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Nach dem Gesundheitsbereich übernimmt Karl Lauterbach jetzt die Raumfahrt. |
Karl der Käfer wurde damals nicht gefragt, man hat ihn einfach fortgejagt. Karl Lauterbach blieb dieses böse Schicksal erspart. Zwar sortierte Lars Klingbeil, der neue mächtige Mann an der Spitze der SPD den einstigen Hysteriebeauftragten der deutschen Sozialdemokratie und späteren Bundesgesundheitsminister im Zuge der Neuordnung der eigenen Reihen aus.
Doch die Parteiführung hat dem Mann aus Düren eine Anschlussverwendung besorgt: Lauterbach wird Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung.
Ein neuer Zauber
"Eine neue Aufgabe, neuer Zauber!", hat sich der 61-Jährige selbst über die neue Chance gefreut, die ihm neben der Beschäftigung mit seinen Kernthemen KI, Quantencomputern, Biotechnologie, Medizinforschung und Energieversorgung auch zum obersten deutschen Raketenparlamentarier macht. Lauterbachs Begeisterung für die Möglichkeit, künftig mit fragwürdigen Figuren wie Jeff Bezos und Elon Musk von Raumfahrtpionier zu Raumfahrtpionier sprechen zu können, ist groß.
"Diese Bereiche bestimmen unsere Zukunft", hat er sofort erkannt und das Unerhörte getan. Karl Lauterbach löschte sein ikonisches Selfie mit Annalena Baerbock und Robert Habeck, das zum "Start des eigentlichen Projektes" im Dezember 2021 entstanden war. Störrisch hatte der gelernte Gesundheitsökonom das Foto selbst noch stolz vorgezeigt, als die Ampel schon nur eine Fußgängerampel war und ihr Verfallsdatum wie eine Fahne vor sich hertrug.
Neustart für Lauterbach
Vorbei, vergessen. Karl Lauterbach wagt den Neustart, was bleibt ihm auch übrig. So viele andere, gute Genossen mit kernigen Grundüberzeugungen, sind auf der Strecke geblieben. Länderproporz, persönliche Animositäten, zu alt, zu links, zu rechts, zu wenig aus dem Osten. Hubertus Heil, der sich auf dem üblichen Weg als Mitarbeiter von Abgeordneten Ende der 90er Jahre zum ersten Mal bis in den Bundestag gedient hatte und zuletzt Arbeitsminister war, steht auf einmal vor dem Nichts eines Lebens als ganz gewöhnlicher Hinterbänkler.
Es gibt keine Dankbarkeit im politischen Berlin, schon gar nicht denen gegenüber, die es gewagt haben, die Parteiführung mit deren eigenen Waffen anzugreifen. Heil etwa richtete aus Sicht der SPD-Spitze Schaden an, als er den kleinen Arbeitern, Angestellten und Arbeitssuchenden in seinem Verantwortungsbereich unabgesprochen die Einführung des Klimageldes zum "sozialen Ausgleich" der politisch organisierten hohen Preise für Energie und Lebensmittel versprach, das die Ampelkoalition zu diesem Zeitpunkt bereits in aller Stille beerdigt hatte.
Urteil ohne Murren
Wer so blauäugig an den Schlaf der Welt rührt, das ist im Parteivorstand seitdem unumstritten, gehört nicht in verantwortliche politische Positionen. Heil hat das Urteil ohne Murren akzeptiert, ganz im Gegensatz zu Saskia Esken. Die frühere Parteivorsitzende hatte von ihrer anstehenden Verrentung aus der Zeitung erfahren und sich anschließend bitterlich darüber beklagt, wie schwer es Frauen in der Spitzenpolitik haben. Obwohl sie den Niedergang der früheren Volkspartei SPD ja gemeinsam mit Lars Klingbeil organisiert habe, werde nur sie bestraft, so ließen sich die Einlassungen der 63-Jährigen lesen.
Beim Landesparteitag der SPD in Duisburg kam das gut an. Als wäre es ihre eigene Idee gewesen, thematisierten Delegierte in scharfem Ton, dass Klingbeil nach den vielen Wahldebakeln immer mächtiger werden, Esken aber vom Hof gejagt wird. "Das ist unanständig, was da gelaufen ist, dass wieder die Frauen kassieren und die Männer den Top-Job kriegen", schimpfte ein anderer.
Esken selbst setzte auf den Mitleidsbonus. Sie fühle sich gejagt, klagte sie, und zur "Buhfrau" gemacht. Die Strategie verfing: Nur eine Woche später hatte ihr die Parteiführung den Vorsitz im Bundestagsausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugesagt.
Versagte Solidarität
Solidarität, so wichtig, dass die doppelt leiden, die ohne sie auskommen müssen. Die SPD müht sich zumindest, ihre verdienten Genossinnen und Genossen angemessen unterzubringen - auch wenn die zur Verfügung stehenden Stellen rar sind und nicht jeder Altvordere bereit ist, einen Abstieg allein schon in der Dienstwagenklasse zu akzeptieren.
Doch der Blick auf die Grünen zeigt, dass es auch anders geht, brutal geradezu und ohne Rücksicht auf Verluste. Nichts tut die erst im Herbst vergangenen Jahres vom damals faktisch allein herrschenden Parteipaten Robert Habeck neu installierte Führung für die, die in den schrecklichen Ampeljahren alles getan haben, um die Wählerinnen und Wähler gegen grüne Ideen, den Klimaumbau und die große Transformation aufzubringen.
Im Schatten des Übervaters
Steffi Lemke etwa, im Schatten des Übervaters Habeck als Ministerin gerade noch für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und zudem den gesamten Bereich des Verbraucherschutzeszuständig, steht vor dem Nichts. Ihre Partei hat augenscheinlich keine Verwendung mehr für sie, vielleicht, weil die umgebaute Spitze mit Dröge, Haßelmann, Brandtner, Banaszak und Audretsch wieder komplett westdeutsch besetzt ist. Demonstrativ hat es die Partei in den drei Monaten seit der Wahl nicht einmal geschafft, Lemkes offizielle Abgeordnetenseite zu aktualisieren. Ein deutlicher Fingerzeig, was der Ostdeutschen im Haifischbecken einer Partei droht, deren Beliebtheit seit 2021 sogar noch dramatischer eingebrochen ist als die der SPD.
Was war, soll weg. Die Gesichter, die Stimmen, die komplette Einsatzgruppe Talkshow. Sogar Robert Habeck haben sie aussortiert - der 55-Jährige Star des "Zusammen"-Wahlkampfes wurde gezwungen, proaktiv auf alle Ämter zu verzichten, die ihm ohnehin niemand mehr angeboten hätte.
Der große Sprung
Was für eine Zurücksetzung. Natürlich, wer entsprechende Verbindungen hat, der kann für sich selbst sorgen. Annalena Baerbock gelang so der große Sprung nach New York. Raus aus dem provinziellen Mustopf der deutschen Außenpolitik, einem Gefäß, das ihr immer schon zu eng gewesen war. Rein in die Weltpolitik, das globale Spiel, in dem über das Schicksal von Nationen entschieden wird. Auch in der grünen Partei waren sie dem Vernehmen nach glücklich, dass sich zur quengelnden und auf eine neue Chance drängenden Ex-Parteichefin Ricarda Lang nicht noch ein zweites prominentes Problem gesellt.
Wer für sich selbst sorgen kann, ist gut bedient in den Zeiten des Übergangs. Cem Özdemir etwa macht sich gute Hoffnungen, als Ministerpräsident in Baden-Württemberg ein neues Zuhause zu finden. Mit der Habeck-Taktik, sich schon vorab als eindeutig beliebtester Kandidat darstellen zu lassen, rechnet sich der auch als Grünen-Chef gescheiterte 59-Jährige Chancen aus, die ihm nicht einmal die Parteispitze verderben kann. Würden die Badener und Württemberger direkt wählen, wäre Cem Özdemir der sichere Sieger, heißt es aus seiner Kampagne. Die leichte Verzweiflung darüber, dass letztlich Parteien gewählt werden werden, ist kaum zu überhören.
Lauterbach ist untergebracht
Wenigstens Karl Lauterbach aber ist untergebracht, sicher, warm und an einem Ort, an dem er mit aktueller Politik fast gar nichts zu tun haben wird. Der als ganz besonders geltungsbedürftig und scheinwerfersüchtig bekannte frühere Christdemokrat galt parteiintern als schwerer Falle. Bei den Bürgern unbeliebt, in der Partei umstritten, von vielen Medien aber ausdauernd hoffiert, musste Lauterbach zumindest würdevoll geparkt werden.
Dass es mit dem Bundestagsausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung geklappt hat, ist ein Glücksfall für den Wissenschaftler und für das Land: Deutschland verfügt derzeit weder über eine Forschung jenseits der Grundlagenforschung noch über irgendeine originäre Art von Technologie abseits dessen, was die Großkonzerne aus den Vereinigten Staaten und Asien zur Verfügung stellen.
Es droht kein Schaden
Auch die Raumfahrt, für die Karl Lauterbach in den kommenden vier Jahren den Hut aufhaben wird, besteht aus hochfliegenden Träumen und Dauerbuchungen bei Elon Musks SpaceX. Deutschland, das Land, aus dem das erste menschengemachte Flugobjekt bis ins All flog, hat derzeit keine flugfähige Rakete. Besser konnte es nicht kommen, denn so wird sich Lauterbachs Ausschuss in aller Tiefe mit der Technikfolgeabschätzung beschäftigen können, jenem Angstbereich des Fortschritts, in dem Deutschland weltweit führend ist.
3 Kommentare:
Nur Karl kann diese Themen noch mehr vergeigen, als sie es schon sind.
Ein echter Wissenschaftler kann alles, er hat nämlich studiert.
Nur leicht OT:
Draußen sind fünf Grad, und beim Herumzappen erscheint der Halbprimat Lesch (galizische Liste???), wedelt, Weisheit vortäuschend, wichtigtuerisch mit den Wixflossen wie der Reb in der Schul - den Ton konnte ich glücklicherweise rechtzeitig abstellen. Nicht mein Hass - mein Ekel fraß mir hungrig am Leben.
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