Sonntag, 28. April 2024

Fratzschers Renditerenner: Profite aus Brücken

Können Bürgerinnen und Bürger eines Tages in die Reparatur einer solchen Brücke investieren, ist ihre Rente wieder sicher.

Der Mann ist eine lebende Legende, nicht irgendein Fachmann für igrendwas, sondern der für alles. Marcel Fratzscher ist bekennender Freund der Inflation, er hat die Transformation schon durchgerechnet gehabt, als andere noch an den großen Wumms glaubten. Fratzscher, einziger deutscher Ökonom mit eigenem Verb, erklärte das deutsche Wirtschaftsmodell kurzerhand für obsolet, weil "nur eine sozialökologische Neuausrichtung die hohe Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und die vielen guten Arbeitsplätze in Deutschland sichern" werde. Die, das las er aus dem Kaffeesatz, werde 100 Milliarden kosten, die sich aber leicht bei "Hochvermögenden" und "Superreichen" holen ließen.  

Update der Dezembervorhersage

Seit der Dezembervorhersage Fratzschers ist aber schon wieder alles teurer geworden. Und sowieso steht der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung immer lieber für eine Lösung, die mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe erwischt. Dass steigende Preise für Heizung und Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger gut sind, weil sie dem Klima dienen, hat Marcel Fratzscher als einer der ersten Wissenschaftler gelobt. 

Auch seine Liebe zur Geldentwertung hatte immer sachliche Gründe. Während das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2002 und 2022 numerisch um 76 Prozent wuchs, davon aber ein Drittel sich allein der Inflation verdankten, hatte der Finanzminister mit einem Steuerplus von mehr als 100 Prozent gut gewirtschaftet. Und das nützt natürlich allen.

Denn seit 20 Jahren habe sich der deutsche Staat "kaputtgespart", wird Fratzscher nicht müde zu wiederholen. Es begann mit Schröders Sparhaushalt von 2004, der ein Volumen von 257,5 Milliarden hatte. Seitdem hat sich das Sparhaushaltsvolumen auf 445,7 Milliarden Euro nicht einmal komplett verdoppelt, und trotzdem ist nie Geld da. 

Kluge nationale Argumente

Ein neuer Vorschlag des Forschers soll das ändern, indem er die FDP-Idee einer Aktienrente klug mit nationalen Argumenten kontert. Warum solle denn privates deutsches Geld "für Investitionen in Straßen in China oder in Gaskraftwerke in Nigeria investiert werden, und nicht für Schulen, Brücken und Krankenhäuser hierzulande?", fragt Fratzscher. 

Anstelle der globalistischen Geldanlage auf der Jagd nach der attraktivsten Rendite für den gemütlichen Ruhestand empfiehlt er einen "Bürgerfonds" (BWHF): Überall dort, wo die Kommunen pleite sind und die Instandhaltung der Infrastruktur so wenig gewährleisten können wie den Neubau von Schulen, Freibädern, Parks, Straßen oder Brücken ohne die gnädige Hilfe von sogenannten "Förderprogrammen", würden Wählerinnen und Wähler selbst mit dem Rest Geld einspringen und investieren, das ihnen nach Abzug von Steuern, Abgaben und Lebenshaltungskosten noch bleibt. 

Ein ganz großer Wurf

Es wäre ein ganz großer Wurf, der das Staatsprinzip "Von der Wiege bis zur Bahre" nicht nur wörtlich nimmt, sondern raffiniert auch die Schuldenbremse löst. Fratzschers "Bürgerfonds" wäre nichts anderes als eine Art neues Sondervermögen im Schatten der Schuldenbremse: Statt Bundesanleihen zu kaufen, legt der renditehungrige Sparer sein Geld in einem Investitionsfonds an, den die staatliche Förderbank KfW aufgelegt hat. 

Von dort aus fließt das Geld, das genaugenommen nun zwar für die Bürger eine Anlage, für Vater Staat aber eine weitere Verbindlichkeit ist, in all die wichtigen öffentlichen Investitionsprojekte, deren Unterhalt die öffentliche Hand sich trotz rekordhoher Steuereinnahmen nicht mehr leisten kann. Auf seine Verschuldung müsste sich der Staat die Milliarden nicht anrechnen lassen, weil er zwar Besitzer der KfW ist. Die aber Schuldner, nicht er.

Marcel Fratzscher hat es ausgerechnet. Einerseits würden so "Brücken und Schienen, Schulen und Kitas und andere wichtige Projekte der öffentlichen Daseinsfürsorge" auf Vordermann gebracht. Andererseits würde der Fonds "auch bei der Altersvorsorge helfen". Wie genau das geschieht, hat er noch nicht ausgeführt. Es würden "die Finanzierungskosten reduziert" und "gleichzeitig die privaten Investoren an den Risiken beteiligt". 

Statt Gewinnen geringes Ausfallrisiko

Der Bürgerfonds hätte darüber hinaus "eine implizite staatliche Garantie, der das Ausfallrisiko minimiert" und die staatliche Fondsverwaltung werde natürlich dafür sorgen "dass die Gelder vor allem in solche öffentlichen Investitionsprojekte fließen, die gut gemanagt und durchdacht sind und den höchsten Ansprüchen an Effizienz gerecht werden". Fratzscher weiß, dass der Deutsche im Allgemeinen eher wenig risikogeneigt ist. Verspricht man ihm, dass zwar nichts gewinnen wird, aber auch nichts verlieren kann, ist er dabei.

Wenig anderes kann der Staat besser. Das werde es ermöglichen, das Risiko der Bürgerinnen- und Bürgeranleger "so zu gestalten, dass sie keine Verluste machen können". Zugleich werde die Rendite für Bürgerinnen und Bürger "deutlich höher als für die Spareinlage oder die Lebensversicherung", so dass sie "besser Ersparnisse für das Alter aufbauen" könnten. Wo genau dabei aber diese Gewinne herkommen sollen, die Menschen bisher veranlassen, ihr Geld in bestimmte Fonds zu stecken, sagt Marcel Fratzscher nicht. Plant er Brückenmaut? Schulgeld? Eine Infrastrukturaufbauabgabe für Kindergartenkinder?

Gestärkte Vorsorge ohne Rendite

An all diesen Details wird noch gearbeitet. Ungeachtet dessen aber steht dem Zauberkunststück nichts entgegen. Statt einer Aktienanlage, die mit einer monatlichen Sparrate von 350 Euro nach 45 Jahren um die 1,2 Millionen Euro Ausschüttung verspricht und damit einen sorgenfreien Ruhestand ermöglicht, löst Fratzschers Konzept entschlossen gleich drei andere deutsche Probleme auf einmal. Die Altersvorsorge wird "gestärkt" (Fratzscher), ohne dass den Bürgerfondsanlegern irgendeine Rendite in Aussicht gestellt ist. Der Bürgerfonds werde zudem "die soziale Akzeptanz für die notwendige wirtschaftliche und ökologische Transformation Deutschlands stärken". Und der Staat, der aus Mangel an Geld nicht investieren kann, was er müsste, investiert mehr, ohne dass er mehr investieren muss.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dass der Herr Fratzscher hierzulande als Experte gilt und ständig mehr oder weniger unwidersprochen das große Wort führt, ist eine der Dekadenzerscheinungen unserer Zeit.

ppq hat gesagt…

wie das land, so das jever

Anonym hat gesagt…

Meine Hochachtung und auch meinen Dank an den Blogwart, dass er sich das antut.
Hannibal Lecter: Ich --- kann das nicht. (Ihre ... riechen.)

Fratzscher betreffend: Ich habe Meniskus, keine Beinarbeit mehr möglich. Mein Dai-Sihing hat Hüfte: Das Alter bricht den Frieden, den der Ger ihm gab (Edda). Und, meine Serben sind mit mir gealtert ...
--- aliquis nostris ex ossibus ultor ---

Volker hat gesagt…

Ein brillanter Wissenschaftler und visionärer Kopf. Warum nur schmähen ihn manche immer noch als Claqueur der SPD?

Volker hat gesagt…

Der Hochachtung und auch Dank an den Blogwart möchte ich mich anschließen. Ich hätte nicht den Nerv, mir das Fratzscher-Gesülze anzutun.