Donnerstag, 22. September 2022

Energieausstieg: Im Glauben zu schwach

Jahrelange Bemühungen und das Ziel ist noch lange nicht in Sicht: Der Energieausstieg muss in Kürze Fahrt aufnehmen.

Peter Altmaier war ganz neu im Amt, ein großer, prächtiger Mann mit offenem Blick und großen, prächtigen Zielen. Angela Merkel hatte ihren langjährigen treuen Adlatus zu ihrem Umweltminister gemacht, damals, vor zehn Jahren, als der Kanzlerin der Herzen und ihrem treuen Volk noch eine ganze Ära bevorstand, in der die Ostdeutsche aus Hamburg Deutschland für eine Zukunft wetterfest machte, die sie selbst vom Ende her dachte. Altmaier, erfahren, aber nicht unbedingt in seinem neuen Metier, kündigte umgehend einen "Neustart" für die "Energiewende" an, die schon mehrere Vorgängerregierungen mit großem Tamtam betrieben hatten. Stichwort Kugel Eis. Stichwort Solarenergie. Stichwort Umlage der Mehrkosten auf die Verbraucher. Stichwort Weltstrompreisrekord.

Fortschritt auf Millimeterpapier

Passiert war aber eigentlich nichts, und das recht langsam. Alles war viel teurer geworden, nichts besser. Fortschritte konnten nur auf Millimeterpapier dargestellt werden. Aber "wenn man neu in ein Amt kommt, kann man auch neu ansetzen", versprach Peter Altmaier, dem es als gelerntem Juristen vielleicht an der Sachkenntnis in seinem neuen Fachgebiet fehlte, nicht aber an Selbstbewusstsein. In der Umweltpolitik könne man sich "keinen Stillstand leisten", trompetete er und er sprach von seinen Plänen, "Blockaden zu überwinden". 

Altmaier war erst 53 Jahre alt, bekennend beziehungslos, er kochte gern und hatte außer seiner politischen Karriere keine Leidenschaften, nur einen Garten im Saarland, den zu pflegen er aus dem politischen Berlin weit pendeln musste. Aber Umweltpolitik war ihm eine Herzensangelegenheit. Wie alles, womit ihn die Kanzlerin betraute und noch betrauen würde.

Genau sein Ding

Die Energiewende war genau sein Ding. Ohne Kinder und ohne Erben hatte Peter Altmaier alle Menschen in sein Herz geschlossen. Er zeigte sich nun häufiger auf einem Fahrrad und schuf damit ebenso beeindruckende wie beängstigende Bilder. Doch im Unterschied zu seinem Vorgänger Sigmar Gabriel, der den anvisierten Energieausstieg mit Hilfe seines "Acht-Punkte-Planes für ein gutes Klima"   als natürlichen Teil seiner Öffentlichkeitsarbeit begriffen hatte, ließ sich Altmaier nicht auf ein schamloses Geschacher um bedeutungslose Details ein. Er legte fest, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung bis zur Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke auf 40 Prozent zu steigen habe. Von politischer Seite waren die Planungsarbeiten für den "größten Eingriff in die Wertschöpfungskette der deutschen Industrie, den es je gegeben hat", wie es ein Eon-Manager nannte, damit abgeschlossen.

Zwischendurch würde man halt irgendwas mit Gas und Kohle machen. Rainer Brüderle von der FDP, ein Mann, der später über ein Dirndl stürzen würde, sprach von "einen ganzen Reihe von Gas- und Kohlekraftwerken,  möglicherweise mehr, als wir zunächst dachten." Die Kanzlerin blieb optimistisch, dass die großen Übertragungsnetze für Wind und Sonne eines Tages tatsächlich fertiggestellt würden. Im Moment, räumte sie ein, sei man mit "vielen Projekten im Rückstand". Aber nur wer von hinten kommt, kann aufholen. 

Wind und Sonne als Ziel

Langfristig seien Wind und Sonne das Ziel, beteuerte ihre Forschungsministerin Annette Schavan, deren Schicksal  sich erst Jahre später wenden würde, als ihre gefälschte Doktorarbeit Schlagzeilen machte.  Auf dem Weg dorthin aber herrschte noch Optimismus. Je weiter die Zukunft weg war, desto ehrgeiziger wurden die Ziele: Nach dem Atomausstieg folgte der große Kohleausstiegsbeschluss, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurden Öl und Gas nacheinander obsolet. Deutschland gab ein Zeichen für die Welt: Wer nicht duscht, muss auch nicht heizen, wer nicht heizt, braucht keine Dämmung und wer das Ladegerät seines Handys immer aus der Steckdose zieht, spart genug Strom, um das Gasspeicher zu füllen.

Eine wahre Öko-Wende, wie Peter Altmaier sie sich stets erträumt hatte. 27 Jahre hatte der voluminöse Christdemokrat zum politischen Betrieb gehört, ein Hans Dampf in allen Gassen, dienstbereit und beflissen und gerade noch rechtzeitig aus dem Amt gescheitert, um nicht nur für den nahenden Untergang verantwortlich gemacht zu werden, sondern als weiser alter Mann mit guten Ratschlägen parat zu stehen. Dass das Ziel der Energiewende, bis 2050 den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 80 Prozent zu steigern, den Primärenergieverbrauch im selben Zeitraum verglichen mit dem Jahr 2008 um 50 Prozent zu senken und den Treibhausgasausstoß  sogar um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren, schon seit Jahren nicht mehr näherrückt, vermag den gärtnernden Ruheständler nicht zu irritieren. Peter Altmaier besteht zu hundert Prozent aus Sekundärtugenden, der Rest ist Vergesslichkeit.

Baustelle ohne Bauplan

Mag die Mathematik auch anderes sagen, der Glaube, das erneuerbare Energien alles ersetzen können, was die Stromversorgung Deutschlands über Jahrzehnte sicher und bezahlbar gemacht hat, ist nur nicht stark genug, wo es noch Zweifel gibt, dass das große Werk gelingen wird. Zehn Jahre nach der Verkündigung der Energiewende ist das große Zukunftsprojekt der Realisierung einer nachhaltigen Energieversorgung in den drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität eine Baustelle ohne Bauplan auf einem Trümmerfeld aus traurig gescheiterten Träumen. 

Peter Altmaier beobachtet den Gang der Dinge mittlerweile hauptamtlich aus seinem geliebten Garten, wo er schon vor Jahren eine Möglichkeit gefunden hat, "beim Rasenmähen ein paar Kilos zu verlieren". Der von Greenpeace als "Energiewende-Abwürger" verächtlich gemachte und delegitimierte Ex-Minister ist mit sich selbst im Reinen. Er war nie so schwach im Glauben an die Energiewende wie die, die nach ihm kamen und die Kohlekraftwerke wieder anwarfen. Er sei es gewesen, der 2019 "die Voraussetzungen für den Bau von LNG-Terminals geschaffen" habe. Dass die dann niemand bauen wollte, weil die Bundesregierung klar erklärt hatte, dass es das günstige russische Erdgas sein werde, auf dass Deutschland weiterhin vertraue, dafür könne er nichts.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie kann ein bloß Fünfzigjahrplan scheitern, wo man doch mit Fünfjahrplänen so gute Erfahrungen gemacht hat.

Anonym hat gesagt…

1) wer hat grün gewählt ?
2) Serviceteams losschicken
3) Fernwärme unterbrechen ( aktiver Umweltschutz )
4) Heißwasseraufbereitung (elektrisch ) sofort beenden
5) Heizungsanlage auf NULL setzen , Heizöl ggf. abpumpen

keine weiße Technik für "GRÜNEN"-Wähler

rotgrüne Privatschulen : Fenster ausbauen ( alternative Belüftungskonzepte werden auch akzeptiert ).

für den Unterricht : "auch anne frank hatte keine Wärmepumpe - stellt euch nicht so an "

Volker hat gesagt…

Was zeigt die Grafik eigentlich - den erzeugten oder den verbrauchten Strom?

Anonym hat gesagt…

>Was zeigt die Grafik eigentlich - den erzeugten oder den verbrauchten Strom?

Vermutlich die installierte Leistung, im Amtssprech 'Stromerzeugungskapazität'.

Die EU-weite Stromerzeugungskapazität durch Photovoltaik lag 2020 bei 136 Gigawatt. Deutschland hatte hieran mit 54 Gigawatt...

https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Umwelt-Energie/Photovoltaik.html#:~:text=Betrachtet%20man%20die%20installierte%20Photovoltaikleistung,den%20Niederlanden%20mit%20629%20Kilowatt.