Sonntag, 5. Juli 2020

Homöopathie: Wie die Corona-App zur guten Stimmung beiträgt



Niemand weiß was, wie viel oder ob, aber die Corona-App schreibt dennoch eine Erfolgsgeschichte. Zwar müssten, damit das kleine Programm auch nur theoretisch Erfolg haben kann, noch etwa 35 Millionen Deutsche die App herunterladen. Aber auch als homöopathisches  Hilfsangebot auf emotionaler Ebene funktioniert die "68 Millionen Euro teure Spielerei für Nerds und Neugierige" (Ramin Peymani) eigentlich ganz hervorragend.

Es hat lange gedauert, es wurde viel gestritten und dann natürlich wie immer auch ein ganz klein wenig teurer als gedacht, aber fest stand schon Stunden nach der Freischaltung des Downloads der Corona-Warn-App, dass Deutschland die allerbeste Corona-Warn-App von allen Corona-Warn-Apps weltweit hat. Überall in der Medienlandschaft überschlug sich die Begeisterung, Millionen luden die App herunter, um "sich und andere" (Bundesregierung) wirksam vor der zweiten Corona-Welle zu schützen, wenn es schon bei der ersten da und dort ein bisschen schiefgegangen war.

Richtig europäisch war die App zwar nicht, obwohl EU-Europa ja allen Bekundungen der Verantwortlichen zufolge gerade während der Pandemie äußerst schmerzlich gelernt hatte, dass Alleingänge ohne die zuverlässigen EU-Partner nie gut sind. Andererseits mochte auch niemand im Moment der Euphorie nach drei Monaten Warten allzuviel herummeckern. Man hat, was man hat. Die anderen haben was anderes. Und irgendwie spricht Europa da schon auch mit einer Stimme, wenn auch verschiedenen Text.

Die Menschen machten doch mit! Genau wie die Kanzlerin es sich in ihrem erfolgreichen Video-Podcast in warnroter Pokemon-Kutte gewünscht hatte. Nicht alle zwar und nicht einmal annähernd die Anzahl, die nötig wäre, um die Nerd-Spielerei im Dienst des totalen Datenschutzes auch nur im Ansatz in eine wirksame Pandemievorsorgemaßnahme zu verwandeln. Aber wer zu spät kommt und den Moment verpasst, in dem die Leute Angst genug haben, auch Überwachung zu akzeptieren, um ihr Leben zu schützen, der muss eben dann mit denen arbeiten, die immer mitmachen, wenn es ihnen gesagt wird.

Dass die Corona-Warn-App auf der Basis einer Beteiligung von nur 17 Prozent der Bevölkerung nicht funktionieren kann, stört zum Glück nicht weiter. Das Virus hat sich deutschlandweit überwiegend in die Parallelgesellschaften rumänischer Fleischschneider, Freikirchler und Straßenzugbewohner zurückgezogen, der Normalbürger, der nicht "Rumäne und Bulgare" (Armin Laschet) ist, übt sich in Lockerungen. Gruppensex ist wieder erlaubt, die Bedeutung des Händewaschens für das Überleben der Menschheit schwindet und wer noch mehr Zuspruch braucht,  dem liefern ARD und ZDF täglich Horrorbilder aus Amerika und Brasilien, wo alles, was Deutschland immer richtig gemacht hat, immer falsch gemacht wird.

Bis heute etwa haben weder die USA noch  Brasilien eine Corona-Warn-App, die den Menschen im lande das gute Gefühl geben kann, dass es mit Hilfe des einen oder anderen großen Zufalls möglich wäre, eine Neuinfektion mitzubekommen, ehe der Infizierte seine Familie, seine Freunde und seine Arbeitskollegen angesteckt hat. Zwar sind solche Glückstreffer selbst aus Island nicht bekannt, wo Corona-App schon seit Monaten von mehr als 40 Prozent der Einwohner benutzt wird. Aber nachdem alle so lange vom südkoreanischen Modell und vom taiwanesischen Beispiel gesprochen haben, reicht die elektrische Homöopathie wenigstens für das gute Gefühl.

Nützt nichts, schadet aber auch keinem. Der Deutsche wäscht sich gern trocken: Während die beiden Beispielstaaten in Asien ihre Apps schnell einführten und verpflichtend machten, dauerte es hier lange und als es soweit war, war das Misstrauen den Behörden gegenüber größer als die Hoffnung, ein Smartphoneprogramm können zur Normalisierung beitragen. Wie in Spanien dümpeln die Nutzerzahlen im wirkungslosen Bereich, die Corona-Warn-App wird "wie so viele Kopfgeburten der Politik an der Lebenswirklichkeit scheitern" (Peymani).  Die spielte aber von Anfang an keine Rolle, wie Dorothee Bär, amtierende "Staatsministerin für Digitalisierung", einräumte, als sie Nutzern älterer Geräte, die nicht mit der Bundespandemieapp kompatibel sind, attestierte, sie seien einfach nur „zu bequem, sich ein neues Handy zu kaufen“.

Andere Technikexperten wie der Grüne Robert Habeck haben Apple und Google stattdessen aufgefordert, Hardware, deren Fehlen die Corona-Warn-App daran hindert, auf älteren Geräten zu laufen, durch neue Software zu ersetzen. Die  Bundesregierung schlug in dieselbe Kerbe: Die Anbieter der Softwareplattformen müssten die "technischen Hürden" senken, damit die Bundesapp auch dort funktioniere, wo sie aus technischen Gründen nicht funktionieren kann. Bisher vergebens, denn bis Software ohne Hardware laufen lernen wird, bleibt selbst in den Zauberstuben des Silicon Valley noch einiges an Multimedial-Magie zu erzeugen.

Bis dahin muss es so gehen: 68 Millionen Euro sind bis Ende 2021 für die Corona-Warn-App verplant, knappe fünf Euro pro Nutzer. Das Geld ist aber nicht weg, wenn es weg ist. Der Großteil geht an die Firma T-Systems, eine Tochter der Deutschen Telekom, an der der Bund rund ein Drittel der Anteile hält.

6 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Homöopathische Antworten
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Was geht Ihnen als sehr weltoffener Mensch & Kämpfer für Demokratie durch den Kopf, wenn sie zum Beispiel von den Nazi-Skandalen beim KSK hören?

Robert Harting: Das habe ich nicht mitbekommen und kann dazu nichts sagen.

https://www.heise.de/tp/features/In-der-Gesellschaft-ist-keine-Energie-da-dem-anderen-einfach-einmal-Danke-zu-sagen-4802385.html

ppq hat gesagt…

300 treffer hat spahn nun ausgerufen. woher er das wissen mag?

Die Anmerkung hat gesagt…

Der Aderlaß der Corona-Diktatur. Raw Soccer ist nichts für Gourmets.
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http://www.quotenmeter.de/n/119595/tagessieg-mit-einem-aber-dfb-pokalfinale-im-ersten-mit-deutlichen-verlusten

Obwohl es sich wegen Corona um ein Geisterspiel handelte und im Stadion kein Publikum zugelassen war, fiel die Reichweite im TV aber nicht höher aus als im Vorjahr:

Durchschnittlich 7,01 Millionen Zuschauer ab drei Jahren verfolgten die Partie ab 20 Uhr, am 25. Mai 2019 kratzte das DFB-Pokalspiel FC Bayern – RB Leipzig mit 9,96 Millionen Zusehern noch an der 10-Millionenmarke.

Bei RTL war Sport ebenfalls gefragt, das Qualifying der «Formel 1» aus Österreich brachte es ab 15 Uhr auf 14,9 Prozent Marktanteil bei den Werberelevanten.

ppq hat gesagt…

mir werden die parallelen zur ddr-endzeit langsam schon ein wenig unheimlich. wie oft war der BFC hintereinander meister? und wie oft sind es die bayern jetzt?

Die Anmerkung hat gesagt…

Hätta ma Kreisvakähr jeübt, dann hätta ooch jewonn.

Anonym hat gesagt…

Ich bin da ganz entspannt, wenn erst die ehemals als Drogenschnüffler ausgebildeten Hunde den Coronavirus erschnüffeln können, brauchen wir vielleicht keine App mehr und keine Tests. Das wäre doch was, ein Hundeführer geht durch die Fußgängerzone und jeder Infizierte wird angebellt und kann separiert und zwangsbeimpft werden. Eine App kann man lautlos stellen oder man “vergisst“ sein Handy einfach mal- aber der Hund lässt sich nicht täuschen!
Und der Drogendealer ist schließlich keine so leichte Beute wie der treuherzige, rechtschaffene Bürger, da muss der Vierbeiner umgeschult werden.
Heute gelesen.