Freitag, 8. Januar 2021

Die Stürmer: Großoffensive gegen "aufrührerische Worte"

Trumps Putschisten, verkleidet als bärtige Trendyuppies und Karnevalisten.

Der ganz gewöhnliche Faschist, diesmal hatte er sich als die Village People verkleidet. "Hunderte" (DPA) "Trump-Fans" (Spiegel) marschierten justament an dem Tag in Washington auf, um das Capitol zu stürmen und niederzubrennen, an dem Deutschland drohte, in eine end- und ausweglose Diksussion um ausreichend bestellte, aber nicht verfügbare und deshalb nachbestellte Impfstoffe, einen Koalitionsknatsch um die Verantwortung dafür und selbst in den Medien zunehmende Uneinsichtigkeit angesichts der neuen Corona-Maßnahmen zu rutschen. 

Mit der Eroberung des "Tempels der Demokratie" (DPA) durch einen von Donald Trump aufgehetzten "Mob" war die Krise ausgestanden: Angeführt von Bundesaußenminister Heiko Maas, der als erster auf das neue Thema aufsprang, ist nun ein allerletztes Mal Trump, die Sorge der deutschen Spitzenpolitik um die Demokratie in den USA und eine wohltemperierte  Furcht vor einem "Putsch" (RND) in Übersee Leitmotiv aller guten Ratschläge." Schlagartig hat Donald Trump einige seiner republikanischen Steigbügelhalter verloren", jubiliert das halbstaatliche Portal T-Online, diese Leute hätten den "Gauner bar jeglicher Skrupel jahrelang die Treue gehalten, um ihre Karrieren voranzutreiben". Aber nach der von Trump initiierten Attacke auf das Parlament hätten sich nun auch diese "moralischen Krüppel" von ihrem Paten abgewandt. 

Noch fehlen die Tierbezeichnungen, aber wenigstens die Bezichtigung als behindert erinnert schon an alte Zeiten, als Schänder von Heiligtümern noch Glück hatten, wenn sie nur in den Knast kamen.

Jede Menge guter Rat

Und was war das für ein Putschversuch! Mächtiger noch als der Ansturm von 300 Verwirrten auf den Reichstag im Sommer, tiefergehend sogar als der Sturm der Demonstranten 1969 auf das Pentagon. Der von Trump insgeheim geplante und vom "Spiegel" bereits im November enthüllte Umsturz dauerte mehrere Stunden, er kostete vier Menschenleben und er verhinderte die formelle Bestätigung des Wahlsieges des Demokraten Joe Biden bei den US-Präsidentschaftswahlen um fast einen viertelsten Tag. Dazu kostete er Trump den Zugang zu seinem Twitter-Account und die Möglichkeit, über Facebook zu kommunizieren. Ein "Coup" (Welt) von so unfassbarer Schäbigkeit, dass selbst der Versuch sowjettreuer Generale, im Sommer 1991 die Macht in Moskau zu ergreifen, dagegen wie ein strategisch klug kalkuliertes Manöver wirkt.

Für die deutsche Innenpolitik aber ist die "Erstürmung des Kapitols durch Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump" (DPA) wie ein allerletztes Geschenk des scheidenden Mannes im Weißen Haus. Als Parade der Empörten zogen die Spitzenkräfte aller Parteien in den Stunden nach der Beruhigung der Lage durch die Medien, jeweils bewaffnet mit Trauer, Wut, Scham, Sorge und Forderungen nach ernsten und akuten Maßnahmen, wie die Vereinigten Staaten, aber auch die wie immer am schlimmsten betroffenen Gebiete in Deutschland nun umgehend zu retten seien.

Vorschläge aus der Tasche

Nichts leichter als das, denn alle, die sich zu Wort meldeten, zogen reflexhaft Vorschläge aus der Tasche, die dort für alle Fälle aufbewahrt werden. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht kündigte auch diesmal Konsequenzen für Online-Plattformen und verbindliche Pflichten zur Löschung von Hetze zu löschen und zum Vorgehen gegen Lügen und Verschwörungsmythen an. Wut, Hass und Aggression seien viel zu lange "Teil des Geschäftsmodells" von Facebook gewesen. Heiko Maas plädierte für eine Erweiterung der geltenden Hassvorschriften auf "aufrührerische Worte", beider Parteivorsitzende Saskia Esken aber beließ es nicht bei so kleinem Karo. Sie rief zur Verteidigung der Demokratie auch in Deutschland auf.  "Rechte Populisten sind eine Gefahr für die Demokratie - in den USA und im Rest der Welt." Genau wie das Reichstagsgebäude in Berlin stehe das zu großen Teilen von Sklaven errichtete Kapitol in Washington als Symbol für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, betonte sie. 

Betroffen reagierte auch Armin Laschet, dessen wegweisendes Bewerbungsschreiben um den CDU-Vorsitz von den Ereignissen aus den Schlagzeilen gespült worden war. "Schrecklich" sei das, sagte der CDU-Politiker. Die Ereignisse seien Konsequenz einer polarisierenden, egozentrierten Politik und "die Folge der dauerhaften Verachtung demokratischer Institutionen, die Präsident Trump seit Jahren zum Ausdruck bringt". Laschet mahnte, Populisten auch in Deutschland politisch entschieden entgegenzutreten: "Die Vorgänge mahnen uns, auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu achten" sagt er wohl in Erinnerung eigener aggressiver Ausfälle. So hatte Laschet vor vier Jahren im Fernsehen kein Blatt vor den Mund genommen und über den Geisteszustand der Ostdeutschen gewütet. „Ganze Landstriche haben nicht gelernt, Respekt vor anderen Menschen zu haben“, so Laschet, das habe der Kommunismus den Menschen „nicht beigebracht“.

Laufbänder im ZDF

Anlässlich des Großereignisses, das vom ZDF mit Laufbändern beworben wurde, kehrte sogar der emeritierte SPD-Chef Sigmar Gabriel für einen Moment vom Altenteil zurück. Man müsse Trump nun wegen "Staatsstreich-Aufwiegelung" anklagen , forderte der frühere Bundesaußenminister, der in seiner aktiven Zeit noch versucht hatte, Trump zu verhindern. Stattdessen hatte er selbst gehen müssen, was Gabriel Trump nie hat verzeihen können. Ebenso hart wird es den Niedersachsen treffen, dass er nun auf einer Wellenlänge mit der AfD sendet. Deren Führung zeigte sich "sprach- und fassungslos" über die Ereignisse von Washington. "Gewalt kann und darf in einer freiheitlichen Demokratie niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein - weder in den USA noch bei uns", betonten die Bundessprecher Jörg Meuthen und Tino Chrupalla und die Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und Alice Weidel in einer gemeinsamen Erklärung. 

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Ruf der Rechtspopulisten vernommen. Er prüft nun, wie der Schutz des Bundestages zusätzlich zum angelaufenen Bau des antifaschistischen Schutzgrabens weiter verbessert werden kann. "Dazu wurde bereits bei der deutschen Botschaft in Washington ein Bericht angefordert, wie es zu den Gewaltexzessen innerhalb des Kapitols kommen konnte." Das Kapitol in Washington verfügt zwar über einen breiten Wassergraben in Form eines großen teiches vor der Tür, doch der sogenannte capitol reflecting pool umschließt das hohe Haus nicht vollständig. 

Sehr schlaflose Nacht

Der scheidenden CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer hat das "eine sehr schlaflose Nacht" beschert. Jetzt sei die Stunde gekommen, in der die "Republikanische Partei einen klaren Schnitt zu den Trumpisten in ihren eigenen Reihen macht", forderte sie vom amerikanischen Verbündeten. Bundespräsident Walter Steinmeier ging noch darüber hinaus und warnte vor einer Gefährdung der Demokratie durch Hetze und Lügen auch in Deutschland.  Die Szenen aus Washington seien "das Ergebnis von Lügen und noch mehr Lügen, von Spalterei und Demokratieverachtung, von Hass und Hetze, auch von allerhöchster Stelle", resümierte der Präsident, der Trump schon vor dessen Amtsantritt als "Hassprediger" entarnt hatte. Grünen-Chefin Annalena Baerbock konnte keine sehr schlaflose Nacht vorweisen, zeigte sich aber schockiert über die Vorfälle, die sie "einem Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie" nannte. Vier Jahre Trump und vier Jahre Rechtspopulismus und Fake-News hätten den Rechtspopulisten die Macht in die Hände gegeben, um die Demokratie "dann auch wirklich anzugreifen". 

Die Kanzlerin ist traurig

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte dem nicht nachstehen und wählte die Worte "wütend und traurig", um ihre Gefühlslage zu beschreiben. Wohl auch aus der Erfahrung ihrer eigenen Geschichte heraus - ihr Vorgänger Gerhard Schröder hatte sich vor Jahren ebenfalls geweigert, ihren Sieg einzugestehen - bedauere sie sehr, dass Trump seit November seine Niederlage nicht eingestanden habe und Zweifel am Wahlausgang geschürt würden. "Das hat die Atmosphäre dafür bereitet, das die Ereignisse der Nacht erst möglich gemacht hat." 

Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), unter Schröder damals Generalsekretär der SPD, wollte nicht nachstehen. Er sehe die Verantwortung für die Ausschreitungen in Washington bei Trump. Der habe in den USA zuvor viele Menschen "aufgestachelt und auch nicht zurückgehalten", sagte Scholz und fügte hinzu: "Das ist ganz klar etwas, was man erlebt, wenn Populisten Macht bekommen." Norbert Röttgen schließlich, einer der Kandidaten auf den CDU-Vositz, warnt vor Gefahren für Demokratie auch außerhalb der USA , wenn Parlamente gestürmt würden. "Das zeigt der ganzen Welt, wie ernst es ist, wie die Demokratie unter Druck ist", sagte Röttgen, der vorschlug, dem  "viel entschlossener entgegenzutreten". "Es dürfe unter den demokratischen Parteien keine Taktiererei mehr geben" schlug er als probates Rezept vor.


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym hat gesagt…

++Newsticker #putsch++

Der AfD-Vorstand hat beschlossen, auf der nächsten Parteiversammlung das A und das D aus dem Parteinamen zu streichen.

P.S. der Typ mit den Hörnen ist ein Protestschauspieler, der auf beiden Seiten auftritt, je nachdem, wer bezahlt.

Die Anmerkung hat gesagt…

Da war der Eiligkeitsteufel heftig am Werkunterricht. Ich wollte unbedingt als erster um 8 an der Pforte vom Konsum stehen, was auch funktionierte.
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Merkel ist vor allem deswegen traurig, betrübt und ein stückweit depressiv, weil sie ja aus eigener Erfahrung weiß, daß sich Zweifel am Wahlausgang korrigieren lassen, wenn aus Südafrika ein Machtwort ertönt.

Carl Gustaf hat gesagt…

Eigentlich war die Trump-Supporter-Rally der perfekte Anlass (und die letzte Gelegenheit), um sowohl Trump als auch seine treuesten Ultras unter Zuhilfenahme derer eigenen Dummheit noch einmal ordentlich bloß zu stellen.

Nach allem, was ich in den letzten 30 Jahren erlebt habe, lief die "Erstürmung" des Capitols ungefähr genauso geordnet ab, wie seinerzeit die Erstürmung der Stasi-Zentrale. Der Ort war symbolhaft, es gab ordentlich an Vandalismusschäden, jedoch wurden keine Brände gelegt. Die Todesfälle sind wohl vor allem der Schießwütigkeit und schlechten gesundheitlichen Disposition der Amerikaner*innen zuzuschreiben. Im Gegenzug hat die Weltpresse die Schlagzeilen und Bilder die sie braucht.
Und in Amerika können sich sowohl die Liberals als auch die Republikaner eines ungeliebten Trottels entsorgen.

In Amerika ist der Kampf der Eliten in vollem Gange (Peter Turchin). Die Geschehnisse am Mittwoch waren ein gefundenes Fressen für die politische Elite (jenseits und diesseits des Atlantiks) und noch einmal klar zu machen, auch wenn Donald vier Jahre PotUS war, so gehört er am Ende doch nicht dazu. Auch ohne Impeachment hat sich Trump aus dem politischen Establishment selbst exkommuniziert. Auf die obligatorischen Einladungen zu Anlässen jeglicher Art wird Donald Trump für den Rest seiner Tage wohl vergeblich warten müssen.

Anonym hat gesagt…

gez "Phoenix" über Trump : "hat mit der mafia in NY gebaut und Geld verdient"

nun ein ähnlicher Satz :

"Trump war lange Zeit erfolgreich ; damals in den 80ern - erst als er sich mit den Freimaurern überwarf wurde es schwierig " .

( "very nice people" ; Trump über die Mafia ) .


Mafia ist ok - Freimaurer eher nicht .

warum ist das so ?

Carl Gustaf hat gesagt…

"Man sah allerlei Fahnen vor dem Kongress und auch Pommesbuden, die bei Machtergreifungen natürlich nicht fehlen dürfen."

Roger Letsch auf achgut.com (https://www.achgut.com/artikel/amerikanische_verhaeltnisse_wo_ist_die_landebahn)

Anonym hat gesagt…

>Auf die obligatorischen Einladungen zu Anlässen jeglicher Art wird Donald Trump für den Rest >seiner Tage wohl vergeblich warten müssen.

Ich glaube nicht, dass er auf irgendwas warten wird. Im Unterschied zu seinen Vorgängern hat er einen Job gelernt und kommt sicher ohne Einladungen zum gegenseitigen Pimmelhalten zurecht.