Mittwoch, 30. Juli 2025

Zollkriegstreiber: Lieber auf Knien sterben

Zollkriegstreiber: Lieber sterben als zahlen
Vor lauter Aufregung geriet dem "Merkur" die Grammatik außer Kontrolle.


Sie saßen schon in den Zollschutzbunkern und Handelsgranatstellungen und sortierten die Munition. Der Verteidigungswille der europäischen Eliten kannte kaum Grenzen, ihr Einfallsreichtum bei der Ankündigung, was sie den amerikanischen Zollkriegern alles antun würden, lenkten die nicht schleunigst ein, kein Vertun.

Gegenzölle. Neue Abgaben für Digitalkonzerne.  Ein genereller Ausschluss von US-Konzernen bei der Vergabe der besonders lukrativen Aufträge zur Umsetzung von großen EU-Programmen wie Green Deal, Digital AC und KI Act. Die Fantasie der Eurokraten kannte keine Grenzen. Amerika würde sehen, wer hier Koch und wer Kellner ist. Heulen und Zähneklappern hörten erfahrene Weltpolitiker wie der deutsche EU-Handelsausschusschef Bernd Lange in Washington. Niemals würde sich Europa ergeben. "Kein Deal zu US-Bedingungen!", rief der sozialdemokratische gelernte Lehrer aus Oldenburg. Der christdemokratische Kanzler pflichtete ihm bei. Schnell solle es gehen, aber fair müsse es sein.

Auf die Handelsbarrikaden! 

Die Drohkulisse hätte wirken sollen, sie hätte wirken müssen. Sie hätte zweifellos auch gewirkt, wäre alles andersherum gewesen. Doch während die politische Klasse den angeschlossenen Abspielstationen noch Geschichte vom Taco-Präsidenten erzählte - "Trump always chickens out" schrieben sie wie ein Mann auf einmal alle -  kniff der US-Präsident keineswegs. So empört, dass den Protokollanten die Grammatik entgleiste, trieb er "die Zoll-Eskalation" voran: "Trump beharrt auf seine Zölle" formulierte der ehemals eher konservative "Münchner Merkur", der heute als Schwesterzeitung der über Jahre radikalisierten ehemals linksliberalen "Frankfurter Rundschau" automatisch die dort verfertigten tiefgründigen Analysen übernimmt.

Doch es gab kein Biegen und kein Brechen. Eine feste Brandmauer stand zwischen Europa und dem Eingehen auf Trumps ungeheuerliche Forderungen. 15 Prozent auf alles! Das sind vier Prozent weniger als die EU jahrzehntelang auf amerikanische Importe erhoben hat! Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Europa dann ja nicht mehr, denn mit dem Ende des geliebten Systems des milliardenschweren Handelsungleichgewichts fehlt es dem Erfolgskontinent absehbar noch mehr als bisher an Finanzmitteln.

Bislang bezahlte Amerika  

Bernd Lange: Ein Gynasiallehrer gegen Trump.
So viele fällt aus. Sagenhafte 250 Milliarden Dollar Kredite mussten die USA im vergangenen Jahr aufnehmen, um sich mit Waren aus EU-Europa einzudecken. Hübsch abgeschirmt durch hohe Zölle, exportierte allein Deutschland, das außer Puste geratene Zugpferd der lahmenden EU-Wirtschaft, doppelt so viel in die USA, wie es dort bezog. Das viele, viele Geld konnte zum weiteren Aufbau von Bürokratie und Verwaltung genutzt werden. Es stärkte die Demokratie und die Zölle darauf  "bedeuten Einnahmen", lobte die EU die sprudelnde Geldquelle, aus der sie 14 Prozent ihrer Ausgaben deckt. 

Dass Trump das für Europa so segensreiche System ändern will, kam gar nicht gut an. Die wertebasierte Ordnung sei in Gefahr, wenn man selbst Zölle zahlen müsse, wie der andere sie bisher gezahlt habe. Man dürfe sich nicht beugen, ließ sich der französische Präsident vernehmen, der schon seit Jahren darauf dringt, die EU strenger vor schädlichen äußeren Einflüssen durch ausländische Waren, Dienstleistungen und Konzerne abzuschotten. 

Die EU-Vorsitzende Ursula von der Leyen, ins Amt gescheitert, als der Kommissionsvorsitz ausschließlich repräsentative Aufgaben mit sich brachte, schlüpfte ins Kettenhemd einer Zollkriegerin: Kein Fußbreit dem Faschisten, der, so hatten es alle europäischen Ökonomen ausgerechnet, allen schaden würde, vor allem aber seinen Amerikanern.

Europas Sorge galt den Amerikanern 

Denen galt, so seltsam es wirkte, Europas ganze Sorge. Trumps Wähler, barmten sie, würden doch für die verrückten Ideen ihres Präsidenten "bezahlen" müssen! Neue Zölle seien wie eine höhere Steuer,  hieß es. Jeder Aufschlag auf jeden Import lande am Ende auf der Supermarktrechnung eines einfachen Amerikaners. Alle werden verlieren, warnte ein vielstimmiger Chor. Die Inflation in den USA werde anziehen. Amerikaner würden ihre Jobs verlieren, Europäer ebenso. Der Welthandel komme zum Erliegen, wenn die für Europa so vorteilhafte "regelbasierte Handelspolitik" (Taz) künftig nach neuen Regeln betrieben werden müsse. 

Die sind einfach zu verstehen: Statt der angedrohten Strafzölle von 30 Prozent auf alle Importe aus der EU gibt es einen Standardzoll von 15 Prozent, der für nahezu alle Waren gilt, darunter Fahrzeuge, Halbleiter, Maschinen und Pharmaprodukte. Für einige Produktgruppen ist ein beidseitiger Zollsatz von null Prozent vereinbart, darunter Luftfahrtkomponenten, Chemikalien, einige Agrarprodukte, Generika und strategisch wichtige Rohstoffe. Nur auf Stahl und Aluminium bleibt es bei bis zu 50 Prozent. US-Firmen dürfen im Gegenzug für die höheren Zölle, die EU-Firmen beim Import in die USA zahlen, künftig zollfrei in die EU exportieren.

Frackinggas aus Amerika 

Andreas Bouverschulte: Ein ürgermeister gegen Trump.

Wie von Anfang an abzusehen war, bekam Trump, was er wollte. Um um sich dafür zu bedanken, verpflichtet sich die EU, in den kommenden drei Jahren jährlich US-Frackinggas, andere fossile Energieträger und Waffen im Wert von 250 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Und, die EU-Kommission traut sich offenbar zu, das zu veranlassen, private europäische Unternehmen werden 600 Milliarden Dollar in den USA investieren - etwa so viel wie die große "Made for Germany"-Initiative der neuen Deutschland AG dem Bundeskanzler kürzlich in die Hand versprochen hatte.

Andreas Bovenschulte, als Bremer Bürgermeister Chef eines ganzen Bundeslandes, kam es bitter an "zu sehen wie die EU dabei ist vor Trump den Schwanz einzuziehen". Die habe "keine Ehre im Leib" und betreibe eine "Politik des Appeasement", die zum Scheitern verurteilt sei, "weil sie die andere Seite ermutigt immer weiter zu machen". Kommata hat der Sozialdemokrat nicht gelernt, Geschichte schon; Die Briten gaben Hitler Österreich und das Sudetenland, von der Leyen gibt Trump das Versprechen, "25.000TWh Flüssiggas", das "mind. 5Mrd.t CO2 verursachen wird" zu kaufen, wie derf Berliner Klimaprofessor Volker Quaschning errechnet hat.

Ein mieser Deal 

"Ein mieser Deal für unsere Kinder!", schreibt Quaschning. Ein gutes Geschäft für Donald Trump. Auf den ersten Blick so gut, dass die Kritiker von EU-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen die Messer wetzten. "Unterwerfung" rief es in Paris, von einem "schlechten Deal" schrieben führende Hauptstadtkorrespondenten. Wirtschaftsverbände äußerten Sorge, wie es nun wohl um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte bestellt sein werde. Wirtschaftsweise errechneten flugs, warum nun doch wieder nicht werden wird mit dem Aufschwung. 

Die einzige Hoffnung, das Unheil noch abzuwenden und aus dem Zollstreit einen richtigen Zollkrieg zu machen, liegt in den komplizierten europäischen Beschlussmechanismen. Von der Leyen kann viel versprechen, Stimmen nicht alle Regierungen zu, wird es nichts. Normalerweise ist da Einverständnisverfahren war Formsache. Wenn es sich doch einmal hinzieht, dann bekommen die, die pokern, in der Regel so lange Sonderbonbons, bis sie doch zustimmen.

Ein schwarzer Tag 

Hier aber hat Frankreichs Premierminister François Bayrou schon einen "schwarzen Tag" ausgerufen und vor politischen und wirtschaftlichen Folgen gewarnt, die deutsche SPD knirscht, der Ungar Orban hat die Chance genutzt, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Trumps Frühstück zu bezeichnen und Frankreichs Europaminister Benjamin Haddad äußerte scharfe Kritik, weil die USA vor, wirtschaftliche Erpressung zum Mittel ihrer Politik gemacht hätten - und Europa sich habe erpressen lassen. 

Wie der Franzose fürchtet auch der deutsche Ökonom Nikolas Blome um das Wohl der amerikanischen Verbraucher. Die müssten für den Zoll-"Sieg" Donald Trumps über die EU zahlen, "in Gestalt höherer Preise", warnt der bekannte Journalist, der damit genau das framing der Europafeinde bedient. Statt das Positive zu sehen - durch den künftig zollfreien Import von amerikanischen Waren sinken die Preise in der EU - verlegt sich der angesehene Hauptstadtreporter auf billiges EU-Bashing. 

Ein hervorragendes Verhandlungsergebnis 

Das hervorragende Verhandlungsergebnis, das die EU in künftigen Krisenwintern mit Freiheitsenergie versorgt, den Nachschub an modernen Waffen sichert und unnötige Handelsschranken bei Luftfahrtkomponenten, Chemikalien, einige Agrarprodukte, Generika und strategisch wichtigen Rohstoffen ganz abbaut, wird kleingeredet. Aus dem stattlichen Erfolg, den die EU dank ihrer glaubwürdigen Drohkulisse erringen konnte, wird die Behauptung, wirtschaftliche Zugeständnisse seien "ohne Gegenleistung" (Haddad) gewährt worden und der EU drohe deshalb jetzt ein "Bedeutungsverlust auf der Weltbühne".

Gerade letzterer Vorwurf  ist geradezu absurd. Längst genießt die Europäische Union weltweit einen ähnlich erfolgreichen Ruf wie das kubanische Wirtschaftsmodell. Dass die europäische Bevölkerung sich von Brüssel abwenden könnte, wie der Franzose Benjamin Haddad warnt, weil die Kommissionspräsidentin und ihr immerhin im Moskau der kommunistischen Ära ausgebildeter  Handelskommissar Maroš Šefčovič im Ringen mit Trump steuerfreie Importe herausgehandelt haben, erscheint bizarr. 

Beliebt wie nie 

Die Zustimmungswerte zur EU, die die Kommission selbst ermitteln lässt, sind auf einem Rekordwert angekommen. Die erreichten Erfolge jetzt zu torpedieren, indem das gefürchtete EU-Instrument gegen wirtschaftliche Erpressung (auf EU-isch "Bazooka") in Stellung gebracht wird, spielt nur dem Herren im Kreml in die Hände, der darauf spekuliert, dass sich die Nato-Alliierten im Streit ums Geld entzweien. Überzeugte Europäer wissen das. Weder Von der Leyen noch Freidrich Merz noch der zu harten Widerstand entschlossene Sozialdemokrat Bernd Lange haben nach der Verkündung des Zoll-Deals noch einmal mit digitalen Sondersteuern oder dem gezielten Marktausschluss von US-Konzernen  gedroht.

Vom Eis ist die Kuh jedoch noch nicht, denn der Widerstand gegen von der Leyens Deal reicht vom rechten bis zum linken Rand. In Deutschland stehen AfD, Linkspartei, Grüne und BSW gemeinsam gegen das Abkommen, das in Frankreich als "Europäische Abhängigkeitserklärung" verhöhnt wird. Obwohl die Vereinbarung nur deutlich macht, wo der Hase immer schon langläuft, werden seine Vorzüge gezielt schlechtgeredet und seine Schönheitsfehlerchen betont.

Ein fatales Signal 

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge, immerhin studierte Volkswirtin, hatte den Handelsdeal ein "fatales Signal", der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, nutzte die Gelegeneheit sogar, um von einer "schwachen Position§ der EU im "internationalen Welthandel"zu flunkern. Achim Post, einer der vielen stellvertretenden SPD-Chefs, bangte ein weiteres Mal demonstrativ um die heimische Stahlbranche, statt sich zu freuen, dass eine der klimaschädlichsten Industrien unter den neuen Voraussetzungen deutlich schneller abgewickelt werden dürfte als bisher geplant.

Von Nius bis ND, von Junger Welt bis FAZ sind alle empört und dagegen. Bouvenschulte, Mitglied einer Partei, deren Politik seit Jahren darauf abzielt, die alten deutschen Industrien abzuwickeln, hat traurig die drohenden Arbeitsplatzverliuste in Automobil- und Stahlundustrie zusammengerechnet. Der grüne Geschäftsführer, eine Spitzenkraft in einer Partei, deren Starminister sich für den Kauf von fossilem Frackinggas feiern ließ, hat die EU beschuldigt, sich "Trump unterworfen" zu haben, statt zu den Waffen zu rufen. Marine Le Pen vom Rassemblement National bezeichnete das Abkommen als "politisches, wirtschaftliches und moralisches Fiasko"

Alle Hoffnungen richten sich nun darauf,  dass die 27 EU-Mitgliedstaaten dem Abkommen doch nicht zustimmen. Statt eines schlechten deals gäbe es dann einen guten Zollkrieg.


2 Kommentare:

Trumpeltier hat gesagt…

Wir lassen uns nicht unter Duck setzen !
Wir erhöhen die Zölle freiwillig!

Big Brother Donald hat die EUnuchen wieder alle als alberne Hofnarren vortanzen lassen.
Janz jroßer Zusager-Zirkus.

ppq hat gesagt…

unsere strategie ist einfach cleverer. die zölle, die die us-firmen bzw. die europäischen importeure für us-waren nicht mehr zahlen müssen, gehen direkt von den verbraucherpreisen ab. das spart bei den familien milliarden, die derf staat in zusätzliche klimamaßnahmen stecken kann