Dienstag, 7. März 2023

Kapitäne des Weltenschiffes: Die großen Pläne der Generation Angst

Traumland der Jugend: Eine Welt ohne Autos, ohne Atomkraft, ohne Konsum und Kinkerlitzchen.

Sie sind in andauernder Angst aufgewachsen, in Angst vor dem Terror, der nächsten Finanzkrise, dem Auseinanderbrechen der EU, dem Zusammenbruch des Euro. Sie lernten, den Brexit zu fürchten, den Populismus und die Rückkehr des Dritten Reiches. Als alles soweit gerettet schien, kam das Klima, ihm folgten die Pandemie und das, was offiziell der erste Krieg in Europa seit 1945 genannt wird.

Kindheit im Schatten der Furcht

Die Generation der heute zwölf, fünfzehn oder siebzehn Jahre alten Mädchen und Jungen ist eine besonders furchtsame. Nie war es ihnen gestattet, im Dreck zu spielen und Industriestaub einzuatmen, nie durften als Kinder allenfalls durchs Schlüsselloch spätfernsehen oder schon als kleine Kinder allein daheimbleiben. Von Fürsorge umgeben, glaubten sie jahrelang, es würde immer so weitergehen. Die Welt wartete auf sie, aber sie würde Geduld haben, bis sie eines Tages, vielleicht 30, vielleicht mit 40, soweit wären, um nach dem einen oder anderen angefangenen Studium und dem einen oder anderen ausprobierten Job selbst nach dem Ruder des Weltenschiffes zu greifen. 

Noch ist es nicht soweit, aber was die Kleinen wollen, die eines Tages die Großen sein werden, daran lassen sie keine Zweifel. Magdalena Sommer jedenfalls, ein Mädchen aus einer ostdeutschen Großstadt, hat genaue Vorstellungen, wie die heute noch schwer an der Verantwortung für das Schicksal aller folgenden Generationen tragenden Frauen und Männer die Weichen stellen müssen, damit eine Zukunft herauskommt, die in zehn oder 20 Jahren für sie und ihre Altersgenossen lebenswert sein wird. Veränderungen müssten sofort in die Wege geleitet werden. Sonst werde es zu spät sein, sagt Magdalena Sommer. "Es geht darum, die Zukunft jener zu retten, die im Moment keine haben - also meine."

Nur Existenzängste und Verzweiflung

Da aber sieht die brünette, schlanke Hobbyschachspielerin schwarz. Als Kind, das 2007 geboren wurde, in einem Jahr, als Al Gore sich als Klimaaktivist neu erfand, blieben ihr noch wenigstens 50 Jahre auf dieser Welt, das läge sogar noch unter dem Durchschnitt der heutigen Lebenserwartung. Doch werden es lebenswerte Jahre sein, "die mir nun noch bleiben", fragt Magdalena Sommer bang. "Oder erwarten mich Zeiten des Verlustes an Lebensqualität, Existenzängste und Verzweiflung?" 

Heute schon liegt die Angst vor steigenden Mieten der jungen Frau schwer auf der Seele. "Ich lebe bei meinen Eltern in einer großen Stadt und hier klettern die Mietpreise immerzu." Obwohl sie selbst noch keinen Beitrag zur Finanzierung leisten müsse und könne, wisse sie doch heute schon genau, "wie viel unser Zuhause pro Quadratmeter kostet". 

Belastung für junge Leute

Das sei sehr traurig, denn der Gedanke belaste viele junge Menschen, ohne dass etwa an dem Problem geändert werde. "Hauptsächlich in Städten, aber auch auf dem Land wird es immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden." Obwohl es so viele Häuser gebe, sei sogar die Suche nach einer neuen Behausung ein "langwieriger Prozess, der aus Bewerbungen, Absagen, neuen Bewerbungen und so weiter besteht".  Mieten für alle senken Magdalena Sommer schwebt hier eine grundsätzliche Änderung vor: "Würde man die Mietpreise für alle senken, hätten einige nicht mehr das Problem, dass sie zwischen Miete und Essen entscheiden müssen."

Manche Menschen könnten sich dann erstmals eine richtige Wohnung leisten und die Wohnungssuche für junge Leute, die zu Hause ausziehen, würde enorm erleichtert. Jeder wäre endlich in der Lage, in Wohnungen zu ziehen, die genügend Platz bieten, nicht mehr das Einkommen würde entscheiden, wer in großzügig geschnitten Altbauwohnungen in der Innenstadt lebt, mit Solarthermie, Parkettfußboden und Stuckdecke, und wer in Vorstadtbuchten leben muss, inmitten spezifischer Kulturen und Gemeinden mit fremden Gebräuchen.

Atomausstieg als Grundlage

Eine Voraussetzung dafür, dass das klappt, sieht Magdalena Sommer im Atomausstieg. Dass die letzten drei Atomkraftwerke noch mindestens bis zum 15. April weiterlaufen sollen, hält die 15-Jährige für einen Fehler.Seit sie ein kleines Mädchen gewesen sei, hätten ihre in der Anti-Atomkraftbewegung aktiven Eltern ihr versprochen, dass es bald vorüber sein werde mit der Furcht vor dem GAU, der Angst vor Verstrahlung und dem Austritt von Radioaktivität. Ein halbes Jahrhundert hätten Menschen in Deutschland "Atomkraft - Nein danke"-Sticker geklebt, "ich sah sie immer wieder auf Ampeln, in der Schultoilette oder auf Fahrrädern". 

Mehrfach stand dann das Ende in Aussicht, immer wieder aber habe es die Atomlobby geschafft, eine Verlängerung herauszuhandeln, um ihre Profite zu maximieren. Was wir aber jetzt brauchen, um ein Beispiel für die ganze Welt zu geben, ist der endgültige Ausstieg und ein entschlossener Einstieg in alternative Energien." Wind, Sonne und Strom, Fußbodenheizungen und Pelletkessel, sie seien ein seit langer Zeit von vielen Wissenschaftlern geforderter Meilenstein in Sachen Energiewende. "Würde man ihn endlich umsetzen, wäre die Angst vor Atomkatastrophen aufgrund von deutschen Atomkraftwerken kein Teil des Alltages mehr, wir könnten endlich ruhig schlafen." 

Vor strahlenden Bergen

Experten könnten sich dann endlich darum kümmern, die Berge an Atommüll aus den unauffälligen Zwischenlagern zu holen, selbstverständlich erst, wenn eine Ecke im Land gefunden sei, wo sich der strahlende Berg endgültig vergraben lasse. Energie könne auch anders gewonnen und bereitgestellt werden. Die Erneuerbaren ständen bereit, sie schrieben auch keine Rechnung, sondern seien eine Investition in die Zukunft, ohne Abhängigkeit von anderen Ländern, von Diktatoren und der menschenverachtenden Fracking-Industrie. "Ich wünsche mir, dass wir lieber heute als morgen vorankommen mit dem Energieausstieg, denn ich wünsche mir auch, dass meine Generation eine Zukunft hat, die strahlend hell ist, aber nicht radioaktiv strahlt." 

Es soll eine Zukunft sein, die Mobilität anders definiert. Magdalena Sommer möchte keine Autos mehr auf den Straßen, keine Großstädte, die überlagert sind vom monotonen Rauschen der Fahrzeuge, das jedes Vogelzwitschern übertönt. Sie träumt von Städten ohne Parkplätze, von Supermärkten, die nicht von Stellflächen, sondern von Wäldern und Wiesen umgeben sind. "Heute stehen überall geparkte Autos am Rand der Straße oder auf riesigen, hässlichen Parkplätzen", beschreibt sie, "von unserem Balkonschauen wir direkt auf einen davon, der zu den Öffnungszeiten immer voll ist." 

Sommer hält Parkplätze für eine Einladung zum Autofahren, zumal sie meist von breiten Straßen aus angesteuert werden können. "Unsere Familie hat auch ein Auto, aber das ist alt und wir wollen es schon lange abschaffen." Immer wieder aber habe sich der Familienrat dagegen entschieden. "Wären aber alle Städte autofrei, müssten wir uns nicht mehr dazu durchringen, denn wir könnten ja ohnehin nirgendwo mehr hinfahren."

Grün mit Bus und Bahn

Es wäre das Paradies. Städte würden wieder grüner werden, ohne Autos hätte man viel mehr Platz, so dass man neue Grünanlagen, Tennis- und Spielplätze, Rollerbahnen und breitere Gehwege bauen könnte, "auf denen endlich auch zwei Kinderwagen aneinander vorbei passen". Zusätzlich hätten Fahrräder und die neuen Lastenräder endlich Raum, so dass auch ältere und alte Menschen selbst bei schlechtem Wetter, im Winter oder bei Dunkelheit keine Angst haben müssten, von Autofahrern übersehen zu werden. Wer außerhalb wohne, könne mit der Bahn kommen oder mit dem Bus zum Einkaufen fahren. "Dann würden vielleicht auch nicht mehr so oft shoppen gehen." 

Denn die strikte Beschränkung auf das Notwendige gehört zum guten Stil in der Welt, die sich Magdalena Sommer für ihre Zukunft und die ihrer Altersgenossen erträumt. Wer wohin fahren müsse, für den solle es ein Bahnnetz bis zur Haustür geben, ohne Verspätungen und unangenehm volle Wagen. "Das müsste auch alles billig sein und abgelegene Orte sollten an das Bahnnetz angeschlossen werden." Freiheit, wie sie Sommer versteht, unterscheidet nicht zwischen Autobesitzern und denen, die kein eigenes Auto haben. Die Deutsche Bahn und die örtlichen Verkehrsgesellschaften werden in ihrer Zukunft zum Rückgrat der nationalen Mobilität: "Dadurch wird eine neue Bewegungsfreiheit erreicht, die für alle gleich ist."

Einstieg in den Mobilitätsausstieg

Ob alte Omi draußen auf dem Land oder Teenager vom Dorf, Professor auf dem Weg zur Tagung in New York oder Politiker beim Besuch im Wahlkreis, sie alle würden einfach in einen Bus steigen, am nächsten Supermarkt aussteigen, sich eine Packung Müsli kaufen, Wählen die Hand schütteln oder sich in die Schlange vor der Disko stellen, statt wie heute wild draufloszufahren, ohne Rücksicht auf Abfahrzeiten, Fahrpläne und Verspätungen zu nehmen. "Das wäre eine gerechte Welt." 

Oft würde man wohl nicht schneller ans Ziel kommen, aber ohne Straßenverkehr könne es gelingen, Tausende Menschenleben pro Jahr zu retten. "Sollte uns dieses Zeil nicht die kleine Anstrengung wert sein?" Einsteigen in den Mobilitätsausstieg auf individueller Ebene würde Magdalena Sommer mit einem Tempolimit. "Würden alle auf Autobahnen nur 100 fahren, könnten dadurch weniger Unfälle passieren, es gäbe weniger Staus und alle wären schneller am Ziel." Das müsse als erstes gesetzlich geregelt werden. Magdalena Sommer will vorangehen. "Ich habe keinen Führerschein, werde aber sicherheitshalber auch keinen machen."


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

OT
Mein Resumee: (Julius Rabenstein)
Hier CO2 gespart, dort steigt die Emission. Nichts erreicht, nur Geld verbrannt. Dämliche grüne Logik.

DAS ist es, was ich liebe. Klimerschutz ja, CO2 böse, aber sooo doch nicht. Würg.
Ssörraundet bai Idiätz.

Anonym hat gesagt…

Darf "Kackservativer" stehen bleiben? Wenn nicht, dann nicht.