![]() |
Vier Nazititelseiten, eine davon ist im Originalzustand eine strafbare. |
Er ist immer da, präsenter als die meisten Hinterbänkler im Bundestag. Kaum eine politische Debatte endet, ohne dass Godwin's Law seine Richtigkeit beweist. Ein Hitler- oder Nazivergleich vorm Zubettgehen ist unerlässlich. Ob es um die Champagnernazis von Sylt geht oder um die Rückkehr der NSDAP im Glencheck-Sakko des Alexander Gauland, ob Trump etwas gesagt, getan oder gemeint haben könnte oder Putin neue Angriffe befohlen hat. Adolf Hitler und seine selbstausgedachten Propagandazeichen sind heute wirkungsmächtiger als jemals zuvor.
Hitlereske Titelbilder
Der "Spiegel" verwendet das Hakenkreuz regelmäßig, der "Stern" ist ausweislich seiner hitleresken Titelbilder fasziniert von dem, was ein früherer Bundestagspräsident das "Faszinosum" nannte. Jan Böhmermann klebt sich den Hitlerbart an, die "Heute Show" des ZDF hat im Kampf gegen Ösi-Nazis schon Wiener Schnitzel serviert, denen die frohe Botschaft anzusehen war. Kein Fußbreit den Faschisten. Aber ihre Symbolwelt, die gefällt.
Erlaubt ist, was Spaß macht, denn Satire darf bekanntlich alles. Nur eben nicht, wenn es der Falsche tut. Stefan Niehoff, ein Rentner aus Unterfranken, der berühmt wurde, nachdem er einen amtierenden Bundesklimawirtschaftsminister als "Schwachkopf" bezeichnet hatte, kostet diese Erkenntnis jetzt 55 Tagessätze zu je 15 Euro plus Gerichtskosten.
Verurteilt wurde der 64-Jährige allerdings nicht wegen seiner vermeintlich beleidigenden Bezeichnung des "Bündniskanzlers" Robert Habeck als schwachsinnig. Sondern weil Ermittler im Zuge der durch eine Strafanzeige des vormaligen Grünen Stars auf weitere mutmaßliche Straftaten des Verdächtigen stießen.
Strafbare Bilder
Niehoff habe "strafbare Bilder auf X" geteilt, urteilte das Amtsgericht in Haßfurt, einer Stadt, die wirklich so heißt. Im Gegensatz zum "Schwachkopf"-Meme, bei dem es sich um eine Ehrverletzung im so "niederschwelligen Bereich" handele, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf gar erst zur Anklage brachte, wiegen mehrere Grafiken schwer, die Niehoff nicht selbst erstellt, aber mit seinen rund 1.000 Followern geteilt hatte.
Eine davon zeigt eine grüne Spitzenpolitikerin aus Bayern auf einem nachgeahmten Spiegel-Titel neben der Überschrift "Das grüne Reich" in einer Pose, die an ein "Stern"-Cover erinnert, das dem amtierenden US-Präsidenten gewidmet war. "Sein Kampf" hieß die Geschichte, die Donald Trump "in Nazi-Pose" (Tagesspiegel) zeigte - Trump streckt den rechten Arm in einer Montage zum Hitler-Gruß aus. Es war der Beginn seiner Karriere als Wiedergänger aller Faschisten, die jemals gelebt haben.
Er ist es buchstäblich
Erst sieben Jahre später wird die Laufbahn des 45. und 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten als Zombie des Führers ein Ende finden: Im Oktober 2024, wenige Tage vor seiner Wiederwahl, erreichte Trump das letzte Level. Trump war jetzt nicht nur wie, sondern "buchstäblich Hitler".
Hätte Stefan Niehoff das "Stern"-Titelbild mit Trump teilen dürfen, ohne "strafbare Bilder bei X" weiterzuverbreiten? Wenn es sich doch bei einer Magazintitelseite, auf der "ein Körper" zu sehen ist, "der den rechten Arm zum sogenannten Hitler-Gruß ausstreckt", eindeutig um eine "Grafik mit NS-Symbolik" handelt? Geht es um den Körper? Den rechten Arm? Den sogenannten Hitlergruß?
Am Kopf auf dem Körper kann es nicht liegen, denn wie die auf Niehoffs Bild gezeigte Parteichefin der Grünen in Bayern hat auch Trump bisher weder einen Weltkrieg mit mehr als 50 Millionen Toten vom Zaun gebrochen noch sonst irgendein Menschheitsverbrechen begangen, das ihn dafür qualifiziert, auf eine Stufe mit Hitler gestellt zu werden. Gleiches gilt auch für Elon Musk, dessen "Hitlergruß-ähnliche Geste" im Januar so aufgeregt diskutiert wurde, dass die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder sich bemüßigt sah, Ermittlungen aufzunehmen.
Ermittlungen gegen Musk
Das Ergebnis war erschütternd. Die Wiedergabe von Musks Geste war echt. Nur ob es sich um einen Hitlergruß handelte oder um eine "soziale Geste", wie sie die damalige Bundespräsidentengattin Bettina Wulf im Jahr 2011 kurz nach der Amtseinführung ihres Gemahls auf den Stufen vor Schloss Bellevue gezeigt hatte, ist nach fünf Monaten intensiver Ermittlungen noch unklar.
Im Fall Niehoff, Privatier mit Wohnsitz in den Haßbergen, ging es deutlich schneller. Im August 2024 erfolgte über das Online-Meldeportal des Bundeskriminalamts die Anzeige wegen der ehrenrührigen Beleidigung des Robert Habeck als "Schwachkopf Professional".
Aus Anlass des alljährlichen Aktionstages zur Bekämpfung von Hasspostings von der Staatsanwaltschaft eine Aufhebung des Grundrechts auf Unverletzbarkeit der Wohnung des Mannes beantragt und wegen des Verdachtes einer Beleidigung einer "im politischen Leben des Volkes stehenden Person" ein Durchsuchungsbeschluss erlassen.
Die mutmaßliche Tat schien Staatsanwälten und Gericht geeignet sein, das "öffentliche Wirken" der beleidigten Person "erheblich zu erschweren", zumal es Robert Habeck zu jener Zeit ohnehin schon nicht mehr einfach hatte.
Mutmaßlich antisemitisch
Einmal vor Ort, stellte die Polizei ein Tablet sicher und als Kritik aufkam, dass das alles ja wohl unverhältnismäßig sei, fand sich darauf ein "mutmaßlich antisemitischer Post" (lto.de), der den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllte und Kritiker zum Schweigen brachte. Die Methode, wie man dem versteckt agierenden Hetzer auf die Schliche gekommen war, mochte für manchen Etepetete-Rechtsstaatler nicht ganz astrein gewesen sein. Aber hier war er nun, zufällig ins Netz gegangen, aber in kurzer Zeit so berühmt geworden, dass niemand ihn mehr so einfach vom Hakenkreuz lassen konnte.
Zu viel Kraft hatte die Zivilgesellschaft schon in das Verfahren gesteckt. Zu viel Energie hatten die Justizbehörden darauf verwendet, ihr konsequentes Vorgehen im Rahmen des Kampfes gegen Hass und Hetze als ganz und gar normal darzustellen. Was anders sollte es auch sein in einem Land, dessen größte Magazine wie seine erfolgreichsten Fernsehstars ohne Hitler und das Hakenkreuz so manches Mal nicht wüssten, wie sie ihre Leser und Zuschauer ordentlich aufrütteln können.
Der entscheidende Unterschied
Der entscheidende Unterschied zwischen Niehoffs Hitlergrußbildchen und dem erforderlichen "kritischen Gebrauch" der Zeichen und Symbole des Dritten Reiches liegt im Ungefähren. Nach einem Urteil des Bayrischen Oberlandesgerichtes von 2022 (204 StRR 116/22) muss Hitler auf einem Bild nicht einmal einen Hitlergruß machen, um ein verfassungsfeindliches Symbol zu sein.
Allein ein "Kopfbild Adolf Hitlers" sei schon ein verfassungswidriges Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar (BGH, MDR 1965, 923, juris Rn. 22). Damit wolle der Gesetzgeber verhindern, "dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen – ungeachtet der damit verbundenen Absichten – sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird". Denn das könne zur Folge haben, "dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können.
Wann es wirkt
Wann dergleichen Darstellungen welche Wirkung haben, ist schwer zu beurteilen. Ein Nachrichtenmagazin, das zehntausenden Menschen am Kiosk und im Internet ein Hakenkreuz zeigt, abgedeckt mit der deutschen Fahne, die Hitler so gar nicht mochte, bleibt straffrei. Eine Illustrierte, die den Staats- und Regierungschef eines Nato-Verbündeten als Hitlergrüßer darstellt, bekommt kein Problem.
Ein Rentner hingegen, der glaubt, mit der Verbreitung einer ähnlichen "Grafik" (Amtsgericht Haßfurt) vor seinen tausend Followern eine straffreie Meinungsäußerung zur Politik formulieren zu können, liegt grundfalsch. Beim Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen handele es sich um ein Gesetz, das "sehr streng angewandt" werde, hat ihm der Haßfurter Richter ins Stammbuch geschrieben. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum."
Das hat er nun davon
Doch wäre Niehoff wegen der "Strafbaren Bilder auf X", für die er jetzt verurteilt wurde, angeklagt worden? Wenn nicht die letztlich allzu niedrigschwellige Ehrverletzung mit dem "Schwachkopf" von den Beteiligten bei HateAid, im Bundesministerium und bei den bayrischen Behörden verwendet worden wäre, um einen Präzedenzfall zu schaffen, mit dem die Grenzen der Meinungsfreiheit neu gezogen werden sollten?
Wie die überharte Habeck-Beleidigung, die dem Minister das öffentliche Wirken erschwert hatte, verschwand auch der mutmaßlich antisemitische Post auf dem Weg zur mündlichen Verhandlung. Als weit und breit einziger Verbreiter der erst im Zuge der Habeck-Ermittlungen entdeckten "Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" muss der Weiterleiter nun 55 Tagessätze zu 15 Euro zahlen, insgesamt 825 Euro.
Es wird allen eine Lehre sein.
*Philipp Jenninger im Deutschen Bundestag, 1988, "ungeschickt und ohne hörbare Distanz" (Deutschlandfunk)
1 Kommentar:
Nazis immer von unten in die Nasenlöcher.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/csu-will-heidi-reichinnek-in-geheimdienst-aufsicht-verhindern-a-b4a764ed-79eb-49ff-9bbf-c9b712912fce
https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/113710e7-66ce-400c-9802-d231e432c7b4_w1840_r1.778_fpx56.65_fpy44.98.webp
Kommentar veröffentlichen