Freitag, 27. Juni 2025

Projekt Zuversicht: Augen zu und durch

"Zuversicht" ist seit Jahren eine der beliebtesten Parolen im politischen Berlin.

Es ist wieder so ein grauer Morgen in Blankenwein, einem kleinen Dorf im sächsischen Pleiße-Sprotte-Aschehügelland. Die Straße, staubig nach Jahren ohne einen Tropfen Regen, wirkt wie ausgestorben, nur das Knirschen von Kies unter den Schuhen ist zu hören. Jan Malazek, 52, läuft mit gesenktem Kopf vorbei an den gepflegten Vorgärten, in denen schon lange niemand mehr Unkraut gezupft hat.  

Die Nachrichten der letzten Tage, Wochen, Monate, Jahre – Entlassungswellen, steigende Preise, neue Klimaziele, Krieg in Europa – hallen in seinem Kopf nach. Der Wind trägt den Staub der letzten Monate mit sich, und die Schlagzeilen der Tageszeitung, die er unter dem Arm hält, scheinen ihn zu verfolgen: Wirtschaftskrise, Klimawandel, politische Spaltung. 

Wie geht's, Horst 

Aus einem geöffneten Fenster ruft ihm Frau Lehmann zu: "Na, Horst, wie geht es?" Jan Malazek, den im Dorf alle Horst rufen, ohne dass er sagen könnte warum, antwortet, wie er es seit Monaten fast jeden grauen Morgen tut: "Muss ja." Das war nicht immer so. Malazek war bis vor einem halben Jahr ein echter Gewinner. Haus, Garten, Auto. Er war Monteur in einem mittelständischen Fensterbaubetrieb am Ortsrand. Doch dann entschied der westdeutsche Inhaber sich, trotz aller Warnungen, gegen die Umstellung auf grünen Wasserstoff entschieden. Angeblich zu teuer, zu riskant, zu wenig Förderung. 

Wenig später kam das Aus: Kurzarbeit, dann die Kündigung. Seitdem ist Jan Malazek einer von über 140.000 Arbeitslosen in Sachsen, Tendenz steigend. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 6,5 Prozent, für das laufende Jahr wird ein weiterer Anstieg erwartet. Es ist immer noch wenig gemessen an früher, Aber viel gemessen an den guten Zeiten, die sie hier auch hatten, kurz dazwischen, wie ja Malazek grimmig sagt. Viele Betriebe kämpfen ums Überleben, neue Jobs sind rar. 

Im Stich gelassen 

Doch nicht nur Mazalek es so und nicht nur Sachsen. In vielen Teilen Deutschlands fühlen sich die Menschen von der Politik im Stich gelassen. Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen, während Löhne und Renten kaum hinterherkommen. Der Mindestlohn liegt seit Januar 2025 bei 12,82 Euro, doch das reicht kaum für ein sorgenfreies Leben, vor allem nicht im Osten, wo die Einkommen trotz Zuwächsen weiter niedriger sind als im Westen.

Die CO2-Emissionen bleiben hoch, die Energiewende stockt, und die große Transformation der Wirtschaft droht, ganze Regionen abzuhängen. Das Land ächzt unter einer Last, die schwerer wiegt als bloße Zahlen. Die Wehrbereitschaft ist auf einem Tiefpunkt; selbst der "Tatort", jene sonntägliche Institution, die mehr Deutsche anzieht als die Kirche, wird zunehmend kritisch beäugt. 

Gespräche am Gartenzaun 

In den Gesprächen am Gartenzaun, im Bäcker oder im Vereinsheim dominiert das Gefühl, dass das Land auf der Stelle tritt und langsam abrutscht. Die Stimmung ist gedrückt, die Zuversicht schwindet. Der „Tatort“, für Millionen Zentrum des eigenen Deutschland-Gefühls, steht plötzlich in der Kritik. „Früher war das noch ein Stück Heimat“, sagt Jan Mazalek, „heute wird da nur noch gestritten. Sogar der Krimi macht keinen Spaß mehr.“ 

Nicht nur diese Institution verliert Vertrauen, gerät ins Wanken. Die Menschen fühlen sich allein im kalten Wind der Wirklichkeit, von Politik und System im Stich gelassen. Ukraine und Russland, Israel und Iran; Putin, Chamenei und Netanjahu, jeden Tag Donald Trump, Hetze, Hass und Klimaangst, Dürre, drohende Hitzerekordsommer und in den Nachrichten kaum noch andere Themen als wo überall Geld fehlt, welche Firma schließt und welcher Politiker welche dunklen Geschäfte gemacht hat. Kaum ist eine News verdaut, folgt schon der nächste  Brennpunkt.

Menschen werden mürbe 

Das macht mürbe. Immer mehr Menschen wenden sich ab, ziehen den Stecker, verweigern den Nachrichtenkonsum. 71 Prozent der erwachsenen Internetnutzer vermeiden mindestens gelegentlich Nachrichten, der Weg von Ignoranz zu Naivität und Verführbarkeit ist kurz geworden. Wissenschaftler sprechen von "Selbstschutz", doch der Schaden ist unermesslich: Aus dem informierten Bürger, der verantwortliche Entscheidungen auf der Basis profunder Kenntnisse trifft, wird nach den vom Leibniz-Institut für Medienforschung (Hans-Bredow-Institut) erstellten "Reuters Institute Digital News Report 2025" der aus dem Hollywood-Film "Idiocracy" bekannte Schwachkopf. 

Ein Mensch, der sich von der Menge an Nachrichten erschöpft fühlt, obwohl eine "Tagesschau" heute immer noch dieselben 15 Minuten lang ist und im Vergleich zu früher deutliche weniger Informationen enthält.

Zuversicht nach Plan 

Diese überaus ernste Lage hat die Initiatoren des "Projekt Zuversicht" auf den Plan gerufen. Eine neue, tiefenpsychologisch fundierte Studie zeigt: 78 Prozent der Deutschen glauben, dass das Land "vor die Wand fährt", wenn alles bleibt wie bisher. 67 Prozent fühlen sich von der Politik verraten. Nur zehn Prozent haben noch die Hoffnung, etwas bewirken zu können. 

Die wirtschaftliche und politische Gesamtlage wird schlecht beurteilt, das Vertrauen in Institutionen ist auf einem Tiefpunkt. Die Folge: Rückzug ins Private, in die Familie, ins eigene Haus. Paradox: 85 Prozent sagen, dass es ihnen und ihrer Familie eigentlich noch gut geht – Betonung auf noch. Doch für das Land sehen sie schwarz. Vor allem das Gefühl der Ohnmacht wiegt schwer.

Zusammenhalt und Hoffnung 

Doch wer sinnstiftende Gemeinschaft erlebt – etwa im Verein, in der Nachbarschaft, im Ehrenamt – und dazu Nachrichten konsumiert, die von zuhörenden, konstruktiven und lokal unterstützenden Herstellern Journalismus angefertigt worden sind, berichtet von mehr Zusammenhalt und Hoffnung. Auch die Jüngeren, die Generation Z, sehen die Lage zwar kritisch. 

Doch sie sind bereit, die Kreditlasten zu schultern, die die Älteren ihnen aufhalsen. Ihnen fehlt es noch an Lebenserfahrung, um die Lage wirklich bewerten zu können. Doch wenn es gelingt, mit positiven Nachrichten das von den Menschen herbeigesehnte Gemeinschafts- und Wirksamkeitsgefühl wieder entstehen zu lassen, dann wird Unwissen zu Zuversicht führen.

Namensvetter aus Berlin 

Die Macher des Projektes, das nach einer im politischen Berlin der zurückliegenden Jahre vielgenutzten Parole benannt wurde, wollen die erreichen, die gar keine Nachrichten mehr konsumieren. Dies zwei Dritteln der Gesellschaft seien empfänglich für weniger Panikmache und mehr konstruktivem Journalismus, für das Versprechen, nicht nur aus-, sondern zu überblenden. Statt Bomben und Raketen Tiergeschichten und Berichte über die Schönheit der Natur. Statt Bedrohungen, Zollkriegen und Börsenkursen angenehme Informationen, die die Gesellschaft gegen die großen Bedrohungen unserer Zeit vereinen. Eine große Mehrheit will es. Und fast zwei Drittel sagen: Wenn die Medien nicht immer alles so negativ berichten würden, hätten sie mehr Hoffnung. 

Positive Beispiele 

Genau hier setzt das "Projekt Zuversicht" an. Medien, Verbände und Werbewirtschaft wollen gemeinsam Wege finden, wie wieder mehr Optimismus, Gemeinschaft und Selbstwirksamkeit entstehen können. Regionale Medien sollen zum Kitt der Gesellschaft werden, indem sie nicht nur Probleme schildern, sondern auch Lösungen und positive Beispiele aufzeigen. Bundeskanzler Friedrich Merz hat für den Sommer eine Stimmungswende versprochen – das kann nur funktionieren, wenn es gelingt,  die Auswahl der Nachrichten, die die Bevölkerung erreichen, anders zu gestalten.

Der bekannte Journalist Tilo Jung hat es auf den Punkt gebracht. "Journalisten müssen nicht berichten, was Menschen wissen wollen, sondern das, was sie wissen sollen." Ein Satz wie in Stein gemeißelt, denn er zeigt auf, dass der die Stimmung auf der Party bestimmt, der die Musik aussucht. Jan Malazek in Blankenhain wäre dankbar, wenn er es nicht sein müsste. "Ich wüsste das gar nicht", sagt er nach seiner Idee befragt. Er suche einfach Arbeit, schraube so lange an seinem alten Moped, treffe sich abends mit den Nachbarn im Vereinsheim. 

Motivieren statt meckern 

Grundsätzlich aber stehe sein Leben für das Projekt Zuversicht. "Wir müssen zusammenhalten", sagt er, "und hier im Dorf tun wir das." Die Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht, stirbt zuletzt und mit dem Konzept des Projektes Zuversicht bekanntgemacht, nickt er nachdenklich. "Klingt vernünftig", sagt er, "denn sonst bleibt uns nur noch das Meckern." Noch will der Sachse nicht so recht glauben, dass es klappen wird mit der Stimmungswende.

"Der Sommer hat doch schon angefangen", zeigt er sich skeptisch. Aber vielleicht, so hofft er, bringt das von der Initiative 18 für "freie, sichere und nachhaltige Medien" angeschobene Unternehmen  ja wirklich etwas in Bewegung – nicht nur in den Medien, sondern über den Treibriemen des geschriebenen, gesprochenen und gesendeten Wortes auch im Alltag der Menschen. Denn am Ende entscheidet sich das Schicksal des Landes nicht in den Talkshows oder auf den Titelseiten, sondern auf den Straßen von Blankenhain, in den Werkstätten, auf den Feldern und in den Wohnzimmern. 

Dort, wo Menschen wie Jan Malazek auf die Frage "wie geht's" Tag für Tag sagen: "Muss ja." Und dabei hoffen, irgendwann wieder "toll" oder "super" sagen zu können.


3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Ein Mensch, der sich von der Menge an Nachrichten erschöpft fühlt, obwohl eine "Tagesschau" heute immer noch dieselben 15 Minuten lang ist und im Vergleich zu früher deutliche weniger Informationen enthält.

Ein Teil der fehlenden Informationen wurde durch Haltung ersetzt. Siehe beispielhaft die Dunya. Daran hätte sich Horst doch orienteren können.

Anonym hat gesagt…

'Medien, Verbände und Werbewirtschaft'

Wenn man diesem Dreckspack den Steuergeldhahn zudrehen würde, hätte ich vielleicht ein wenig Zuversicht.

ppq hat gesagt…

der text ist teil des projektes! und schon wird gemeckert