Mittwoch, 13. Juli 2022

Twitter zittert: EU startet eigene Hassplattformen

Endlich was Eigenes: Die EU erobert das Internet jetzt auf eigene Faust.

Im August 2021 war eigentlich alles vorbei. Ausgerechnet auf der für Hetze, Hass und Zweifel bekannten amerikanischen Feindplattform Facebook verabschiedenen sich die Macher des EU-Projekts EU-Voice nach mehren Jahren intensiver Entwicklungsarbeit von den wenigen Getreuen, die das große Aufbauwerk bis dahin neugierig begleitet hatten. "Heute ist der letzte Tag der offiziellen Laufzeit des EU-Voice-Projekts", hieß es, "und während des Projekts wurden viele inspirierende Momente erzielt". Trotzdem war Schluss, das Geld alle, der Versuch, Facebook, Twitter und all die anderen amerikanischen Portale europäisch zu überflügeln, grausam gescheitert.  

Ein Vermächtnis inspiriert

Doch man war sich in der Aufbauorganisation immerhin sicher, dass "das Vermächtnis des Projekts die Menschen weiterhin bewegen und inspirieren" werde. Obwohl kaum jemand überhaupt bemerkt hatte, dass die EU ihr eigenes Twitter hatte bauen wollen, intern mit dem Decknamen "Zitter" versehen, würden "die Ergebnisse des EU-Voice-Projekts weiterhin zu einem besseren Verständnis von Kulturen und Individuen beitragen" - und das, nachdem die deutschsprachige Unterseite sofort ins Daten-Nirvana fiel.

Gemeint waren aber natürlich auch nicht ostdeutsche Nazi-Kulturen oder ein Individuum wie Donald Trump, sondern gemeinsame Werte, Schulterschluss und die berühmten "Zeichen", von denen die EU traditionell mehr herstellt als der Rest der Welt. Deshalb dauerte es nicht einmal ein Jahr, ehe die in Brüssel die Notwendigkeit erkannt wurde, die Früchte der dreijährigen Vorarbeit an der eigenen Stimme zu ernten: Mit dem neuen "EU-Voice", einem Netzwerk mit dem Untertitel "The Voice of the EU in die Fediverse", ist den US-Großkonzernen ein Konkurrent erwachsen, der Anspruch anmeldet, in Zukunft ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn es um kontrollierte freie Rede, gekämmte Meinungen und kanalisierte Diskussionen geht. 

Kinderschuhe mit Kinderkrankheiten

Bereits die Anfänge der Kinderschuhe, die heute schon zu besichtigen sind, zeigen eine technisch hochausgeklügelte Plattform, auf der es weder Hass noch Hetze noch sonst irgendetwas zu lesen gibt.  "Hier gibt es nichts!", teilt der Admin der offiziellen EU-Seite seinen immerhin 188 Followern stolz mit. Sich unabhängig zu machen von Amerikaner wie Elon Musk, die ein ganz anderes Verständnis von Redefreiheit haben als die erst kürzlich verschärften EU-Sprachregeln vorschreiben, europäische Datenhoheit zurückzugewinnen und sei es unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das fordert seinen Preis. 

Dass der Klick auf "Was ist Mastodon" immer wieder zu einer Seite führt, die mit einem Klick auf "Was ist Mastodon" zu einer Seite führt, die mit einem Klick auf "Was ist Mastodon" zu einer Seite führt, ist womöglich kein Feature, sondern doch noch eine Kinderkrankheit, die, sobald der erste Nutzer sie in zwei, drei Jahren bemerkt hat nach zwei, drei Jahren mit ausgiebigen Tests und vielen inspirierenden Momenten mit einem Häkchen an der richtigen Stelle beseitigt wird.

Straßenfeger für Feinschmecker

Wenn die EU aber schon dabei ist, sich frei zu machen von erpresserischen Milliardären, deren Plattformen das Russenöl von morgen sein können, dann macht sie das gleich richtig. Neben EU-Voice hat die Kommission deshalb im Rahmen ihres "alternative social media pilot program" auch gleich noch eine Alternative zum amerikanischen Videoportal Youtube an den Start gebracht. EU-Video bietet  eine Handvoll Filme, darunter Straßenfeger wie "Love at first swipe - Lunchtime conference of EDPS trainees", aber auch selbstironische Zeichentrickvideos wie "Increase your audience".

Es ist schwer. Das "beliebteste" Video bei EU-Video hat knapp 500 Aufrufe, ein mit in 27 Mitgliedsstaaten gesammelten Steuergeldern produzierter Flop zählt ganze 16. Das ist nach EU-Maßstäben ein Achtungserfolg, denn selbst auf der vielgenutzten Youtube-Plattform sind die Abrufzahlen der offizielle EU-Werbefilme auf dem offiziellen EU-Werbekanal kaum höher. Wenn sich 1.500 bis 5.000 von 440 Millionen Europäern eine Ansprache von Ursula von der Leyen anschauen, ist das viel, wenn der Zusammenschnitt einer Parlamentsdebatte in Straßburg 50 "Gefällt mir" bekommt, ist das ein guter Tag für Brüssel.

Besser wird es bei EU Video nicht, aber schlechter kann es auch nicht werden.


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