüpften persönlichen Kontakte,über die ich keine Kontrolle hatte, zu ersten Berührungspunkten zu radikalen Gruppen. Eine Entfremdung von Eltern, Lehrern, Freunden und schließlich auch von mir, die ihm immer widersprach, wie es richtig und auch angebracht ist, vereinfachte und beschleunigte den Einstieg in radikale Milieus vereinfachen. Radikalisierung ist oft so ein schleichender Prozess, denn niemand kommt als Hitler oder Nazi auf die Welt, sage ich. Das kommt erst durch ein Wechselspiel aus eigenen Erfahrungen, Kontakten mit extremistischen Szenen und dem Konsum von Propaganda, wenn es die dem Betroffenen nahestehenden Menschen nicht zu verhindern wissen.

Hilfe von den Melde-Hotline


Zum Glück fand ich im Netz nach kurzem googeln Hilfe, wo Hinweise auf solche bedrohlichen Radikalisierungstendenzen bei lieben, vertrauten Menschen vertraulich aufgenommen und Maßnahmen ergriffen werden, um der Gefahr Herr zu werden. Es geht dabei nicht um Denunziantentum, sondern eine Möglichkeit für unsere Verfassungsschutzbehörden, an Informationen zu gelangen, die einfach notwendig sind, die Gesellschaft vor denen zu schützen, die Staat und Regierung angreifen, das Klima leugnen und jede Schwäche der Demokratie ausnutzen, ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Hatte ich Gewissensbisse? Meinen Freund anzuzeigen, obwohl wir doch noch zusammen wohnen? Und manchmal sogar noch zusammen schlafen? Nein. Dass wir miteinander ins Bett gehen, passiert nur noch sehr selten, es ist von meiner Seite auch eine rein körperliche Sache. Das mit dem Wohnen hätte ich längst geändert, aber so lange die Mietbremse nicht wirklich greift, ist es günstiger, sich eine Wohnung zu teilen. Und Sicherheit geht uns eben alle an! Sie haben mich bei der Hotline auch extra gebeten, die Leitung nicht zur Denunzierung von Bürgerinnen und Bürgern zu nutzen.

Aber wenn einer heute Bücher über den Kampf der Kulturen und den Untergang des Abendlandes liest, dann schließe ich nicht aus, dass er morgen loszieht, um das, was er an Gift und Galle aus diesen sicherlich verbotenen Schwarten gesaugt hat, irgendwie wieder in unsere Welt zu spucken! Das will ich nicht. Ich will helfen, das zu verhindern, weil ich das Gefühl habe, für Gunnar verantwortlich zu sein und ihn vor dem Hass und die Welt vor ihm retten zu müssen.

Ob es wirkt, werden wir sehen. Man hat mir versprochen, dass sich Experten schon bald um Gunnar kümmern werden, er ist jetzt unter Beobachtung, sein Surfverhalten, mit wem er sich trifft, was er in seinen Foren schreibt und wohin er geht, welche Musik er hört, die Bücher, die er bestellt. Ich habe ihn wirklich geliebt. Aber ich habe beim Versuch versagt, einen geliebten Menschen zu ändern, ich habe ihn an die Höckes und Gaulands, Luckes, de Maizieres und Lindners verloren. Im Moment bin ich noch dabei, das zu verarbeiten, indem ich Songs über Alltagsrassismus, über die Radikalisierung im Internet, Arm und Reich, die Spaltung der Gesellschaft, die Eurokrise, Klimaleugner und Neoliberalismus schreibe. Das hilft ungemein.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

MELDEN MACHT FREI .

hat mein Feldwebel immer gesagt .

inzwischen sind viele Jahre vergangen und ich bin Reichsführer einer kleinen aber effektiven Heeresgruppe .

ob das mit der Anschwärzerei eine so gute Idee ist wird sich zeigen .

Phase 1 : der böse weiße Nachbar mit den Gartenzwergen wird denunziert .

dann werden die notorischen Autowäscher und Rasenmäher gemeldet .

und die Hausfrauen ; faschistische Hilfskräfte des weißen Unterdrückers .


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Spass beiseite .

analysieren wir sachlich und nüchtern die Lage ; jeder an seiner Stelle kann viel bewirken .

die Spitzelzecke ist bekannt - es ist der freundlich -verständnisvolle Oberstudienrat der die Nachbarschaft NLP-sprachpädagogisch zu besseren Menschen umerziehen will .

nun hat er aber ganz viel Pech denn der böse weiße Mann hat hellblaue Aufkleber von der hellblauen Partei .

die verklebt er heimlich am Donnerstag .

am Freitag kamen dann die engagierten KinderInnen .

vier platte Reifen , kaputte Scheinwerfer .

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LKA taucht auf . Stellt Fragen .

Cordhosenbernd trägt helle Cordhosen und Hipsterbart , in der Hipsterbrille ist nur Fensterglas - aber das weiß die Lollizei nicht .

Bimmeldibimm - "ja guten Tag , Karlheinzwurschtmann vom LKA esgehtumdiekapotteKarre von Herrn Dr. Malte-Hibisskuss-Lülzigg - sie habennixgesehenoderkönnensieunssagenwasistdenndawohlpassierthabendenndieklimerkinder vielleicht"

"kommen sie doch herein "

zeitundtazundszliegenherum.... Möbelaus Schweden ; Möbel wie ein Greterkindergesicht, undHolzspielzeug und BiohaferinDoseninderKüchewoderNikkaraguahkaffeeduftentut.

"aber der Herr Dr. ist überall beliebt"

"aber wer soll denn hellblaue Aufkleber auf das DoktorautoklebenunddamitdieGreterKinderInnen provozieren"

der "deutschlandfunk" erläutert das Netzwerkklimagreterdurchsetzungskazettbestreitungsleugnungsundsprachgesetz in einfacher Sprichh .

Dr.Malte telefoniert - er schaut immer wieder rüber .

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Unbekannte haben dann mehrere Polenböller bei Herrn Dr.malte gezündet - erheblicher Sachschaden .

himbimedia schreibt : "EKD Angestellter als Nazi geoutet - Karre kaputt "

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aus :

"der graue Himmel über der bunten Stadt " 2293 S. persia Dünndruck , IP-Verlag Bummsberg im Taunus , 2019 , ab 20.12.2019 auch als Implantat erhältlich

wolfgang fubel hat gesagt…


Chef im Scheißhaus brennt Licht!
Aber ich hab es schon ausgemacht!
Ich kann Ihnen sagen wer es angelassen hat!

Anonym hat gesagt…

https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/ich-spreche-fuer-viele-meiner-kollegen/

der "Herrenclub" mit den Winkelmaßen wirkt volkspädagogisch auf einen Arbeiter ein .

bin gespannt wann sich der Widerstand meldet .

wolfgang fubel hat gesagt…

Schrauben Sie die Glühbirne aus der Fassung,
dann kann keiner mehr das Licht anlassen, Sie Idiot

ppq hat gesagt…

besser das kabel durchschneiden

Anonym hat gesagt…

https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/ich-spreche-fuer-viele-meiner-kollegen/
Starker Tobak. Sollte da noch auf rechtlichem Wege etwas zu machen sein?

IrlandsCall hat gesagt…

Frauen bekommen genau den Mann, den sie verdienen. Bei Männern ist es umgekehrt.

Tranko hat gesagt…

Diese ganze Geschichte stinkt und ist ziemlich sicher erfunden.