Mittwoch, 2. Juli 2025

Wärmewende: Auf einmal noch heißere Hitze

Der Planet brennt, Hitze ist Trend.

Die weltweite Erwärmung und die Erwärmung bei uns galoppieren uns regelrecht davon. 

Karsten Schwanke, Wettermoderator

Heiß, heißer, am heißesten und immer ist es Deutschland. Nur in absoluten Erhitzungszahlen sind andere Staaten längst davongeeilt, unbewohnbar nach hiesigen Maßstäben nicht erst seit gestern. Im statistischen Langzeitvergleich der Entwicklung der Temperaturen aber zeigt sich, dass Deutschland das am heftigsten betroffene Gebiet weltweit ist.  "Die Bayern vertragen die Hitze schlechter als die Spanier", heißt es in warnenden Aufsätzen der Leitmedien, die zugleich auch diese Gelegenheit nutzen, die längst widerlegte These von den angeblich nur nachweisbaren zwei Geschlechtern wieder zu propagieren. 

Bedrohlicher Trend 

Die erste Hitzewelle des Jahres, "früh wie nie", erläutert der ZDF-Wetterexperte Karsten Schwanke, weckt Hoffnungen, dass ein bedrohlicher Trend nicht weiter anhält: Gemittelt über die Fläche Deutschlands zählte das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr nur noch ganze 12,5 sogenannte "⁠Heiße Tage⁠"(Originalschreibweise),  also Tage, an denen Temperaturen von 30 Grad Celsius oder mehr gemessen werden konnten. Das war rund ein Drittel weniger als im Jahr 2023, als nach Angaben der Experten "etwa 17,3" gemessen wurden. Und erneut weniger als in den Jahren 2003, 2015 und 2018, als die Belastung durch Hitze in Deutschland stets zwischen 18 und 20 Tage lang anhielt. 

Nie mehr ist es so heiß gewesen wie damals, vor sieben und vor 22 Jahren und das erscheint angesichts der Daten, die das Umweltbundesamt zur Entwicklung der globalen Lufttemperatur vorliegen hat, fast schon wie ein Wunder. Um ein ganzes Grad ist die Welt allein im zurückliegenden Vierteljahrhundert heißer geworden.  "2024 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1850", schreibt das Amt, und "die letzten zehn Jahre waren die weltweit wärmsten Jahre seit 1850". Nur verteilt sich die neue Hitze so weitläufig, dass schon seit sieben Jahren keine neue Hitzespitze gemeldet werden kann.

Frucht der kommunalen Wärmeplanung 

Liegt es am Hitzeschutzplan des inzwischen abgetretenen Gesundheitsministers Karl Lauterbach? Oder an den Fortschritten der kommunalen Wärmeplanung? Zeigen sich erste Auswirkungen der erreichten Klimaziele im Industriebereich? Oder sind es die Effekte der Anschaffung von mehr als einer Million Balkonkraftwerke, die die Erwärmung vermeintlich gestoppt haben? Beunruhigende Fragen, denn jede falsche Antwort wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Hitze leugnen und sich weigern, Deutschland heute schon als eines der Hauptkrisengebiete in der Klimaschlacht anzusehen.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Köln hat deshalb kurzfristig reagiert und mit der Umstellung auf ein neues Rechenverfahren dafür gesorgt, dass die Erhitzung als "das zentrale Maß für den Klimawandel in Deutschland" (DPA) weiter voranschreiten kann: Am Abend des 31. März hatten die Temperaturen in Deutschland dem langfristigen Trend zufolge noch um 1,9 Grad über dem frühindustriellen Niveau gelegen. Seit dem Morgen des 1. April aber sind es 2,5 Grad, um die sich das Land des langjährigen Exportweltmeisters im Vergleich zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwärmt hat.

Neue Rechnung zeigt Dramatik 

Ein mahnender Wert, liegt er doch haargenau dort, wo die Welttemperatur nach den Pariser Klimabeschlüssen nie hinkommen sollten. Lange glaubten auch die Spezialisten beim Deutschen Wetterdienst, dass es den kollektiven Anstrengungen der Menschheit gelingen könne, das Schlimmste zu verhindern. Das neue Rechenverfahren aber zerschlägt nun diese Illusion: Eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf "deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius" im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bis 2030 scheint unmöglich, wenn schon fünf Jahre zuvor zweieinhalb Grad Erwärmung nicht mehr zu leugnen sind.

Die Entscheidung des DWD, dennoch zu einer neuen Berechnungsmethode des DWD zu greifen, um  die dynamische Entwicklung des Klimawandels genauer abzubilden, wie es bei der Jahrespressekonferenz am 1. April hieß, stellt sich als überaus verhängnisvoll heraus. Zwar war es aufgrund dieser Neuerung gelungen, trotz des vielerorts als kalt empfundenen Frühjahrs weiterhin deutlich zu hohe Temperaturen melden zu können. 

Hitzesprung in einer Frühlingsnacht

Doch nach einem Hitzesprung von 0,6 Grad Celsius nach oben, ohne dass sich an den bis 2024 erfassten Temperaturen etwas geändert hat, wird die Luft dünn: Das Loess-Verfahren, mit dem jetzt gerechnet wird, von Experten auch als lokale Regression bezeichnet, ist eine Methode, bei der eine Trendkurve mittels Gewichtung von Datenpunkten angepasst wird. Das Ergebnis ist eine glattere Kurve, die eher einem allgemeinen Trend der Daten folgt, statt sich um Ausreißer zu kümmern. Je nachdem, wie die zugrundelegenden Parameter ausgewählt und angepasst werden, reagiert die Darstellung dynamischer oder robust, ohne dass sich an den eingegebenen Werten etwas ändert.

2024 bleibt damit das mit Abstand wärmste Jahr in Deutschland, 2023 ist weiterhin das zweitwärmste. Nach Anzahl der Heißen Tage wurden die zehn wärmsten Jahre alle seit 1994 registriert, neun der wärmsten Jahre seit 1881 liegen im 21. Jahrhundert. Wie aber die Dringlichkeit der Bedrohung so darstellen, dass sie einer Wetterkarte bei ARD oder ZDF wenigstens nahekommt? Bei einer Aufarbeitung der letzten 150 Jahre im traditionellen Stil zeigt sich ein linearer Trend mit einer Erwärmung um 0,13 Grad pro Jahrzehnt. Bleibt der Anfang der Entwicklung hingegen unbeachtet, wird es deutlich dramatischer: Eine Darstellung des Zeitraums  zwischen 1971 bis 2024 verdreifacht die Erwärmung auf einen Wert von 0,41 Grad pro Jahrzehnt.

Mit Irrglauben aufgeräumt 

Der Irrglaube, dass Temperatur eine Frage der Messung ist, wird vom DWD gleich mit ausgeräumt. Thermometer hin, Thermometer her, mit dem neuen Verfahren beträgt das Plus bei der Jahresmitteltemperatur in Deutschland seit 1881 nicht mehr 1,9, sondern von 2,5 Grad. Die Realität und die beschleunigte Erderwärmung würden "jetzt besser beschrieben", betonte Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des DWD, bei der Vorstellung der neuen Klimatrendlinie im Frühjahr.

So frustrierend es ist, dass die Daten nun noch weniger Erfolge der deutschen Klimaanstrengungen zeigen, so vorteilhaft wird das Loess-Verfahren sein, wenn es erst welche zu melden gibt. Auch eine künftige Stagnation oder einen Rückgang der Erderwärmung durch erfolgreichen Klimaschutz würden die neuen Grafiken schneller anzeigen als das beim bisher verwendeten linearen Trend der Fall wäre. 


4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> dass Deutschland das am heftigsten betroffene Gebiet weltweit ist

Eigentlich ist Österreich das am schlimmsten betroffene Gebiet in Österreich.

Trumpeltier hat gesagt…

Im hanseatisch normalerweise unterkühlen HH ist es aktuell 10° wärmer/heißer als in Lissabon auf der weitflächig längst wüsten iberischen Halbinsel.

Das ist der überdeutliche Beweis, das hauptsächlich die Doidschmichel die Klimaaufheizung betreiben, während die südlichen EU-Völker bereits weltrettende Coolness erreicht haben.

Also, Leute, Ventilatoren und Aircondition auf Vollgas drehen und alle Gefriergeräte weit aufmachen, damit auch wir grillsüchtigen Hitzköpfe diese wohltemperierten Ziele erreichen.

Wir Erben der kriegsertüchtigt kruppstahlharten, lederzähen und windhundschnellen Stalingradhelden und Auschwitzmanager tragen wegen 'damals' nämlich eine besondere Regress-Bringschuld mit uns rum. Daher verlangt die Staatsräson eigenen Verzicht und grenzenlose Teilhabe für jeden Exoten.

Das bisschen Schwitzen wird uns sicher nicht bremsen, denn wir tragen schließlich die allbelehrende Verantwortung für das gesamte Universum. Was die Schöpfungsgötter zu Beginn verpennt haben, müssen wir sonderbegabten Dichter und Denker nun gründlich nachbessern.

Genau dafür haben wir glaubensstarken Kreationisten uns viele egomanisch empfindsame Schwachköpfe herangezüchtet, die durch ihre Pinocchio-Wunderkräfte Lügen in Wahrheit verwandeln können.

Darum nannten Ostasiaten uns Westwertige auch Langnasen. Diese verd ... Schlitzaugen sollen sich um ihren eigenen Kram kümmern und heiße Bohei-Suppen mit kalten Stäbchen essen.

Anonym hat gesagt…

„Die Bayern vertragen die Hitze schlechter als die Spanier“
Goldig, die Saudeutsche Zeitverschwendung. Schrieb aber schon P.C.Tacitus in "De origine et moribus Germanorum", sinngemäß, dass unsereiner Kälte und Hunger abkann, nicht aber Hitze und Durst.
Aber das Gruselige ist nicht das Gefasel der Journaille, sondern das induzierte Irresein der mündigen Bürger - dass es z.B., mindestens den halben Juni arschkalt war, ist sofort dem kollektiven Gedächtnis entschwunden.

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Wasser, kaltes Wasser. Mindestens 3 Liter pro Tag sagen die Gelehrten. Da Bier zu 99% aus Wasser besteht, bin ich mit 7 Halben auf der sicheren Seite. Bier VS KlimaHitzeSommer. Ich gewinne, immer.