Samstag, 28. Mai 2022

Deutschland, Setzen, Fünf: Blamage in Brüssel

GAP Deutschland durchgefallen Mähdrescher kleinvieh
Organisierter Kleintiermord auf dem Acker: Auch die deutsche Mähdreschernutzung muss perspektivisch auslaufen.

Das Bemühen war da, Deutschlands beste Fachleutinnen mühten sich über Monate mit aller Krfat und der Fachminister, selbst ausgewiesener Experte, seit er sein Amt im Spätherbst vergangenen Jahres übernahm, stand stets aufmerksam anleitend hinter den Spezialisten. Doch nun die erschütternde Ansage der EU-Kommission: Setzen, Fünf! Deutschland muss seinen deutschen Strategieplan für künftige EU-Agrar-Subventionen deutlich nachbessern, weil das, was bisher in Brüssel zur Kontrolle vorgelegt wurde, nach dem Dafürhalten der dortigen Experten "eindeutige Mängel" beinhaltet.

Oberste Leitungsbehörde winkt ab

Im Unterschied zu den deutschen Fachexperten gelten deren von der EU-Kommission bezahlte Kolleginnen und Kollegen als echte Kenner der Materien, über die sich letztgültig zu befinden haben.  Bundeslandwirtschaftminister Cem Özdemir hatte so wohl kaltblütig darauf gesetzt, dass er mit einigen billigen, umweltschädlichen und perspektivisch die Gesundheit der Menschen im Lande gefährdenden Vorschlägen durchkommen würde. Doch mit sicherem Blick entdeckte die vorgesetzte Behörde in Belgien Mängel "in Sachen Stimmigkeit sowie Vollständigkeit" und dringende Verbesserungsbedarf in dem Papier aus Berlin, das Özdemirs Ministerium zuvor zwar mit Verspätung, aber doch stolz auf der Ministeriumsseite veröffentlicht hatte.

Bei den sogenannten "Strategieplänen" handelt es sich um ein neues Lenkungs- und Leitungsinstrument, das die EU-Kommission nutzt, um die Vereinheitlichung der Agrarpolitik in der Gemeinschaft voranzutreiben. Ziel ist es offiziell,  die Produktion von Lebensmitteln umweltfreundlicher zu gestalten und ein "nachhaltiges Lebensmittelsystem" (EU) aufzubauen. Die EU will damit erklärtermaßen einen "globalen Wandel" anführen, der Verbauchergewohnheiten ändert, aber eben auch "die Art und Weise, wie wir Lebensmittel erzeugen, kaufen und konsumieren, ändert, um den ökologischen Fußabdruck der Lebensmittelsysteme zu verkleinern und zur Eindämmung des Klimawandels beizutragen", wie die Kommission ihre Ziele transparent darstellt.

Die echten Experten sind entsetzt

Der deutsche Agrarplan (DAP) sollte ein zentraler Baustein der neuen Landwirtschaft werden, ein Zeichen an andere Staaten, aus Schädlingsbekämpfung, Düngung und Fleischwirtschaft auszusteigen, dabei aber "die Lebensgrundlagen aller Wirtschaftsakteure in der Lebensmittelversorgungskette zu schützen" (EU) und allen Beteiligten "gerechtere wirtschaftliche Erträge" zu garantieren. Deutschland hatte der Absicht, allmählich auf einen Ausstieg aus der herkömmlichen landwirtschaftlichen Großproduktion hinzuarbeiten, noch unter der vorigen Bundesregierung zugestimmt, versucht nun aber offensichtlich hinhaltend, die Umsetzung der ehrgeizigen Umbaupläne der EU-Kommission auszubremsen.

Erst im Februar wurde mit zwei Monaten Verspätung überhaupt ein nationaler Strategieplan in Brüssel zur Kontrolle vorgelegt, obwohl sich zumindest 18 der anderen 27 Mitgliedsstaaten bemüht hatten, der gesetzten Termin zum Jahresende einzuhalten. Die EU aber fiel auf den Trick nicht herein. Bei der inhaltlichen Prüfung der deutschen Vorschläge, wie Lebensmittelproduktion umweltfreundlicher, krisenfester und nachhaltiger werden soll, zeigt die  Einschätzung der Kommission, dass die nach Brüssel gemeldeten Zielwerte des Plans keineswegs ausreichen, sondern überarbeitet und präzisiert werden müssen. Hier hatte Frankreich in den Augen der Leitungsbehörde viel besser abgeschnitten. Nach Vorlage der französischen Umbaupläne war Paris nur gemahnt worden, jegliche Änderungsversuche zu unterlassen.

Zumutung für Özdemir

Deutschland muss nun ebenso wie Österreich nachsitzen. Eine ausgemachte Zumutung für Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der sich bei Vorlage seines Strategieplanes noch demonstrativ zuversichtlich gezeigt hatte, dass die EU-Kommission seinen Vorschlägen zustimmen werde. Spezifische Förderschwerpunkte der nationalen Ausgestaltung der sogenannten "1. Säule der Geimeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollten dazu die "Einkommensgrundstützung" (Özedemir) für aussteigewillige Fleischpflanzer, sieben goldene Öko-Regelungen mit fünf noch zugelassenen Hauptfruchtarten und eine Umverteilungsprämie genannte Förderung von kleinen und mittleren Betrieben sein.

Das aber reicht Brüssel nun nicht. Zu klimaschädlich, zu wenig nachhaltig, zu fett, zu viel Zucker, zu viele Pestizide, zu wenig Blühstreifen und die Biodiversität bleibt ein fünftes Rad am Heuwagen. Konkret heißt es im Antwortschreiben der Kommission zum deutschen Plan auch, dass Deutschland angesichts der russischen Invasion der Ukraine genauer benennen müsse, wie etwa die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und mineralischen Düngemitteln verringert werden solle, um die dauerhafte Erwärmung der Atmosphäre auf deutlich unter zwei und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. 

Ein neuer großer Masterplan

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) muss nun noch einmal ran über den Sommer und sich diesmal ernsthafte Gedanken machen, wie all die vielen Ziele beim Klimaschutz, bei der Wiederherstellung der Biodiversität, beim Ausbau des Ökolandbaus, beim Umbau der Nutztierhaltung, bei der Einhegung der aktuellen Explosion der Erzeugerpreise und der Versorgung mit Dünger, Sprit und Fachkräftenachwuchs in einen großen Masterplan geschrieben werden können, der die Gnade der EU-Kommission findet. 

Ziel des BMEL ist es nun, nach der Blamage in Brüssel, einen auftragsgemäß geänderten Plan bis zum Herbst in Brüssel genehmigt zu bekommen, so das Ministerium. Kritik und Selbstkritik: Man stimme mit der Kommission überein, "dass es gerade bei den umwelt- und klimabezogenen Zielen weiteres Entwicklungspotenzial im GAP-Strategieplan gibt", hieß es weiter.Deutschland könne mehr, Deutschland könne schneller aussteigen, nachhaltiger essen und gesünder schrumpfen.


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