Montag, 11. April 2022

Militärschrott: Kriege von heute, Waffen von gestern

Im thüringischen Rockensußra steht eine ganze Armada von aussortierten Panzern.

Stolz wiesen die ukrainischen Soldaten den eroberten Panzer vor. Ein T-64 ist eine mächtige Kriegsmaschine, und das schon seit mehr als 60 Jahren. Ende der 1950er-Jahre im ukrainischen Charkow unter der Leitung von Alexander Alexandrowitsch Morosow entwickelt, wurde der schwere Kampfpanzer ab Anfang der 70er Jahre in der sowjetischen Armee eingeführt - 38 Tonnen Zerstörungskraft, verbundgepanzert und angetrieben von einem 700-PS-Dieselmotor. Nach einem halben Jahrhundert im Dienst wurden die T-64 der russischen Armee schließlich bis Anfang 2013 außer Dienst gestellt. Ehe sie dann beim Angriff auf die Ukraine aus den russischen Depots geholt und eingesetzt wurden. Gegen die T-64 der ukrainischen Streitkräfte, die bis heute Dienst tun.  

Testfeld für den Kalten Krieg

An der Seite anderer altertümlicher Waffen aus den letzten Jahrtausend, die Russland und die Ukraine gegeneinander antreten lassen. Die Kalaschnikow von 1947 ist das Standardgewehr beider Seiten,  das vor 40 Jahren eingeführte Mittelstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensystem Buk schießt Flugzeuge beider Seiten ab,  das Raketenwerfersystem BM-27 ist sogar noch ein Jahrzehnt älter. Boten Kriege früher stets auch Gelegenheit, Neuentwicklungen der Rüstungsindustrie auf ihre Tauglichkeit zu testen, ist der Ukrainekrieg bis heute ein Testfeld dafür, wie tauglich die Waffentechnik der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts heute noch ist. Eine "durch und durch anachronistische Veranstaltung", wie es bezogen auf andere Aspekte des Grauens bei heise.de heißt.

Es sind die Waffen des Kalten Krieges, die vor Kiew, in Mariupol und Charkiw, dem damals noch Charkow genannten Geburtsort des T-64 aufeinandertreffen. Die Panzerbüchse RPG-7, die Deutschland nach schweren Geburtsschmerzen an die Ukraine geliefert hat, ist eine Entwicklung des Mauerbau-Jahres 1961. Die amerikanische Stinger-Rakete FIM-92 wurde in den 70er Jahren entwickelt, der leicht bewaffnete Mannschaftstransporter BMP-1, dessen Lieferung an Kiew Deutschland einer tschechischen Firma womöglich bald erlauben wird, feierte seine Indienststellung bei der Sowjetarmee Mitte der 60er Jahre, die Mot.-Schützenregimenter der Nationalen Volksarmee der DDR fuhren ab Anfang der 70er Jahre BMP-1, die es nach Anbau einer Ausstiegshilfe und Umrüstung auf asbestfreie Bremsbeläge später sogar kurzzeitig in den kargen Waffenbestand der Bundeswehr schafften.

Marder vom Schrottplatz

Das eigentliche Pendant im Westen war der "Marder", in der Tradition der Wehrmacht mit einem bissigen männlichen Tiernamen versehen und Ende der Wirtschaftswunder-60er bei der Bundeswehr eingeführt. Gelangen die nun nicht mehr als "BMP-1A1-Os"t, sondern als "PbV-501" bezeichneten DDR-Schützenpanzerwagen nach Jahren in Schweden nun vielleicht bald über Tschechien in die Ukraine, müssen die "Marder" für ihren geplanten Einsatz zur Verteidigung des Abendlandes erst vom Schrottplatz geholt werden. Im thüringischen Rockensußra, einer kleinen Gemeinde mit einer großen Konversionsfabrik namens "Panzer-Verschrottung", die schon mehr Todesmaschinen entschärft hat als die Bundeswehr heute noch besitzt, stehen die "Marder" in endlosen Reihen (Foto oben), seit Jahren harrend ihrer Demilitarisierung.

Nun aber kommt die Rettung. Nach Wochen hinhaltenden Widerstandes der Bundesregierung musste  Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht dem zunehmenden Druck aus der Ukraine und den lauter werdenden Rufen in deutschen Medien nachgeben. Wenn schon kein Gasembargo möglich ist, dann müssen es wenigstens Waffenlieferungen sein. Wenn Deutschland schon nicht selbst mitkämpfen kann, trotz ausgewiesener Osterfahrung, weil die eigenen Kampftruppen derzeit in Impfzentren und in Mali gebunden sind, soll Solidarität im geben zu sehen sein. Schützenpanzerschrott statt Schutzhelme, bewährte russische Kampftechnik der 80er statt guter Worte. Und weg muss das Zeug ja sowieso.

Marscherleichternder Schrott

Für Deutschland hat die Lieferung des Militärschrottes marscherleichternde Wirkung. Zwar müssen die angejahrten NVA-Panzerwagen erst noch instandgesetzt werden. Dann aber landen sie doch noch dort, wo sie nach einem Beschluss der großen Koalition von vor drei Jahren keinesfalls hingeraten sollten. Damals hatte die tschechische Firma einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, die 58 Veteranen des Kalten Krieges an die Ukraine verkaufen zu dürfen. Das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Vizekanzler Olaf Scholz aber verweigerte die Zustimmung zu dem Geschäft, um Russland nicht zu provozieren.

Was die inzwischen als viel zu russlandfreundliche frühere Regierung für unmöglich hielt, setzt die feministische Außenpolitik der Ampel-Koalition um, wenn auch zögerlich und in der Hoffnung, der Konflikt im Osten werde vielleicht vorüber sein, ehe es zum Äußersten kommt und "deutsche Waffen, deutsches Geld/morden mit in aller Welt" (Normahl). Wie die russische Armee immer noch nach dem  Grundsatz operiert, "dass der rücksichtslose Einsatz von Menschen und Material am Ende zum Erfolg führen wird" (NZZ), folgt die neue deutsche Friedenspolitik dem Motto, dass "deutsche Waffen und deutsches Geld Ordnung schaffen in der Welt" (Normahl). Nur eben nicht gleich.


9 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Mittelstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensystem Buk schießt Flugzeuge beider Seiten ab

Eigentlich nicht, denn die Ukraine hat keine mehr zur Verfügung, aus Gründen, und der Russe hat längst andere Systeme im Einsatz, die die türkischen Drohnen vom Himmel regnen lassen.

Die Anmerkung hat gesagt…

Ach so. U.a. einer der Gründe.

https://die-anmerkung.blogspot.com/2022/04/s-300-division-der-slovakei-komplett.html

Anonym hat gesagt…

Angesichts der hiesigen hohen Entsorgungskosten von Altfahrzeugen ist es doch wirtschaftlich klug, unseren nicht mehr schwangerengerecht nachzurüstenden Militärschrott an kriegslüsterne Ausländer zu verschenken, die ihr Leiden und Sterben damit verlängern möchten. Statt sich weiter vom Nato-Westen aufhetzen zu lassen, um bestenfalls eine weitere US-Kolonie zu werden, sollten die Ukrainer sich lieber um Kompromiss-Verhandlungen kümmern, wenn ihnen Trümmer und Tote nicht gefallen.

Wer mag dort wohl Massaker begehen, wenn berüchtigte Asov-Brigaden nach dem Russenabzug 'Säuberungen' durchführen? Das Wort allein beweist doch deren Täterschaft oder meint jemand ernsthaft, diese Killerbande würde die verirrten Schäfchen freudig wieder willkommen heißen?

In diesem abscheulichen Geflecht aus Propaganda und Lügen ist es verdammt schwer, sich der Wahrheit zu nähern. Also bleibt nur die berühmte Frage Cui bono? Wer profitiert davon? So kommt schnell etwas mehr Licht ins Dunkel.

Meint die US-hörige EU etwa, sie könne in einem größeren Konflikt mit Russland etwas gewinnen? Ich befürchte, das vom Pentagon gekaufte Politikergesindel ist längst so extrem im eigenen Wahn gefangen, das ihm nur der Selbstmord bleibt, um nicht das scheinheilge Gesicht zu verlieren.

Die große weite Welt außerhalb dieser Idioteninsel westlicher Moralapostel organisiert sich längst neu und wird uns Großkotze - sofern von uns etwas übrig bleibt - dann vermutlich den Bananenrepubliken zuordnen. Dumm geboren und nach zwei verlorenen Weltkriegen nix dazu gelernt. Geht es den Kindern und Enkeln der in Stalingrad gescheiterten Nazis etwa um späte Rache für diese Schmach? Man könnte es fast meinen, wenn man totale Verblödung als Ursache ausschließt.

Hier kämpfen sie wie irre gegen eine Handvoll Rächzz, dort beliefern sie brutale Faschistenhorden mit Waffen.

Den dortigen Krieg verlängern ist ok, aber bitte ohne Leichen auf den Straßen zwischen den Ruinen. Krieg hat gefälligst klimaneutral und umweltschonend sauber zu sein, meint das sensible deutsche Schildbürgertum und verteufelt nach Jahren Hetze gegen Trump jetzt mal den Putin. Und die Chinesen sind auch immer irgendwie schuld, wenn hier im besten aller Schlands etwas nicht klappt, und das passiert verdammt oft.

Alles Schlampen außer Mutti.

Martin hat gesagt…

Je nun.... das allermeiste Kampfwerkzeug ist relativ alt. Es zeugt eher von Unkenntnis, etwas anderes anzunehmen. Modernisierte Versionen haben mit ihren Vorläufern oft nicht sehr viel mehr gemeinsam als die grundlegende Auslegung und teils das Chassis.
Das gilt für Panzer, wie für Flugzeuge oder auch andere Waffensysteme. Die AIM-9 Sidewinder Luft-Luft Rakete ist bald seit fast 70 Jahren im Einsatz....e

Carl Gustaf hat gesagt…

Die Russen und die Ukrainer demilitarisieren sich gerade gegenseitig. Die Fähigkeit zu ernsthaften militärischen Aktionen wird auf beiden Seiten bald nicht mehr gegeben sein. Wenn wir noch ein paar Tage warten, reichen wahrscheinlich schon allein die baltischen Streitkräfte, um die Öl- und Erdgasquellen der Russen vollständig unter Kontrolle zu bringen.

Anonym hat gesagt…

Sehr schön sind auch die 122 mm Haubitzen von 1937. An denen hatte ich 1979 mein vergnügen. Sie sind irgentwie in Finnland gelandet, dann nach Estland verschenkt und jetz in der Ukraine.
Sie sind aalso mehr in der Welt rumgekommen als ich. Sehr robust und nicht kaputt zu kriegen, im
Unterschied zu mir.

Anonym hat gesagt…

Was sagt die Völkerrechtlerin?
https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-waffen-baerbock-eu-aussenminister-101.html
Die Ukraine braucht schwere Waffen

Anonym hat gesagt…

Sie sind irgentwie in Finnland gelandet ... na entlich.

Mein längstes und auch ältestes Donnerrohr ist Baujahr 1929 - und schießt, und schießt, und schießt ...

Anonym hat gesagt…

re Carl Gustav : nö du . Der Russe hat gewaltige Mengen Waffen und Munition - und der FSB plant bereits eine polizeitaktische Maßnahme gegen den medial - bolschewistischen Komplex in Köln