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| Statt die Leistung des Staates zu würdigen, der den wirtschaftlichen Verfall in Grenzen hält, werden seine Bemühungen geringgeschätzt. |
Eine Grafik macht die Runde, mit der bestimmte Kreise belegen wollen, wie schlimm es um Deutschland steht. Nicht nur, dass das Land seit fast sechs Jahren in einer Rezession gefangen ist, die absehbar kein Ende zu finden scheint. Nein, die Abbildung, die Staatskonsum, private Investitionen und das als flache Todeslinie dahin dahindümpelnde Bruttoinlandsprodukt zeigt, belegt scheinbar auch, wie viel schrecklicher die tatsächliche Realität hinter den Parolen von der angeblich immer nur vorübergehend "schwächelnden Wirtschaft" ist.
Der Staat als Retter
Hätte der Staat seine Ausgaben nicht stärker in die Höhe gefahren als jemals zuvor, zeigte sich das Bruttoinlandsprodukt heute nicht einmal mehr wie festgeklebt auf dem Stand von 2019. Sondern tief, tief unten bei 2015 oder 2010. Ein verlorenes Jahrzehnt mindestens, so jammert es dazu von interessierter Seite. Die Merkel-, Scholz- und Merzfeinde, oft verliebt in den argentinischen Staatsfeind Javier Milei und seinen US-Paten Donald Trump, nutzen die Gelegenheit, ihrem seit der großen amerikanischen Finanzkrise festsitzenden Hass auf die Verhältnisse in Deutschland und der EU freien Lauf zu lassen.
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| Wäre der Staat nicht, sähe es übel aus. |
Jede schlechte Nachricht ist gut
Es ist immer Doomsday bei den Untergangsinteressierten, denen nichts zu rechts kommt wie neuen Daten über Altbekanntes. Europa wächst nicht mehr. Europa ist so hoch verschuldet, dass die Maastricht-Verträge inzwischen weder in Brüssel noch in Straßburg noch erwähnt werden dürfen. Die Nachricht, dass es seit einem halben Jahrzehnt nur noch Vater Staat ist, der den Deutschen zumindest das Gefühl vermittelt, es gehe ihnen zwar nicht besonders gut, aber auch noch nicht ganz schlecht, kommt denen recht, für die jede schlechte Nachricht eine gute ist.
"Woher sollen denn neue Arbeitsplätze kommen, wenn kaum mehr jemand investiert", fragen sie demonstrativ, obwohl sie genau wissen, was Bundeskanzler Friedrich Merz schon Anfang Oktober bekanntgegeben hatte. Bei ihm im Kanzleramt, einem der schönsten Werke deutscher Logistik- und Lagerhausarchitektur, stapeln sich die Bitten, Milliarden und Abermilliarden in deutsche Scholle und deutsche Schaffenskraft stecken zu dürfen. Nicht nur aus dem Inland kommen dingende Anfragen, dies und jenes und das auch noch bauen zu dürfen. Nein, auch Legionen von Ausländern stehen Schlange.
Alle wollen nach Deutschland
Sie wollen grünen Stahl schmelzen, riesige Wasserstofffabriken errichten und beweisen, dass der teuerste Strom der Welt genau der richtige ist, um den Energiehunger gewaltiger neuer KI-Megagigadenkmaschinen zu stillen. Die Angebote stapeln sich, stündlich fast kommen neue hereingeflattert. "Wir werden das jetzt ordnen", hatte Merz am Republikgeburtstag angekündigt, wenige Tage, nachdem er den Ex-Commerzbank-Chef Marin Blessing zu Deutschlands erstem "Chief Investment Officer" ernannt hatte.
Deutschlandtempo 2.0! Seit vier Wochen ordnet Blessing nun schon emsig. Der Versuch des "Pioneer" herauszubekommen, wie das genau aussieht und mit wie vielen Milliarden in Kürze gerechnet werden muss, scheiterte tragisch. "Was macht eigentlich Martin Blessing" führt ins Leere.
Womöglich aufgrund eines unerwarteten und unglücklichen Missverständnisses zwischen CEO Merz und CIO Blessing. Ersterer hatte Letzteren "dazu auserkoren Geld aus dem Ausland zu akquirieren", "potenzielle Investoren gezielt anzusprechen und die Stärken des Investitionsstandorts Deutschland bestmöglich zu vermitteln", wie die "Tagesschau" den neuen Job des "Persönlichen Beauftragten für Investitionen des Bundeskanzlers" (PBIBK) beschrieb. Letzterer war aber wohl eingestiegen, um die Angebote zu sichten, die sich im Kanzleramt stapeln.
Der unsichtbare Sichtbarmacher
So geht es zum Wohlgefallen aller nicht voran. Die Grünen schimpfen über Lähmung, die Blauen über Unfähigkeit, die Roten wollen allesamt, dass erst mehr ausgegeben wird, ehe über irgendetwas sonst geredet werden darf. Martin Blessing, legendär, seit ihm seine Bank damals nach der Rettung durch die Bundesregierung statt der erlaubten halben mehr als eine Million Euro Gehalt zahlte, hatte "mit seinen ausgezeichneten Kontakten in die internationale Wirtschafts- und Finanzwelt und seinem hervorragenden Ruf für neue Investitionskraft sorgen" und "die Sichtbarkeit Deutschlands im globalen Standortwettbewerb erhöhen" sollen. Jetzt ist der CIO schon nach vier Wochen unsichtbarer als sein Chef, der wiederum mit dem Ordnen der Investitionsangebote nicht weiterkommt.
Und das ist auch gut so. Selten nur in der Geschichte hat überhastetes Handeln Vorteile gebracht. Als Gerhard Schröder damals nach Moskau reiste, um die ersten großen Lieferverträge für russisches Erdgas zu unterschreiben, saß sein grüner Außenminister nicht mit ihm Flug, protestiert hat Joschka Fischer auch erst später, als es alle besser wussten.
Nicht handeln ist besser
Robert Habeck machte die Erfahrung, dass nicht zu handeln immer besser ist als zu handeln, gleich mehrfach. Als er Deutschland vor der Gaskrise rettete, indem er in Katar einen Diener vor einem Scheich machte, wusste er nicht, dass Katar noch gar kein Gas hat, sondern alles aus Amerika heranschaffen wird. Ebenso ging es ihm mit Intel, dem großen, steifen alten Chipriesen, dem er zehn Milliarden anbot, damit die Amerikaner sich darauf einlassen, "die Stärken des Investitionsstandorts Deutschland" (Tagesschau) selbst auszuprobieren. Hätte Habeck von KI gewusst und davon, dass Chips nicht Chips sind und Intel kaum mehr Hightech-Hersteller als die Kaffeeautomatenschmiede WMF, wäre er gleich nach Thüringen gereist, um die 1-Megabit-Chip-Fabrik auf DDR-Zeiten wieder anzufahren.
Die, von fortschrittlichen Menschen mit positivem Zukunftsbild lange und von einige bis heute als das bessere Deutschland geschätzt, liefert aber auch ohne eine Wiederbelebung ihres großen Mikroelektronikprogramms - in der EU jetzt als "Chips Act" eine gesetzliche Vorgabe - die Blaupause für den Fortschritt. "Die Mikroelektronik ist der Schlüssel für eine gute Zukunft unseres Landes", hat Friedrich Merz seinen Teilvorgänger Honecker eben erst zitiert. Sie sichere Freiheit und Wohlstand. "Die Wachstumschancen, die unsere Industrie dadurch hat, wollen wir besser ausschöpfen. Denn: Technologische Souveränität und wirtschaftliche Stärke gehören zusammen."
Merz ohne Schlüssel
Sätze wie aus verschiedenen Büchern zusammengestoppelt. Der Regierungschef eines Lands ohne Mikroelektronik nennt sie einen "guten Schlüssel für die Zukunft", weil sie, die es nicht gibt, "Freiheit und Wohlstand" sichere. Er hält dann kurz inne und sprich anschließend von "Wachstumschancen, die unsere Industrie dadurch hat", verwunderlicherweise, denn wirkliche High-Tech-Chipfabriken hat Deutschland eben nicht. Und die will er "besser ausschöpfen", weil "technologische Souveränität und wirtschaftliche Stärke" zusammengehören - fehlt eins, fehlt das andere. Gut beschrieben, Herr Bundeskanzler.
Mitten im Quengeln über die hohe Staatsquote, die explodierende Verschuldung, den Verfall der Kaufkraft und die grassierenden Wohlstandverluste steht der so oft verlachte kleine Staat mit seiner 40-jährigen Geschichte Modell für die Möglichkeit, mit einer Staatsquote von 50 bis 80 Prozent noch geraume Zeit ganz kommod weiterexistieren zu können.
Es ist noch Zeit und Platz
Die Deutsche Demokratische Republik lag kaum jemals unter 50 Prozent, allein schon wegen ihrer angeblich volkseigenen Staatsbetriebe. Ab 1972 aber, als die letzten privaten Unternehmen verstaatlicht (sic!) wurden, kletterte der Staatskonsum so hoch, dass vier von fünf Mark direkt von einer Hosentasche in die andere wanderten. Die Bundesrepublik steht mittlerweile bei einer Staatsquote, die sich stabil über 50 hält - doch um den Beinbruch, der das aus Sicht von Liberalen, Libertären und den Starken Schultern ist, die nicht teilen wollen, ist das keineswegs. Bis zu den 80 Prozent ist noch viel, viel Platz. Und sind sie erst erreicht, blieben noch fast zwei Jahrzehnte, ehe wirklich abgepfiffen wird.



2 Kommentare:
Kurz gesagt: Es läuft.
Friedrich und der SPD-Pfannkuchen wissen einfach besser als diese blöden Kapitalisten, wo die Zukunftsbranchen sind.
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