Freitag, 11. Oktober 2013

Das Komma-Lager ist leer

„Leben lassen kann man nicht hängen“ ist ein Klassiker, in dem ein Federstrich über Leben und Tod entscheidet. Bei „Leben lassen, kann man nicht hängen“, geht alles glücklich aus. Bei „Leben lassen kann man nicht, hängen“ ist in Bälde ein Sarg zu bestellen. Das Komma als lebenserhaltende Maßnahme oder als Mordgehilfe. Wo steht es richtig, wo darf es nicht fehlen? Nun, diese Frage stellt sich kaum noch, seit die Kommata wie zuvor schon der Verbindungsbindestrich von einer Kamarilla aus Halbhirnen und studierten Legasthenikern mit einer Nichtachtung gestraft wird, die an ein Kuba-Embargo grenzt.

Eine ganze Gesellschaft macht mit. „Lesen was blöd macht“ empfiehlt die „Apotheken Umschau“, die dem zunehmenden Renditezwang im Mediengeschäft konsequenterweise auch den verbindenen Strich im Namen geopfert hat. „Wir kriegen nur wofür wir kämpfen“, krawalliert eine offenkundig rechtschreibschwache autonome Linke. Ist es ein Offenbarungseid? „Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen“? Oder eine abgeschnittene Frage: „Wir kriegen, nur wofür wir kämpfen“ sollen ist uns noch nicht klar?

Der Bertelsmann-Club, ein großartiges Unternehmen, das viele Jahre tolle Geschäfte damit machte, seine Bücher nicht an jedermann zu verkaufen, legt nach. Im Zuge der eigenen Pleite, die spät, aber angesichts des Geschäftsmodelles zumindest für Außenstehende nicht ganz unerwartet kam, plakatierte die hochintellektuelle Buchhandelstruppe den Satz "Zugreifen solang der Vorrat reicht". Entweder, das Komma-Lager war schon leer. Oder die gerissenen Geschäftsleute dachten einfach: “Was soll’s, wer bei uns kauft ist eh´ so dämlich, der merkt das ohnehin nicht.”

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da finde ich den ja schöner:
Komm, wir essen Opa!
Komm wir essen, Opa!

Friederich hat gesagt…

Das Komma-Lager ist leer, weil die Praktiker-Kette sich jahrelang illegal daraus bedient hat und mit dem Spruch »Geht nicht, gibts nicht.« das Dienstleistungsverständnis eines staatlichen HO-Kaufhauses plakatiert hat, wo es eben nichts gibt und wo nichts geht — was, unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, natürlich direkt in die Praktiker-Pleite führen mußte. Mit »Geht nicht gibts nicht.« hätte man zwar gegen die eherne Regel verstoßen, daß spätestens nach sieben Centimetern ein Komma kommen muß, aber den Betrieb gerettet, indem man dem Kunden signalisiert, daß es eben beim Praktiker nichts gebe, was nicht ginge. Jetzt ist es zu spät, die Praktiker sind Opfer des Kommas geworden und wir hören nur deshalb keine Aufrufe zur staatlichen Rettung der Praktikerfrauen, weil es da beim Personal wohl auch etliche Männer gegeben haben muß.

Anonym hat gesagt…

Nur eins ist schade: Daß sich in den ppq-Texten manchmal Accents als Apostrophe ausgeben (eh´). Der Minutenstrich ist zwar auch nicht besser ('), aber wie wäre es mit
... http://typefacts.com/artikel/apostroph

Anonym hat gesagt…

Hihihi.
Gebe aber zu bedenken, daß dieser Text unter unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen (Halle adS) getippt und ganz liberal ohne Konsultation des germanistischen FBs von ausländischen Aliens auf unerklärliche Weise ins Netz gestellt wurde.

Anonym hat gesagt…

Danke Kollege Anonym fpr den link zu tpefacts - dieser Ort war mir neu!

eulenfurz hat gesagt…

Gruselig ist auch das bei jungen Müttern allseits beliebte Buch: "Iß mein Kind!".
http://www.google.de/#q=%22I%C3%9F+mein+Kind%22

Das unsägliche Weglassen von Bindestrichen bei zusammengesetzten Worten ist vor allem in der Schweiz und in Österreich anzutreffen, grassiert aber auch bei der bundesrepublikanischen Unterschicht.

ppq hat gesagt…

hier wird ja mit amerikanischer beutetechnik gearbeitet, das ist ein strich ein strich