Montag, 5. Mai 2025

Fragwürdige Verweigerer: „Ich möchte kein Fahrrad!“

Der Fahrradboom nimmt schon seit mehr als 25 Jahren alle Hürden  - immer noch aber gibt es eine Gruppe störrischer Verweigerer ohne Schuldgefühle.

Sie boomen, sie sind beliebt, sie gelten als die klimafreundliche Antwort auf die Hitzekrise. Und dank neuester chinesischer Technologie haben sie inzwischen sogar elektrisch angetriebene Trethilfen. Doch wenn Menschen Nein zum Fahrrad sagen, müssen sie sich oft rechtfertigen. Warum eigentlich?  

Wenn sich Menschen dazu entscheiden, ein Leben ohne Fahrrad zu führen, tun sie das oft schon in jungen Jahren - manchmal auch später, häufig nach Unfällen oder weil ihnen Fahrräder wieder und wieder gestohlen worden sind. Gesellschaftlich aber begeben sie sich damit in eine angreifbare Position.
 
Das Fahrrad, einst ein gewöhnlicher Alltagsgegenstand, ist durch Marketing, Regierungspolitik und die Arbeit einer Vielzahl von Lobbyverbänden zu einer Renommierobjekt geworden. Es soll schick sein, leicht, modern und wenn möglich mit einem unauffällig verbauten Elektroantrieb. Es soll die vielen neuen Fahrradstraßen bevölkern. Und damit helfen, die Krise in der Autobranche, wenn möglich, weiter zu verstärken.

Teil des erfüllten Lebens


Dass das Fahrrad zum erfüllten Leben eines engagierten Bürgers zwangsläufig dazugehört, ist eine Unterstellung, der kaum jemand zu widersprechen wagt. Menschen, die aus privaten oder aus Glaubensgründen nicht Fahrradfahren, werden oft als unvollständig wahrgenommen. Sie müssen sich inquisitorische Fragen stellen lassen, möglicherweise auch gesundheitliche Gründe sollen offengelegt werden, die Schuldfrage wird gestellt. 
 
"Zu einer gesellschaftlich als Normalität anerkannten Vorstellung gehört immer noch, dass Menschen von frühester Kindheit an Fahrrad fahren", sagt der Ökotrophologe Armin Al-Hauzahn, der am Grimmaer  Climate Watch Institut (CWI) zu mobilen Lebensentwürfen forscht.

Menschen, die sich diesem stillen gesellschaftlichen Zwang verweigern, werde "von weiten Teilen der Gesellschaft unterstellt, dass sie keinen erfolgreichen Lebensentwurf hinbekommen", sagt Al-Hauzahn. Der Mobilitätskritiker hat die Folgen gemeinsam mit seinem Kollegen Herbert Haase, dem Chef des CWI untersucht und frappierende Fakten entdeckt: "Nicht Fahrrad zu fahren wird immer mit ungewollt fehlenden Fähigkeiten in Verbindung gebracht", erklärt er. Richtig sei aber vielmehr, dass "einfach nicht jede Frau und jeder Mann mit einem Fahrrad fahren möchte". 

Gängige Vorurteile


Von den Fahrradforschenden befragt wurden 11.100 Bürgerinnen und Bürger, zum Teil Autofahrende, zum Teil 49-Euro-Ticketnutzende, aber auch Fahrradfahrende. Die Aussagen der Befragten im Alter zwischen 18 und 45 Jahren widersprechen einer ganzen Reihe der gängigen Vorurteile. So sei es etwa nicht zutreffend, dass Nicht-Fahrradfahrende sich der Anstrengung, des Wetters, der Frisur oder befürchteter Schweißausbrüche wegen gegen das Rad entscheiden. 
 
Auch spielte der Mangel an passenden Fahrradmodell keine Rolle. "Vielmehr gibt es viele, die sich auf zwei Rädern unsicher fühlen, andere lehnen das Radfahren hingegen ab, weil sie fürchten, aufgrund ihres körperlichen Zustandes eine noch höhere CO2-Schuld anzuhäufen".

Die Studie mit dem Titel "How refusing to cycle regularly weakens social cohesion" habe gezeigt, "dass die Verweigerer sich mehrheitlich in ihrer Blockadehaltung eingerichtet haben". Die meist bewusst gefasste Entscheidung gegen ein Fahrrad führten sie darauf zurück, dass sie einfach keinen Wunsch verspüren, eins zu besitzen oder gar damit unterwegs zu sein. 

"Andere geben auch an, sich bewusst zu sein, was Fahrradbesitz  bedeutet, wie viel Zeit und Energie die Pflege braucht, dass grundlegende Reparaturfähigkeiten vorhanden sein müssen und der Wille, das Rad immer mal zu putzen." Die Verweigerer aber "möchten ihre freie Zeit anders gestalten", zählt Armin Al-Hauzahn auf. 

Gegen ein Fahrrad


Viele hätten sich auch schon sehr früh gegen ein eigenes Fahrrad entschieden. Jeder Zweite gab an, bereits vor seinem 21. Lebensjahr gewusst zu haben, dass ihm oder ihr Fahrradfahren keinen Spaß mache. "Das Vorurteil, dass dabei eigene Unfälle oder schwierige Familienverhältnisse mit fehlenden Fahrradfahrvorbildern eine Rolle spielen, konnten wir nicht widerlegen."

Die Mehrheit der Verweigerer war sich seiner "zutiefst aktiven Entscheidung gegen das Verkehrsmittel der Zukunft" bewusst, leugnete aber, irgendeine Art von Schuldgefühl zu empfinden. "Das kommt nach Angaben der Betroffenen immer erst auf, wenn die sie in bestimmten gesellschaftlichen Situationen mit der Frage nach dem Warum ihrer Verweigerung konfrontiert werden".

Idealbild der Fahrradfamilie


Das geschehe häufig, sei doch das Idealbild der fahrradfahrenden Familie gesellschaftlich bereits so tief verankert, dass selbst grundlose Freizeitfahrten ein hohes Ansehen genießen, obwohl sie reine Energieverschwendung sind. Fahrradboykotteure täten Nachfragen jedoch zumeist leichthin ab. "Ohne einen Druck durch gesetzliche Regelungen, die Fahrradbesitz-  und Fahrradnutzung vorschrieben, werden große Bevölkerungsteile ihre Entscheidung gegen das Fahrrad nicht revidieren", ist sich Armin Al-Hauzahn sicher. 

Wichtig seien behutsame Richtlinien für Hartnäckige. "Man sollte ihnen erst mal eine Phase des Ankommens in der eigenen Entscheidung einräumen", sagt der Fahrradforscher. Umso sanfter man von seinem Umfeld in der Entscheidung bestärkt werde, umzudenken, umso weniger habe man das Gefühl, sich für frühere Verfehlungen rechtfertigen zu müssen. 

Fahrradlose im Visier


Angesichts einer aktuellen Quote von Fahrradlosen, die bei annähernd 37 Prozent der Bevölkerung liegt, sieht Al-Hauzahn den Kampf gegen die Fahrradlosigkeit als längeren Prozess. Gerade die Generation der Millennials, geboren zwischen Anfang der 80er und Mitte der 90er Jahre, habe in großstädtischen Zusammenhängen kaum mehr Bedarf am Fahrrad, in ländlichen Gebieten dagegen werde oft frühzeitig auf Moped und Auto umgesattelt. 

"Wenn wir hier die richtigen Erziehungsangebote unterbreiten, könnten die Betroffenen die erste Generation sein, die sich bewusst und offen für das Fahrrad entscheidet." Das wäre gesellschaftlich viel gesünder und würden anderen zeigen, dass ein fahrradloses Leben nicht als Misslingen bewertet wird, sondern als jederzeit revidierbares Lebensmodell. 

3 Kommentare:

Trumpeltier hat gesagt…

Fahrrad-Boom?

Das, was heute Pedelec heißt, zum Preis früherer guter Gebrachtwagen angeboten wird und schwächelnden Senoiren die Illusion von Tour-de-France-Kondition verschafft, weil sie mit Hightechhilfe Geschwindigkeiten und Entfernungen schaffen, die ohne unmöglich sind, hat mit Fahrad so wenig zu tun, wie E-Scooter mit Roller. Aber diese Poser-Bequemlichkeit beginnt ja bereits bei Jugendlichen, die es als 'stabil' bezeichnen, sich auf so einem rasanten Luxus-Ding kaum noch selber zu bewegen.

Auch dadurch wird diese Gesellschaft gespalten, denn teure Motoren sind nun mal Zusatzkraft, die sich nicht jeder leisten kann.

ppq hat gesagt…

das scheint mir eine abweichende meinung zu sein. ist das denn erlaubt?

Anonym hat gesagt…

Das musste ich doch schnell mal bei Top Gear nachgucken.