Samstag, 10. Oktober 2020

Deutschland vor der Wahl: Grassierender Fachkräftemangel

Die Vereinigten Staaten stehen wiedereinmal vor einer Katastrophe. Das freieste Land der Welt wählt, und es hat die Wahl zwischen zwei alten weißen Männern. Der eine gilt als womöglich senil, er ist seit Jahrzehnten Teil des politischen Baukastens in Washington und dass sein Sohn Aufbauarbeit in der Ölindustrie der Ukraine leistet, kann womöglich kein Zufall sein. 

Der andere Anwärter aber ist auch nicht besser, denn er heißt Donald Trump. Der leisen Regression seines Konkurrenten setzt der Amtsinhaber brüllendes Selbstbewusstsein entgegen. Und der üblichen politischen Praxis, Versprechen nur ganz unverbindlich zu halten, um sie anschließend langsam in einer unteren Schreibtischschublade zu versenken, begegnet der "Hassprediger" (Steinmeier) mit einem masochistischen Festhalten an einst verkündeten Vorhaben.

Ihm scheint vollkommen egal, wie die deutsche Presse reagiert. Ihm scheint gleichgültig, was die deutsche Spitzenpolitik von seinen Ansichten hält. Nicht einmal die Aussicht, im Falle einer Wiederwahl demnächst schon mit einem Kanzler Robert Habeck oder aber sogar mit einer Kanzlerin Annalena Baerbock zusammenarbeiten zu müssen, schreckt Donald Trump ab. Er will es noch einmal wissen, aus einer Position der Verzweiflung heraus. Eine berufliche Alternative hat er nicht mehr.

Darin gleicht Trump dem Bewerberfeld um den Posten als nächster Bundeskanzler. Neben Baerbock und Habeck stehen der Sozialdemokrat Olaf Scholz bereit, dazu bewerben sich Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet, vermutlich auch der Bayer Markus Söder und, wenn irgendetwas dazwischenkommt, der nach einer Abmachung mit Laschet für vier Jahre ins Glied zurückgetretene Jens Spahn.

Zweifellos hätte Angela Merkel von all diesen Kandidaten die größten Chancen, ein fabelhaftes Wahlergebnis für die Union einzufahren. Doch Merkel will nicht mehr, sie muss auch nicht, denn nach dem Wahltag im kommenden Jahr braucht die ewige Kanzlerin nur zwei Monate währende Koalitionsverhandlungen, um mit dem Stichtag 16. Dezember die am längsten amtierende Regierungschefin der deutschen Geschichte zu werden. Das sollte zu schaffen sein, ohne noch einmal selbst anzutreten, denn nach der vergangenen Bundestagswahl amtierte Merkel fast ein Jahr, ohne gewählt worden zu sein. 

Die Frau, die das politische Leben des Landes im zurückliegenden Jahrzehnts dominiert hat wie es zuletzt Erich Honecker zustandegebracht hatte, wird danach nicht mehr da sein. Doch wer tritt an ihre Stelle? Beim Blick auf das Kandidatentableau offenbart sich der selbe Fachkräftemangel, unter dem auch die US-Politik leidet, die nur zwei alte, gesundheitlich angeschlagene Männer aufzubieten imstande war. In Deutschland ist das Feld noch größer - mit Stand heute umfasst es sieben Anwärter. Doch alle sieben sind weiß, sechs von ihnen Männer, sechs davon über 50, sechs studierte Juristen, vier von ihnen ohne praktische Erfahrung im gelernten Beruf, alle aber mit jahrelangen und teilweise zermürbenden Erfahrungen im politischen Betrieb.

Dass die größten Chancen bei den beiden Anwärtern liegen, die in den Bundesländern regieren, denen das Corona-Containment von Anfang an vollkommen außer Kontrolle geraten ist, wirkt angesichts der Gesamtlage recht schlüssig. Armin Laschet, der unbedingt Kanzler werden will, und Markus Söder, der es nur nicht zugibt, haben in den vergangenen Monaten auf sehr unterschiedliche Weise gezeigt, dass es im werben um öffentliche Zustimmung wenig auf Ergebnisse, dafür aber entscheidend auf eine gute Figur ankommt. Kopf an Kopf mit der Kanzlerin hat sich Söder als Nummer zwei etabliert, obwohl Bayern Laschets Nordrhein-Westfalen zumindest bei den Corona zugeschriebenen Todesfällen bereits überholt und inzwischen deutlich abgehängt hat.

Der Spitzenreiter in dieser Statistik gilt auch als Favorit auf die Merkel-Nachfolge. was einigermaßen überraschend erscheint, birgt doch eine innere Logik, die schon immer politisch bedeutsam war. Nicht das Lösen von Problemen oder die Erfüllung von Versprechen erwarten Wählerinnen und Wähler von ihren Repräsentanten. Sondern allein die möglichst glaubwürdige Zusagen, sich um alles zu kümmern. 

Ein Blick zurück auf Angela Merkels fabelhafte Kanzlerkarriere zeigt das beispielhaft. 2005, als die CDU-Politikerin zum ersten Mal antrat, tat sie das mit einer ganzen Liste an Versprechungen. So sollte etwa "niemand mehr als sieben Prozent seines Einkommens für die Kosten der Gesundheit ausgeben". 16 Jahre später liegt allein der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung bei 7,3 Prozent, zuzüglich nach und nach beschlossener Zuzahlungen gibt jeder Deutsche mehr als zehn Prozent seines Einkommens als Patient aus. Aber da sich niemand mehr an die ursprünglichen Versprechungen Merkels erinnert, ist das gar kein Problem.

Und es ist nicht das einzige. Vom versprochenen Bürokratieabbau, von Veränderungen des Arbeitsrechts zur Dynamisierung des Arbeitsmarktes und den in Aussicht gestellten "Innovationsgesetzen" ist nach anderthalb Jahrzehnten genauso wenig zu sehen wie von einer "Vereinfachung des Steuersystems" (Merkel) mit einem "Eingangssteuersatz von zwölf Prozent" (Merkel) und "niedrigeren Steuern für den Mittelstand" (Merkel). Es ist halt alles ein bisschen anders gekommen. 

Als Land mit den weltweit höchsten Strompreisen, einer Staatsausgabenquote von nahezu 50 Prozent, staatlichem Miteigentum an einer ganzen Handvoll der größten Unternehmen und der öffentlichen Hand als größtem Immobilienbesitzer ist Deutschland auf der sicheren Seite: Ganz egal, wer übernimmt, es droht kein Richtungswechsel, nirgendwohin, es geht aller Voraussicht nach weiter geradeaus. 

Selbst das Wohin ist kein Geheimnis mehr, denn die entsprechenden Gesetze sind gemacht und beschlossen. Ob also Laschet oder Schröder und Habeck erst in fünf Jahren, oder doch Spahn gleich, mit dem bedauernswerten Scholz als Vize, an dessen Kandidatur sich kaum noch jemand erinnert, und Baerbock dann als erste Frau zur Halbzeit, wird nicht die entscheidende Rolle spielen. 

Wahltag wird Qualtag, so oder so.  

 


3 Kommentare:

Florida Ralf hat gesagt…

die alte dumpfnudel, das wird das gleiche wie mit dem schumacher: ewige bestmarken hier, unbrechbare rekorde da, alles klah herr kommissah, und dann kommt lewis soeder ins amt und die wahlperioden werden auf sechs jahre verlaengert, und mit ein paar parteienverboten obendrauf gewinnt er drei wahlen und is schwuppdiwupp kanzlerschaftsueberweltmeister noch zu muttis lebzeiten. die gnatzt dann vor gram.

dann werden alle sagen: tja, kuck an, so stand's ja auch auf ppq!

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/saskia-esken-fuer-begrenzung-der-mandatszeit-im-bundestag-a-7856be92-71ae-4c12-bc5e-f583b6c6ccbe

Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken hat sich für eine Begrenzung der Mandatszeiten im Bundestag ausgesprochen.

Die SPD-Chefin sprach sich dafür aus, dass Bundestagsabgeordnete drei Legislaturperioden absolvieren sollten. "Nach der ersten hat man halbwegs begriffen, wie der Hase läuft. Man verirrt sich nicht mehr und weiß, mit wem man zusammenarbeiten muss, damit etwas vorangeht", sagte sie der "SZ". Zwei Legislaturperioden sei aber zu wenig, denn "sonst hat man schnell auch keine erfahrenen Führungsfiguren mehr".

Sie selbst wolle im kommenden Jahr noch einmal für den Bundestag kandidieren, kündigte Esken an. "Das wäre dann die dritte Legislaturperiode, danach bin ich raus. Ich bin dann ja im Rentenalter", sagte sie dazu weiter.
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Zu solch dämlicher Ansage fallen mir leider nur justiziable Sprüche ein. Die sind auf PPQ nicht erlaubt.

Jodel hat gesagt…

Im Rennen um die nächste Kanzlerschaft würde ich Frau Merkel noch nicht ganz abschreiben.

Statt einen neuen CDU-Vorsitzenden zu wählen bzw. auszukungeln (wie es ihnen lieber ist) ist dieses Thema komplett verschwunden. Ein Jahr vor der nächsten Wahl wäre es doch sinnvoll langsam mal einen Kronprinzen auf den Schild zu heben, damit der sich noch profilieren kann.
Die Diadochenkämpfe sollten doch vor dem eigentlichen Wahlkampf abgeschlossen sein.
Wenn man diesen Ringelpiez mit Anfassen, der bei uns abläuft, überhaupt Wahlkampf nennen sollte.

Je länger sich die Corona-Krise hinzieht und die Umfragewerte der Union so hoch bleiben und sich kein Nachfolger endgültig aus der Deckung traut und die Medien auch nicht nachfragen, desto eher glaube ich, das sich Merkel noch mal traut.

Wenn sie die Kanzlerkandidatur wirklich wollte. Eigentlich nicht. Aber einmal doch noch.
Auf großes Bitten von allen Seiten. Unerledigte Aufgaben. Nicht die Pferde in der Krise wechseln. Trump Paroli bieten. Energiewende auf ein sicheres Gleis setzen. EU retten. Corona besiegen. CO² gleich mit. Einwanderung muss auch. Sie kennen mich. Dann aber wirklich Ende. 15 Minuten standing ovations.

Welcher der Duckmäuser in der Union hätte denn den Schneid, da Nein zu sagen? Welche der immer mehr von Staatsgeldern abhängigen Medien würde denn aufheulen? Selbst die Grünen würden jubeln. Bekämen sie doch eine Kanzlerin, die im Tausch für eine Koalition, alle ihre Forderungen komplett abnicken würde, statt die Katze im Sack kaufen zu müssen. Habeck ist jung genug, der kann noch warten. Und was die Grünen wollen, wird in diesem Lande immer wohlwollend begleitet.

Mein Geheimtipp bleibt also Frau Merkel. Sagen sie es aber noch nicht weiter. Wie liegen da eigentlich die Wettquoten?