Samstag, 18. Juli 2020

Der Rassismus im RGB-Code


Elisabeth Schmeling wurde geboren und aufgezogen in der DDR, sie ist dem Augenschein nach eine Weiße deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und transkulturelle Trainerin für Intersektionalität, Diversität-Inklusion, Rassismus- und Machtkritik sowie für kritische Weißseinsreflexion in Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur, Kunst, Sport und Politik. Schmelings Arbeitsschwerpunkte liegen in den Verschränkungen von Diaspora, Beitrittsängsten und Translokalität, bei der Performativität von Anpassungskultur (Spatiality and Coloniality of Memories, Postkoloniales Erinnern) sowie in postkommunistischen Erziehungstraumata, Feminist Future Studies und Critical Race sowie Whiteness Studies.

Seit 1990 ist sie Bundesbürgerin und Teil der feministischen Bewegung in Deutschland, bei unter Beachtung von Klimaaspekten auch international aktiv. Sie ist Mitfrau* bei der losen Facebook-Gruppe Frauen* bei Facebook, engagiert sich als Steuerzahlerin und schreibt Gutachten für das An-Institut für Angewandte Entropie bzw. dessen wissenschaftliche Fachgruppe Diversifying Regression. 2018 führte Schmeling mit der wissenschaftlichen Fachgruppe "Diverse Things" einen internationalen konsultativen Workshop zum Thema "Stammbaumforschung im Bundestag" zum Erfolg, als sie nachweisen konnte, wie großen Wert das Hohe Haus in seiner Außendarstellung auf Herkunft, Wurzeln und Abstammung legt. 

PPQ hat Elisabeth Schmeling als führende deutsche Forscherin zur Frage der Verwurzelung im Fremden befragt und auf die Rolle des sogenannten "Mohrenkopfes" und der sprachbildnerisch naheliegenden "Mortalität" angesprochen, die in Corona-Zeiten benachteiligende Gedankenbilder hervorzurufen geeignet scheint.


PPQ: Elisabeth Schmeling, warum wird das Wort "Mohrenkopf" als rassistisch angesehen?

Elisabeth Schmeling gab Auskunft
Elisabeth Schmeling: Das weiß eigentlich bis heute niemand. Es stammt ursprünglich vom Begriff des "Mauren" ab, einer Bezeichnung, die etwa im gleichnamigen Land Mauretanien bis heute unkritisch genutzt wird. Das Wort wurde dann mehrfach problematisch, weil es sinnbildlich für etwas stand, bei dem die negative Betrachtungsweise positivistisch gesehen immer mitgedacht wird, zumindest von progressiven Denkern. Der "Mohr" wurde schon im 19. Jahrhundert aus dem "Mauren" gebildet und etwa als Kosename für den bekannten Antisemiten Karl Marx benutzt, den seine Freunde wie selbstverständlich "Mohr" nannten, weil er schwarze Haare hatte. Das transportiert die Sichtweise dieser Zeit, aber heute steht das Wort "Mohr" im Grunde eher sinnbildlich für den Kampf gegen Symbole der Vergangenheit, man muss es besiegen, um sich selbst lossagen zu können  von der Zeit des Kolonialismus und den in dieser Zeit verübten Verbrechen an Afrikaner*innen.

PPQ: Was aber kann der Maure dafür? 

Schmeling:  Nun, laut Pfeifers etymologischem Lexikon geht der "Mohr" auf das Althochdeutsche "mōr" aus dem 8. Jahrhundert zurück. Damals haben es Menschen, die sich um ihrem Sprachgebrauch noch recht wenige Gedanken gemacht haben, aus dem Lateinischen Maurus für den Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien entlehnt. In Mauretanien lebten natürlich eher Nordafrikaner, wir kommen später sicher noch darauf zu sprechen, wie deutlich sich das die RGB-Codes unterscheiden. Aber später bezeichnete man eben allgemein Menschen mit weniger heller oder dunkler erscheinender Hautfarbe als "Mohren" - ab dem 16. Jahrhundert, ein bekanntermaßen dunkles Zeitalter, trifft der Name dann ausschließlich Schwarzafrikaner" wie man das kaum weniger rassistsich umschrieb.

PPQ:  Es geht also um Verdrängung? Um Freisprechen von Schuld, die die Vorväter auf sich geladen haben?

Schmeling: Ja, der "Mohr" ist es eine Metapher, die auf einer empfundenen Ähnlichkeit beruht und ziemlich makaber ist. Nur weil der Mohrenkopf dunkel und rund ist, nennt man ihn so. Würden wir zu einer Süssigkeit zum Beispiel "Amerikaner" sagen oder "Berliner", wird uns das auf einmal deutlich, wie diskriminierend das ist. 

PPQ: Vielerorts wird Gebäck genau so genanntt, völlig gedankenlos zumeist.

Schmeling: Das ist das Problem. Die Bezeichnung von Dingen mit Hilfe anderer Dinge. Da ist ein Mensch dann schnell mal schnell wie ein Windhund oder stark wie ein Baum oder schlau wie ein Fuchs. Wir diskriminieren fortwährend. Doch selbst wenn wir alle Wortbestandteile ersetzen und im Fall von Marx stattdessen "vollbärtiger Mann" sagen oder für den Mohrenkuss beispielsweise "Schwarzenkuss" nutzen, wäre das immer noch problematisch, weil der Farbvergleich immer noch darin läge und weil auch mit Bezeichnungen wie dem neuen und zwingend großzuschreibenden "Schwarze" Menschen eben Leute mit dunkler Hautfarbe bzw. afrikanischen Wurzeln gemeint sind. das subsummiert sie wie die Bezeichnung "Blonde" oder "Brünette" in eine einheitliche Gruppe, die es so nicht gibt.

PPQ:  Helle Menschen, dunkle Menschen, große Menschen, kleine Menschen - wie soll man das denn aber darstellen, wenn es nach der kritischen Weißseinsreflexion geht?

Schmeling: Wer  solche Worte heute noch verwendet, muss sich klar darüber sein, dass er damit zugleich auch ein politisches Statement abgibt. Wer wie der deutsche Bundestag eine Obsession dafür zu erkennen gibt, zu erforschen, welche Stammbäume seine Mitglieder*innen haben - also ob die Eltern oder Ureltern aus irgendeinem anderen sogenannten Land hierher gekommen sind und ihnen deshalb die vielbemühten "Wurzeln" andichtet, der muss sich schon fragen lassen, was diese Konzentration auf Blutlinien und Genpoole bewirken soll.

PPQ: Ist diese Abstammungsforschung aus Ihrer Sicht rassistisch motiviert?

Schmeling: Ja. Es wird möglicherweise nicht bewusst in böser Absicht nach Herkünften und anderen Genen geforscht, aber die Idee, es können türkischstämmige, arabischstämmige oder afrikanischstämmige Abgeordnete geben, ist genauso rassistisch und diskriminierend wie die Behauptung, dass die Nutzung des Laborbegriffes "Migrationshintergrund" es entschuldige, nach einem hochproblematischen Weltbild zu denken, in dem Menschen nach Hautfarben als einheitliche Gruppe, also als die jeweils «anderen» zum anderen konzipiert werden.

PPQ: Aber sind nicht Hautfarben ein augenscheinliches Indiz für diverse Herkünfte? Also ein beweis dafür, wie Diversität sich durchsetzt?

Schmeling: Ja, natürlich. Es kommt aber eben darauf an, das nicht zu benennen - denken Sie nur an Derdessennamenmannichtsagendarf bei Harry Potter. Nur so lässt sich die spalterische Kraft von Wörtern wie "Mohr" oder dem mit N beginnenden Wort neutralisieren. Dabei gilt es immer oBacht zu geben auf Trends: Der Begriff "Schwarze(r)", großgeschrieben, wird etwa gegenwärtig noch als neutral empfunden, aber aller Erfahrung nach wird sich das schnell ändern und durch seine Verwendung als Bezeichnung für Menschen, die als "Schwarz" gelten, wird er über kurz oder lang zu einem problematischen Begriff, weil darin verschiedenartigste Menschen über ihre vermeintliche Hautfarbe charakterisiert werden.


Schmeling: Das ist richtig, hier haben wir eine der Wurzeln des Glaubens, Menschen besäßen verschiedene Hautfarben und eine davon sei Schwarz, während eine andere "Weiß" sei. Das ist selbstverständlich Quatsch, eine gerade von den Leitmedien geschürte  Falschinformation. Das zielt an allen Erkenntnissen über Abstufungen und Mischungsverhältnisse vorbei und dienst nur dem Zweck, eine Grobeinteilung in Schwarz und Weiß vorzunehmen. Dabei ist kein einziger Mensch jemals "Schwarz" oder auch "Weiß" gewesen uns es wir d auch niemals einer sein.

PPQ: Wie aber mit dem Augenschein korrekt umgehen?

Schmeling: Der momentan noch eher selten verwendete Begriff "Dunkelhäutige(r)" ist jedenfalls nicht die Lösung, obwohl er versucht, die optisch wahrgenommenen Eindrücke neutraler auszudrücken. Wer dagegen sagt "Dunklererhäutiger", der ist aus Sicht der Diversitäts-Inklusion auf dem richtigen Weg: Noch besser sprechen wir in der Wissenschaft aber von "Hellererhäutiger", um das Augenmerkt auf die lichteren Spektralbereiche zu legen. Das charakterisiert Menschen zwar immer noch über ein Erscheinungsmerkmal, rückt aber in den Vordergrund, dass es sich um Menschen handelt.

PPQ: Was ist aus Sicht der Hellererseinsforschung weiter zu beachten, um nicht in die Falle der Hetzer, Hasser und Rassisten zu gehen?

Schmeling: Generell gilt es zu bedenken, dass Bezeichnungen für Menschengruppen einem schnellen Wandel unterworfen sind. Sobald sich ein Begriff als neutrale Bezeichnung für eine Menschengruppe eingebürgert hat, saugt er die negativen Vorurteile, die dieser Menschengruppe folgen, nach und nach auf. Wir können das an der Belastungshistorie von "Zigeuner" oder "Neger" sehen: Was gegenwärtig noch neutral ist, kann in einigen Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr akzeptabel sein, entweder weil der Begriff zu oft negativ verwendet wurde, oder weil sich die sozialen und ethischen Erkenntnisse weiterentwickelt haben. Daher ist es sinnvoll, sensibel zu bleiben für begriffliche Veränderungen.

Zum berndeutschen Begriff «Moore» findet sich im Grimmschen Wörterbuch die Auskunft, dass das Wort auf mittelhochdeutsch «môre» zurückgehe und wohl tatsächlich mit «Mohr» verwandt sei, denn es sei ursprünglich für schwarze Sauen verwendet worden.
Weiter heisst es, dass das Wort «die Mor(e)» noch in verschiedenen alemannischen Mundarten lebendig sei für das 'Mutterschwein' «auch im bildlichen Gebrauch» oder für eine «unsittliche oder unflätige Weibsperson». Diese Bemerkung bezieht sich aber auf die Mitte des 19. Jahrhunderts.
*Das Interview wurde schriftlich geführt.




Elisabeth Schmeling spannendste Bücher zum Nachlesen:

"Reproduktive Gerechtigkeit im RGB-Farbraum: Aktuelle Debatten und Diskurse"

Intersektionale feministische Erinnerungspolitik: "50 Jahre '68': Sexuelle Selbstbestimmung und die Illusion Antikolonialismus"

Lumina Limanu: "Movements and Maids – Orientierungstopographie unter der fallenden Mauer



*Das Interview wurde schriftlich geführt.

5 Kommentare:

Hase, Du bleibst hier ... hat gesagt…

Also in Druckbereich spricht man von cmyk. Wer jetzt schwarz oder Kontrast sagt, ist raus, Prüfung nicht bestanden. Cyan, Magenta, Yello und Tiefe. Schwarz steht für Tiefe, für Licht das weiße Papier. Deshalb wird auf farbigen Papier Deckweiß vorgelegt, und über das sechste Farbwerk der Heidelberger ist auch noch partieller Drucklack möglich. Schmierblätter allerdings kommen noch immer vom Rollenoffset. RGB ist alles mit Kabel drann.


Licht und Tiefe, Rassismus pur, jeden Tag millionenfach von der Rolle.

Hase, Du bleibst hier ... hat gesagt…

Ich kaufe ein w und löse. Yellow

ppq hat gesagt…

wunderschön. ein treffen der rassismusexperten

Anonym hat gesagt…

Solche belästigen einen immer wieder mit der Rauferei mit den Krankenkassen um Tittenreduktion wegen Aua im Rücken.
Mitte der Siebziger bat ich gelegentlich meine Waffenknechte, mit mit halber Kanne links und rechts der mittleren Brustwirbelsäule mit dem Gewehrkolben eine zu semmeln. Mit Erfolg zwar, aber heute habe ich dafür studierte (Fachschule) Baderknechte.

Die Anmerkung hat gesagt…

Thilo Schneider hat das mal weiter aufgedröselt. Es sieht wohl so aus, daß man der Frau und deren Chefs nicht mitteilen darf, daß die strulledoof ist.

https://www.achgut.com/artikel/karriere_fuer_fortgeschrittene

Vor den Erfolg haben die Natursektgötter der europäischen Inkontinenz aber leider den Scheiß gesetzt.