Dienstag, 1. Juli 2025

Roter Adel: Türmer, Rächer der Enterbten

Philipp Türmer SPD Jusos Hetze gegen Privatiers
Von der eigenen Bedeutung höchst bewegt: Philipp Türmer steht für eine Generation an der Spitze der SPD, die noch nie irgendeine Berührung mit der Lebenswelt der Menschen hatte, für die sich sich einzusetzen vorgeben. 

Hart in der Sache, falsch in den Fakten. Als Phillip Türmer, Chef der Jungsozialisten und Nachwuchshoffnung der SPD, beim Parteitag der früheren Arbeiterpartei hinter das Rednerpult trat, waren all die Großen schon durch. Esken hatte gesprochen, im Moment des Scheidens gefeiert. Scholz, denn alle in der Partei seit Jahren hatten loswerden wollen, wurde beklatscht. Sogar Klingbeil, den die Delegierten mit nur 64 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt hatten, durfte sich wie ein Sieger fühlen.

Alle hatten sie getan, was verlangt war. Die Seele der an sich selbst zweifelnden Reste der früher so selbstbewussten größten sozialdemokratischen Bewegung Europas gestreichelt, Aufarbeitung möglicher Fehler versprochen und rituell zum Kampf gegen rechts aufgerufen.

Aus altem rotem Adel 

Routine, um über den Tag zu kommen, bis sie einer unterbrach: Phillip Türmer, 29, aus altem sozialdemokratischen Adel und seit zwei Jahren Chef der Nachwuchsorganisation der Partei. Kein Name wie Donnerhall, kein Rebell wie Jette Nietzard gegenüber bei den Grünen oder ein scharfsinniger Strippenzieher mit Machtinstinkt wie es einst Kevin Kühnert war. 

Türmer sieht aus wie Büroangestellter. Ihn umweht so viel Hauch von Rebellion wie einen Ordnungsamtsmitarbeiter. Türmer war es, der die SPD-Spitze vor der Bundestagswahl zur Veranstaltung einer großen geplanten "Wahlsieg-Konferenz" drängte. Türmer war es auch, der Klingbeil nach der verlorenen Wahl den "Architekt des Misserfolgs" nannte.

 

Die Entscheidungen in der Partei aber laufen immer noch am Mann auf Offenbach vorbei, obwohl der aus bestem sozialdemokratischen Hause stammt. Mutter Staatsanwältin mit SPD-Parteibuch, Vater Ministerialdirektor. Hart arbeitende Mitte und roter Adel mit tiefen Wurzeln, aus denen Türmer junior als neuer Trieb schlägt.

Und wie! Als der Student der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Berlin ans Podium trat, waren nur formal längst alle Messen gesungen und die SPD ein weiteres Mal gerettet. Dann aber hob Türmer an mit einer leidenschaftlichen Rede, wie sie die auf bloße Machtroutine abonnierte SPD schon lange nicht mehr gehört hat. Wie ein den Zeiten von Andrea Nahles stand da jemand, der sein Inneres sprechen ließ, die Stimme nahe am Kippen, der Inhalt sogar komplett.

Aufgebaut auf falschen Fakten  

Ausgangsthese Türmers war eine Fake News, die der angehende Jurist wohl in seinen Kindertagen der Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" entnommen hatte. Die Vermögensverteilung im Land, wetterte der Hesse nach deren Drehbuch jedenfalls, sei so ungerecht verteilt wie zu Kaisers Zeiten vor 100 Jahren. Die Empörung, die Türmer als Sprössling einer Sippe empfindet, die selbst unter dem ungerecht verteilten Wohlstand leidet, war ihm anzuhören.

Zwölf Jahre nach dem Abitur ist Türmer in der Rolle des zornigen jungen Mannes aus dem Volk zu sehen, der sich Sorgen über eine wirtschaftliche Ungleichheit macht, von der er gelesen hat. 900.000 Menschen lebten "allein von ihrem Vermögen", ruft Türmer mit vor Selbstbegeisterung zitternder Stimme, aber "20 Prozent der Familien können sich nicht einmal eine Woche Urlaub pro Jahr leisten". 

Mit den 900.000 Selbstversorgern, deren Auskommen nicht näher erklärt wird, sind Statistiken zufolge offenbar die knappe Million Deutscher, die mit dem Ertrag ihres Ersparten lebt, entweder, weil sie früher fleißig waren und wenig ausgegeben haben, oder weil ihre Vorfahren zu Geld gekommen waren und es schafften, es durch als Weltstürme zu erhalten.

Keinen Tag Arbeit 

Für Philipp Türmer macht sie das zu Feindbildern. Der Mann, der von den Gründern der SPD als von Leuten aus der "Arbeiter*innenbewegung" spricht, spuckt den Begriff "Privatier" aus wie Galle. "Privatiers" sind es, die für den zerrütteteten Zustand der Gesellschaft verantwortlich sind. Privatiers sind die neuen Spekulanten, Manager und Reiche. Die SPD will sie wieder schützen. Sie müsse, sagt Philipp Türmer.

Den Mann, der in seinem ganzen Leben noch keinen Tag dort zugebracht hat, wo die leben, für die er zu kämpfen vorgibt, beseelt unübersehbar ein tiefsitzender Hass auf jeden, der seiner Zuwendung nicht bedarf oder sie aus prinzipiellen Gründen ablehnt.

Türmer hat noch nie ernsthaft gearbeitet, noch nie Hunger gelitten, noch nie Armut erfahren.Aber er hat gelernt, auf Bühnen so zu tun als ob: Wie er da steht, in einer Art blassblauen Popstar-Arbeitshemd und mit der großen schwarzgerahmten Intellektuellenbrille in Ray-Ban-Optik im Gesicht, erinnert Türmer an eine anderen großen Redner aus der deutschen Geschichte, der ähnlich ekstatisch wetterte und stets am meisten von sich selbst ergriffen war. 

Die tiefen Taschen des Staates 

Dass die Eingangsthese mit der Ungerechtigkeit, die schlimmer ist als im Kaiserreich, frei erfunden ist, stört Philipp Gangolf Balthasar Türmer nicht. Nahles machte sich die Welt, wie sie ihr gefiel, er schwatzt einfach, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Kaiserreich. Ungerechtigkeit. Kuponschneider. Urlaubsmangel. Als Nachwuchskader einer Partei, die maßgeblich dafür gesorgt hat, dass seit Jahrzehnten jede Verschlimmbesserung von Gesetzen, Regeln und Vorgaben dazu führte, dass Vater Staat am Ende noch tiefere Taschen hatte, schafft es Türmer so zu tun, als sei das alles das Werk schamloser Großkapitalisten.

Richtig ist zwar, dass die Vermögensungleichheit in den letzten 25 Jahren stark zugenommen hat, weil das Vermögenswachstum in der unteren und oberen Hälfte der Verteilung deutlich auseinandergegangen ist, während die Sozialdemokraten regierten oder doch mitregierten. Einer Studie des Egon-Institutes zufolge, die Vermögenssteuerdaten, Erhebungen und Listen vermögender Personen untersucht hat, ist die Konzentration von Vermögen beim reichsten Prozent der Deutschen seit 1895 allerdings nicht etwa gestiegen, sondern von 50 Prozent auf inzwischen weniger als 25 Prozent gefallen. 

Der vermeintlich gerechte Sozialismus 

Statistisch erwiesen ist auch, dass der von bürgerlichen Herzenssozialisten wie Kühnert, Esken oder eben Türmer gern als gerechter propagierte Sozialismus Vermögen keineswegs gerechter verteilt. In der DDR, von ihren glühenden Anhängern bis heute als der gerechtere deutsche Staat verherrlicht, waren die Vermögen exakt im gleichen Maße ungerecht verteilt wie im Westen mit seiner Marktwirtschaft und der parlamentarischen Demokratie, die Populisten wie Phillip Türmer am liebsten abschaffen würden, um als Wohlfahrtsausschuss selbst für Gerechtigkeit zu sorgen.

Türmer, Gerüchten im politischen Berlin zufolge wegen einer groben Namensähnlichkeit zuweilen als "Stürmer" verhöhnt, lässt sich von der Wirklichkeit allerdings nicht aufhalten. Der 29-Jährige, vom Habitus her Mitte 40, hat einen Karriereplan, der den guten alten Sozialneid als Haupttreibstoff nutzt wie frühere sozialdemokratische Führungsgenerationen auch. Hass schüren auf die, die mehr haben, bringt politisch mehr ein als dort sparen, wo vor allem denen genommen wird, die jeden Cent brauchen. 

Die Reichen im Visier 

Philipp Türmer würde gar nicht wissen wollen, dass ein höherer Mindestlohn vor allem dem Finanzminister nützt. Reiche sind seine Zielgruppe, bei denen, die mehr haben als andere, will er kassieren, was fehlt, um noch mehr als die bisherigen 52 Prozent umverteilen zu können: Von oben nicht nach unten, sondern von oben zum Staat. Dazu brauche es, ruft Türmer im Berliner City Cube von der Bühne, "eine mutige Sozialdemokratie, die es wagt, die Frage der Vermögensverteilung laut und deutlich anzusprechen". 

Der Satz sagt natürlich vor allem: Seht her, hier ist einer, der es wagt! Ein mutiger Mann mit zitternder Stimme, der sich bewusst ist, wie sehr er an ein Tabu rührt, das Linkspartei, Grüne, Wagenknechts BSW und die SPD in jedem Wahlkampf und an jedem Tag zwischendurch beklagen. Ohne jemals auf die Idee kommen zu wollen, nach den Ursachen zu fragen. Wo ist es hin, das ganze Geld? Wieso hat der Staat immer mehr und es reicht für immer weniger? Wieso können hart arbeitende Mittemenschen sich heute kein Haus mehr bauen? Und wie sind es die Bundestagsabgeordneten, deren Einkommen in den zurückliegenden 25 Jahren um 87 Prozent gestiegen sind? Während Arbeitnehmer mit deutlich weniger zufrieden sein mussten?

Rächer der Enterbten 

Philipp Türmer steht da, ein Schmied seines eigenen Glückes und ein weiterer Vertreter der Nomenklatura der SPD, der sich müht, einen echten Blue-collar-Politiker zu spielen. Türmer hat es geschafft, der drohenden Zukunft in einer Rechtsanwaltskanzlei Richtung Politik zu entkommen. Dort ist der Rächer der Enterbten, über dessen Broterwerb nicht mehr bekannt ist, als dass er im 24 Semester gerade seine Doktorarbeit schreibt und als Juso-Chef kein Gehalt bekommt, ein aufgehender Stern in einer untergehenden Partei. Die Linke hat ihre Ostmulle Heidi Reichinnek, zuständig für besinnungslosen Populismus. Die SPD hat Philipp Türmer, der die Partei wieder zur linken Volkspartei machen will, indem er Milliardäre so lange enteignet, bis aus ihnen Millionäre geworden sind.

Ohne Scham, ohne Respekt und ohne Interesse an der Wirklichkeit steht der von sich selbst berauschte späte Teenager für eine SPD-Funktionselite, die das Leben gewöhnlicher Menschen nur aus Erzählungen kennt. Dank Führungsfiguren wie Türmer ist die frühere Arbeiterpartei heute kulturell das perfekte Abbild der Lebenswelt und der Lebensläufe ihrer Funktionäre. 

Alle unter seine Knute 

Türmer beklagt nicht etwa, wie das ehemals so wohlhabende Deutschland in einen Zustand geraten konntet, in dem es in einem langen Berufsleben von 20 Millionen Rentnern und Ruheständlern nur 900.000 geschafft haben, sich von staatlichen Zuwendungen und Hilfszahlungen unabhängig zu machen. Er zielt darauf, auch diese knappe Million noch unter seine Knute zu bekommen, um sie sich mit gnädigen Gaben gewogen machen oder mit angedrohten Strafen erziehen zu können.

Das Ideal des jungen Mannes, der im Geiste bis heute im Kaiserreich feststeckt, ist der fürsorgliche Staat, in dem jedermann sich darauf verlässt, dass von oben Manna regnet und keiner merkt, dass er selbst das bisschen Tröpfeln bezahlt. Philipp Türmer will ausdrücklich nicht, dass möglichst alle Menschen unabhängig und selbstbestimmt leben können. Er will das Gegenteil. Um dorthin zu kommen, das betonte er am Ende seiner Parteitagsrede, benötige Deutschland eine Sozialdemokratie, die stark sei und groß.

Seine Rede beendet Philipp Türmer dann wirklich und ganz ernsthaft damit, dass den "lieben Genossinnen und Genossen" ein "Glück auf!" zuruft als habe er seine Rede nach Schichtschluss in der Kaue geschrieben. 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der macht ansatzlos da weiter, wo Esken und Stegner aufhören mussten. Schon jetzt eine Legende der Arbeiter Innenbewegung.

ppq hat gesagt…

aus dem wird mal was großes. allerdings in einer ganz kleinen partei