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Vor 25 Jahren wurde die Deutschland AG abgewickelt. Jetzt kehrt sie stolz zurück. |
Da ist sie wieder, die fürchterliche Verschwörung der Großkonzerne, die über Jahrzehnte im Verdacht stand, Deutschland als halbgeheimes Netzwerk an der kurzen Leine zu führen. In der Deutschland AG hatten sich Großbanken, die es damals auch hierzulande noch gab, große Versicherungen und die mächtigsten Industrieunternehmen zusammengeschlossen, um Politik zu machen.
Man tauschte Manager und Aufsichtsräte, man zog an einem Strang und in Bonn die Strippen. Die nationalen Champions waren gegenseitig aneinander beteiligt, sie hatten nicht nur Politiker in der Tasche, sondern auch Gewerkschafter und die Chefs der damals noch als Lobbygruppen misstrauisch beäugten NGOs.
Sagenhafte Deutschland AG
Die sagenhafte Deutschland AG hatte kein Statut und keine demokratische Legitimation. Die miteinander eng verflochtenen Unternehmen spielten nach außen Konkurrenz, doch wenn es um die Pflege der politischen Landschaft ging, um den Markt vor unerwünschten Wettbewerbern abzuschotten, trugen alle dieselbe Gießkanne. Der britische Ökonom Andrew Shonfield beschrieb die Deutschland AG als Kraft, die das Wirtschaftswunderland mehr prägte als Demokratie und Marktwirtschaft. Deutschland funktioniere wie eine einzige Firma, die nach innen Konkurrenz begrenze und nach außen Geschlossenheit demonstriere.
Das war zum Nutzen aller, denn der von Adenauer verfochtene Rheinische Kapitalismus galt als nette Alternative zum US-amerikanischen Konkurrenzkampf nach dem Wolfsgesetz. Ein Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, nur scheinbar von der Politik gelenkt, aber in Wirklichkeit so organisiert, dass vom Tisch der Herren der Deutschland AG für alle so viel abfiel, dass niemand sich beschweren konnte.
Globale Giganten
Dieses deutsche Modell geriet in Verruf, als die Deutsche Bank und die Allianz, mit ihren großen Industriebeteiligungen damals globale Giganten, keine Anstalten mehr machten, ihre Macht zur Regulierung der gesamten Volkswirtschaft immer unverhohlener nutzten, um direkt in die Wirtschaft zu regieren. Zu geballter wirtschaftlichen kam mediale, mit dem Neoliberalismus der Spaßgesellschaft um die Jahrtausendwende herum zeigte sich, dass die zentrale Lenkung und Leitung eines ganzen Landes nicht nur die Politik, sondern auch die Manager überforderte.
Auf der einen Seite riefen die Aktionäre nach Flexibilität und der Hebung stiller Bewertungsreserven. Auf der anderen verbreitete die deutsche Sozialdemokratie als damals noch mächtige Kraft der modernen Linken die These, das Verbände und Zusammenschlüsse, die nicht von Bürgern und nicht von Politiker geleitet werden, keine Prokura haben, das Vakuum zwischen Bürger und Staat auszufüllen, weil sie immer nur gruppenegoistische Ziele verfolgen.
Eigene Masse
Die Deutschland AG ging unter, zu Boden gedrückt durch ihre eigene Masse. Unzureichende Beweglichkeit, das schlechte Image und die vor 25 Jahren in Deutschland um sich greifende Neugier, ob vieles nicht auch anders gehe, standen an ihrem Grab und niemand weinte. Die Deutsche Bank machte weltweit Investmentbanking.
Viele andere nationale Champions gingen im Sturm unter oder ans Ausland verloren. Ganze 14 der früheren AG -Mitglieder sind heute noch im Deutschen Aktienindex vertreten, sie alle haben kaum mehr globale Bedeutung. Aus den Riesen wurden Zwerge, dafür gibt es Siemens nach mehreren Auf- und Abspaltungen gleich dreimal, Mercedes, Porsche und Fresenius zweimal.
Die Lage ist übel
Doch die Lage ist übel. Und die Sehnsucht groß, dass es wieder wie früher mögen werde. Corporaty Germany, ein Trümmerlandschaft aus Krisenunternehmen, soll aus der Asche auferstehen, so haben es Deutsche Bank und Siemens, zwei Überlebende der alten AG, beschlossen. Weg mit der "Überregulierung" (DPA), her mit einer "Innovationsoffensive", die dafür sorgt, dass "mehrere hundert Milliarden" im Land investiert werden.
Ein von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin angeschobener "Investitionsgipfel" (BWHF) - nicht zu verwechseln mit dem "Stahlgipfel", dem "Migrationsgipfel", den "Benzingipfeln" oder dem "Impfgipfel" - hat dem ZDF zufolge "mit Hochdruck die Weichen gestellt" auf sogenannte "frische Gelder". Diesmal nicht zwangsrekrutiert aus den Hosen- und Brieftaschen der nichtsahnenden Steuerbürger. Sondern aus den privaten Schatullen Überreicher und Meistverdiener, die sich am Wiederaufbau der früher so erfolgreichen Wirtschaft eine goldene Nase verdienen sollen.
Idee kommt von ganz links
Die Idee kommt von ganz links, für die Ausführung wollen die überwiegend eher rechtsdrehenden Konzernlenker sorgen. 631 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren haben sie Friedrich Merz bei einer Zusammenkunft im Kanzleramt versprochen. Selbst gemessen an den unendlichen Geldmengen, die der Kanzler und seine Koalition selbst aus dem Hut gezaubert haben, ist das eine Hausnummer.
Sie folgt zwar einem Vorschlag des abgewählten und abgetauchten Merz-Vorgängers Olaf Scholz, der im Wahlkampf versucht hatte, mit einem "Deutschland-Plan" und einer "Made in Germany"-Prämie die nationale Karte zu spielen. Doch erst die von der neuen Deutschland AG vorgestellte Initiative "Made for Germany" vermochte jetzt alle Medien zu überzeugen. Die Deutschland AG wird nicht mehr beargwöhnt und gehasst, sondern geliebt.
61 deutsche Firmen
Mehr als 61 deutsche Firmen seien dabei, sie alle hätten "verabredet, mit Investitionen in Deutschland den Wirtschaftsstandort zu stärken". Dazu würden bald Milliarden in "neue Werke, Anlagen und Produkte fließen". Nichts Genaues weiß noch niemand. Offen ist, was die neuen Werke an neuen Produkten herstellen werden, welche weltweit gefragten Dinge die Anlagen fabrizieren und wie aus "einer der größten Investitionsoffensiven, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gesehen haben" Rendite für die Investoren wird.
Zuletzt war das Zutrauen des Geldadels zum Standort dauerhaft mau. 2019 wurden noch 836 Milliarden Euro in Deutschland investiert, 2024 nur noch 770 Milliarden. Die Gründe sind bekannt. Zu hohe Energiepreise, zu altmodische Industrien, zu viel Bürokratie, zu wenige Fachkräfte. Dass eine von Siemens, Deutscher Bank und dem Rest der wiederauferstandenen Deutschland AG angekündigte Investitionsoffensive daran etwas ändert und Merzens "Wirtschaftswende" anschiebt, ist mehr frommer Wunsch als reale Zukunftsaussicht.
"Das ist ein sehr kraftvolles Signal dafür, dass wir einen Stimmungswechsel haben", hat Bundeskanzler das Treffen als ersten Erfolg im Kampf für den von ihm ausgerufenen Stimmungswechsel gedeutet. Nicht nur für Deutschland steht viel auf dem Spiel: Ganz Europa leidet unter der laufenden Deindustrialisierung in dem Land, das auserkoren ist, den Löwenanteil zum kommenden Rekordhaushalt der EU beizusteuern. Zwischen 60 und 64,3 Milliarden Euro jährlich wird Deutschland zahlen, insgesamt müssen mehr als 400 Milliarden erwirtschaftet werden, um die EU-Kommission zwischen 2028 bis 2034 mit den benötigten zwei Billionen Euro zu versorgen.
Besser als nichts
Um dieses knappe Viertel der Zahlungen zu stemmen, brauchte es eine Wirtschaft, die endlich wieder brummt. Auch für Deutschland wäre das wichtig: Nur wenn die Wirtschaftslokomotive des Kontinents im nächsten Planungszeitraum 420 Milliarden zahlt, kann sie mit Hilfszahlungen von fast 70 Milliarden rechnen. Damit würden Deutschlands Zuzahlungen zum Unterhalt der EU Jahr für Jahr um 50 Milliarden Euro über dem Betrag liegen, der aus Brüssel zurückfließt. Das wären 30 Milliarden weniger als bisher, wie die FAZ errechnet hat. Aber allemal besser als nichts.
Die Chancen stehen schlecht, aber die Schlagzeilen gehören schon den Ökonomen, die die Wende herbeiprognostizieren wollen. Die Rekordschulden, aufgenommen ohne klaren Plan, wo eigentlich wie viel Geld wofür gebraucht werden könnten, gelten als Gamechanger.
Die mikroskopischen Steueränderungen und marginalen Abschreibungsregeln hätten bereits ein "verbessertes Investitionsklima" geschaffen, lobt es allenthalben. Allein durch die 500 Milliarden, die in den Neubau z alter Brücke und die Reparatur von Straßen fließen sollen, werde sich die Wirtschaftsleistung um fünf Prozent erhöhen. Dazu jetzt noch Deutsche Bank, Siemens und der Rest der Deutschland AG, die "voll des Lobes für Merz und seine Regierung" sind. Viel kann nicht mehr schiefgehen.
1 Kommentar:
"verabredet, mit Investitionen in Deutschland den Wirtschaftsstandort zu stärken"
Das Zeitwort 'stärken' ist ein 100% Indikator für Bullshit.
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