Montag, 1. September 2025

Großer WindbEUtel: Strategie der permanenten Versprechens

Die Verbraucherschutzorganisation "Friends of Subsidiarity" aus Dresden hofft, dass EU-Chefin Ursula von der Leyen den Preis "Großer WindbEUtel" persönlich entgegennehmen wird.

Sie schauen genau hin, die legen den Finger auf jeden Posten, schauen in jede dunkle Ecke und prüfen auch die Führungskräfte auf Herz und Nieren. Die sächsische Verbraucherschutzorganisation "Friends of Subsidiarity" (FoS) hat sich seit Jahren der kritischen Beobachtung und Analyse staatsübergreifender Institutionen verschrieben.

Anfangs an "Pegida für Bürokraten" verhöhnt, ist die ausschließlich aus privaten Spenden finanziert NGO längst anerkannt. Und wenn FoS Mitte August zur Festveranstaltung zur Verleihung des "Großen Windbeutels" ins historische Grüne Gewölbe lädt, schaut die Republik in großer Erwartung nach Dresden. Der "Windbeutel" gilt als einer der renommiertesten Preise im Bereich "Bad Government" weltweit. Potenzielle Preisträger fürchten, den Wettbewerb zu gewinnen und dadurch öffentlichem Hohn und Spott preisgegeben zu werden. 

Alles muss stimmen, des Urteil gut begründet sein, da es von den Medien meist als Verurteilung begriffen wird. Mit besonderem Augenmerk hat die FoS deshalb in diesem Jahr einen ausgedehnten Praxistest der Europäischen Union vorgenommen: Hält die Staatengemeinschaft ihre Versprechen? Hat sie sich die passenden Ziele ausgesucht? Nimmt sie die Menschen auf ihrem Weg in die Zukunft mit? 

Nicht erst nach den ernüchternden Ergebnissen der Zollverhandlungen mit den USA, in denen es Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen in mehr 100 Tagen harten Pokerns gelungen war, dieselben Zollsätze wie Afghanistan zugestanden zu bekommen, sind die Zweifel groß. Und auch die Ergebnisse der Prüfung der EU durch die FoS sprechen eine deutliche Sprache: Zwischen den glänzenden Versprechen im Verkaufsprospekt der EU und der tatsächlichen Lebensrealität der EU-Insassen klafft laut FoS eine immer größere Lücke. Die EU sie eine "Versprechensmaschine", nennt es FoS-Chefin Sabrina Kabur. Allerdings vergesse sie zuverlässig, ihre Zusagen einzuhalten. 

Viel versprochen, nichts gehalten

Als Paradebeispiel dieser Entwicklung nennt FoS die Lissabon-Strategie, einen ambitionierten Reformplan, den sich die Europäische Union Anfang des Jahrtausends auferlegte. Ziel war es, Europa innerhalb von zehn Jahren – also bis 2010 – zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaft der Welt zu machen. Dabei wollte man ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, bessere Arbeitsplätze, mehr soziale Integration und einen deutlichen Schritt hin zu Umweltfreundlichkeit und Innovation schaffen. 

Nie weniger als alles erreichen zu wollen, so Kabur, sei für die EU vollkommen normal. Sie agiere stets am liebsten, indem sie fantastische Ziele ausrufe, die zu erreichen ihr sämtlich Mittel fehlen. Geradezu kontraproduktiv sei eine zweites, überlagerndes Muster, das die FoS-Prüfer entdeckten: Mit Hilfe gewaltiger Mengen bürokratischen und verwaltungstechnischen Vorgaben, den Angaben zufolge deutlich umfangreicher als jemals irgendwo anders im Verlauf der Menschheitsgeschichte, torpediere die Kommission ihre eigenen Vorhaben, indem sie jede Dynamik und alle Kreativität unter Papiergebirgen ersticke.

Ziele sind alles 

Ungeachtet der Tatsache, dass die EU drei Jahrzehnte nach ihrer Konstituierung durch die Maastrichter Verträge in sämtlichen Belangen zum Mündel Amerikas geworden ist, pflegt sie weiter das Auftreten eines Gutsherren. Aus der Phase, ihre eigenen Unternehmen zu bevormunden und in die Fesseln von zahllosen Richtlinien, Maßnahmepaketen und Erlassen zu legen, ist die EU herausgeschrumpft. Heute erhebt sie den Anspruch, dass ihre Vorgaben weltweit beachtet werden müssen. 

So sollen sich US-Firmen der speziellen Überwachungsvorschriften unterliegenden EU-Interpretation von Meinungsfreiheit verpflichten. Energie- und Warenlieferanten, ohne die Wirtschaft und Gesellschaft in der Gemeinschaft der 27 binnen weniger Tage zusammenbrechen würden, müssen sich auf Lieferkettengesetze, Digitale Serviceregeln und Schutzrichtlinien gegen den Einsatz moderner KI-Systeme verpflichten.

Immerhin können sie ausweichen, andere wandern ab. Die Unternehmen, die dazu verurteilt sind, am alten Standort weiterzuwirtschaften, quälen sich mit haltlosen Vorgaben zur Erhöhung der Beschäftigungsquote über Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben bis hin zur Verbesserung in Bildung und Digitalisierung, der Gewährleistung eines "Rechts auf Reparatur" und detaillierten Anweisungen, wie sich Aufsichtsräte getreu der - längst verworfenen - Lehre von den angeblich nur zwei Geschlechtern besetzen lassen. 

Erreichen auf halber Strecke 

Wie die FoS nach Abschluss ihrer Prüfung betont, blieb die Erreichung eines Großteils aller Ziele, die die EU-Kommission in den zurückliegenden 25 Jahren verkündet hat, "allenfalls auf halber Strecke stehen". Sabrina Kabur, die den Subsidiarity-Tüv selbst begleitet hat, nennt diese Interpretation betont "die freundliche". Schaue man auf Details, sei das Bild deutlich erschreckender: "Zwar wurden politische Papiere en gros produziert und die europäische Kommunikation in beispielloser Weise mit Innovationsbegriffen angereichert; jedoch zeigt unser Evaluationsbericht, dass die Europäische Union im Testzeitraum deutlich hinter die USA und China zurückgefallen ist."

Auch gegenüber kleineren, unabhängig agierenden Einheiten wie Norwegen, Kanada oder der Schweiz habe die Gemeinschaft Boden verloren. "Die wirtschaftliche Leistung pro Einwohner lag im Jahr 2017 in den USA bei 53.100 US-Dollar, in den EU-Mitgliedstaaten waten es 36.800 US-Dollar", rechnet Kabur vor. 2024 kamen die Vereinigten Staaten auf mehr als 85.812 US-Dollar, die EU kam auf knapp 44.000 Dollar. "Einem Anstieg von 60 Prozent in den USA steht einer von nur 18 Prozent in der EU gegenüber." Dabei hätten weder die Beschäftigungsquoten noch die Innovationsraten das gewünschte Level erreichte, die Arbeitslosigkeit sei nicht gesunken, die Armut ebenso wenig.

Der Lack ist ab 

"Der Lack der Hochglanzstrategie der EU ist schnell ab, wenn man ehrlich Bilanz zieht", fasst Sabrina Kabur zusammen. Hier sei natürlich der Grund zu finden, warum die EU-Kommission es stets vermeide, selbst über ihre Leistungen Rechenschaft abzulegen. "Das wäre in allen Zeitebenen, in allen Branchen, in der Wirtschaft wie in der Gesellschaft einfach nur blamabel." Statt technologischer Weltmarktführerschaft habe die EU deutlich unterdurchschnittlichem Wachstum, eine anhaltende Jugendarbeitslosigkeit und eine von den aktuellen Entwicklungen abgehängte Wirtschaft herbei reglementiert."

Versprechungen im Dauerbetrieb

Alles wird immer größer, wenn es die EU verspricht, und nichts trifft jemals ein. Das Urteil der Tester ist eindeutig: "KI Act, Chips Act und Green Deal sind nur die Spitze eines in der Hitze der Wirklichkeit schmelzenden EU-Eisberges", urteilt Sabrina Katur. Ihre Strategie der permanenten Versprechens setze die EU laut Friends of Subsidiarity bis heute fort – auf gescheiterte Mega-Projekten folgt jeweils die Ankündigung neuer Megaprojekte. Das Strickmuster sei immer das Gleiche: "Auch im Artificial Intelligence Act ("KI Act"), dem Chips Act und anderen aktuellen großspurigen Ankündigungen, die als  als weltweites Musterbeispiel für intelligente Regulierung angekündigt sind, ist das Scheitern von Anfang an eingeschrieben." 

Die EU ist weder Vorreiter noch wenigstens Nachtrab, doch sie erklärt sich fortwährend zum Sieger der Geschichte. Unter dem Vorwand, Grundrechte schützen zu wollen, beschränkt sie derzeit den Einsatz von Algorithmen, sie bremst den Trend zur Automatisierung und erhöht ihre Eigenansprüche an finanzielle Mittel, die sie vorgeblich benötigt, um ihre Ziele erreichen zu können. Bei den Verbrauchern, die konkret niemals gefragt werden, was sie von bestimmten Regulierungsvorhaben halten, kommen am Ende festgetackerte Flaschenverschlüsse, fehlende Funktionen in US-Apps und Anzeigen wegen freimütig geäußerter Kritik an.

 

Informationen in Fremdsprache 

Millionen Zeilen Verwaltungsenglisch, das sei es, was die EU für  200 Milliarden Euro im Jahr liefere – obwohl die meisten ihrer Bürger kein Englisch sprechen. Im Augenblick arbeitet der monströse Apparat an neuen Vorschriften zum Altersnachweis im Internet. Dieser Digital Service Act 2.0 werden weifellos als erneute Belästigungsmasche enden wie schon die berühmte "Cookie-Richtlinie", an der die Kommission angesichts der großen Kritik mittlerweile selbst Zweifel hat. "Da es Europa an eigenen Anbietern fehlt, bleibt die tatsächliche Kontrolle digitaler Big Player immer symbolhaft." 

Ähnliches gilt beim Chips Act der EU, der im Angesicht der Lieferengpässen während der Corona-Pandemie in heller Panik als Resilienzmaßnahme propagiert wurde. Europa sollte steuerfinanziert zu einem unabhängigen Hersteller von Halbleitern werden, um geopolitische Risiken abzufedern. Doch wie die Prüfer von FoS feststellen, fließt bisher der allergrößte Teil der Gelder entweder in langatmige Studien oder direkt zu internationalen Großkonzernen, die sich ohnehin bereits auf dem Kontinent angesiedelt haben. Dessen Standortnachteile seien zudem so groß, dass nicht einmal Angebote, bis zur Hälfe der Investitionskosten für neue Fabriken den Steuernzahlern überzuhelfen, ausreichen, Unternehmensführungen zu tragfähigen Investitionsentscheidungen zu überreden.

Dauerrückgang seit Maastricht 

Seit dem Abschluss der Maastricht-Verträge sind die Weltmarktanteile europäischer Firmen beständig gesunken. Mit ihnen sanken Wohlstand und Zufriedenheit in Europa. Das ursprüngliche zentrale Versprechen der EU, nur viele Staaten gemeinsam könnten dem alten Kontinent seinen Platz in der Welt sichern, hat sich längst als haltlose Parole entlarvt. Sowohl Norwegen als auch die Schweiz florieren deutlich besser. Die EU-Öffentlichkeit aber akzeptiere diesen Zustand inzwischen schicksalsergeben. 

"Am Ende entsteht daraus der Eindruck, dass ein großer Dampfer wie die EU sich zu schwer steuern lässt, der Wendekreis ist zu groß, das Schiff fährt zu langsam", sagt FoS-Analyst Felix Both. Nicht zuletzt trügen Fehleinschätzungen der eigenen Möglichkeiten dazu bei, immer weiter in die flasche Richtng zu laufen. "Mit dem Green Deal, der als das ehrgeizigste Klima-Großvorhaben des Jahrhunderts verkauft wurde, hat sich die EU vielleicht am schlimmsten vergaloppiert", sagt der Experte. 

Statt sich darauf zu konzentrieren, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sei für fernliegende Visionen von vollständigen Klimaneutralität bis 2050 Milliarden ausgegeben worde, die benötigt worden wären, um Ersatzinvestitionen in die alternde Infrastrukturund und die traditionelle Industrielandschaft zu tätigen. 

"Man verkündete eine ökologische Modernisierung sämtlicher Lebensbereiche, ohne auf die Kosten zu schauen, die selbst bei einer florierenden Wirtschaft nicht bezahlbar gewesen wären." Im Alltag vieler Verbraucher komme die Fehlallokation von Billionen Euro als Preissteigerung für Energie und Mobilität, Lebensmittel, Wohnen und gesellschafttlichen Umgang an." reagiert werde darauf mit umständlichen Förderprogramme und immer neuen Verordnungspakete, die selbstverursachte Schäden reparieren sollen. "Und schaut man genau hin, sieht man, dass die tatsächliche Emissionsreduktion, die ja als Hauptziel ausgegeben worden ist, nur noch aufgrund wirtschaftlicher Schwäche ereicht wird - und die zentralen Zielvorgaben trotzdem in weite Ferne rücken."

Verwaltung als Selbstzweck

Die Verwaltung von Not und Elend und Niedergang ist zum Selbstzweck geworden. Die FoS verweist in ihrer Analyse auf die hohen Kosten der EU-Bürokratie, die keinerlei Gewinn abwirft. Nach offiziellen Angaben der EU-Kommission verschlingt der Verwaltungsapparat etwa sechs des Gesamthaushalts. Das klinge bescheiden, ergebe aber eine Summe von astronomischen 17 Milliarden Euro im Jahr - 38 Euro pro EU-Bürger, fast 100 pro EU-Steuerzahler. FoS bezweifelt, dass diese Aufwendungen in einem angemessenen Verhältnis zum Schaden steht, den die Kommission mit ihrem Apparat anrichtet. "Dasselbe absurde Ausmaß an zentraleuropäischer Selbstbeschäftigung in Brüssel, die Innovationen ausbremst, könnte auch eine nationale Regierung liefern", so das Fazit. 

Im Zeichen fester Flaschendeckel

Beispiele, wie dieses Brüsseler Missverhältnis zwischen Aufwand und praktischem Nutzen aussieht, lassen sich laut Friends of Subsidiarity im EU-Alltag reichlich finden. Die vielleicht größte Innovation der letzten Jahre sei die Vorschrift über feste Flaschendeckel – ein Detail, das laut offizieller Mitteilung  Plastikmüll vermeiden soll.

"In Wahrheit sind die fest angeschraubten Deckel in erster Linie ein Alltagsärgernis für viele Bürger – und für die Hersteller ein Kostenfaktor, ohne dass wissenschaftlich belastbar nachgewiesen wäre, dass dadurch tatsächlich nennenswert weniger Plastik verloren geht", kritisiert FoS. Angesichts der Millionen Tonne  von Plastik, die in der EU Jahr für Jahr genutzt und entsorgt werden, würde selbst ein optimales Einsparergebnis durch die - offiziell natürlich auf Englsich - "tethered caps" genannte Deckellösung allenfalls Einsparungen im Promillebereich bringen. 

 

Nur noch schöner Schein

Friends of Subsidiarity resümiert: Die EU sei selbst eine wahre "Verpackungskünstlerin", die mit immer neuen, ambitionierten Ankündigungen, Aktionspaketen und Regelungsvorhaben den Eindruck zielgerichteter Bewegung zu erwecken versuche. Der tatsächliche Mehrwert der überbordenden Überverwaltung zeige sich jedoch nicht als Verbesserungen für den Alltag der Menschen. 

"Die Kosten des Apparats stehen aus Sicht unserer Prüfer in keinem angemessenen Verhältnis zum spürbaren Nutzen", fasst Sabrina Kabur zusammen. Für die historisch einmalige Mixtur aus Symbolpolitik, Regelungsirrsinn und mutwilliger Gängelung, die zu einem ebenso historisch einmaligen Vertrauensverlust in die Institutionen geführt habe, werde der Europäischen Kommission im Herbst bei einem feierlichen Festakt im Foyer des Straßburger Parlaments der "Große WindbEUtel" verliehen, ein eigens geschaffener nachhaltiger Preis, von dem man hoffe, dass Ursula von der Leyen ihn persönlich entgegennehmen werde.

"Es könnte eine Gelegenheit sein", hofft Sabrina Katur, "zusammen in sich zu gehen und eine Rückkehr zum Subsidiaritätsprinzips zu beschließen." Entscheidungen könnetn dann wieder dort getroffen werden, wo sie praktisch wirken – und nicht im fernen Brüssel. 



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was für eine Ehre für die EU und Ursula. Das waren es die Milliarden auf jeden Fall wert.