Dienstag, 27. Mai 2025

Die Ostmulle, der neue Liebling des Westens

Die Ostmulle, künstlerisch umgesetzt: Hinten an der Wand ein Deutschland-Wimpel.

"Die Wessis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht." 

Gerd Gerber, Tischler aus Gera 

 

Was soll das sein, "Ostmullen"? Wo finden die sich, wenn nicht in den typischen Westblättern, die vor Jahren schon begonnen hatten, sich ihren eigenen Osten zu erfinden, mit Hakenkreuzmädchen und Kindermorden in Freibädern, zu denen ganze Ortseinwohnerschaften applaudierten, wie das Topfen im Kindergarten es so gelehrt hatte.

Die "Ostmulle", so schildert es die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" der Leserschaft in den echtholzparkierten Bionadevierteln der Republik, sei eine Frau, die "in kurzen Videos ihre Lippen bewegen zu Hardtekk oder Rechtsrock oder auch nur mutmaßlichem Rechtsrock". Mit Hilfe von "Lorbeer-Tattoos" machten diese Ostmenschen auf TikTok "rechte Ideologie zu Pop", zu populärem Stoff als, für den es Exil-Ostler wie den "Zeit"-Expeditionsreisenden Cornelius Pollmer braucht, um die Nachbarschaft über dessen Existenz zu informieren.

In den Steppen von Sachsen

Der Exilsachse Pollmer ist beileibe nicht der erste Ostflüchtling, der sich hinausgewagt hat in die Steppen von Sachsen, die Thüringer Täler oder die weiten, weitgehend entvölkerten ehemaligen Landschaften Mecklenburgs. "Auf verlorenem Osten" reisten schon Dichter, Denker und Filmregisseure. Sie beschrieben das Leben an Bushaltestellen und vor geschlossenen Kneipen, die Dankbarkeit der BMW-Fahrer und den Hass der bei der Frühverrentung Zuspätgekommenen. 

Mit einem mutigen Spontanausstieg aus einem Deutschlandticket-Zug "in einer beliebigen ostdeutschen Kleinstadt" aber stieg noch nie jemand ein in eine ethnologische Enthüllung der dunkelsten Seiten der schwarzen Seele der Vielfaltsrepublik: Hier draußen ist der zivilisationsgewohnte Reporter ganz allein. Er trifft auf Deutschland mit ländlichem Raum und "sehr eigenen Ideale von Mode und Ästhetik". Heidi Reichinnek wird als Referenzpunkt nicht ausdrücklich genannt, aber der gemusterte Körper der Linkspolitikerin, von fern an einer in endlosen Stunden hoffnungsloser Langeweile bemalte Schulbank erinnernd, dürfte vielen "Zeit"-Lesenden bekannt sein.

Alle sichtbaren Körperflächen

Diese "oft exzessive Ausgestaltung aller sichtbaren Körperflächen" ergibt nach Pollmers Erkenntnissen ein "in Summe zuweilen fast tribalistisch anmutendes Gesamtbild von Mensch", das nicht auf junge Linke und Grüne beschränkt ist. Im Osten sehen sie alle so aus: Die "maulfaulen Männer in karierten Dreiviertelhosen, in deren längst müde gewordenen Ohrläppchen gewaltige Tunnelringe schaukeln". Daneben die "Omas in ihren wattierten Steppjacken, unter denen Plastikstrass in feinen Blättchen schimmert". Und eben auch und vor allem die "Ostmullen", das Aushängeschild, das die Medien der demokratischen Mitte vor einigen Wochen aus noch körperwarm aus den TikTok-Zitzen zapften.

Ostmullen, das sind die, in denen "politische Ahnungslosigkeit auf digital verschönerte Dummheit trifft". "Ostmullen" würden vielleicht die Verstaatlichung der Deutschen Bahn fordern, hätten sie nicht anderes zu tun: Sie müssen Lipsync-Videos machen, aber nicht zu Taylor Swift und Adele, sondern zu eben jenem "Hardtekk oder Rechtsrock oder auch nur mutmaßlichem Rechtsrock". Hinter ihnen und ihren Tattoos, ihrer Schminke, ihrer Dekolletés, ihrer Weltanschauung, ihrem Selbstbewusstsein hängen im Kinder- und Jugendzimmer "auch mal Deutschland- oder Reichskriegsflaggen". Das sei "sehr verstörend", raunt der Reporter, obwohl Wahlplakate zuletzt gar nicht so viel anders aussahen.

Kiloweise Nasenringe

Aber die Leute im Vordergrund waren immerhin keine Ostler aus elenden Kleinstädten in der Provinz, an der "Straße der Gewalt". Keiner dieser neuen Nationalisten summte ein Landser-Lied, niemand hatte in Textmarker-Pink gefärbte Haare, im Gesicht "reichlich Blech verschraubt und vertackert" und "eine erstaunliche Häufung von Nasenringen". Zeug, das die gewöhnliche Ostmulle kiloweise mitschleppt, wenn sie bei Tiktok Followerjagd geht wie die "Zeit". Nur eben nicht in seriösem Fummel Marke "Ist Trump der korrupteste Präsident" oder "Macht Frankreich jetzt einen auf Trump". Sondern mit Preußen, Bismarck und Deutschtümelei.

Wer sich in der beliebigen ostdeutschen Kleinstadt nur kurz und wagemutig am Bahnsteig die Beine vertritt, bekommt vielleicht nicht einmal eine Ostmulle zu sehen. Aber die "Zeit" hat sie gefunden: "bretthart verstrahlte Ost-Underdogs, die komplett verstanden haben, was die Wendung "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert" bedeuten kann". Man liest keine "Zeit" und vermutlich auch das örtliche Amtsblatt nicht. Der verschobene Sendetermin von "Hart aber wer" ist einem egal. Und das Verfassungsschutzgutachten zur gesichert rechtsextremistischen AfD bedeutet so viel wie dem schlossernden Opa seinerzeit der wütende Hinweis des VEB-Betriebsdirektors, wer das staatsfeindliche Pamphlet des Neuen Forums unterschreibe, bekomme mächtig Ärger.

Freiwild singen, Freiwild sein

Weil die Ostmullen dem Westen den Respekt für alles verweigern, was er ihnen gebracht hat, abgesehen von Textmarker-Pink gefärbten Haare, Nasenringen und mutmaßlichem Rechtsrock, ist für sie der dicke Knüppel der Verachtung gerade gut genug. Man kann die nicht erziehen, man kann sie nur verächtlich machen, an ihren Körpern mäkeln, ihr Aussahen ins Lächerliche ziehen und in Misogynie schwelgen. Ostmullig sein heißt Freiwild singen und Freiwild sein für die Betrachter aus dem Westen, denen das letzte Urteil über die Zulässigkeit eines solchen Phänomens zusteht.

Ob "Bautzen City Girl", "Chemnitz City Girl" oder "Cottbus City Girl" - was niemand mitbekam, als es der rechte Konferenzredner Martin Sellner als "massiven metapolitischen Dammbruch" feierte, bekommt die rechte Reichweite jetzt, wo die Frauen, "die zwischen Taille und Saum des bauchfreien Tops einen permanenten Lorbeerkranz am Körper tragen", mit ihren "Fußball-Shirts mit einem Adler drauf" (Die Welt) ihren Grusel in die Bürger- und Beamtenhaushalte im demokratisierten Teil des Landes verklappen.


6 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Ist der Eingangsspruch höchstselbst vom Herren Tischler handgedrechselt worden? Oder hat da jemand nachgeholfen, daß er das dem Lokalreporter des Fernsehens so ins Mikrofon hauchte?

Anonym hat gesagt…

Man sieht das wohl eher als Kuriosum und weniger als Anlass, nach noch mehr Kohle für die 'Zivilgesellschaft' zu plärren, was für sich genommen eine Überraschung ist. Kann ja noch werden.
Wenn ich da Tiktok benutzen und komische Musik anhören muss, bin ich aber eh erstmal raus.

Anonym hat gesagt…

Wer mal ein bisschen ostdeutschen Rechtsrock hören möchte: https://www.youtube.com/results?search_query=S%C3%A4chsii

Anonym hat gesagt…

NIcht mein Geschmack, aber gut, dass es Leute gibt, die nicht für linke DJs und geschmierte Radioredaktionen produzieren. In der Sache ist Social Media das Westradio.

Anonym hat gesagt…

Einer der besten Beiträge in letzter Zeit, Bravo!

Anonym hat gesagt…

https://www.youtube.com/results?search_query=S%C3%A4chsii

Jau, dat geiht nich. Itt dassent wörk. Det funkar inte.