Samstag, 6. April 2024

Widerstand gegen Bürokratieabbau: Rechte gegen Kinder

Auch architektonisch ist die neue Bundesbürokratieabbauzentralamt (BBABZA) ein unübersehbares Statement für Bürgernähe.

Verzweifelter Versuch oder cleverer Schachzug? Raffinierter Plan oder durchschaubares ideologisches Manöver? Mit ihrem Trick, eine neue Bürokratieabbaubehörde unter der Prämisse aufzubauen, dass  zunächst nur 5.000 Mitarbeitenden sich vorerst ausschließlich mit der Entbürokratisierung der Auszahlung der Kindergrundsicherung befassen, hatte die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus einen großen Wurf gelandet, der von Anfang an über Bande laufen sollte.  

Erst die Kinder

Erst die Kinder, dann der Rest. Die noch von jeder Bundesregierung seit Ludwig Erhard versprochene Entbürokratisierung würde endlich in Gang kommen, wenn die in Arbeitspapieren auch als Bundesbürokratieabbauzentralamt (BBABZA) geführte Behörde erst ins Laufen komme.

Nicht alle Blütenträume von einem Deutschland ohne bürokratische Hürden reiften. Von Anfang an wurden Paus' ehrgeizige Vorstellungen von einer auskömmlichen Finanzausstattung des BBABZA mit rund zwölf Milliarden Euro vor allem von ihrem FDP-Kabinettskollegen Christian Lindner torpediert. Seit Herbst war klar, dass letztlich zum Start nur schmale 2,4 Milliarden zur Verfügung stehen. 

Doch nun wackeln auch die. Und mit ihnen eines der größten sozialistischen Projekte der Ampel: Familien, die aufgrund hoher Steuern, Abgaben und Preise finanziell nicht mehr allein klarkommen, sollten finanzielle Zuschüsse vom Staat gebündelt bekommen, direkt ausgereicht von der neuen zentralen Bürokratieabbaubehörde. 

Muster an Effizienz

Die war schlank und schnittig gedacht, ein Musterbeispiel an Effizienz. Bei insgesamt 5,6 Millionen Kindern, die Berechnungen des Familienministeriums zufolge von der Wiege an Anspruch auf ein eigenes auskömmliches Almosen haben, hätte jeder Mitarbeitende im BBABZ täglich fünf Kinderzusatzbetragsanträge bearbeiten und bescheiden müssen. Bis zu 1.120 jährlich waren angedacht, das ist deutlich mehr als das bayrische Prämienmodell vorsah.

Perspektivisch war geplant, das Erfolgsmodell später hochlaufen zu lassen - ein bundesweites Ausrollen der Idee einer zentralen Bewirtschaftung von weiteren Bedürftigkeiten, wie sie auch die Bundesvereinigung der Bürokratiebetroffenen (BBB) befürwortet hatte. Doch nun hat die unter miserablen Umfragewerten leidende FDP die das Modellprojekt der umfassend entbürokratisierten Kindergrundsicherung zum Anlass für eine ideologische Schlacht genommen.

Nur ein Prozent

Wegen der geplanten 5.000 zusätzlichen Stellen fordert die Partei des Vize-Kanzlers "eine grundsätzliche Überarbeitung". Völlig absurd angesichts der Tatsache, dass beim Bund, seinen Ämtern und seinen Behörden heute bereits rund 500.000 Menschen arbeiten. Als würde dieses eine Prozent über Wohl und Wehe der Nation entscheiden, stellen sich die Konservativen quer. Und das ausgerechnet mit dem Vorwurf, Lisa Paus baue ein neues "Bürokratiemonster" auf. 

Hanebüchener und bizarrer kann kaum gegen ein Mammutvorhaben wie das BBABZA argumentiert werden, bei dem es genau um das Gegenteil geht: Mit diesen zahlreichen Stellen und einer dadurch viel besserer Verwaltung soll ja gerade Bürokratie für die Bürger*innen neu erlebbar werden. Darauf hatten sich die drei Ampelparteien eigentlich im Meseberger Bürokratieabbaupaket geeinigt, das dann Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz, kurz BEG IV-E) schon in Bälde in Kraft treten könnte.  Wäre da nicht der Versuch von FDP und SPD, eines der zentralen Zukunftsprojekte der wegen ihres stabilen Erfolges in der insgesamt nicht erfolgsverwöhnten Koalition beneideten Grünen mutwillig zu zerstören.

Lästiger Bürokratieabbau

Die Forderung nach einem grundsätzlich überarbeiteten Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung zielt in Wirklichkeit auf den Bürokratieabbau insgesamt, das weiß FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai genau. Fällt das Vorhaben des Aufbaus des neuen Bundesbürokratieabbauzentralamtes, dann ist es zur Abwicklung der gesamten Idee des Kampfes gegen die Bürokratie nur noch ein Schritt. Selbst das aus Mitteln der Braunkohleförderung mit Hilfe des Transformationsfonds Grüne Gegenwart im brandenburgischen Welzow errichtete Bürokomplex des BBABZA (Foto oben) stünde dann vor einer ungewissen Zukunft und könnte kaum einem Kind wirksam aus der Armut helfen, indem ein Elternteil oder beide hier regelmäßig zur Arbeit erscheinen. 

Im politischen Berlin gilt das Gründungsgesetz für das BBABZA derzeit als nicht zustimmungsfähig, obwohl ein Durchwinken im Bundesrat und in Brüssel wohl nur Formsache wären. Forderungen, wenigstens symbolisch einige der für die erste Aufwuchsstufe geplanten 5.000 neuen Stellen zu streichen, hat Lisa Paus bisher dennoch zurückgewiesen. 

"Das zusätzliche Personal bedeutet eine Bürokratieentlastung für die Bürger", bekräftigte sie ihre Position, die sogenannte Bürokratielast künftig örtlich zu konzentrieren, um lange, klimaschädliche Fahrten von Antragsteller*innen zu mehreren Anlaufstellen zu vermeiden. Wie schief es ohne solche Bemühungen gehen kann, zeigt die jüngste Ampel-Einigung auf eine verbindliche Bezahlkarte für Geflüchtetseiende: Sie sollte eigentlich entbürokratisieren, indem sie Barauszahlungen ersetzt. Nun kommt sie als Zusatz zu den Barauszahlung.

Geplatzter Zeitplan

Der Zeitplan zum Start der ersten Stufe des Bürokratieabbaus in Deutschland ist durch den Streit bereits jetzt gefährdet. Gelinge es jedoch nicht, die zusätzlich entstehenden Bürokratiekosten für das BBABZS im kommenden Bundeshaushalt unterzubringen, drohe ein noch längeres Zeitspiel mit ungewissem Ausgang, heißt es im politischen Berlin. Es sei keineswegs gewiss, dass die nächste Bundesregierung nach der Wahl im Herbst 2025 an den Plänen festhalte. Möglich sei auch, dass sie einen eigenen Weg finden werde, neue enorme Bürokratiekosten entstehen zu lassen, um beim Bürokratieabbau voranzukommen.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

OT
>> Triker 5. April 2024 at 11:37

Genau so hat es 1933 auch angefangen.
Die SA hat nur darauf gewartet, losschlagen zu dürfen – genau wie heute die ANTIFA.
<<

----------------------------------------------------

Weicht von Godwins Gesetz insofern ab, als dass diese Flachzange schon mit dem zweiten Kommentar loslegt. "Eckelhaft". Wie ein Papagei mit kalter Lötstelle. Und so weise bzw. wohlinformiert ...