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Es dreht und dreht und dreht sich: Ganz Deutschland sitzt auf dem Hakenkreuz-Karussell. |
Er ist ein Klassiker rechten Gedankenguts, fast so geläufig wie "Alles für Alice" und das Hakenkreuz-Karussell "Adlerflug", mit dem ein Freizeitpark im Schwarzwald vor Jahren versucht hatte, junge Leute zum Mitreisen in die Vergangenheit zu werben. Die "Naziparole" (Spiegel) "NSDABI - Verbrennt den Duden" schien allerdings schon vergessen und verschwunden. Bis sie jetzt von Unbekannten an einer hessischen Schule auf Platz eins bei der Umfrage zum diesjährigen Abiparty-Motto landete.
Ein Jahr nach der Sylt-Krise, die das Land bis ins Mark erschütterte, hat Deutschland wieder nichts aus der Geschichte gelernt. Als hätten Polizei und Staatsanwaltschaft mit der Welle an neuen rechten Straftaten nicht ohnehin genug zu tun, müssen sie nun auch noch ermitteln, um die Urheber der "Anspielung auf die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), die Bücherverbrennung und den Massenmord an den europäischen Juden" (Spiegel) zu finden.
Versagen des Bildungssystems
Ein Schulversagen, ja, ein Versagen des gesamten Bildungssystems. Trotz aller Dauerbeschallung mit Führer, Führerstaat, Führerkrieg, Führerhund und Führerhochzeit im Reichsbunker klaffen offenbar große Lücken im Geschichtswissen der nachwachsenden Generationen. Hatte der als "Faschist" bekannte Thüringer AfD-Führer Björn Höcke seinen Missbrauch der Parole "Alles für D-Wort" noch damit begründet, dass er die Strafbarkeit der "einfachen Wortfolge" aus dem Fundus der SA nicht gekannt habe, weil er zwar Geschichtswissenschaft studiert habe, aber nur für das Lehramt an Gymnasien, können sich die Abiturientinnen und Abiturienten damit nicht herausreden.
NSDABI ist ganz offenkundig eine gezielte Verballhornung der Abkürzung NDSABI, die das Niedersächsische Bildungsportal schon seit Jahren nutzt. Die Schülerinnen und Schüler aus Gießen spielten mit der Umstellung zweier Buchstaben ganz offenbar auf die von Hitlers Nazipartei genutzte Abkürzung NSDAP an, der in der Bundesrepublik ebenso wie Hakenkreuz, DAF-Fahne und die Alternative Nationale Strausberger Dart-, Piercing- und Tattoo Offensive (ANSDAPO) wegen einer offenkundigen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verboten ist.
Was war das A und O?
Der ANSDAPO, die gemeint hatte, Fachleute mit der Hinzufügung zweier Buchstaben täuschen zu können, war das Bekenntnis zum Wiederaufbau der verbotenen NSDAP "A und O ihres politischen Handelns", wie das Innenministerium des Landes Brandenburg das vor 20 Jahren erlassene Vereinsverbot begründete. Wie es im Fall der Gießener Oberschüler steht, müssen die Ermittlungen erst noch zeigen. Erste Recherchen haben ergeben, dass das kein Einzelfall ist. Neben "NSDABI - SAbi macht frei" und "NSDABI - Führerlos zum Endsieg" versuchten auch schon frühere Jahrgänge, codierte Nazi-Parolen als Erkennungszeichen zu verwenden.
Die Polizei hegt einen Anfangsverdacht, dass es sich um Volksverhetzung handeln könnte. Für die deutschen Medien aber ist die Angelegenheit klar: Seit Deutschlands großem Sylt-Ausflug hat keine Geschmacklosigkeit mehr solche Aufmerksamkeit erregt. Selbst Pleitewelle und Rezession können mit der Popularität des Themas nicht mithalten. NSDABI, vom Abgangsjahrgang über "ein anonymes Portal" (DPA) als Favorit für das Abimotto ermittelt, setzte sich einem Eingeständnis von Schülern zufolge gegen andere "antisemitische, rassistische und diskriminierende Ideen" durch, obwohl die "ebenfalls anonym mehrfach positiv bewertet" worden waren.
In aller Deutlichkeit
Das Abikomitee immerhin zeigte Verantwortungsbewusstsein: Nach "Bekanntwerden der Vorfälle" wurde der Zugang zu dem Portal gelöscht und ein Hilferuf an die Schulleitung gerichtet. Die rief den kompletten Jahrgang zusammengerufen, um den Vorfall "in aller Deutlichkeit zu missbilligen und klar Stellung gegen diese demokratiefeindlichen Gedanken zu beziehen", heißt es in der Stellungnahme.
Unter umgehender Einschaltung externe Nothilfestellen wie DEXT (Demokratieförderung und Extremismusprävention), einer Fachabteilung des Hessischen Ministeriums des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz, stimmten sich Aufsichtsgremien mit der landesweiten Meldestelle "Hessen gegen Hetze" ab, einer Abteilung des Hessischen Ministeriums des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz. Einigen konnten sich alle Beteiligten darauf, eine womöglich von außen manipulierte Abstimmung als wahrscheinlichste Ursache für den Sieg des "geschmacklosen Vorschlags" (Spiegel) geeinigt.
An der deutschen Front
Da "viele Stimmen innerhalb kurzer Zeit abgegeben worden seien, wirke es wie eine geplante Aktion", berichtet der Gießener Anzeiger, die viertälteste Zeitung Deutschlands, die den deutschen Angriff auf Polen und den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit der Zeile "Die deutsche Front hört die Rede des Führers" gefeiert hatte. Heute hört Deutschland das Lob der Schulleitung an die Schülerinnen und Schülern, die auf die Vorkommnisse aufmerksam gemacht hätten.
Wie viele es waren, die gesellschaftliches Bewusstsein zeigten, bleibt intern. Fakt aber ist, "sie haben eine vorbildliche Haltung gezeigt, die ein starkes moralisches Bewusstsein ausdrückt." Inzwischen distanzieren sich alle in aller Form von den Vorschlägen, die "in direktem Widerspruch zu dem Leitbild stehen, "das auf Respekt, Vertrauen, Achtsamkeit, Kooperationsbereitschaft und Freundlichkeit basiert", hieß es in der Stellungnahme.
4 Kommentare:
Ich schrob neulich in ähnlichem Zusammenhang in das Internet hinein, weil doch eine junge Frau von der Zeit den schönen Nazis voon Sylt nachtrauerte, weil keiner von denen mit ihr reden will. Ja, Nazis haben auch ihren Stolz. Also schrob ich:
"Ich mag keine deutschen Journaillisten, die vorgeben, daß sie tolle und fleißige Kerle sind. Sind sie nicht. Deren Sympathielevel bewegt sich in etwa auf dem Level von Drogendealern. Eigentlich gehören die in die Produktion, denn da können sie deutlich weniger Schaden anrichten. Ihr seid Luschen."
Zumindest der letzte Link lohnt sich zur Erheiterung als auch Festigung eines sonnigen Gemüts, wegen des Kommentarkellers.
Das kommt davon, dass man selbst als Erwachsener ein gewisses abgeschmacktes Gruselmärchen NICHT "hinterfragt". Dann sieht man im Amazon-Logo das Antlitz des Leyhafftigen - ja, das gab es!
Was mag uns da entgangen sein ...
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