Freitag, 5. April 2024

Putschpläne: Unterschätzte Staatsfeinde

"Zwei wie Pech und Schwefel" hat der Maler Kümram diese Übersetzung der Geheimaffäre "Schulmädchen" in ein Ölgemälde genannt.

Er war der Prätorianer der Kanzlerin, der Mann, der ihr noch den Rücken freihielt, als er selbst schon längst wie immer der Meinung war, dass es besser gewesen wäre, er selbst würde das Land führen. Doch Wolfgang Schäuble haderte im Stillen, seine Stimmungsumschwünge erklärte er öffentlich mit Veränderungen der politischen Temperatur, nie mit den eigenen Ambitionen.  

Erst jetzt, nach dem Tod des Christdemokraten, der länger in der dünnen Luft von Bonn und Berlin ausgeharrt hatte als jeder andere, treten die Geheimnisse des Richelieu der Berliner Republik zutage. Nicht von ungefähr, sagt Hans Achtelbuscher, der An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung zum Themensterben in den deutschen Medien, Sprachregelungsmechanismen und dem Einfluss subkutaner Wünsche auf die berichterstattete Realität forscht. Hinter dem Spiegel, sagt er bewusst doppeldeutig, verberge sich aller wissenschaftlichen Erfahrung nach eine sogenannte zweite Realität. "Sie beeinflusst den Weltenlauf, ist aber erst mit Verzögerung zu sehen."

PPQ hat Hans Achtelbuscher zu den Weiterungen der jetzt von Wolfgang Schäuble aufgedeckten Putschpläne gegen die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel befragt, die medial nur kurz abgekocht wurden.

PPQ: Herr Achtelbuscher, wenn eine Gruppe hochkarätiger Politiker insgeheim plant, eine noch hochkarätigere Politikerin zu stürzen, scheint das rückblickend kein großes Thema mehr zu sein, weil es nicht geklappt hat. Medien halten sich sehr zurück, öffentlich genannte Mitverschwörer bleiben unbehelligt. Sagen Sie uns, ist das normal?

Achtelbuscher: Unter den derzeitigen Verhältnissen wohl schon. Sehen Sie, in der alten Bundesrepublik, jenem sagenumwobenen Land einer Demokratie, die gerade erst geübt wurde und deshalb sehr, sehr ernst genommen, hätte ein solches spätes Bekenntnis aus der Gruft heraus zweifelsohne alle Alarmglocken läuten lassen. Heute aber wird von allen stets die zweite Ebene mitgedacht: Wenn über eine solche Nachricht wie die über das Unternehmen Schulmädchen Zweifel an der Festigkeit der Institutionen geschürt werden, wenn Teile der Bevölkerung beunruhigt werden könnten, dann ist es besser, diese ganze unschöne Affäre als Petitesse zu behandeln.

PPQ: Aber geht es denn nicht um Grundsätzliches? Um den Respekt vor Demokratie und Rechtsstaat, Regeln und Werten?

Achtelbuscher: Zweifelsfrei. Doch Sie müssen eben auch sehen, dass solche gezielt lancierten Nachrichten heute Teil einer hybriden Kriegsführung sind, die verunsichern soll, Zweifel wecken und Gewissheiten erschüttern. Da fließt viel russisches Geld für kremlfreundliche Propaganda, wir als Forschender erkennen dahinter immer wieder dasselbe Muster, gerade wie jetzt vor Schicksalswahlen. 

PPQ: Wolfgang Schäuble, dieses wegen seiner Äußerungen und Ansichten oft als nationalistisch kritisierte Unionsurgestein, ein russischer Einflussagent? Also wirklich...

Achtelbuscher: Er selbst muss das ja nicht gewusst haben. Hinter dem Spiegel, auch hinter dem Magazin, verbirgt sich aller wissenschaftlichen Erfahrung immer nach eine sogenannte zweite Realität. Wir wissen, Helmut Kohl sollte einmal gestürzt werden, allerdings nur als Parteivorsitzender, das ist also eine reine Vereinsgeschichte. Kurt Beck wurde sogar nachweisbar weggeputscht, aber eben auch nur von seinem Amt in der Partei. Hier nun sollte durch einen Staatsstreich von oben die Weltgeschichte verändert werden - man wollte offenbar die Willkommenkultur beenden, die Grenzen schließen, obwohl das nicht möglich ist, und vermutlich auch Grundrechte außer Kraft setzen. Schäuble wird nun gelobt, weil er der Versuchung widerstanden hat. Doch aus demokratietheoretischer Sicht ist das dünnes Eis: Dieser Mann, der sich selbst immer als Diener der Demokratie beschrieben sehen wollte, hat zwar bei diesem Aufstand nicht mitgemacht. Aber er hat ihn auch nicht an die zuständigen Behörden gemeldet. 

PPQ: Warum nicht?

Achtelbuscher: Das ganze Geschehen spielte ja in einer Männerrunde, lauter Leute von einem Schlag, die sich gegenseitig über Jahre und Jahrzehnte bei der Karriere geholfen hatten. Sehen Sie, Schäuble selbst, ein Musterdemokrat allen Darstellungen zufolge, hatte ja auch schon in seiner Kofferträgerrolle für seinen früheren Herren Helmut Kohl dessen Wunsch nach möglichst viel Geld für die berühmte Landschaftspflege über alle rechtlichen Vorschriften gestellt. Reiner Zufall, dass er hier nein gesagt hat, eine absolut willkürliche Einzelentscheidung. Wäre es anders ausgegangen, wären wir alle am nächsten Tag in einer anderen Welt aufgewacht.

PPQ: Was hätte denn noch zwischen den Putschisten und dem Rechtsstaat gestanden? 

Achtelbuscher: Nun, uns ist nicht bekannt, wie der Umsturz genau ablaufen sollte. Bewaffnet? Kleine Gruppen oder klassisch mit Angriffen auf alle wichtigen Schaltstellen? Wie viele Verschwörer waren eingeweiht? Gab es schon Verabredungen über die künftige Regierungsform? Aber: Erschütternd ist ja vor allem, welche Personengruppe beteiligt war. Das waren nicht Leute vom Lande, die in Berlin erstmal hätten schauen müssen, wie es im Bundestag aussieht und wen sie nach dem Weg zum Kanzleramt fragen können. Die wissen, wie man Macht nutzt und anwendet. 

PPQ: Offenbar waren die meisten mutmaßlich Beteiligten an diesem Geheimplan gegen Deutschland Mitglieder der Union. Sind die sogenannten Konservativen bislang unterschätzt worden in ihrer Bedeutung als staatsfeindliche Gruppe? 

Achtelbuscher: Ohne jede Frage. Die Geheimdienste schauen in viele Richtungen, traditionell auch betont nach rechts, gerade weil ihnen vorgeworfen wird, auf diesem Auge blind zu sein. Aber dass sich Umsturzfantasien selbst in der bürgerlichen Ecke breitmachen können, haben sie immer noch nicht auf dem Schirm. Das Geschehen, um das es hier geht, ist wohl beinahe neun Jahre her. Und der Verfassungsschutz wusste bis eben nicht einmal gerüchtehalber davon. Da steht für uns Wissenschaftlernde schon die Frage, wie Prävention aussehen solle, ohne dass die Kenntnisse beschafft werden, die learnings aus denen aus der Geschichte ermöglichen.

PPQ: Was müsste aus Sicht der Medienwissenschaft jetzt geschehen? 

Achtelbuscher: Nun, auch für uns war die Nachricht über den geplanten Putsch ein Paukenschlag. Kaum jemand hätte sich vorstellen können, dass so etwas wie der Marsch auf die Feldherrnhalle vor 100 Jahren noch einmal geplant wird und dass ein - möglicherweise gewaltsamer -  Umsturz in Deutschland in irgendwelchen Hinterzimmern besprochen wird. Für uns als Forscher ist aber beinahe ebenso erschreckend, mit welchem Gleichmut die Mediengesellschaft die Hinweise auf die mutmaßlichen Rädelsführer hinnimmt. Da gibt es keine Nachfragen, keinen Versuch, das Geschehen rasch weiter aufzuklären. Wer war noch dabei? Was sagt die Hauptbetroffene? Leugnen die Putschisten? Logische, naheliegende Fragen, die nicht gestellt werden.

PPQ: Es gibt ja aber auch keine Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, keine Wortmeldung des Verfassungsschutzes.

Achtelbuscher: Ja, das ist nicht zu übersehen. Da plante mutmaßlich eine Vereinigung von hochrangigen Politikern den Sturz der gewählten Regierungschefin und eine neue Ordnung in Deutschland. Sie plante das Vorgehen gegen europäische Verträge wie die Vereinbarungen zu den offenen Grenzen, sie wollten die Vorgaben der Väter der Verfassung zum Asylrecht abschaffen... Und statt dem Geschehen sofort nachzugehen, sehen Sie, schweigen alle zuständigen Organe fein still? Mit der Begründung, das sei schon lange her? Und Medien akzeptieren das, indem sie das Ganze als "Vorgang aus dem Jahr 2015" beschreiben, "der damals für ein innenpolitisches Beben gesorgt hätte - wäre er denn bekannt geworden", wie es die Süddeutsche Zeitung eleganter nicht hätte umschreiben können? 


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

OT
Uns' Hadmut geht den Spezialdemokranaten Brodkorb an ...

Anonym hat gesagt…

Noch'n OT

>> abc sagt:
5. April 2024 um 7:12

Und du wirst es nicht glauben, die alten Zeiten fanden sie alle besser.

Is` ja klar!

In den 70ern gabs Kiffen 24h „knick-knack“ früh, mittags, ahmd und nachts, und Mucke 365.

Aus Sex, Drugs und Rock`n`Roll wurde

Wassergymnastik, Doppelherz und Helene Fischer !! <<
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Ach, des Geistes wurde ich oft müde, als ich auch das Gesindel geistreich fand!

Anonym hat gesagt…

Re: OT Dumm wie ein Korb Brot

Jemand, der 'Hexenverbrennung' schreibt wenn er 'Hexenverfolgung' meint, ist grün oder rot.